undemokratisch?

ich tagi von gestern stand folgender, bemerkenswerter leserbrief:

undemokratisch.gif

quelle: tages-anzeiger, 3. juni 2008

über die schlussfolgerung will ich mich hier nicht äussern. wir machen weder für noch gegen parteien werbung. der erste satz indessen ist bemerkenswert.

der souverän ist der inhaber der obersten staatsgewalt. in monarchien ist das der könig. in republiken indessen ist es das volk.

die schweiz ist seit 1848 eine republik. die staatsgewalt ging damals vom volk (der nation) und von den kantonen (den staaten) aus, und sie verband sich im bundesstaat.

in repräsentativen demokratien bestimmt der souverän über die verfassung, und er nimmt die wahl der organe wahr, die demokratisch legitimiert sind. in der schweiz ist der souveränitätsbegriff seit 1874 weiter entwickelt. denn volk und stände müssen auch über einzelne verfassungsänderungen resp. -zusätze entscheiden, und das volk kann auch über gesetzesänderungen abstimmen, wenn es will.

wenn sich der souverän bei den abstimmung vom wochenende in undemokratischer art und weise über den volkswillen hinweg gesetzt hätte, hätten sich die stimmenden, die kantone und ihre aktiven bürgerInnen, die den souverän bildeten, mit ihrem direktdemokratischen akt über den volkswillen hinweg gesetzt. doch der volkswille wird in direkten demokratien nicht anders als mittels volksabstimmungen bestimmt. das kann nicht undemokratisch sein!

logisch gesehen geht das also nicht auf. es gibt meines erachtens nur zwei möglichkeiten, dem problem zu entrinnen:

erstens, die stimmbürgerInnen, die sich in volksabstimmungen äussern, und die Kantone, die sich so auch vernehmen lassen, wären nicht mehr souverän.

oder zweitens, der volkswille wird mittels einer neuartigen, mir weiters nicht bekannten form bestimmt.

bin gespannt, wer mir das problem löst!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

45 Gedanken zu „undemokratisch?“

  1. Ein bisschen wirr, der Typ! Der hätte wohl am liebsten, die SVP sei das Volk, deren Delegiertenversammlung lege den Volkswillen fest, und CB sei dann der Souverän.

  2. Also undemokratisch wars mal sicher nicht, nur ist zu bedenken, dass nicht die Mehrheit der schweiz zum resultat geführt hat sondern eine minderheit hat das resultat ergeben..44% wahlbeteiligung ist keine mehrheit..aber man kann ja die leute nicht zwingen an die urne zu gehen!!

  3. Die Begriff sind unscharf, wenn auch nicht so, wie sich das der Herr Koch vorstellt.
    Man sprach ja auch lange vom Souverän, der sich im Volkswillen äusserte, als man die Frauen davon ausschloss. – Der Souverän ist nicht der Souveräne und schon gar nicht die Souveräne.

  4. Vermutlich ist Herr Koch das Volk, und wenn die Abstimmung nicht so ausgeht, wie er will, ist der Volkswille missachtet.

  5. Ach, das ist doch ein ironisch gemeinter Leserbrief, der das Demokratieverständnis der SVP brandmarken soll, und der vom Tagi liebend gerne abgedruckt wurde.

  6. Ich finde das Inserat souverän daneben. Es lässt tief blicken in eine bestimmte Vorstellungswelt, und es zeigt, wie jemand versucht, die Wirklichkeit zurechtzubiegen, wenn sie eben nicht in die eigenen Vorstellungen passt. Zudem scheint es mir ein verzweifelter Versuch von “Begriffsokkupation” zu sein, von wegen souverän.

  7. Winfried hat wohl recht: Der will uns auf den Arm nehmen. Wer’s nicht glaubt: Schon seine Berufsbezeichnung im Telefonbuch widerspricht einem so unlogischen Leserbrief… Und wer dann noch etwas weiter gräbt, merkt bald, dass das ein lustiger Vogel sein muss.

    Womit wieder einmal bewiesen wäre, wie gläsern wir Bürger im Internet doch alle sind und wie ernst wir immer alles nehmen, dass in schwarzen Lettern auf Papier gedruckt wird.

  8. doch noch eine nachfrage: wenn man den volkswillen mit “schweigende mehrheit” übersetzt, geht die (partei)logik doch wieder ganz auf.
    und dann zweifle ich an winfrieds und titus’ einschätzungen …

  9. Was der Souverän ist? – Schon klar: Das sind die kleinen gelben Männlein, die überall im Land in
    den Urnenkästen sitzen und das Resultat machen.

  10. Die Stimmenden sind nicht identisch mit den Stimmberechtigten.

    Die Stimmberechtigten sind nicht identisch mit den Erwachsenen.

    Die Erwachsendenen sind nicht identisch mit den Einwohnern.

    Das Volk aber wir eigentlich durch die Einwohner gebildet.

    Erschwerte oder oder erleichterte Einbürgerung hin oder her!

  11. Unmöglich, dass sich Jemand mit realem Namen und Wohnort für eine Finte des Tagi hergibt.

    Der Arme wird auch sonst schon wegen seiner unglücklichen Wortwahl telefonisch bombardiert werden.

    Den Satz kann man drehen und wenden wie mal will, man kommt auf keinen Nenner. Ausser er bezog sich beim Volkswillen auf die erste Meinungsumfrage, die ein ca. 70%-iges Ja ergab. Dann hingegen wär es eine Meinungsmehrheit gewesen. Je länger ich diesen Satz lese, um so einleuchtender wird er, sofern er auf diese 70% bezogen ist.
    Wenn es denn so ist, dann stimmt seine Wortwahl doch. Musst Dir nur mal darüber Gedanken machen. Nimm dann nicht Souverän = gleich Volk, sondern geh rein vom Volkswillen aus.

    Glaub aber, der Herr Koch wäre der Einzige, der zu seinem Leserbrief eine plausible Antwort abgeben wird.

  12. @ Stadtwanderer
    Jein. Wenn von der “schweigenden Mehrheit” alle gegen das Endergbnis sind, dann könnte man sicher von Missachtung des Volkswillens sprechen. Aber das wissen wir nicht genau und ist auch wenig wahrscheinlich. Die schweigende Mehrheit könnte ja auch dafür gewesen sein.

    Stillschweigen gilt in unserer Gesellschaft in der Regel als Einverständnis. Wer also sein StimmRECHT nicht wahrnimmt, ist mit dem Ergebnis einverstanden (oder es ist im egal) – ungeachtet davon, wie es ausfällt. Wen dem nicht so wäre, müsste er/sie eben sein Stimmrecht wahrnehmen.

    Würde man somit allen Nicht-Stimmenden jene Antwort zuordnen, die der Mehrheit der Stimmenden entspricht (in diesem Fall ein “Ja” allen 56 % Nicht-Stimmenden), dann wäre der Ja-Stimmen-Anteil sogar noch höher…

    Das mag vielleicht zu einfach sein. Sicher ist eines: Wenn die 56 % Ferngebliebenen dagegen gewesen wären, dann dürfen sie den 44 % Stimmenden nicht die Schuld fürs Endergebnis geben.

  13. @Titus
    Ich kann Dir nur zustimmen. Merke schon lange, dass Du genau wie ich eine höhere Stimmbeteiligung hättest. Vor Jahren schon wollte ich meine Bekannten zum Abstimmen motivieren, mit jeweils der gleichen Antwort: Warum? Die dort oben machen ja eh was sie wollen, war jeweils die Antwort. Das war vor Jahren, aber so wie ich mir kürlich sagen liess, tendiert die Meinung des Volkes wieder in die genau gleich Richtung wie dazumal.

    Aber wie ändern? Ist die Menschheit wirklich nicht mehr interessiert? Ist sie doch zu einer Wohlfühlgesellschaft verkommen? Ist sie einfach zu faul? Wobei im Zeitalter der schriftlichen Abstimmung sollte das doch kein Problem sein. Nicht überall, aber es ist doch auch schön, im Gemeindehaus wieder mal alte Bekannte an so einem Abstimmungssonntag zu treffen.
    Oder sind es doch die zuvielen Abstimmungen und Wahlen, fühlen sich diese Menschen überfordert?
    Ich kenne die Antwort nicht.

  14. jetzt ist aber eine tolle diskussion entstanden. gerne gehe ich auf das eine oder andere ein:

    zuerst einmal zum sachverhalt, die nicht-stimmenden (auf die eine oder andere art) zu zählen.

    das hatte in der schweiz mal fast schon tradition. die erste verfassung, über die in der schweiz abgestimmt worden ist, ist die zweite verfassung der helvetischen republik. die volksabstimmung vom 25. mai 1802 ergab:

    92’423 nein
    72’453 ja

    die verfassung galt als angenommen, weil man die

    167’172 bürger, die nicht gestimmt hatten, mitgezählt hatte, und zwar auf die ja-seite.

    die argumentation damals war: die notablen, die die verfassung ausgearbeitet hatten, waren dafür. sie repräsentierten bereits das volk (wenigstens in der damaligen vorstellung). den aktivbürgern unterbreitete man den vorschlag der genehmigung (heute würde man sagen: obligatorisches verfassungsreferendum). und nun kommts: wer dagegen war, hatte nun gelegenheit bekommen, das zu sagen, deshalb interpretierte man, die nicht stimmenden automatisch als zustimmende.

    doch das gehört echt zur vorgeschichte des bundesstaates, und der demokratischen bestimmung des volkswillens. heute sind solche interpretation verpönt, – zu recht sage ich da. die nicht-stimmenden kann man weder der einen, noch der anderen seite zuordnen. sie sind ganz einfach nichtstimmende, also solche, die sich für k e i n e der beiden seiten entschieden haben.

    unser institut hat übrigens im rahmen der vox-analysen lange untersuchungen gemacht, ob wie die nicht-teilnehmenden gestimmt hätten. der schluss war ernüchternd. erstens, die meisten menschen, die nicht stimmen, wissen effektiv nicht, wie sie gestimmt hätten. zweitens, die nicht-stimmenden, die wissen, wie sich gestimmt hätten, neutralisieren sich meistens. drittens, latente abweichungen hiervon gibt es bei drei themenbereichen: der armeekritik, der steuerkritik und der kritik an verkehrslimiten. in allen fällen würden die ergebnisse von volksabstimmungen kritischer ausfallen für den staat, also negativer für die armee, für die steuereintreiber und für verkehrseinschränker. doch in keinem fall konnten wir nachweisen, dass das zu einer anderen mehrheit geführt hätte.

    es bleibt: der volkswille ermittelt sich durch die aktiv und eindeutig stimmenden, und es gibt kein belegt, dass sie für die gesamtheit der stimmberechtigten keinen repräsentativen entscheid fällen. der volkswille kann nicht anders als über volksabstimmungen bestimmt werden.

    nun, zu ates vorschlag, meinungsumfragen miteinzubeziehen äussere ich mich noch. aber ein wenig später, habe hunger …

  15. titus, du bist doch wie ich eigentlich ein glarner. kannst du dir erklären, was heute in der svp passiert ist ???
    ich höre, die grösste fraktion im parlament hat sich aufgelöst. wie im bündnerischen, bilden die dissidenten der svp eine eigene fraktion. und wollen sich den demokraten in graubünden anschliessen. ich bin ja schon ein bisschen “paff”.

  16. @ ate
    war fein, cervelats, solange es noch häute gibt, schätz ich einfach. mit käse und zwiebeln vermischt, und einer sauren sosse das, einfach ein klassiker.
    nun zu meiner vorfrage: wie nur kommst du auf 70 %, aufgrund der ersten umfragen zur einbürgerung. du wolltest ja mit mir wetten, aber kann vor abstimmungen einfach nicht. also liess ich das thema. jetzt will ich es aber genau wissen. die erste umfrage zur einbürgerung ergab: 48 dafür, 37 dagegen und 15 unentschieden, unter den 41 prozent, die teilnehmen wollten.

  17. Wenn Du erwähnst, dass die meisten Nichtstimmenden nicht wissen, wie sie gestimmt hätten, wenn die, die sich eine Meinung bildeten, aber dennoch nicht an die Urne gingen auch nicht abstimmten, dann wirft das Fragen auf und genau diese Fragen habe ich in meinem Kommentar an Titus gestellt.

    Die 70% habe ich von irgendwoher, mit Sicherheit entsprangen sie nicht einem Wunschgedanken aus meinem Hirn.

    Sorry mein Lieber, ich bin mir nicht bewusst, dass ich je erwähnte, dass man Meinungsumfragen in die Abstimmungen miteinbeziehen sollte. Aber froh wäre ich Dir, wenn Du mir noch die %-Zahlen der zweiten Umfrage durchgeben würdest.

    Willst mich wieder zäuggeln bezüglich der Cervelats gell? Da gebe ich Dir aber grad konter. Du unwissender Koch, einen Cervelatsalat macht man mit gehäuteten Würsten, demzufolge wär es bei Deinem heutigen Cervelat sehr egal gewesen, ob die Haut aus Argentinien oder der Schweiz stammt. Ich persönlich beisse nun wirklich nicht gerne in einen Darm rein, sei er jetzt einheimischer oder ausländischer Herkunft.
    Aber das Thema ist dennoch irgendwie, nicht interessant,aber lustig und dennoch traurig.
    In Burma hungern und dursten die Menschen, klar, die Hilfsgüter würden parat stehen, aber eben, diese armen Menschen hungern und dursten, und ihr (nicht ich, muss gesagt sein) macht sich Sorgen über den Fortbestand unserer Nationalwurst.

    Ich werde mit den Eindrücken der Art Basel ins Bett gehen, hoffentlich nicht davon träumen, aber Dir wünsche ich schöne Träume.

  18. @ Stadtwanderer zur Stimmbeteiligung:
    “Ja” und “nein” zu schreiben, sollte jeder noch hinkriegen. Aber viele sind wohl schon durch die zahlreichen Umschläge überfordert, die da einem mitgeschickt werden.

    Dann kommt die Fragestellung hinzu: “Stimmen Sie dem Bundesbeschluss über xyz zu?” Wie? Was? Bundesbeschluss worüber? Du verstehst, was ich meine…

    Schliesslich noch die Vorlage(n) an sich: Um diese zu verstehen, muss man mindestens die mitgelieferten Unterlagen durchlesen und das ist halt komplizierter, als nur ein “ja” oder “nein” zu schreiben…

    Daher mein Fazit: Überforderung.

    @ Stadtwanderer zur Anrechnung der Stimmen:
    Es soll Staaten geben, die sich ständig für die Demokratie einsetzen. Trotzdem wird dann derjenige NICHT Präsident, der mehr Stimmen beim Volk erhalten hatte. Darüber entscheidet weniger demokratisch ein Gericht…

  19. @ Stadtwanderer
    Hab’ was vergessen, wollte noch einen Vorschlag unterbreiten, wie man die Leute an die Urne bringt: “Allen Stimmbeteiligten wird nach der Stimmabgabe gratis eine Cervelat abgegeben!” 😉

  20. @ ate
    gut, dann lassen wir das mit den 70 prozent. im moment.
    zur frage, ob die 48 für die initiatve, und die 37 dagegen dem volkswillen näher kommen als das abstimmungsergebnis, würde ich nein sagen.

    der volkswille kann sich nur in einem institutionell geregelten verfahren äussern. das sind abstimmungen, für die zentral ist, dass es vorher eine willensbildung in den demokratisch gewählten behörden gab (der regierung und dem parlament also) und in der öffentlichkeit während eines abstimmungskampfes das pro und contra abgewogen wurde. denn das allein befähigt die berechtigten und interessierten bürgerInnen sich ihre eigene meinung zur vorgelegten sache zu bilden.

    bei uns sind das ausschliesslich volksabstimmungen.

    die 48/37 aus der ersten umfrage sind, würde ich mal sagen, eine volksmeinung.
    sie sind der vorläufige stand der meinungsbildung zu einem thema, die sich aus der alltäglichen erfahrung mit eben diesem thema ergibt. da initiativen meist themen aufgreifen, die öffentlich bekannt sind und schon mal ansatzweise verhandelt wurden, kann man schnell mal eine meinung zu diesen themen äussern.

    nicht aber zum inhalt, den man selten kennt. diesen erarbeitet man sich erst während eines abstimmungskampfes und eines meinungsbildungsprozesses, und das kann sehr wohl zu einem meinungswandel führen. kurz: vor einer kampagne reden die leute über das problem, am ende eine kampagne entscheidet mindestens ein gewichtiger teil über die lösung.

    deshalb beobachtet man bei umfrage zu volksinitiativen fast immer die gleiche entwicklung von einem anfänglichen “ja” zu einem schliesslichen “nein”. das trifft übrigens auf linke wie rechte volksinitiativen zu.

    also waren die 48/37 (15) mitte april der stand der meinungsbildung zur einbürgerungsinitiative mitte april, bei dem man annehmen konnte, nein: musste, dass es sich noch nicht um den volkswillen handelte, sondern um eine meinung oder vorläufige entscheidung. die zweite umfrage (mitte mai) ergab dann fast schon erwartungsgemäss 33/56 (11).

    huch, jetzt bin ich ein wenig lang geworden. aber das ist halt mein business.

    ps: mehr bildliches dazu unter http://www.kommunikationsblog.ch/blog/261/
    ps2: jetzt gibts noch erdbeeren (ohne jede haut), und dann schlafen. auf die sachen von titus antworte ich dann morgen.

  21. @ Stadtwanderer
    Würde heissen, wir erkaufen uns die Unterschriften mit einem Cervelat und das darf es dann wirklich nicht gewesen sein.

    @ Titus
    Jeder Stimmbürger bekommt so eine rote Broschüre mit in die Abstimmungsunterlagen. Die die sich im Vorfeld bereits ihre Meinung gemacht haben, werden und müssen es nicht mehr lesen. Der Stadtwanderer schrie, die einen wissen nicht wie stimmen, die anderen haben zwar eine Meinung, aber das Wohlergehen der Schweiz ist ihnen egal. Und die dritte Sparte (und nun kannst Du mich Stadtwanderer hochhaus zu Deinem Blog rauswerfen)ist die, die nicht mal fähig ist, diese rote Broschüre verständlich zu lesen.

  22. Darf ich Dir lieber Stadtwanderer Deine Erläuterungen morgen beantworten?
    Bei mir gibt es weder Erdbeeren (waren das importierte, klar doch, die Schweizerischen sind noch nicht nach) mit oder ohne Haut, dafür aber eine wunderbare Nacht eingesäuselt mit Oldie-Musik. Kennst Du das Lied Eloise von Barry Rain? Dieses Lied liebe ich seit Jahrzehnten, aber seit ich auf dem Stadtwanderer reinschreibe, interpretiere ich immer mit: sie soll gehen.

    Nur ganz kurz noch, Du schriebst mir mal, Du wünschstest Dir mehr Gelassenheit für mich, ich stelle aber momentan eine Verkrampfung bei Dir fest.
    Wende den Ratschlag den Du mir gabst bei Dir an, ich wurde dabei lockerer.

  23. zu ate:
    klar, doch, keine sorge. ich heute und morgen in genf. werde schauen, dass ich zwischendurch in ein internet cafe kann.
    die erdbeeren übrigens waren aus der schweiz, die ersten, die es auf dem berner markt gab.
    hoffentlich bald wieder gelassener,
    stadtwanderer

  24. @ titus
    rund 35 prozent der stimmberechtigten beteiligen sich regelmässig an (eidg.) volksabstimmungen. sie haben eine hohe routine entwickelt, politische fragen zu beantworten. bei ihnen gilt die überforderung nicht.
    rund 40 prozent nehmen nur dann teil, wenn sie sich betroffen fühlen, und wenn sie sich eine meinung bilden konnten. alle miteinander gehen kaum je stimmen (ausnahme: ewr). deshalb schwankt die stimmbeteiligung über 35 prozent in abhängigkeit von den themen.
    dass diese gruppe vor allem dann stimmen geht, wenn sie zu einem schluss kommt, ist eigentlich ein gutes zeichen. man beteiligt sich dann, wenn man sich äussern kann.
    25 prozent beteiligen sich eigentlich nie an volksabstimmungen, interessieren sich nicht für politik und sind überfordert, sich eine meinung bilden.
    nun ist die entscheidend frage, ob es gut oder schlecht ist, dass die leute aus der mittleren gruppen sich fallweise beteiligen, fallweise nicht.
    ich bin der meinung, dass es schlechter ist, wenn man hier eine hohe stimmbeteiligung anstrebt, und die leute zu einer entscheidung zwingt resp. für/über sie entscheidet. ich finde den individuellen entscheid, sich zu beteiligen oder nicht, eindeutig ehrlicher.

    ps1: hätten wir noch den urnengang, wäre die cervelats idee natürlich prächtig. doch haben wir heute weitgehend nur noch den postgang. da frage ich mich, ob man die briefkästen wirklich zu klein-metzgereien umfunktionieren soll.
    porco fidelio zum trotz!
    ps2: auschlüsse (aus dem blog) sind nicht mein ding. mir fehlt die zeit dazu, und, ein parteivorstand, der mit das sagen würde!

  25. zu allen:
    übrigens genial, was dieser leserbrief und die diskussion dazu an besuchen ausgelöst hat. innert zweier tages ist daraus der bestbesuchte beitrag auf dem ganzen neuen stadtwanderer geworden!
    merci an allen, die sich interessen oder sich auch äussern.

  26. Ich möchte euch gerne einen Leserbrief aus dem Tagi abschreiben, denn ich meine, diese Schreiberin brachte das Thema auf dem Punkt.
    “Danke, Jürg Koch aus Schafisheim für Ihre Zusatzlektion für Einbürgerungswillige und schlecht informierte Schweizer. Nach dem Motto “Wir sind das Volk” hat die SVP allein den Volkswillen gepachtet, der undemokratische Rest der Bevölkerung nennt sich Souverän.

  27. @ Florian
    Zu Deiner Frage bezüglich Glarner „Dissidenten“: Ich denke, man muss das Ganze in einem grösseren Zusammenhang betrachten. Ich sehe dabei zwei Hauptaspekte:

    a) Lokal / National oder Stadt / Land
    Mit den SVP-Leitthemen „Kein EU-Beitritt, kriminelle Ausländer ausschaffen, Steuern senken“ mag man auf nationaler und urbaner Ebene gut poltern, aber im lokalen und ländlichen Bereich beschäftigen die Leute andere Themen: Wie finanziert man die Schulhaus-Renovation? Was unternimmt man bezüglich drohender Schliessung des letzten Dorfladens? Wen könnte man noch überzeugen, im Gemeinderat den vakanten Sitz zu übernehmen? Soll man Schulklassen mit der Nachbargemeinde zusammenlegen? usw.

    Pragmatische Lösungen sind gefragt – und keine Polarisierungen. Die Parteizugehörigkeit spielt deshalb auch nicht so eine grosse Rolle. Ich vermute denn auch, dass es auf Gemeindeebene am meisten parteilose Politiker gibt (obwohl – der Anteil Parteiloser ist im Moment auch im Bundesrat relativ hoch 😉

    Und obschon die Parteizugehörigkeit lokal nicht eine so grosse Rolle spielt, gehört man doch eben dieser einen Partei an und sollte auch das (er)tragen können, was UND WIE auf nationaler Ebene proklamiert wird – oder man steigt eben aus…

    Die Glarner sind sich vielleicht gerade auch wegen ihrer Landsgemeinde eine andere Lösungsfindung gewohnt. Man diskutiert gemeinsam miteinander. Jede und jeder kann mitreden. Und im Gegensatz zu Landsgemeinden anderer Kantone oder zu Urnen-Abstimmungen gibt’s nicht nur ein „ja/nein“, sondern kann’s auch ein „ja, aber/nein, aber“ geben (Änderungsanträge). Das erlaubt, eine Sache abzuschwächen oder zu verschärfen. Es geht somit nicht um „alles oder nichts“, einem Prinzip also, das der Polarisierung Vorschub leistet.

    b) Aufbruchstimmung herrscht
    Man will raus aus der „Randregionen-Lethargie“ und vorwärts machen, sich weiter entwickeln und tut dies auch sehr engagiert. Kantonales Stimmrecht ab 16, Gemeindereform (zu 3 Einheitsgemeinden) oder Glarner Sprinter sind einige gute Beispiele für diesen Drang nach vorn (für Unkundige: Das letztgenannte Beispiel ist kein Energy Drink aus Schabziger, sondern eine spezielle Zugsverbindung zum HB ZH).

    Da passt die SVP nach „Hardliner-Methode“ einfach nicht rein. Das zeigte sich auch deutlich an der ersten, ausserordentlichen Landsgemeinde, welche die Glarner der Jungen SVP zu verdanken hatte und an welcher erneut der fraglichen Gemeindereform mit überwältigendem Mehr zugestimmt wurde (und damit eine schallende Ohrfeige der Jungen SVP zukommen liess).

    Abschliessend wage ich eine Prognose: Wenn sich Martin Landolt im 2011 als Gegenkandidat zu jenem heutigen Ständerat aufstellen lässt, der viel grosse Töne von sich gibt (z. B. in einem „Club“) und gerne im Windschatten von alt-BR C. B. steht, dann verliert die SVP im 2011 im Nationalrat mindestens einen Sitz. Die beiden Sitze sind ja „seit jeher“ in bürgerlicher Hand, daran wird sich wohl kaum etwas ändern. Aber seit der letzten Ersatz-Wahl im April, an welcher beinahe auch der FDP-Sitz an die SVP ging, hat die FDP noch eine Rechnung mit der SVP offen. Daher könnte sie bei den nächsten Wahlen eher mit den „neuen Liberalen“ zusammenspannen, welche auch thematisch näher zur FDP stehen und weniger mit der SVP…

  28. @ Stadtwanderer
    Äxgüsi wenn ich nochmals nachhake zu Meinungsbildung und Meinungsumfragen: Viele Meinungsumfragen werden publiziert, bevor wir diese wunderbare Broschüre erhalten. Also viele haben schon eine Meinung, bevor die “Behördenpropaganda” 😉 ins Haus flattert. Obwohl man von sich nicht auf andere schliessen soll, behaupte ich, dass vorher aber die wenigsten irgendwo im Internet den Text einer Initiative nachgelesen haben, der dann ja auch in der fraglichen Broschüre steht. Nun interessieren mich zwei Fragen:
    1) Hat die Zustellung und der Zeitpunkt der Zustellung dieser Broschüre, also der Informationen darüber, worum es geht, spürbaren Einfluss auf die Meinungen (z. B. weniger “weiss nicht” oder grössere Verschiebungen von ja zu nein und umgekehrt, weil man nun weiss, worum es eigentlich geht).
    2) Gibt es irgendwie einen Beleg oder eine Studie, die aufzeigen, dass die Meinungen vor Zustellung der offziellen Infos vorgefasste Meinungen sind oder die Meinungen “seiner” bevorzugten Partei sind und die Stimmenen eigentlich gar (noch) nicht wissen, worum es geht?
    Kurz: Wieviel ist “echte” Meinungsbildung und wieviel ist nur “Meinungsübernahme”?

  29. lieber titus
    zu 1) in der regel nein. die antwort ist aber nicht einfach, weil nicht alle die infobroschüre gleichzeitig erhalten resp. sich ansehen. man kann die frage aber negativ beantworten: einmal, selten sind die beispiele, wo meinungstrends erst in den drei letzten wochen einsetzen. meist beginnen die entwicklungen davor und werden dann verstärkt. sodann es gibt keinen beleg, dass die nutzung systematisch von der stimmabsicht abhängt (was ja gut ist!), das heisst befürworter und gegner nutzen es etwa gleich häufig. einzig bei den älteren leuten stimmt das nicht so, für sie ist die broschüre weniger geeignet.
    zu 2) noch schwieriger, und noch unwahrscheinlicher. die uebereinstimmung mit den parteistandpunkten nimmt bei den parteianhängerschaften in der regel mit der dauer der kampagne zu. das spricht aber gegen deine annahme. ich bin zudem auch nicht sicher, ob deine begriffte zutreffen. ich würde sie wie folgt ersetzen: meinungsbildung aufgrund der eigenen alltagserfahrungen zu einem thema dominiert am anfang, sofern man eine meinung hat, und meinungsbildung aufgrund der vorlage (und ihrer auswirkungen) bestimmt die meinungsbildung am schluss.
    beides ist aber sehr summarisch widergegeben. angesichts der vielen abstimmungen einerseits, der zahlreichen themen, und der unterschiedlichen ausgangslagen bei initiativen und referenden sind generell antworten aber gar nicht so ein.

  30. Danke für Deine Erläuterungen und den Link. Deine Antwort war wie immer sehr aufschlussreich.
    Glaub, Du hast momentan genug zum Nachlesen, da will ich Dich nicht auch noch löchern.

  31. Das Thema sollte ja mehr oder weniger ausgesprochen (ausgeredet) sein. War für mich sehr informativ. Klar könnte man noch ein wenig über den Einfluss der Medien sprechen, nur ist es bei mir immer das Selbe: Zuerst höchst interessiert, aber nach einiger Zeit bin ich dann übersättigt, dann lechze ich wieder nach Neuem.
    Momentan aber lechzt mein Poulet nach einem Orangenscheiben-Bad mit viel Hitze. Und wenn ich nicht will, dass meine Katzen vor lauter Hunger noch zu bellen beginnen, so bewege ich mich doch besser in die Küche.
    Wünsche Dir einen schönen Abend.

  32. Nun komme ich so gut es geht doch noch zum Thema.
    Die Beschwerde der SD Thurgau bezieht sich auf das Argument, dass die Erwähnung „Maulkorbinitiative“ einen negativen Eindruck bei den Stimmbürgern erwecken konnte und daher als Beeinflussung des Wählerverhaltens taxiert werden könnte.
    Ich persönlich finde diese Begründung voll daneben, denn jeder Stimmbürger konnte sich frei seine Meinung bilden, glaub auch nicht, dass der Ausdruck „Maulkorb“ zu einer Irreführung Ausschlag gab.
    Hab langsam einen anderen Verdacht, zwar mit einem Schmunzeln auf den Lippen: Bis anhin musste der SVP-geneigte Wähler jeweils ein NEIN in die Urne legen. Nun hingegen war ein JA angesagt. Ob damit wohl der eine oder andere Wähler überfordert war? Sorry, war ein kleiner Spass von meiner Seite her.

    Diese Initiative wurde übrigens nicht von der SVP, sondern von „Bürger für Bürger“ unter dem Vorsitz von Dr. Markus Erb (wenn ich denn in der Arena auch gut aufgepasst habe) eingereicht.

    Bei der Einbürgerungsinitiative hat die SVP einseitig auf die kriminellen Ausländer gezielt, obwohl dieses mit der Abstimmungsvorlage rein gar nichts zu tun hatte. Ergo sind sie selbst schuld.

    Die Gesundheitsinitiative wurde ursprünglich von der SVP lanciert aber im Parlament wegen dem neuen, mehrheitlich angenommenen Abstimmungstext (fälschlicherweise) wieder zurückgezogen. Das war ein Fehler der SVP.
    Die Propaganda dieser Initiative stammte mehrheitlich von der FDP, resp. von Felix Gutzwiller.

    Also, steh noch einer hin und sag: Drei schallende Ohrfeigen für die SVP. Eine Ohrfeige haben sie verdient, aber der Rest ist nicht auf ihrem Mist gewachsen.

  33. Ganz schüchtern wag’ ich’s nun auch nochmals (aber dann ist Schluss, Ehrenwort! 😉 )

    Darauf wollte ich weiter oben eigentlich auch hinaus: Viele Initiativen haben “blumige”, irreführende Bezeichnungen. Ob ich für “demokratische Einbürgerungen” sei? Na klar, was für eine Frage – hätte ich noch vor sechs Monaten geantwortet… Hier suggeriert der Begriff “demokratisch” etwas falsches.

    Daher die Nachfrage, ob die “Aufklärung” mittels Broschüre einen Einfluss hat.

  34. @ Titus (und ein bisschen Ate)
    über die titel von initiativen ist schon viel geschrieben worden. sie vermitteln zwar eine schnelle botschaft dessen, was in der initiative steht. doch ist diese auf jeden fall stark verkürzt, meist ziemlich unvollständig und leider auch einseitig zugleich. der Nachweis, dass der titel für den abstimmungsentscheid wirklich massgeblich sei, ist bisher generell und im einzelfall nicht erbracht worden.
    seit der aufladung der politischen kommunikation durch marketingrezept beoabchte ich indessen auf allen seiten eine unglaubliche tendenz, über die titel zu streiten. die bundeskanzlei verweist zurecht, dass sie beispielsweise die erwähnung des absenders im titel (vcs-initiative, oder svp-initiative) korrigieren muss. die opponenten wiederum wählen gerne den weg der provokation, der dann durchfäll und so zum medienthema wird. win-win-situation nennen sie das, weil die bk gar nicht reagieren kann, ohne zu verlieren. schliesslich ist zu beobachten, dass pauschalisierende titel auch von gegnern der initiativen erfunden werden, um sie zu diskredieren.
    aber eben: die diskussion bleibt nicht bei den titelei. sie geht rasch weiter. und da ist die antwort auch auf titus: das bundesbüchlein wird zwar verbreitet genutzt, aber nur selten unabhängig von der verwendung von tageszeitungen. diese berichten in der regel früher über die vorlagen, auch über ihre inhalte, sodass ich das bundesbüchlein eher als verstärker, denn als auslöser der meinungsbildung interpretiere.

  35. @ ate
    danke für den kommentar zur abstimmungsbeschwerde der sd im kanton thurgau.
    ich sehe das gleich, selbst wenn ich den begriff “maulkorb” aus persönlichen gründen gemieden habe.
    den wünsche ich mir für kampfhunde wie rottweiler, zähle aber unverändert keine politiker zu dieser tiersorte.

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