fragend wandern

wer stadtwandert, hat zeit sich fragen zu stellen! zur direkten demokratie, zur schweiz und zum vcs …

die fragezeichen zur direkten demokratie …

wir schweizer glauben, seit 700 jahren eine direkte demokratie zu sein. da muss man jedoch fragezeichen anbringen!


urner landsgemeinde

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die auslandschweizerInnen können erst seit 1991 mitentscheiden; vorher war man davon ausgeschlossen, wenn man das land (auch nur vorübergehend) verliess.

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das allgemeine stimm- und wahlrecht der männer wurde erst 1971 zum allgemeinen erwachsenenstimm- und wahlrecht. vorher waren die frauen ausgeschlossen.

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das allgemeinen stimm- und wahlrecht musste in vielen fällen anfangs des 20. jahrhundert durch gerichte durchgesetzt werden, galten doch vorher vor allem lokal zahlreiche einschränkungen, wegen mangelendem besitz und mangelnder ortsansässigkeit.

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gesamtschweizerisch wurde die direkte demokratie erst 1874 eingeführt, zuerst als referendumsdemokratie, dann auch als initiativdemokratie. vorher gab es die möglichkeit, in volksabstimmungen zu entscheiden nur in den liberaleren kantonen, die das in den 1830er oder 1840er jahren als bruch mit der vergangenheit realisiert hatten.

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die helvetische republik führte nach französischem verständnis die möglichkeit von volksabstimmungen ein, doch blieben sie eher theoretischer, denn praktischer natur. zudem waren sie eher ein plebiszit, denn ein volksrecht.

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die landsgemeindedemokratie ist eher eine vorform der direkten demokratie, denn ihre urform. zwar brachte die sie beteiligung der wehrhaften bürger an politischen entscheidung. doch hatte die obrigkeit zahlreiche mittel, diese mitwirkungsmöglichkeiten massgeblich zu beeinflussen. das abstimmungsgeheimnis, wie es heute hochgehalten wird, ist nicht garantiert.

ich will gar nicht falsch verstanden werden. ich bin kein gegner der direkten demokratie. vielmehr bin ich ein grosser fan! ich bin aber ein gegner der verklärung der direkten demokratie als urform des politischen systems der schweiz.

die fragezeichen zur schweiz …

selbst die schweiz entstand nicht wie man landläufig meint 1291. auch da muss man fragezeichen anbringen.

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die schweiz entstand 1499 als ausgrenzung des heiligen römischen reiches deutscher nation, das sich damals neu zu formieren begann. die schweiz ist erst seit 1648 ein eigenständiger staat, dessen unabhängigkeit durch andere staaten wie frankreich und schweden anerkannt wurde. die heutigen schweizer grenzen wurden erst 1815 durch den wieder kongress festgelegt und garantiert. das alles schaffte erst die voraussetzungen, dass sie schweiz 1848 ein eigenes staat, mit eigenen grenzen und voller souveränität wurde.

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1291 war keine staatsgründung! bündnisse wie jenes von uri, schwyz und nidwalden, die damals geschlossen wurden, gab es mit dem krise des heiligen römischen reiches mitte des 13. jahrhunderts zahlreiche. die burgundische eidgenossenschaft berns mit städten wie murten, avenches und allenfalls auch luzern sind älter und werden auch nicht als staatsgründungsakt der “romandie” gefeiert. sie waren bis ins 15. jahrhundert beliebt; sie wurden, trotz klauseln wie “ewig” immer wieder von neuem und immer wieder in anderen konstellationen geschlossen.

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erst mit dem stanser verkommnis von 1484 gab es ein dokument, das von allem damals souveränen eidgenössischen ort unterschrieben worden ist. und erst mit der liberalen revolution von 1830 keimte der gedanke, dass dieser staat direktdemokratisch gesteuert werden sollte in der schweiz so stark auf, dass er eine systembildende funktion angenommen hat.

um auch hier nicht falsch verstanden zu werden: ich bin auch kein gegner der schweiz. vielmehr bin ich auch ein grosser fan hiervon! ich bin aber ein gegner der verklärung der schweiz als urform des europäischen staates.

die fragezeichen zum vcs …

das alles will meine heutige kleine stadtwanderung in sachen “direkter demokratie” leisten. sie wird quer durch berns gassen führen. geschichte soll sinnlich erlebbar sein. stadtwandern soll zum gedächtnis werden von orten, die mit begebenheiten in verbindung gebracht werden.

ich mache das heute exklusiv als weiterbildung für den vcs. und natürlich stellen sich auch seit den einsprachen zu den zürcher fussballstadien fragezeichen:

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verbände entstehen mit der direkten demokratie. sie legitimieren sich über ihre interessenvertretung im willensbildungsprozess. ihre verhandlungsmacht bestimmt sich aus der fähigkeit, sich in konfliktsituationen durchsetzen oder verweigern zu können. gewonnene volksabstimmungen sind die wichtige begründung, wie man im politischen verhandlungsprozess gehör verschafft.

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der vcs hat 2004, in einem politisch wichtigen moment, eine solche abstimmung gewonnen. der gegenvorschlag zur avanti-intiative wurde massgeblich durch ihn bekämpft und zu fall gebracht. damit wurde die recht unübliche serie von abstimmungsniederlagen für die behörden im jahre 2004 eingeleitet. doch der verband hat sein verhandlungspfand nicht konstruktiv umsetzen können. er ist wegen verbandsbeschwerden, die er namentich gegen fussballstadien ergriffen hat, gerade auch intern in die defensive geraten.

ich werde es sehen, ausrufezeichen

und auch hier wil gar nicht falsch verstanden werden: ich bin kein gegner des vcs. ich bin ein fan der ökologischen verkehrspolitik. die weiterentwicklung unserer mobilen gesellschaft unter diesem gesichtspunkt eine ziel, das ich sehr unterstützen kann. ich bin aber ein gegner der verklärung von …

ach, lassen wir das bis heute abend!

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

0 Gedanken zu „fragend wandern“

  1. fan sein ist einfach – aber wen es ernst wird – hat man nichts damit zu tun… ausser der angs, falsch verstanden zu werden.

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