debattieren will immer wieder gelernt sein

ende monat mache ich einen ausflug ins oberland. zu den debatten an den nationalen konferenz der jugendparlamente. danach will ich im berner oberland auch wandern gehen.

2-1die debatte von elżbieta woźniewska

sicher gab es in meiner jugendzeit gelegentlichen streit mit meinen eltern. doch das war letztlich alles tand. denn die prägende auseinandersetzung hatten wir eines sonntags in einem restaurant nach dem herrlichen braten, als es um religiöse toleranz ging. ich war ein junger gymnasiast, der eben das theaterstück “nathan der weise” des aufklärers gotthold ephraim lessing gelesen hatte, und ich trug die ideen des dramas meiner mutter und meinem vater mit verve vor.

meine eltern, beides katholikInnen, die im sinne des ökumenischen konzils lebten, waren zunächst überrascht. denn meine härteste aussage war, dass keine religion die wahrheit für sich beanspruchen könne, vielmehr alle grossen religionen ausdruck einer kulturellen entwicklung der menschheit seien, die vor gott gleich seien.

mit dieser debatte emanzipierte ich mich zugleich von der kirche wie auch von meinen eltern. mit ihr lernte ich aber auch, dass selbst harte debatten, die tiefe wurzeln der überzeugungen berühren, respektvoll geführt werden müssen, wollen sie nicht einfach kampf mit siegern und besiegten sein, sondern auseinandersetzungen, die alle weiterbringt, im idealfall auf einer neuen stufe der erkenntnis zu einigkeit führt.

nun wurde ich vor einigen wochen angefragt, an der nationalen konferenz der jugendparlamente teilzunehmen. motto der dreitägigen veranstaltung ende oktober, die im berner oberland ausgerichtet wird, ist, “auf dem gipfel debattieren zu lernen”. das hat mich an meine eigene jugendzeit erinnert und angesprochen. erwartet werden 200 jugendliche, die in lokalen jugendparlamenten der schweiz aktiv sind. treffen werden sie sich in interlaken, grindelwald und auf der jungfrau. das wird hoffentlich nicht nur in höhenmetern eine steigerung der debatten geben, die jugendliche selber führen sollen, um die wohl grundlegendste form der politik zu erlernen. mit ihr geht es darum, das pro und contra in einer sache herauszuarbeiten, im wechselspiel der argumente vorzutragen, um das ergebnis von dritten beurteilen zu lassen. denn die weisheit soll aus dem urteil der vielen, die sich so eine meinung bilden, entstehen.

adolf ogi, der ewig junge und zuversichtliche, wird die konferenz wie immer gekonnt eröffnen. dann sind die jugendlichen in zahlreichen arbeitsgruppen an der reihe. ich werde versuchen, im abschliessenden plenum die debatte über die zukunft der politischen schweiz zu bereichern. ich denke, über grundlegende überzeugungen der schweizerInnen zu sprechen, über das politische im alltag und im parlament, über die aktuelle regierungsreform, und über die voraussetzungen, dass die hoffnung angesichts aller polarisierungen, die wir in den letzten 20 jahren erlebt haben, nicht stirbt. denn es geht mir mit dem auftritt darum, dass sich junge menschen, die so eigen sind, bewusst bleiben, jede und jeder einzelne träger der kollektiven weisheit zu sein, an der wir teilhaben, wenn wir uns demokratisch mit uns selber auseinandersetzen …

… und eine tollen ausflug in die natur nicht vergessen!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

2 Gedanken zu „debattieren will immer wieder gelernt sein“

  1. Die Zukunft der politischen Schweiz? Bedeutet zu erkennen: Die Welt zu erkennen. Wieder einmal auf eine Weltkarte zu schauen. Schweiz mit einem Kontinent Afrika zu vergleichen. Zum Beispiel. Diesen kleinen Fleck Schweiz auf der Weltkarte: Schweiz! – Jugendliche zu ermuntern, nur schon mal einen Schritt über die Grenze zu wagen: Ein Studium in Deutschland, oder Italien oder Frankreich.Oder über den grossen Teich, oder in Kairo oder in Teheran. – Ziegler gelesen? Ziegler gelesen? Ich kann das xfach wiederholen. Der Hass auf den Westen? – Ziegler ist einer der wenigen Schweizer, der hier etwas grundlegendes wirklich verstanden hat und versucht, dies weiter zu geben. Unser Eurozentrismus – was man als Schweizerin schon gar nicht in den Mund nehmen kann. Also: Unser Schweizerzentrismus…. : Wieder einmal eine Weltkarte anschauen. Die Kugel, den Atlas. Sich dazu ein paar wenige Gedaken machen: Bitte Stadtwanderer, ermuntere diese junge Menschen mindestens dazu, sich virtuell schlau zu machen. Unsere Macht in der Welt, sind die Banken, die mit uns wenig zu tun haben. Unsere Stärke in der Schweiz, sind letzlich KMU. Nicht mehr und nicht weniger. Vor allem die kleinen KMU. Das mag jetzt banal klingen. Letzlich aber geht es darum, den Jugendlichen zu sagen: dass Demokratie nicht per se kommt und dass manchmal etwas nach Demokratie ausschaut, letzlich aber nicht mehr und nicht weniger als alltägliche Gewohnheit ist, sofern die Kasse stimmt.

    “denn meine härteste aussage war, dass keine religion die wahrheit für sich beanspruchen könne, vielmehr alle grossen religionen ausdruck einer kulturellen entwicklung der menschheit seien, die vor gott gleich seien.”

    Da hast du bereits als Jugendlicher die ganze Welt im Kopf gehabt. – Vermittle das, genau das diesen Jugendlichen. Sie sollen deinen Lessing lesen und gleichzeitig die Tagespolitik im Auge behalten. – Debattieren will gelernt sein. Aber wofür? Um Recht zu behalten oder wirklich ge-Recht zu sein. – Amen. – Das war mein Wort zum Mittwoch.

  2. hallo eisvogel, deine kommentare/gedanken sind immer eine bereicherung! Ich finde, die stärke der schweiz ist (möglicherweise) im polit-kulturellen bereich (also minus banken, kmus ect.) neben einer unglaublichen arbeitsdisziplin und exaktheit halt doch der demokratische diskurs (auch wenn es je nach parteikulör halt sehr unterschiedlich ist, das zuhören und gelten lassen der anderen meinung (auch wenn das manchmal “billig” scheinen mag, weil man weiss, in der abstimmung gewinnt man eh – oder eben nicht – aber das hier ist ja eine vorgelagerte, grundlegendere stufe)) und eine gewisse skepsis der obrigkeit gegenüber. Das halte ich für mich als eine der stärken der schweiz im int. vergleich, so quasi für die idée suisse. gleichzeitig ist es aber wie von dir ja auch angetönt, wichtig, dass man nicht selbstverliebt gebannt nur auf sich schaut, sondern eben über die grenzen hinaus. allerdings scheint mir, dass oft schon ein blick der dt.CHler (vor allem östlich der aare) in die romandie ein solcher schritt wäre und mindestens gleich stark auch der umgekehrte blickwechsel(gestrige sprachendebatte im infrarouge auf tsr war ja wirklich spannend!).

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