der heutige geburtstag der modernen schweizerischen eidgenossenschaft

abgestimmt hatte man eigentlich schon am 6. juni 1848. gemäss protokoll waren 15,5 kantone dafür, 6,5 dagegen. an stimmen zählte man 145’584 auf der ja- und 54’320 auf der nein-seite. doch erst am 12. september hielt die tagsatzung fest, die neuen bundesverfassung sei angenommen. seither gilt dieser tag als gründungstag der zeitgenössischen schweizerischen eidgenossenschaft.

P1010765dr. jonas furrer, der erste bundespräsident der schweizerischen eidgenossenschaft 1848, erinnerungsstatue in seiner geburtsstadt winterthur

das vergessen

von einer geburtstagsfeier ist heute allerdings nichts zu spüren. gut, die heutige “sternstunde geschichte” behandelte wenigstens das thema der nationalen souveränität und der internationalen einbindung der schweiz als staat und volkswirtschaft. kein wort verlor indessen bundespräsidentin doris leuthard heute zum thema, und auf der website des bundesrates findet man ebenso wenig dazu. funkstille, wie schon in den vorjahren!

vielleicht ist es die scham über die art, wie die erste volksabstimmung, mit der die schweizerische eidgenossenschaft zustande gekommen war. bis heute weiss man nicht, wie viele stimmberechtigte es damals gab. man kennt auch die beteiligung nicht. einzig, dass 199’904 gültige stimmen registriert wurden, ist belegt. doch zählte man nicht einmal in allen kantonen gleich. in luzern addierte man die abwesenden zu den befürwortern, ganz nach dem motto, wenn man schon nein sagen durfte und es nicht tat, kam das einem ja gleich. krasser noch war die entscheidung im kanton freiburg. der mehrheitlich liberale grosse rat fürchtete das konservative nein des volkes, sodass er entscheid, die neue verfassung auch ohne volksabstimmung gutzuheissen.

das erinnern
hintergrund dafür war der sonderbundeskrieg von 1847 gewesen. zur verteidigung der föderalistischen eigenheiten souveräner kantone gegen die zentralistische vereinheitlichung zur nation schweiz hatten sich die mehrheitlich katholischen kantone zur wehr gesetzt. nach zwei schlachten der liberalen freischärler gab man den plan auf, in luzern mittels putsch ein liberales regime zu installieren. dafür schlossen sich die kantone luzern, schwyz, uri, nid- und obwalden, fribourg und valais zu einem geheim gehaltenen schützbündnis, dem sonderbund, zusammen. als dies 1846 bekannt wurde, kam es zu proteststürmen in den liberalen kantonen. die stimmung radikalisierte sich. kantone wie st. gallen kippten auf ihre seite, sodass man die nötige mehrheit hatte, den sonderbund per tagsatzungsentscheid aufzulösen.

der luzerner konstantin siegwart-müller appelierte nun ans ausland, insbesondere an die adresse österreichs. im innern machte er vorschläge, die kantonsgrenzen neu zu ordnen: so sollten das berner oberland und das simmental obwalden und resp. dem wallis, die katholischen bezirke des aargaus luzern angegliedert und glarus zwischen schwyz und uri aufgeteilt werden. zudem war ein eigener kanton pruntrut vorgesehen. damit war die konfessionalisierung des konfliktes komplett.

die tagsatzung ordnete darauf die kanton luzern, schwyz, fribourg und valais an, ihre jesuiten, sichtbare aushängeschilder der katholischen, auszuweisen. nach erfolglosen verhandlungen intervenierte sie unter dem genfer general henri dufour in luzern und fribourg militärisch. nach gut 3 wochen bürgerkrieg hatten sie noch vor weihnachten 1947 gesiegt.

im revolutionsjahr 1848 machte sich ein ausschuss der tagsatzung daran, auf den liberalen und radikalen kantonsverfassungen der regenerierten kantone eine bundesverfassung auszuarbeiten. das reformwerk wurde in kürzester zeit fertiggestellt und zur entscheidung vorgelegt, um eine grundlage für einen bundesstaat auf parlamentarischer ebene gründen zu können. anders 1798 war es diesmal keine ausländische macht, die eingegriffen und eine verfassung diktiert hatte. doch handelte man auch diesmal revolutionär: genauso wie der bundesvertrag von 1815 den aufgelösten sondernbund nicht zugelassen hätte, weil er sich gegen andere kantone wendete, hätte der bundesvertrag nur einstimmig aufgelöst werden dürfen.

der krieg und der sieg der liberalen und radikalen hatte dies alles obsolet gemacht. mit der volksabstimmung aber sicherte mobilisierte man die kraft der bürgerschaft und sicherter sich mit ihr auch die legitimation, den bund auf einer neue verfassung aufbauen zu können. der bundesvertrag von 1815, den der wiener kongress verordnet, aber auch garantiert und den die tagsatzung unter einem wechselnden vorsitz zu vollziehen hatte, endet mit der feststellung des abstimmungsergebnisses über die bundesverfassung am 12. september 1848. die unregelmässigkeiten der abstimmung in luzern und fribourg übersah man genauso grosszügig wie die opposition der sonderbundskantone, verstärkt durch ablehnungen der verfassung in appenzell ausserrhoden, zug und tessin. es waren eben revolutionäre zeiten.

aus dieser schweizerischen revolution gingen fünf zentrale institutionen des neuen bundesstaates hervor: die stände, das volk, die bundesversammlung, der bundesrat und das bundesgericht. der nationalrat repräsentierte das volk, und der ständerat machte das für die kantone. und: der austritt aus der schweizerischen eidgenossenschaft war nicht mehr möglich!

die historische würdigung
die historikerInnen würdigen den schritt von 1848 als mutigen fortschritt, der sich neu an der amerikanischen bundesverfassung mit den zwei parlamentskammern ausrichtete. einen eigentlichen präsidenten wählte man indessen nicht. abgestimmt wurde in der bundesversammlung einzeln über sieben mitglieder des bundesrates, die dann, für ein jahr, einen präsidenten aus ihrer mitte bestellten. zum sitz der bundesbehörden wurde bern erklärt. politisch wurde man keine nation wie frankreich, verabschiedete man sich aber auch von den souveränen kantonen nach österreichischem geheiss. über krieg und frieden entschied nun der bund, ebenso über staatsverträge und streitigkeiten im innern. wirtschaftlich orientierte man sich am gemeinsamen raum, und mit dem bundesgericht sollten die rechtshändel letztinstanzlich einheitlich beurteilten werden.

geboren war die schweizerische eidgenossenschaft als bundesrepublik, ohne dass sie diese bezeichnung je angenommen hätte. denn die orientierung an staatsrechtlichen begriffen war nicht das wichtigste, was es jetzt brauchte. vielmehr stand die konsolidierung des bundesstaates nach aussen und innen im vordergrund, denn der revolutionäre funke, der 1848 in halb europa ausgebrochen war, erschloss angesichts der konservativen reaktion der monarchen rasch, sodass die schweiz der einzige staat ist, der von dauer aus ihr hervor gegangen ist.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

5 Gedanken zu „der heutige geburtstag der modernen schweizerischen eidgenossenschaft“

  1. Die Luzerner Methode zur Volksabstimmung bringt mich recht zum schmunzeln.
    Eigentlich keine schlechte Idee, da mir vor allem die Begründung “Man hatte ja Gelegenheit NEIN zu stimmen” gefällt.
    So sollte man es inskünftig auch handhaben, vielleicht würde das schlussendlich die Stimmbeteiligung erhöhen. Wobei, es heisst doch, dass die Nichtstimmenden mehrheitich auf der Seite der JA- oder je nach Thema auf der NEIN-Seite wären. Obs stimmt?

    Danke für die schriftliche Sternstunde, so konnte die mündliche noch ein wenig nachwirken.

  2. das weiss man letztlich nicht. eine auswertung der vox-analysen nach den abstimmungen, die auch nicht-urnengängerInnen befragen, zeigte vor 10 jahren meist keine wirklichen unterschiede. das hängt damit zusammen, dass die mehrheit der nicht-teilnehmenden keine wirklichen stimmabsichten haben.
    in drei fällen gab es aber unterschiede:
    bei der armee, den steuern und dem tempolimit. in allen drei fällen wäre die opposition grösser: weniger armee, weniger steuern, mehr raser …

  3. “Dass hängt damit zusammen, dass die Mehrheit der Nicht-Teilnehmenden keine wirklichen Stimmabsichten haben”??
    Das bitteschön musst Du mir erklären. Logisch, hätte ich als Nicht-Teilnehmende auch keine Stimmabsicht, aber dennoch hätte ich eine Meinung zum Thema.
    Weniger Armee, weniger Steuern? Da grassiert die rosarote Welle. Da es aber um Nicht-Teilnehmende geht, fällt es auch nicht zu arg ins Gewicht.
    Aber lass uns zu den Rasern kommen. Anfänglich dachte ich, Du meinst die 120kmh-Beschränkung, aber über die wurde nicht abgestimmt, sondern befohlen. Ja, ich würde auch gerne mit einem 200-hunderter durch die Gegend blochen, sofern Platz vorhanden wäre.
    Aber ich glaub, Du meinst die Raserinitiative die noch gar nicht abgesegnet ist.
    Oder irre ich mich da?

  4. du schon, wobei ich davon ausgehe, dass du gehst.
    nun gibt es ca 20 prozent die nie stimmen, und je nachdem 10-50 prozent die fallweise nicht stimmen.
    da haben bei weitem nicht alle eine meinung, vielleicht bloss einen eindruck, oder kümmern sich gar nicht um politische fragen.
    zum tempo: nein ich meinte die tempo 130 initiative der autopartei, seinerzeit.
    übrigens: ob das rosarot drin ist, glaub ich nicht. der schluss war eher, dass es für keine partei “bindungsfähige” potenziale sei, eher punktuelle.

  5. Gehen tu ich zwar nicht, aber ich stimme jeweils schriftlich ab. Und darum verstehe ich nicht, wenn man in Zürich schon auf diesen Luxus zurückgreifen kann, die Stimmbeteiligung nicht höher ist. Nicht mal die Ausgabe einer Briefmarke brauchts.
    Aber die Nichtstimmenden sind dann die, die am lautesten schreien. Warst du zum Thema abstimmen frage ich dann jeweils. Ein erstauntes NEIN kommt dann, gekoppelt mit der Erklärung sie gingen nicht abstimmen, weil die da oben in Bern eh machen was sie wollen.

    Oder die, die sich über die vielen Ausländer aufregen. Da frag ich dann halt was sie bei der Personenfreizügigkeit gestimmt hätten. JA heisst es dann jeweils und ziehen grübelnd von dannen.

    Ist die Autopartei nicht eine Absplitterung der SD? Hab null Ahnung um was es bei dieser Initiative ging.

    Aber Du weisst, dass ich mich erst ab dem Jahr 2000 für die Politik zu interessieren begann. Anfänglich aber sehr zaghaft. Angefressen bin ich erst seit ca. 3-4 Jahren.

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