state building in switzerland

das slowenische fernsehen will mich interviewen. es geht um die staatenbildung am beispiel der schweiz. das land geniesst auf dem balkan viel sympathien. das weiss ich aus der erfahrung, die ich in verschiedenen reise gesammelt habe. jetzt geht es darum, wie man das auf den punkt bringt. ich bitte um mithilfe.

Tilly 1charles tilly. amerikanischer historiker, sozio- loge und politiker, der sich mit dem prozess der staatenbildung eingehend auseinander gesetzt hat.

charles tilly, ein amerikanischer sozialwissenschafter, den ich während meinem studien fleissig konsultiert habe, schreibt dazu: “State building provided for the emergence of specialized personnel, control over consolidated territory, loyalty, and durability, permanent institutions with a centralized and autonomous state that held the monopoly of violence over a given population“. generell gesprochen geht es um den prozess, bei dem sich der staat von der gesellschaft durch institutionen zu unterscheiden beginnen, welche die entscheidungsprozesse formalisieren.

wann und wie ist das in der schweiz geschehen?

mehr oder weniger klare staatsgrenzen haben wir seit 1815.
mehr oder weniger permanente institutionen haben wir seit 1848 und danach.

spuren davon entstanden unter einfluss der französischen revolution, als folge der der reformation und durch gemeinsame bündnisse gegen habsburg. die ältesten vorstaatlichen spuren kann man wohl ins 14. jahrhundert zurückverfolgen.

ausgebildet worden ist vieles erst im 20. jahrhundert: zum beispiel die eigene einheitlich währung. oder die staats- resp. autobahnen.

das konkordanzsystem hat alte ursprünge. seine überhöhung hat es aber erst in der nachkriegszeit erhalten. die direkte demokratie als abstimmungsdemokratie gibt es seit rund 180 jahre. das milizsystem wiederum ist älter, der föderalismus sogar viel älter.

zudem: aus meinen reise auf dem balkan weiss ich, wie schwierig es ist, etwas, das an einem ort funktioniert hat, an einem andern zu realisieren! staatenbildung ist ein prozess der mobilisierung, der nur gelingt, wenn er nicht bloss von oben gesteuert, sondern auch von unte getragen wird!

so bleibt mir nur eines zu fragen, auf das es wohl viele antworten gibt: wie nur soll man das alles in wenigen, knappen, gut verständlichen sätzen (auf englisch) für slowenen formulieren?

hilfe! wer macht mit, bei versuch, das interview vom kommenden dienstag sach- und mundgerecht vorzubereiten, wenn es heisst: how was the process of state bilding in the famouse case of switzerland?

stadtwanderer

mehr oder weniger kla

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

23 Gedanken zu „state building in switzerland“

  1. Mir fällt nur ein, nicht bloss die geschichtlichen Ereignisse zu erwähnen, sondern vor allem den vorherrschenden Zeitgeist zu beschreiben versuchen und zwar von 1815 an + 100 Jahre.

    Das würde auch klar machen, dass kein “Copy-Paste” möglich ist, weil heute bestimmt auch in Slowenien ein anderer Zeitgeist herrscht.

  2. Den Föderalismus als Erfolgsrezept nicht vergessen. Schliesslich wurde die Schweiz eben gerade nicht top-down “geb(u)ildet”, sondern durch einen mehr oder weniger freien Zusammenschluss von Ständen, also bottom-up. Natürlich hat Napoleon später nachgeholfen, aber der Kantönligeist, der war schon lange vorher da. Das Prinzip, dabei möglichst viel Einfluss bei den Kommunen zu lassen und nur das Nötigste zentral zu verwalten, hat die Schweiz so erfolgreich gemacht. (Auch wenn man Föderalimus natürlich auch übertreiben kann.) Systemtheoretisch gesprochen ist ein Wettbewerb zwischen kleinen Subystemen immer erfolgreicher als ein grosses Supersystem. Dazu kommt, dass durch die direkte Demokratie das Volk sehr viel Kontrollmöglichkeiten hat. Kontrolle funktioniert aber je besser, je kleinräumiger sie ausgeübt werden kann.

  3. ich schätze die bedeutung des föderalismus ebenfalls hoch ein, wie der nachfolgebeitrag zeigt.
    indes, die hier aufgeführte begründung ist nicht zweifelsfrei richtig. die kommunen als selbständige staatsrechtliche organe ist eine erfindung der 19. jahrhunderts, ein nachnapoléonischen prinzip. vorher kannte man diese form der selbstverwaltung nicht. entscheidend waren die orten, allenfalls die ämter der orte.
    die kommunale selbstverwaltung war danach lange eine erfolgreiche mobilisierungsstrategie, zur demokratisierung des schweizerischen bundesstaates ein nicht zu unterschätzendes faktum. doch ist auch hier nicht zu übersehen,dass die rekrutierungsprobleme in der gegenwart massiv geworden sind. so sind in einem jahrzehnt 10 prozent der schweizer gemeinden verschwunden, weil sie das nötige personal für die selbstverwaltung nicht mehr gefunden haben.
    zu hinterfragen ist auch die meinung, dass die dezentralisierung immer die optimalste ressourceverteilung mit sich bringt. die nordischen länder, angeführt von dänemark, sehen das angesichts geringer bevölkerungsdichte ziemlich anders. in schweden beispielsweise wird keine kommune mit weniger als 30000 einwohnerInnen mehr als überlebensfähig angesehen.

  4. Hier sitzt der Stadtwanderer – ohne Doktor – dem 1848-Geschwätz und seinem Berner Heimatkanton auf! Konstitutiv für die Schweiz ist die in den Nidwaldner “uerten” vergesellschafteten Männer. Die “Uerten” sind die Zellen der “Orte”. Natürlich ist das im Kanton Bern mit seinem aristokratischen Zentralismus etwas anders, wo Ämter als Verwaltungseinheiten wichtig waren. Aber die Urvorstellung der Gemeinde (wie sie nach 1848 verrechtlicht wurde) fanden die Liberalen in den vorfranzösichen “Zivilgememeinden”, welche kleinräumiger noch als die staatlich bedeutenderen “Kirchgemeinden”, wichtige Funktionen in der Ressourcen-Selbstverwaltung eine eminente Rolle spielte, die von den Landvögten im Kanton Zürich nur moderierend überwacht wurde. Die emphatische Urform der “Zivilgemeinde” ist die nidwaldner “Uerte”. Und klar: die Staatsgläubigen Vikinger mit ihrem früh eingeführten Frauenstimmrecht und ihrer lutheranischen Untertanentradition, können nicht für Schweizer Verhältnisse herangezogen werden.

  5. aber, aber, wer kann schon – auktorial wie gg – ausser gg – verbinbdlich sagen, wo der konstitutive ursprung des staatsverständnisses der schweiz ist ?!?!?!

  6. @Stadtwanderer: schon Tucholsky sagte: “Ein Bürger ist ein Mensch, der immer sagt: “ich weiss nicht” – und nicht weiss, wie recht er damit hat!”. Das “Nicht-auktoriale” ist die faulste der Post-68er Denkschablonen. Sapere aude! – Wage zu schmecken und zu wissen in an den Quellen, statt rumzubrösmelen und erbsenzählerlen. Ich lasse mich gern in der Debatte widerlegen, aber ich hasse das Gedöns “zu auktorial”, “nie monokausal”, “poly-faktorial” etc. pp. Mit solchen Phrasen verdeckt der Dummkopf sein Nicht-Wissen-Wollen und -Können.

  7. @Hannah: Ein “Geschwätz” nenne ich die 1848-Besoffenheit von Träumern wie Joe Lang und so, die meinen, in dem Jahr hätten ein paar liberale Pfundskerle die Schweiz aus dem Nichts erfunden. Mit Peter von Matt bin ich einig, dass das Jahr 1830 weit spannender war
    http://willensnation.blogspot.com/2010_11_01_archive.html
    Im übrigen, geschätzte Hannah, wenn Sie schon einen Kronzeugen für meine Unvernunft brauchen, dann müssen Sie nicht auf den bloggenden Wadenbeisser und Freidenker Kyriacou zurückgreifen. Meine “Unvernunft” wurde mir von Prof. Dr. Georg Kreis persönlich und in Print attestiert:
    http://willensnation.blogspot.com/2010/12/dieser-autor-hat-muhe-mit-der-vernunft.html

  8. nicht gerade sachbezogen, ihr beitrag, polemiken in ehren, aber sie sollen nicht schule machen.
    also, belegen sie ihren ursprung der schweiz. in nidwalden. in der uerte. und lassen sie die beschimpfungen anderer personen.

  9. Nun etwas sachbezogener:
    1.Autoritäten.
    Johannes von Müller sieht schon den Ursprung in den Nidwaldner Ürten (die er fälschlicherweise als Ableitung von “orte”) interpretiert.
    Der grossmeisterliche Dr.phil. René Allemann sieht in “25 mal die Schweiz” auch den Ursprung der Gemeinde-Autonomie der Schweiz zwischen “Sarnen und Brünig”: in den schon vor 1400 fassbaren “Ürten”.
    Der grosse Kommunen-Forscher Peter Blickle kam in seiner Synthese 1991 zum Schluss, dass um das Jahr 1400 das Ürten oder Zunft-Prinzip sich in allen Orten der Eidgenossenschaft analog auskristallistiert. Es entsteht ein Ideal des eidgenössischen “guten Regiments”, das von Männerverbänden ausgeht, die entweder eine Abendmahl- oder eine Zunftstubentrinkgemeinschaft (oder Bruderschaft) pflegen und einen “Vorstand” bestimmen, der die Administration der gemeinsamen Güter (Allemende auf dem Land; das “handwerk” in den Zünften) vornimmt.
    Leider wurde Blickle vom lärmenden Sablonier-Mainstream zugeschüttet, weil er angeblich zu “verfassungsrechtlich” argumentiert (und halt “än Dütsche” ist: man mag sie nicht die intelligenten Deutschen).
    2. Interaktiv-Historisch:
    Hätten die Nidwaldner nicht das schärfste Bewusstsein ihrer republikanischen Verfassung: sie hätten nie den erbitterten Widerstand gegen die “gottlosen Franzosen” geliefert, den sie 1799 lieferten.
    3. Nachwirkend bis heute:
    Im Kanton Nidwalden scheint bis heute die Steuermoral am höchsten zu sein (NZZ Folio gab mal eine Karte dazu). Hier schein das “Vertruiä”, das fromme Vertrauen in die Rechtschaffenheit des Allmendgenossen noch am stärksten ausgebildet.
    4. Longchamp: Ich bin sicher sie werden mir aus ihren grossen Datensammlungen viele Beispiele für die Nidwaldner Besonderheiten finden.

  10. das ist ja viel interessanter, schade nur, dass sie sablonier und seine interpretation der eidgenossenschaft wegwischen.
    was sie wohl nicht überrascht:mein mittelalterausbildung habe ich bei prof. sablonier (sowie beck, den sie wohl auch nicht mögen, aber auch bei peyer, den sie sicher kennen) bekommen.

  11. Die Schweizer Historiker unterliegen einem nationalen Irrtum, der mit Johannes von Müller beginnt und mit Wilhelm Oechsli seinen Höhepunkt findet. Sie eifern dem Vorbild anderer Staaten nach, sich als Nation sehen. Das Konzept unterstellt, e i n e n Ursprung zu haben, e i n e n Anfang oder eben e i n e Geburtsstunde und e i n e n Geburtsort. Doch das ist das Denken des 19. Jahrhunderts, als der Nationalstaat seinen geschichtlichen Aufstieg par excellence feierte.
    Die heutige Geschichtswissenschaft ist das wesentlich vorsichtiger, als es auch hier anklingt. In der Regel spricht sich von Mythen oder tief verankerten Vorstellungen über das Ursprüngliche, das den gemeinsamen Sinn stiftet. Kritische Untersuchungen dazu zeigen, dass vieles davon nicht belegbar ist, nicht stimmt oder im Verlaufe der Zeit solange zurecht gebogen worden ist, bis es in die nationale Brille passte.
    Selbst die nationale Geschichtsschreibung der Schweiz machte Ende des 19. Jahrhunderts diesen Fehler nicht mehr, indem ihr klar wurde, dass die Schweiz keine revolutionäre nation (im französischen Sinne), auch keine Kulturnation wie Deutschland ist, sondern eine Willensnation. Das allein impliziert, dass es keinen gemeinsamen Ursprung gibt, denn es gibt auch keine nationale Einheit. Entsprechend ist es müssig nach dem wahren Ursprung zu suchen und schlicht abwegig zu behaupten, einen solchen gefunden zu haben.
    Spannender wäre es also, die verschiedenen Pfade zu erkunden, die allmählich, ohne Gründungsmythos im 14. Jahrhundert zur Eidgenossenschaft führten, aus der, erneut schrittweise, die Schweiz allmählich entstand.

  12. Wenn ein “Bernd” über “Schweizer Historiker” und deren “Irrtümer” zu schwandronieren anhebt, dann werde ich grantig. Die Frage nach “Ursprüngen” ist immer müssig: sie liegen im dunkel. Was die Schweizer Historie zu leisten hat: warum sagten die Tessiner im frühen 19. Jahrhundert: “liberi ma svizzeri” (oder umgekehrt), warum wollte sich das Tessin von der Eidgenossenschaft nicht “befreien”, obwohl sie als Untertanen gehalten worden waren. Gerade eine “Willensnation” braucht viel notwendigerweise einen Mythos, eine chiffre, in der sich der Wille zum Zusammenhalt darstellt. Deutschland hat es da einfacher: es ist der Club der Menschen die Grimms Màrchen in der Jugend hörten, Werthers Leiden fürs Abi lasen, und als Studienrat nach Bayreuth pilgern, und dies alles verfasst in einem nach hegelschen Rationalismus und Bismarckschem Machtwillen organisierten Staat. Die Deutsche Geschichte ist Reich an Katastrophen und der deutsche Irrtum ist immer derselbe: der Wahn, man hätte aus den Katastrophen dank einem missionarischen Studienrat etwas gelernt.

  13. grantig werden, ist jedem erlaubt. dabei stehen zu bleiben, scheint mir indessen etwas simpel.
    ich lese bernds standpunkt neutraler: mythen haben ihre identitätsstiftende bedeutung, sie entsteht aus der erzählung des werdens dieser identität. aufgabe der historie ist indessen nicht nur die erzählung (die leider vielerorts in vergessenheit geraten ist), sondern die prüfung der aussagen. und versagt der mythos fast immer. weil er auf chronologie verzichtet. weil er nicht auf quellen basiert. weil er den widerspruch nicht erträgt, und weil er mit projektionen arbeitet. ich habe durchaus verständnis, dass man dagegen vorgeht, das man nach belegbarer realität fragt, nach gesichertem in der vergangenheit.
    indes, das fällt einem bei anderen einfacher, bei sich selber – in der regel – schwieriger. ihre kritik am deutschen selbstverständnis ist ja deutlich klarer als die am schweizerischen. oder täusche ich mich da???

  14. Natürlich gibt es Splitter und Balken. Aber, lassen sie mich die Geschichte der Deutsch-Schweizerischen Beziehungen als Geschichte von Abwehr deutscher Zumutungen schildern.
    Am Anfang steht der Wille den Landfrieden selber zu verwalten, was Prof. Gertrud Höhler auf die schöne Formel brachte “wir korrigieren uns selbst”.
    1499 wurde Reichspfenning und das Reichskammergericht als oberste juristische Instanz abgelehnt (wie die EMRK bis 1974)
    1528 wurde der Mentalitätsunterschied theologisch besiegelt: Luther sprach: “Ihr habt einen andern Geist”. Damit wurde im Abendmahlstreit der Unterschied in der Auffassung über das höchste gesellschaftsbildende Symbol: der Leib Christi dargestellt.
    1529/30: wurde durch die Kappeler-Milchsuppe (der letzte belegbare Schulbuchmythos der Schweiz, nach G.Kreis – aber vielleicht wurde auch sie vom friedliebenden Bullinger 1567 “erfunden”?) das Toleranz-Prinzip in der Eidgenossenschaft festgeschrieben (auch Glarus durch den Landamman), während Deutschland 1530 mit dem Augsburger Bekenntnis die konfessionelle Spaltung als Tatsache zu akzeptieren begann (wobei das Kaisertum noch die Rekatholisation anstrebte)
    Die folge war, dass sich die Schweiz durch Nicht-Beteiligung am 30jährigen Krieg aus der europäischen Geschichte ausklinkte und die “deutsche Tragödie” nicht mitmachte. 1648 schied darum die Schweiz auch de jure aus dem Reichsverband aus. Der 30jährige Krieg warf Deutschland um ein Jahrhundert zurück. Schweizer Auswanderer besiedelten ganze entvölkerte Landstriche wieder.
    1792/98: Deutschland als Flächenstaat bot den Franzosen wenig Widerstand, es kam zur “Kanonade von Vallmy” und 1806 akzeptierte Prof. Hegel den durchreitenden Napoleon als Personifikation des “Weltgeistes” (als neuen Messias). In der Schweiz boten wenigstens Bern und Nidwalden einen verzweifelten Widerstand in einem “totalen Volkskrieg”. Napoleon sah ein, dass er der Schweiz 1803 die Mediationsverfassung geben musste. Die Schweiz behauptete sich im Revolutionszeitalter weit besser als das Deutsche Reich, das 1806 unterging und sich dann in den Befreiungskriegen wieder hochrappeln musste. Die Schweiz war seit 1400 eine Willensnation, seit 1529 eine mit Religiöser Toleranz. Deutschland wurde das erst 1648.
    1848 ergibt sich die weitere Weichenstellung. In der Schweiz setzt sich die Idee der Volkssouveränität durch, Preussen und Österreich bleiben beim “Gottesgnadentum der regierenden Häuser”.
    1874 führt die Schweiz volksrechte ein, in Deutschland setzt sich die Bismarcksche Macht- und Realpolitik durch, in welcher der “grosse Mann” verherrlicht wird. Nietzsche faselt vom “Übermenschen”, Jacob Burckhardt schreibt “die Macht ist immer böse”.
    1914 beginnt wieder der Krieg zwischen den “Erzfeinden” Frankreich und Deutschland. In der Schweiz schreibt Spitteler den “Schweizer Standpunkt”.
    1918 versinkt Deutschland nach Ende des kaiserlichen Gottesgnadentums in Chaos und Revolution. In der Schweiz gelingt es im Landesstreik (trotz Milizbewaffnung der ganzen Arbeiterschaft! “die Waffe im Haus”!), die Bolschewiken in Schach zu halten. 1919 beginnt Ernst Bloch von “Utopie” zu faseln, Karl Barth tritt im “Römerbrief” für das “Reich Gottes” ein (wie schon der Schweizer Theologe Leonhard Ragaz 1908 “Dein Reich komme”). Deutschland wird zum Spielball völkischer und bolschewistischer Ideologien. Was in der Katastrophe endet (schon wieder!).
    Vielleicht habe ich jetzt deutlich gemacht: Ja, ich bin für die Rede vom “Sonderfall”, denn sie ist angemessen. Alles andere ist Betrug am Leser. Seit 1972 sind in der Schweiz Historiker auf Lehrstühlen, welche die Schweiz nur noch als “europäisches Territorium mit ulkigem politischem System” beschreiben. Aber eine solche “Schweizergeschichte” (das Fach wurde ja sinnigerweise von diesen Ordinarien bereitwillig als Studienrichtung getilgt), kann das “Volk” nicht interessieren, denn das Volk will eine Selbstvergewisserung für sein “Dasein im Sosein” und hier haben die Historiker in den letzten Jahrzehnten “geistige Dienstverweigerung” betrieben.

  15. @Giorgio
    bleib bei deiner Kappeler Milchsuppe.
    Mir schein, du bist noch nicht darüber hinaus gekommen.

    Wer Einfluss hat, sollte in die Zukunft blicken und die Probleme der Gegnwart zukunftsgerichet zu lösen versuchen.

  16. @gg
    gerade bei der kappeler milchsuppe habe ich leer geschluckt.
    die geburt des toleranz-prinzips?
    da muss ich widersprechen. es folgt der zweite kappelerkrieg, die beiden villmergenkrieg. erst der friede von 1712 bringt die parität zwischen den beiden christlichen konfession. im vergleich zum europa eher später, sicher nicht früher.
    die christen wieder kapseln sich 1798, bei der gründung der helvetischen republik ab. sich verstehen sich als christlichen staat, der die bürgerlichen rechte an diese konfession bindet. selbst der bundesstaat diskriminiert, bei seiner entstehung, die nicht-christlichen konfessionen, sodass frankreich, das sich der sache der juden verschrieben hatte, erneut intervenieren und die erste änderung der bundesverfassung von 1866 erzwingen musste. die schweiz steht damals den juden die elementaren menschenrechte zu, anders bleibt ihne vorerst verwehrt.
    ich will diesen faden gar nicht bis in die gegenwart spinnen …
    der sonderfall schweiz in ehren, doch ist er nicht einfach nur ein vorbild, in einem auch ein regelmässiger nachzügler dessen, was andernort schon länger galt.

  17. @stadtwanderer: Ja, mit der Kappeler Milchsuppe, wird das Prinzip “cuius regio, eius religio” faktisch in der Schweiz festgeschrieben (im Reich bekanntlich erst 1555). Die Waffengänge Kappel II, Villmergen I und II: das waren nur ein kurzes Armdrücken im Vergleich zum Furor der französischen oder deutschen Religionskriegen. Auch verabschiedete sich die Eidgenossenschaft von der Idee einer religiösen “Einheitlichkeit”, welche das Reich in die Katastrophe des 30jährigen Krieges riss. 1576 wird zuhanden der europäischen Monarchien in Josias Simlers werk der “corpus helveticum” als fester Flickenteppich erklärt.
    Die Schweiz ist immer “ungleichzeitig”. Die Patrioten streichen die Aspekte heraus, wo sie vorausgeht (Gemeinde-Autonomie, Milizsystem, Bürgersinn), die “Modernisierer” lassen sich von OECD-Statistiken blenden und suchen alle Aspekte heraus, in denen die Schweiz “verspätet” erscheint. Leider halte ich wenig von einem “gerichteten Geschichtsprozess”. Es gibt nur erfolgreiche Systeme und scheiternde. Vor dem Hintergrund einer ideologischen Gleichheitsideologie mag die Emanzipation der Frau (Bildung, politische Beteiligung)als gewaltiger Fortschritt erscheinen. Die brutale Sprache der Demographie legt uns aber nahe, dass die Emanzipation das Requiem des Westens einleitet.
    Was die Behandlung der Juden betrifft: sie war schäbig gewiss. Die “usserwelte eydgnossschaft” konnte kein anderes “Gottesvolk” neben sich dulden. Das Bürgerrecht war an die Teilnahme an Abendmahl/Eucharistie gebunden: ergo waren die Juden ausgeschlossen: Nur: weder kamen die reformierten, noch die katholischen Kirchenführer in der schweiz auf die Idee, Juden zum Abschuss freizugeben, wie dies Luther tat. Und in einem Untertanenstaat ist es immer einfacher “multikulturelle” zu sein (es reicht, dass die verschiedenen Volksgruppen einen Huldigungseid schwören), in einer Republik braucht es eine einheitliche Zivilkultur.
    @raffnix: “zukunftsgerichtet” ist ein Wort für Dummköpfe. Wer seine Herkunft (und dies über 1933 zurück) nicht kennt, hat keine Zukunft.

  18. @giorgio
    was eine Behauptung ist … oder zwei.

    Ich kenne einige, die die Herkunft kennen, und nichts daraus gelernt haben.

  19. @raffnix: könnte es sein, dass sie nicht dasselbe gelernt haben, was raffnix “zukunftsgerichtet” erscheint? 1918 erschien der Kommunismus “zukunftsgerichtet”, 1933 schien das Nazitum “zukunftsgerichtet” (Hey 1000jähriges Reich: nöd schlecht!), 1999 war der Euro “zukunftsgerichtet”. Komisch nur, dass die sogenannten “Modernisierungsverlierer” in den letzten Jahren immer die Wahlen gewonnen haben.

  20. was ja nichts mit dem Wort zu tun hat, als eher mit demjenigen, der das Wort in den Mund nimmt.

    Wer halt solchen Blödsinn schreibt, muss nicht unbedingt gelesen oder noch abgeschrieben werden.

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