die macht der genüsse

murten rief diese woche zur nacht der genüsse auf und zeigte, wie machtvoll das leben die gassen erobern kann, wenn dunkelheit, musik und tanz statt helligkeit, ruhe und ordnung das stadtbild zu bestimmen beginnen.

„Sehen – Fühlen – Hören und Geniessen“ war das motto des stadtfestes. gesehen wurde man auf der hauptgasse, die sich an diesem abend rasch mit ständen und leuten füllte. hören konnte man manchenorts musik aus vielen stilrichtungen. und fühlen konnte man förmlich, wie die bevölkerung in feststimmung geriet. vor dem schloss erhielten die eintretenden mitten in pflanzen ein stäbchen, verbunden mit der aufforderung, sich selber eine spiessli aus der frischen gemüseernte zu machen, die in grossen körben dargeboten wurde. und wer durstig war, der oder die bekam köstlichen wein aus der region zum degustieren. bekannte gesichter sehen und neue produkte entdecken, war die absicht, welche das stadtmarketing damit verfolgte.

szenen des verzauberten murtens während der nacht der genüsse (fotos: stadtwanderer)

ihren eigentlichen spass hatten die zahlreich anwesenden, als verschiedene damengruppen die hauptgasse zu bevölkern begannen. zuerst die hübschen aus dem dessous-laden „belle femme“. in roten und schwarzen corsagen zogen sich frivol bis in die stadtmitte, einen leiterwagen ziehend, um einen süssen saft zu verteilen, sich umzudrehten, um sich mit einem nur leicht verhüllte po frech zu verabschieden.

dann waren die latinas an der reihe. selbstbewusst versammelte sich das dutzend tänzerinnen auf der höhe der kreuzgasse, um einmal heftig zu klatschen und sich schwungvoll wechselseitig zum tanz aufzufordern. sofort hatten sie so alle zuschauerInnen rund herum in ihren bann gezogen. ihr rhythmus liess einige davon sogar mitgehen, andere nur staunen. wenn sie miteinander den takt bestimmten, drohten sie gar, das altehrwürdige pflaster der gasse zu spalten.

wieder mehr muse brachten drei performance-künstlerinnen in die gasse. gegeleitet von einem saxophon, formten sich ihre weiss gekleideten körper in der dunkelheit der nacht, mal erregung, mal ruhe, mal alleinsein und mal zuneigung zeigend, immer aber mit elegant-weichen bewegungen faszinierend.

als ich in der werdenden nacht trotz all dem spektakel ein wenig kalt hatte, liess ich mir eine kürbissuppe servieren, um mich aufzuwärmen. sitzend konnte ich nur noch staunen, wie schnell dunkelheit, musik und tanz die stadt auf den kopf gestellt hatten. das ältere ehepaar, das neben mir sass, schien meine begeisterung zu merken. „hein, c’est drôle, comment ça change vite. la ville est pleine de vie cette nuit!“

wie treffend meine sitznachbarn die sonst so gezügelte macht der genüsse geschildert hatten, die diese nacht auf murtens strassen so entfesselt war.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

2 Gedanken zu „die macht der genüsse“

  1. Lustig, ich war auch. Ich wohne seit Kurzem in Murten.
    Die Stimmung des Abends ist gut getroffen. Natürlich konnte man in den Bars und privat noch viel länger die Nacht geniessen.

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