spuren eines autonomen gottesstaates

bischof kurt koch wurde heute erzbischof in rom. unvergessen ist seine kontroverse mit dem röschenzer pfarrer franz sabo, während der er forderte, das recht der kriche über das des staates zu stellen. ein hauch des autonomen gottesstaates, der dem basler bistum zugrunde liegt, kam damals zum ausdruck. nachzeichnen kann man diesen auch in der eigentümlichen wahl des bischofs, bei der das eigene domkapitel und nicht der papst entscheidet.

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der basler bischof kurt koch, zum erzbischof für ökumene nach rom berufen, braucht einen nachfolger, dessen wahl weltweit ein unikum ist.

die stadt basel hatte seit dem 5.jahrhundert ihren eigenen bischof. 999 wurde er durch schenkung des burgundischen kloster moutier-grandval nicht nur seelsorger, sondern auch reichster grundherr insbesondere im juragebiet. der kaiser stützte den basler bischof als seinen vasallen gegen den papst, als ein ebenso epochaler wie fürchterlicher streit über die vorherrschaft über die bistümer mit geistlichen und weltlichen grundlagen entstand.

markanstester vertreter dieses mischtyps aus oberpfarrer und reichsfürst zugleich war bischof burkard von fenis im 11. jahrhundert. ganz kaiserlich eingestellt, begleitete er heinrich iv. in seiner berühmten reise nach canossa. das söhnte sich dieser mit dem papst aus, um weltlicher herrscher in deutschland zu bleiben. burkard sicherte seinem bistum in der folge viele privilegien, sodass ein veritabler lokaler gottesstaat entstand. zwar legte 1122 der papst die hand auf die wahl des basler bischofs, doch seine starke stellung als oberster seelsorger und reicher grundherr sicherte ihm und seiner diözese autonomie.

geblieben ist bis heute die geistliche herrschaft des basler bischofs, während die weltliche schrittweise verloren gegangen ist. zuerst wurde man durch die habsburger bekriegt, dann wandten sich die basler bürger von ihrem vormaligen stadtherrn ab. der bischof emigrierte nach pruntrut, wo sein feudalreich als ländliches exil bestand hielt, während das domkapitel vorerst in freiburg, dann in arlesheim für die seelsorge seiner pfarreien zuständig blieb, und die wahl des bischofs selber entschied.

das revolutionäre frankreich bereitete dem alten bistum ein unschickliches ende. zuerst wurde das elsass kirchlich französisch, dann besetzen die truppen aus paris auch die ländereien. nach den niederlagen von kaiser napoléon auf den europäischen schlachtfeldern entschied der wiener kongress 1815, das bistum als territorialstaat ganz aufzuheben und seine gebiete den eidgenossenschaft zuzuschlagen, ohne daraus einen eigenen kanton zu machen. dafür stärkten die konservativen herrscher in wien den neuen basler bischof als oberster hirte seiner pfarreien. 1828 erhielt er als bischof von basel mit sitz in solothurn die katholiken beider basel, des aargaus, schaffhausens, des thurgaus, berns, luzerns und zugs zugeteilt. 523 pfarreien sind das heute, 1 million katholikInnen gehören zur kirche.

gewählt wird der nachfolger von kurt koch genauso wie dieser gewählt wurde, und genauso wie es seit langem brauch ist. denn das domkapitel, bestehend aus vertretern der kanton nimmt die wahl des bischofs vor, auf die die kantonsregierungen einfluss nehmen, bevor der papst die wahl bestätigen kann. dieses weltweite unikum ist genauso wie das rechtsverständnis, das in der röschenzer kontroverse bei bischof koch aufblitzte ein relikt aus dem autonomistischen gottessstaat, der im hochmittelalter unter dem oberhirten und reichsfürsten burkard entstand, in der reformation gekappt und nach der französischen revolution zerschlagen wurde, als kirchliches wesen im bistum basel aber unverändert weiter lebt.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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