Wir schreiben das Jahr 1798. Teil 3 meiner kleinen Demokratiegeschichte

Soeben haben französische Truppen die Eidgenossenschaft erobert. Die Franzosen nennen uns jetzt die Helvetische Republik. Erinnert wurde so an ein gallisches Volk in vorrömischen Zeiten. Zusammen mit der und der Batavischen Republik in Holland wollte Napoleon Bonaparte da moderne Musterrepubliken für Europa formen. Der Start war verheissungsvoll, doch dann geriet das Projekt ins Stocken, und es endete im Desaster.

rathaus
Das Berner Rathaus, und Ort wo die revolutionären Truppen Frankreichs demonstrativ den Freiheitsbaum aufpflanzen.

Die Helvetische Republik bekam 1798 eine Hauptstadt: Aarau, eine ehemalige Untertanenstadt Berns, die sich besonders franzosenfreundliche verhalten hatte. Sie erhielt auch eine Flagge, eine Trikolore aus Gelb, Grün und Rot. Und es entstanden Institutionen, wie sie die Aufklärer in Frankreich gefordert hatten, das Ancien Regime aber nie eingeführt hatte.

In Urgemeinden wählte man nun die Wählmänner der Kantone. Die wählten das Parlament, das aus zwei Kammern bestand: dem Grossen Rat, der Gesetze erarbeiten sollte, und dem Senat, der sie beschlossen sollte. Gemeinsam wählten beide Parlamentskammern ein Direktorium. Das Parlament wählte auch den Obersten Gerichtshof, das erste gemeinsame Gericht der Eidgenossen.
Aus der Franzosen waren wir jetzt kein Sammelsurium der 13 alten Orte mehr, nein, wir waren eine Nation!
Doch das funktionierte nur 2 Jahre. Dann stürzte General Bonaparte nach dem verlorenen Aegyptenkrieg das Direktorium, machte sich zum Konsul und rief aus: “La révolution est finie”. Nun begann die Entwicklung hin zu einer Diktatur Napoleons, die im neuen Empire endete.
Auch in Bern wurde die franzosenfreundliche Regierung, patriotisch genannt, weil begeistert von der “patrie”, mit einem ersten Staatsstreich abgesetzt. Nun kamen Republikaner an die Macht. Sie wollten den Einheitsstaat, aber unabhängig von Frankreich. Zudem sollte das Wahlrecht revidiert: die in Ansätzen demokratischen Rechte, erteilt von den Franzosen, sollten auf vermögende Städte reduziert werden. Angedacht war ein Zensuswahlrecht. Wer zahlt, befiehlt!

Eine Einigung in der Verfassungsfrage gab es nicht, nicht zuletzt weil die nun aufbegehrenden Föderalisten der alten Orte den Einheitsstaat ganz abschaffen wollten. Napoleon intervenierte, er liess über eine Verfassungen mit einem Kompromiss abstimmen. Es war die erste landesweite Volksabstimmung: 72000 stimmberechtigte Männer waren dafür, 92000 dagegen. Die Franzosen sagten: “La constitution est acceptée.” Sie verstanden die Abstimmung als Veto. Es zählte nur, wer gegen sie war. Alle die nicht gestimmt hatten waren wie die Befürworter dafür. “Il semble qu’il sont en concensus avec Nous” hält das Protokoll fest.
Es brach ein Bürgerkrieg aus. Die Föderalisten verdrängten die Franzosen bis nach Lausanne. Napoleon intervenierte nochmals und erliess die Mediationsverfassung, mit der er den Föderalisten nochmals entgegenkam. Abstimmen liess er diesmal nicht mehr.

Das neue Parlament bestand aus der Tagsatzung, welche die Kantone bestimmten, wie das schon vor der Revolution gewesen war. Die Regierung war kein Direktorium mehr. Es bestand aus einem Landammann und zwei Stellvertreter, die sich jedes Jahr in der Leitung abwechselten. Rotiert wurde auch die Hauptstadt, die immer da war, wo der Landammann herkam. Dahinter etablierten die Franzosen einen Kanzler, die Spitze der Einheitsverwaltung. Der Kanzler war fix und nahm die Verwaltungsakten stets mit, wenn der Landammann wechselte.
Neu war aber, dass die Kantone nun gleichgestellt. Zu den 13 alten Orten kamen jetzt 6 Kantone vom Geist der Revolution geprägte neue Kantone.
Die Schweizerische Eidgenossenschaft, wie wir seither heissen, mussten dem Franzosen Söldner liefern. Mit Napoleon gewannen wir Schlachten, wie ihm verloren wir sie auch. 1813 ist die Franzosenherrschaft vorbei. 1815 sollte der Wiener Kongress alles neu ordnen.

Stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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