wandern im dachstock des klosters einsiedeln

das war eine überraschung: ich war zwecks weiterbildung der feuerwehrleute unterwegs. mit einem anspruchsvollen tag und schwarzen köpfen habe ich gerechnet, – aber ganz anders als es herausgekommen ist. der stadtwanderer genoss einen herrlichen tag in einsiedelns kloster, das er selbst im dachstock zu sehen bekommen hat. feuertechnisch war er dem himmel schon mal ganz nahe …

andächtig vor dem kloster

wer was vom klosterleben haben will, muss früh aufstehen. 5 uhr war es heute bei mir. punkt 9 war ich dann in einsiedeln. nein, zu fuss hätte das nicht gereicht; mit dem oev schon, door-to-door in knapp drei stunden!


imposantes barockes kloster einsiedeln vor dem besuch (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ich war vor jahren schon mal da, hatte aber vom bau aus dem 17. und 18. jahrhundert nurmehr schwache, direkte erinnerungen. gedanklich war ich zwischenzeitlich oft im einsiedler kloster, – aber im alten, jenem aus den gründungszeiten: bei meinrad, dem mönch von der reichenau, der als einsiedler in den finsterwald hierher kam; bei eberhard, dem domprobst von strassburg, der als erster abt den grundstein zum benediktinerkloster legte, und natürlich bei otto, dem könig von sachsen und späteren ehemann von adelheid, der das kloster zum reichsgut erhob.


das reichskloster im hochmittelalter wurde von den schwyzern geplündert, was den krieg mit habsburg auslöste (foto: stadtwanderer, anclikcbar)

selbstverständlich wusste ich schon vor dem heutigen besuch um die zerfallene macht des klosters, das im 13. jahrhundert zum stift für den hohen adel verkam und von den schwyzer landleuten 1314, pünktlich zum dreikönigstag, geplündert wurde. den krieg gegen habsburg hat diese aktion ausgelöst! und unvergessen ist mir meine eigene überraschung, als ich von der grossen krise anfangs des 16. jahrhunderts vernahm; nur noch zwei mönche gab es im kloster, und der eine war huldrich zwingli, bevor er nach zürich aufbrach und die reformation predigte.


das kloster sorgt regelmässig für gesprächsstoff, seit man abt martin die öffentliche debatte gegen den innenhof getauscht hat (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ein ort der grossen politik ist das kloster auch danach gewesen. die friedensverhandlungen zwischen frankreich und bayern im dreissigjährigen krieg wurden in dieser klause geführt. die revolutionären französischen truppen schlossen das kloster dann beim einmarsch in die schweiz vorübergehend ganz. selbst heute redet man politisch und gesellschaftlich von einsiedeln: nicht zuletzt, seit der junge mönch martin vom verstorbenen papst johannes paul II. zum abt von einsiedeln gewählt wurde.

lehrsam im gymnasium des klosters

auch die weiterbildung der feuerwehrleute ist politisch motiviert. aber man ist mit sich selber beschäftigt. an der basis funktioniert die feuerwehr immer noch mustergültig; ich weiss es ihr zu danken! doch der druck kommt von der anderen seite, von der feuerwehr koordination schweiz. die vertritt die kantone in allen nationalen feuerwehrfragen, sodass der verband, trotz grosser geschichte, heute über die eigenen bücher muss.


in klausur: der schweizerische feuerwehrverband besinnt sich seiner stärken bei den einsiedler mönchen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

rudolf stämpfli, der präsident der schweizer arbeitgeber und ein berner protestant, klaus stöhlker, kommunikationskünstler für unternehmen in der defensive und ein eingebürgerter zürcher katholik, sowie der stadtwanderer, eigentlich ein katholik aus der umgebung von echallens, heute aber als berner forscher für politik, kommunikation und gesellschaft eingeladen, geben fleissig auskunft.

der anlass macht sinn: in glarus ist die feuerwehr mit der gemeindereform in den auslösungsstrudel geraten, doch die anwesende feuerwehrfrau aus lauerz zeigt aber auf, wo ausbildungslücken für motivierte frauen bestehen. auch kommandanten der feuerwehren sehen eine notwendigkeit, die bestehenden verbände zu beleben, denn ihr kampf für bessere ausrüstung, professionelle ausbildungen und gleichmässiger auszahlungen zu kümmern. die anwesenden vertreter “der instanzen”, die gebäudeversicherer, versuchen die leicht erregte stimmung zu beruhigen. “meh mues halt reede meetand”, sagt der kantonsvertreter aus dem baselbiet. was geredet wurde, ist allerdings strikte intern, was der stadtwanderer auch respektiert.


“schau, was du nicht erwartest” (regel des hl. stadtwanderers, überrascht , von der lektüre, die er im gymnasium einsiedeln findet (foto: stadtwanderer)

gefallen gefunden hat er an diesem tag nämlich an abt martin:jung, frisch und verspielt tritt er im rahmenprogramm auf. im walliserdeutsch erklärt er schon mal, er sei nicht nur ein diener gottes auf erden, sondern auch feuerwehrmann in himmlischen höhen der kirchen gewesen. den behelf und die uniform hat er aber beiseite gelegt, seit er dafür sorgen muss, dass seine mönche nach der regel benedikts im einsiedler kloster leben. “man solle jenen zuhören, von denen man nichts erwarte”, zitiert er den heiligen, und wendet sich direkt an klaus stöhlker! anfänglich habe er ihm nicht zugehört, als sich stöhlker bei ihm gemeldet habe. dann habe er sich jedoch eines besseren besonnen, und stöhlkers buch gelesen, – ohne etwas zu erwarten, wie er scherzt! heute unterhalte er sich mit seinem duz-freund gerne, ohne jeweils benedikts geist zu vergessen …

spannend im dachstock des klosters

bruder werner lädt uns nach dem zwischenspiel des abts in die stiftsbibliothek ein. mehr als 200 000 bände beherbergt sie. “aber keine unterhaltungsliteratur”, wie wir erfahren. nebst theologischem, aber auch profanes. die aktuelle ausstellung zeigt naturwissenschaftliche werke aus dem mittelalter. 1300 manuskripte, 600 inkunabeln und 400 frühdrucke seien hier entstanden, lese ich nach. bewahren will man den reichtum, auch wenn er nicht allen zugänglich ist. “treue spender haben gottseidank die renonvation des bibliothekssaals vor 8 jahren ermöglicht. leider ist der boden nicht erneuert worden, selbst alte bretter im estrich habe man wieder montiert”, bedauert unser wanderführer.


zwinglis werk, der hier einmal mönch war, findet sich in der stiftsbibliothek unter varia der schweizer geschichte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

dann schlägt die stunde der feuerwehrleute. bruder martin, 20 jahren lang feuerwehrkommandant in einsiedeln, gewährt einen einblick in den dachstock des klosters. zuerst geht es durch die klausur der mönche, absolute stille wird verlangt. dann steigen wir über die holztreppen des estrichs, und es ist hohe konzentration ist nötig. schliesslich wanken wir im gänsemarsch über bretter vor petrus pforte: “vorsicht, kopf runter”, warnt einer, der den etwas tiefliegenden balken vor sich gerade noch rechtzeit sah.


himmel hoch jauchzend, falls man ein engel und kein stadtwanderer ist … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

so hoch oben möchte ich nicht sein, wenn es wirklich brennen würde. da wäre mir sogar die hitze des fegfeuers lieber, denke ich für mich, als ich aus der dachluke in den innenhof schaue. tief hinunter in menschliche abgründe, sieht man da. die profis lässt das alles eiskalt. um sich ein wenig anzuheizen, erzählen sie lieber von ganz gefährlichen dachstöcken, die sie schon bestiegen haben. ich muss weghören, sonst will ich noch freiwillig in die hölle!


feuertechnisch dem himmel nah, waren wir heute! (foto: stadtwanderer, anclickbar)

endlich stehen wir bei den kuppeln über der klosterkirche. bizarre holzkonstruktionen schützen die steingewölbe, und lange schnürre kommen von oben hinunter, die man zum richten der turmuhren braucht. allgemeine erheiterung wecken die luftschächte hinunter in die kirche. “von da dringt die stimme des herrn in den riesigen raum des gotteshauses”, witzeln die feuerwehrsleute.

fertig!

unten angekommen, bin ich schon ein wenig bleich. ich muss das pure gegenteil der schwarzen madonna in der klosterkirche gewesen sein. abt martin, der nicht mit uns auf dem dachstock war, singt mit seinen getreuen zu ihren ehren, als ich mich neben den vorwiegend spanisch sprechenden pilgern erhole. schwarze köpfe sind sich meine feuerwehrsleute aus ihren einsätzen mehr gewohnt, entnehme ich ihren geschichten.


offizielles foto, das private in der walfahrtskirche nicht erlaubt sind!

aus der geschichte der schwarzen madonna weiss ich, dass sie von den franzosen eingepackt und nach paris verschleppt worden ist. tönt fast so wie die bärenstory aus bern! doch die revolutionäre fielen auf eine trick des sigristen placidus kälin herein: die richtige madonna hatte er eilends im boden vergraben, als die welschen kamen, den franken habe er eine fälschung überlassen. als das kloster wieder eröffnet wurde, bracht man die statue restauriert zurück. so bleich wie ich, soll sie gewesen sein, zum lauten missfallen der bevölkerung. wieder eingeschwärzt wurde ist, sodass man heute wie seit könig ottos zeiten eine schwarze madonna in einsiedeln verehrt.


toller tag im kloster einsiedeln, hoffentlich auch ein gutes omen für die feuerwehren, bilanz der stadtwanderer bei der heimkehr (foto: stadtwanderer, anclickbar)

schwarze köpfe, die einen vom russ und rauch bei feuerwehrmännern, die andern aus der tiefe der geschichte, der märchen und legenden über mystische frauen, waren das thema von heute. der feuerwehr sei für den andächtigen, lehrsamen und spannenden tag schon mal ganz herzlich gedankt.

fertig! (wie ich heute gelernt habe, nach dem rapport abzugehen)

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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