Stadtwanderung zum Klimawandel 6. Station Restaurant zum “Goldenen Schlüssel”: Wetterextreme und Klimawandel

Ganz alte Häuser in der Berner Altstadt sind selten. Das Rathaus ist von 1415. Auch das Münster stammt aus dem 15. Jahrhundert; fertig gestellt jedoch erst im 19. Jahrhundert.
Das Restaurant zum «Goldenen Schlüssel» rühmt sich, die älteste Gaststube der Berner Altstadt zu sein. Man schätzt ihr Alter auf ein halbes Jahrtausend. Es hat die Französische Besatzung 1798 erlebt, den Konfessionsfrieden von Aarau 1712, den Bauernkrieg 1653 und die Reformation 1528.
Und war schon ein Restaurant, als das Jahr ohne Wasser war.


Bilder: 1. Bild “1540”, 2. Bild “1816”

Das Jahr ohne Wasser
1540 gilt meteorologisch als Ausnahmejahr. 300 zeitgenössische Chroniken aus Europa und der Schweiz berichten einheitlich von einer ausserordentlichen Dürre. KlimahistorikerInnen rechnen übereinstimmend mit 11 Monaten, während denen es kaum oder gar nicht regnete. Selbst die Klimawissenschaft spricht von Megadürre und Jahrtausendsommer.
Christian Pfister von der Uni Bern beschreibt die Ausnahmesituation so: „Die Temperatur lag fünf bis sieben Grad über den Normalwerten des 20. Jahrhunderts, verbreitet muss die Temperatur im Hochsommer über vierzig Grad geklettert sein. Unzählige Waldgebiete in Europa gingen in Flammen auf, beißender Rauch trübte das Sonnenlicht, im ganzen Sommer 1540 wurde kein einziges Gewitter registriert. Schon im Mai wurde das Wasser knapp, Brunnen und Quellen fielen trocken, die Mühlen standen still, die Leute hungerten, das Vieh wurde notgeschlachtet. In Europa starben im Jahr 1540 schätzungsweise eine halbe Million Menschen, die meisten von ihnen an Durchfallerkrankungen.»
Angefangen hatte es 1539 in Südeuropa. In Spanien betete man, Gott möge es endlich regnen lassen. Italien kannte während des ganzen Winters von 1539 zu 1540 Temperaturen wie sonst im Juli.
Ausgelöst wurde das Ganze durch ein ungewöhnlich stabilen Hochdruckgebiet, das die atlantische Luft blockierte. Europa erwärmte sich, während dem in Russland ein anhaltendes Schauerwetter mit tiefen Temperaturen herrschte.
2016 erschien eine Studie, gemäss der eine Wahrscheinlichkeit von 20 Prozent besteht, dass es 1540 sogar wärmer war als 2003. Für uns ist das das der unvergessliche Jahrhundert-Sommer mit Temperaturen von mehr als 40 Grad Celsius.
Doch es gibt auch Unterschiede. Damals war das Ereignis ein Phänomen von 1 bis 3 Jahre je Region. 1542 ist in der Schweiz als kältester Sommer des bisherigen Jahrtausend bekannt.
Deshalb stören sich die Klimaforschenden heute auch nicht, dass 1540 mitten in der kleinen Eiszeit war. Es war eine krasse Anomalie, kein Klimawandel.

Das Jahr ohne Sommer
Das pure Gegenteil erlebte die halbe Welt übrigens 1816. Betroffen waren insbesondere der Nordosten Amerikas und der Südosten Europas.
Berichtet wird von schweren Unwettern mit ganzjährigem Schnellfall selbst in mittleren Lagen von 800m über Meer. Auch in der Schweiz schneite es im Juli an fast allen Tage bis in tiefe Lagen. Im ganzen Alpengebiet gab es katastrophale Ueberschwemmungen. Ernteausfälle waren verbreitet. Der Getreidepreis stieg, insbesondere in Schweiz.1817 zahlte man für Korn das Dreifache – vergleichen mit 1815.
Hungersnöte brachen vor allem in den Voralpen aus. Man soll da die «unnatürlichsten, oft ekelhaftesten Sachen gegessen haben, um den Heißhunger zu stillen, berichtet ein Chronist. Selbst Kinder habe man wie Schafe weiden sehen, um zu essen.
Zudem brachen Seuchen wie Typhus aus. Die Uebersterblichkeit stieg. In der Schweiz soll sie 20% über dem Mittel betragen haben.
Zeitgenossen bemerkten eine verbreitete Endzeitstimmungen. Man sprachen von «Achtzehnhundertunderfroren».
Die Ursache ist hier klarer. In Indonesien brach im April 1815 der Vulkan Tambora aus. Er wird als heftiger eingestuft, denn der des Vesuvs 79 nach Christus, als im Golf von Neapel die Stadt Pompeij in nur einem Tag unterging.
Rund um Tambora herum starben 1815 70000 Menschen. Ausgeworfen wurden 150 km3 Staub und Asche. Sie legten sich als Schleier um den Erdball. Der so ausgelöste Temperatursturz war bis 1819 beobachtbar.
Nicht zufällig gilt das Jahrzehnt von 1811 bis 1820 als das kälteste seit der Eiszeit überhaupt.

Einige Learnings
Was lernen wir hier?
Erstens, Extremwetter gab es in der Geschichte immer wieder.
Zweitens, Extremwetter haben erdgeschichtliche oder meteorologische Gründe.
Drittens, Extremwetter wirkten sich meist nur einige Jahre aus.
Viertens, erst das gehäufte Auftreten von Extremwetterlagen sind ein Zeichen für eine Klimawandel.
Heute sagt man, anhaltende Verschiebungen über mindestens 30 Jahren sind die Voraussetzungen für die Verwendung von Klimawandel.
Weder 1540 noch 1816 war das so. Wetterextreme verdichten sich erst seit 30 Jahren, werden wir noch kennen lernen.
Bilder: 1. Bild “1540”, 2. Bild “1816”