die ego-, öko-, konflikt- und angst-schweiz

gerne hätte ich den bericht auch vorzeitig gehabt. doch eine vorab-publikation im “blick” war der schweizerischen vereinigung für zukunftsforschung wichtiger als auf dem stadtwanderer. so bleiben mir nur der hinweis und der vorläufige kommentar zur studie “schweiz 2030”. übernächste woche, wenn sie ausführlich erscheint, gibt’s dann (hoffentlich) mehr.

georges t. roos ist ein engagierter und vorsichtiger forscher zugleich. wenn er über den wertewandel in der schweiz bis ins jahr 2030 redet, macht er klar, dass er auch nicht weiss, was dann sein und wie die schweiz in 20 jahren aussehen wird. der trendforscher glaubt deshalb auch nicht, dass es nur eine zukunft gibt. vielmehr beobachtet er die entwicklungen der gegenwart und projiziert sie auf verschiedene zukünfte.

nach zahlreichen expertInnengesprächen (zu denen ich geladen war), kommt er zum schluss: es gibt vier plausible entwicklungspfade der schweiz für das stichjahr 2030:

HBNGDO6V_Pxgen_r_179x256die ego-schweiz:
demnach geht es der schweiz auch in zukunft gut. die menschen sind gebildet, reich und sicher. sie sind erfolgreiche individualistInnen. einzig an nestwärme fehlt es der wettbewerbsgesellschaft, weshalb sich das kollektiv, die gemeinschaft und die geschichte bis zur unkenntlichkeit zurückentwickeln. die schweiz wird zur wohlstandsinsel ohne inneren zusammenhalt.

HBVbM3ON_Pxgen_r_278x398die öko-schweiz:
demnach meister die schweiz die grosse herausforderung der zukunft – die vermittlung von ökonomie und ökologie. sie profitiert davon, darin trendsetterin zu werden. nachhaltigkeit der wirtschaft, der gesellschaftlichen und menschlichen entwicklung sind die wichtigsten werte, welche die ökogesellschaft politisch im verbund mit der eu realisiert werden.

HB8XnwQR_Pxgen_r_231x256die konflikt-schweiz:
demnach wird aus der gesellschaftszwiebel mit einer breiten mitte eine sanduhr mit vielen reichen oben und vielen armen unten. die gesellschaftlichen aggressivität steigt. das land droht sich in der spaltung aufzulösen. die frage nach der solidarität wird neu gestellt. erreicht wird sie mit eu-beitritt und harter kontrollgesellschaft, um die inneren konflikte zu mindern.

HBFQB0B0_Pxgen_r_179x256die angst-schweiz:
demnach gibt es zwischen dem eigenen und dem fremden nur noch trennendes. die schweiz isoliert sich von seinen nachbarn. der wirtschaft schadet es, hauptsache man bleibt rein. die eigene kultur wird gepflegt, die anderen kulturen sind verhasst. die unternehmen verlassen das paradies.

sicher, das alles sind nur schemen der zukunft. sie zeigen uns aber, dass verschiedene entwicklungen in der gegenwart angelegt sind. deshalb macht es auch sinn, mit zukunftsszenarien zu arbeiten: um sich zu fragen, wohin das, was ist, in der zukunft zielt. und das ganze macht durchaus sinn: man stelle sich ein viereck vor, indem oben die beiden optimistischen, unten die beiden pessimistischen zukünfte angesiedelt sind. oben-rechts ist die ego-schweiz, unten-rechts die angst-schweiz, unten-links die konflikt-schweiz und oben-links die öko-schweiz. diesen radar kann man sich merken.

“Nicht alles ist machbar, aber auch nicht alles ist Schicksal”, wir der studienleiter ross im sobli von gestern zitiert. ich füge dem bei: traditionelle gesellschaft kennen nur den erfahrungsraum des vergangenen; moderne haben darüber hinaus einen erwartungshorizont, der das kommen im auge hat. diese ist nicht eindimensional, sondern szenarisch. es kommt darauf an. auch welchen zukunftsplan sich eine gesellschaft einlässt.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

11 Gedanken zu „die ego-, öko-, konflikt- und angst-schweiz“

  1. Das ist mir ein bisschen beliebig.
    Warum 2030 und nicht 2020 oder 2050? Die Szenarien können alle schnell bis nie eintreten.
    Ich finde, es würde genauere Angaben brauchen. Zum Beispiel zur Technik, dann zur Bevölkerungsentwicklung. Die entwickeln sich nicht von Tag zu Tag. Die Investitionen bestimmen, was in 10 oder 20 Jahren ist. Die Wirtschaftszyklen legen darüber hinaus nahe, ob es zu Prosperität, Wachstum und Zuwanderung kommt oder nicht. Da tickt die Schweiz anders als andere Länder.
    Das Wichtigste sage ich zum Schluss. In der Ankündigung ist vom Wertewandel die Rede. Davon sehe ich nur gerade bei einem Szenario etwas, nämlich bei der öko-öko-Synthese.
    Das muss schon noch mehr kommen !

  2. der Bericht ist so beliebig, der könnte auch für alle europäischen Länder oder die USA stehen … nur der Zeitrahem ist vielleicht etwas unterschiedlich.

  3. wäffelen ist das eine, das andere wäre, selber bessere szenarien zu machen.
    an sich ist alles ganz einfach:
    man überlegt sich, was vor 20 jahren war, was sich seither geändert hat, fragt warum das so war und überlegt sich, ob der grund anhält, stärker oder schwächer wird.

  4. Und plötzlich kommt alles ganz anders… Damit meine ich den Fall der Berliner Mauer. Oder den 11. September. Oder die revolutionären Bewegungen im arabisch/nordafrikanischen Raum. Oder Fukushima. Oder… Und was geschähe beispielsweise mit der EU, wenn der Euro flöten gingen? Da gibt es noch unzählige Fragen. Hinzu kommt die rasante Entwicklung rund ums Internet. Zukunftsforschung war wohl selten ein so schwieriger Job wie zurzeit…

    Mich würde eigentlich mehr interessieren, was die Visionen einer Schweiz von 2030 sind, weil diese uns ein Perspektive bzw. ein Ziel geben würden.

    Wie ging das doch gleich bei Kennedy: “I have a dream”. Im Wahljahr 2011 habe ich bis heute noch niemanden sagen hören: “Ich träume von einer Schweiz, die …” Schade eigentlich.

  5. Schweizer wählen SVP, eine verstrahlte Schweiz mit AKW ….. oh, das reimt sich sogar!

    Anscheinend glaubt diese Partei nicht an eine Ausländerbeschränkung, und das ist schade!

  6. Anscheinend sind es vor allem die sogenannten Zukunftsforscher, welche die Zukunft gestalten. Vor allem wohl auch ihre eigene finanziell Zukunft. Dehalb ist m.E. – wie bei den sog. “Experten” – stets zunächst zu fragen, wer sind diese Forscher, was verdienen sie wie mit ihrer “Forschung”(z. B. mit einem Vorabruck im “Blick”, mit einem gut vermarkteten und verkauften “originnllen und provokativen” Buch, mit teuer verkauften Auftritten als “Zukunftsexperten” etc.). Das sagt meist schon sehr viel über den Wert ihrer Forschung aus.

  7. Die Experten vergessen lediglich die Wirtschafts-und Finanzexperten sowie einige irre Machthaber.

    Ein paar Fingerschnipper, und die Finanzwelt geht mit der Wirtschaft bachab, oder ein paar Stammeskriege, und die Völkerwanderung beginnt. Wenn man genau überlegt, sind die Bankenheinis gefährlicher als Gaddaffi und co!

  8. Ich jedenfalls bin froh, gibt es Leute, die sich mit der Zukunft beschäftigen.
    Würden die Partei nicht nur Ideologien verbreiten, sondern auch Visionen der Schweiz, wäre einiges weniger schlimm. Denn so kommt es, dass die Ingenieure und Techniker bestimmen, was sein wird. Das beängstigt mich umso mehr, als sie meist eine rigide, eindimensionale Vorstellung von Gesellschaft haben. Genau dem widerspricht Roos zurecht, wenn er verschiedene Wege für möglich hält.
    Wer auf zeigt, dass die Zukunft gestaltbar ist, macht sie nicht einfach, sondern gibt ihr Raum für Entwicklungen.
    Zukunftsforschung ist allemal besser als all die, die mit der Vergangenheit vor Augen in die Zukunft wollen.

  9. @Bernd
    Du hast recht. Der Artikle ist jedoch eher eine Prognose.
    Ich vermisse jedoch, dass ein Weg für eine bessere Zukunft augezeigt wird, mit mehr qualitativem Wachstum. Und hier haben (hatten) Ingenieure längst Lösungen, die von Machthungrigen und Gierigen versenkt wurden.

  10. at raffnix
    da würde ich dagegen halten.
    es sind vier unterschiedliche szenarien, alle haben eine gewisse plausibilität, und keine wird bevorzugt.
    ob sie vollständig sind oder nicht, ist eine andere frage.
    ich hatte ja in einem comment aufgerufen, mehr/besser zu entwickeln.
    titus machte das übrigens auch auf seinem blog.

  11. es geht ja nicht um vollständigkeit. Es geht darum, ob man eine wie auch immer entstandene Prognose schreibselt, oder ob man Visionen hat oder Ziele anstrebt, und wenn möglich auch Lösungsvarianten beschreibt.

    Die SVP z.B. sagt nur, dass es ohne AKW nicht reicht, und es viel teurer wird.

    Das könnte ja auch falsch sein.

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