medienbilder, menschenbilder: roger de weck aus der ferne und der nähe

über roger de weck, den neuen generaldirektor der srg, ist seit gestern schnell viel geschrieben worden, das so sicher wie das amen in der kirche tönt. ich habe bei den dreharbeiten zur sternstunde geschichte einen ganz anderen menschen kennen gelernt.

SCHWEIZ SRG GENERALDIREKTOR DE WECK
roger de weck, kurz nach seiner wahl zum generaldirektor

letzten sommer bin ich mit roger de weck einmal quer durch die schweiz gereist um vier sendungen der “sternstunde geschichte” zu drehen. im aufstieg zum nufenen begann er unvermittelt über sich und seine familie zu erzählen.

pierre de weck, eine treues cvp mitglied aus dem freiburgischen, war chef einer kleine regionalbank, bevor diese an die sbg verkauft wurde und rogers vater den aufstieg in ersten bank der schweiz suchte. dieser führte ihn bis an die spitze des verwaltungsrates des instituts – ein amt, das er als erster katholik inne hatte. noch bevor die sbg mit dem sbv zur ubs fusioniert wurde, ging pierre de weck in pension. doch machte der bankier aus berufung das nur halb, denn bald schon wurde zur sanierung der vatikanbank nach rom berufen, wo er im hohen alter definitiv kürzer treten wollte, von den greisen kardinälen aber gehindert wurde, weil sie fürchteten, selber schon mit 80 zurücktreten zu müssen. und so wirkte der kürzlich verstorbene, arbeitssame schweizer so lange es ging.

roger de weck selber bezeichnet sich gerne als kulturkatholik. er weiss, aus welche milieu er stammt, und dass das seine sozialisation geprägt hat. doch haben sich die freiheiten der individuen auch vergrössert, sodass eine strenge anpassung an die traditionelle lebensweise angesichts der wertwandels nicht mehr erforderlich sind. der gelernte ökonom aus der hsg-kaderschmiede verbrachte sein ganzes leben in städten: in genf und zürich, hat er die urbane lebensweise schätzen gelernt, ist er mehrsprachig in wort und schrift geworden, und hat er als leidenschaftlicher journalist über wirtschaft und gesellschaft berichtet.

zweimal war roger de weck bisher chefredaktor einer zeitung gewesen: beim tagesanzeiger, während der ewr-entscheidung, und bei der zeit, in den jahren danach. das hat ihm insbesondere im nationalkonservativen spektrum der schweiz den ruf eines euro-turbos eingebracht. mit dieser etikette kann er selber wenig anfangen. denn für ihn sind es die veränderten realitäten, welche die schweiz zu ihrem vorteil zwingen, sich mit der eu, wirtschaftlicher interdependenz und neuen kulturelle trends. das er dabei ein glühener verehrer des eu sei, bestreitet er glatt weg.

stolz erzählt er mir, wie es ihm gelungen sein, das genfer hei, dem institut für internationale studien, in den letzten jahren neu zu lancieren, geld für eine neubau der instituts zu finden, und die genfer wirtschaft davon zu überzeugen, dass sich investitionen in offene und gepflegte internationale beziehungen wirtschaftlichen und kulturell lohnen. geholfen hat ihm dabei kein geringerer als christian lüscher, dem ehemaligen fdp-bundesratskandidaten, wie er nicht ohne schalk erzählt.

nun ist roger de weck zum neuen generaldirektor der srg ssr gewählt geworden. mich hat es gefreut, denn ich halte ihn für einen der fähigsten schweizer publizisten, der weit- und überblick hat, und dennoch eine spezielle liebe zur schweiz bewahrt hat. mich freut auch, dass man nach jahren, in denen man sich von managern klassischer art, die vor allem sparprogramme kennen, sich selber bereichern und rasch wieder fort von ihren wirkungsstätten sind, einen integren kulturmenschen mit intellektuellem format an die spitze einer nationalen institution stellt.

die überraschung bei der verkündung der wahl gestern war gross, die freude verbreitet, auch auch der aufschrei im lager der gegner de wecks war nicht zu überhören. eigentlich bin ich überzeugt, dass das mit gutem willen überbrückt werden kann. denn roger de weck kann zu hören, entgegenkommen zeigen, ohne seine standpunkte zu verleugnen und damit substanziell gegensätze integrieren. für verständigung braucht es aber immer zwei seiten.

wahrscheinlich hat roger de weck das von seiner familie gelernt, welche aus aristokratischer verbundenheit den liberalen bundesstaat von 1848 bekämpfte, verfolgt wurde, sich dann aber arrangierte und in der kultur gemeinsamkeit von gegensätzen vollwertig aufgegangen ist. das bewies roger de weck, als er, oben auf dem nufenen, die motorenbremse rausnehmen liess und mit dem schuss aus den alpen mit seinem team ideen für eine weitere staffel von sternstunden geschichte für das schweizer fernsehen entwickelte.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „medienbilder, menschenbilder: roger de weck aus der ferne und der nähe“

  1. Nun hast Du sicher einen Kommentar von mir vermutet. Geht nicht, denn ich steh immer noch sprachlos da.
    Einzig diesen Piepser erlaube ich mir: Wenn wir schon Gebühren zahlen, sollten wir doch auch ein Mitspracherecht bei der Vergebung eines so heiklen Postens haben. Und wenn schon wir, das Volk, nicht entscheiden dürfen, so sollte es ans Parlament deligiert werden, so würde nämlich eine gewisse Transparenz entstehen.

  2. einer der ersten, der sich laut und deutlich hinter die wahl von roger de weck zum neuen generaldirektor der srg stellte, war roger schawinski.
    für rogen blum, emeritierter professor für medienwissenschaft in bern, der die wahl im heutigen sonntag analysiert, liegt das ganz im trend.
    seine these ist, die hauptaufgabe der medien sei die herstellung von öffentichkeit. und dafür brauche es unverändert den journalismus.
    genau das hätten die vielen mediemmanager der jüngsten zeit, allesamt oekonomen, juristen oder druckereifachleute, übersehen. sie hätten den flaggschiffen ihrer verlage mittel entzogen, um sie in neue produkte zu stecken, die sie wie jedes andere gut vermarkten wollten.
    doch nun kehrten die marginalisierten journalistInnen an mehreren fronten zurück. weil nur der journalismus die informationsflut ordnen und gewichten kann. und weil zwischen den obersten etagen der verlage den büros der redaktoren die gleichen journalistischen tugenden gelten müssten.
    konkret nennt blum roger schwanski, roger köppel und roger de weck als zeichen genau dieser trendwende.

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