Burger.Barock.Bourbonen – 8. Station: Gesellschaft zu Kaufleuten und die große Berner Bankenkrise

Wir stehen vor dem Gesellschaftshaus zu Kaufleuten. Die Fassade ist ein Durcheinander. Die Zeit, während sie entstand, war es auch. Bern erlebte gerade ihre bisher grösste Finanzkrise.

Die Krämergesellschaft
Kaufleute ist irreführen. Die Gesellschaft organisierte vor allem Tuchhändler und Schneider. Eigentliche Kaufleute fanden sich in der Gesellschaft zu Mittellöwen zusammen.
Die Parzelle, wo wir stehen, gehörte der Gesellschaft seit 1596. Deshalb geht man davon aus, dass das jetzige Haus, das man ab 1720 baute, ein Neubau war.
Die Fassadenarchitektur ist wild. Es fehlt die Strenge des Frühbarocks. Und von der aufkommenden Leichtigkeit des Hochbarocks merkt man nichts. Verwirrend sind die Aufsätze über den Fenster. Sie sind verschieden, aber nicht künstlerisch. Renaissance ist das auch nicht.
Am besten nennt man das einen Mix!

Der Schuldenberg von Louis XIV.
Der Wirrwarr steht für die Bauzeit. 1715 starb König Louis XIV. die Ursache. So strahlend der Sonnenkönig zu Lebzeiten war, so desaströs war sein Nachleben.
Der designierte Nachfolger Louis XV. war noch ein Kind. Es brauchte einen Regenten. Man wählte Philipp II., Herzog von Orleans.
Der Staatshaushalt war hoch verschuldet. Das rief nach einem Sanierer. Es empfahl sich der schottische Oekonom John Law.
Beide mussten die harten Jahre nach dem Tod des Königs richten.

Papiergeld als trügerische Hoffnung
Laws Plan bestand in der Schaffung von Papiergeld. Die Wirtschaft sollte wachsen, die Schulden verschwinden.
Dafür gründete Law die Mississippi-Gesellschaft, die Aktien für die neuen Kolonien in Uebersee herausgab. Man rechnete mit fabelhaften Gewinnen. Law stieg zum Liebling der Pariser Schickeria auf.
Law selber profitierte. Halb Nordamerika gehörte ihm via Aktiengesellschaft. Er soll sogar reicher als alle anderen Franzosen gewesen sein.
Doch änderte sich das schnell, als die Blase Mitte des Jahres 1720 platzte. Law musste aus Paris flüchten.
Alles wurde noch schlimmer, als auch in London die ähnlich gelagerte Südsee-Kompanie Pleite ging.

Der Bankrott der Berner Privatbanken
Beides traf Bern hart. Denn die Stadt war im 17. Jahrhundert reich geworden. Ihr Haushalt erzielte regelmässig Ueberschüsse. 1710 hatte man begonnen, damit Fürstenhäuser zu finanzieren. Die Stadt wurde zum Wirtschaftsfaktor in England und den Niederlanden.
Dafür spezialisiert war die Bank Malacrida & Cie. Die Malacridas war reformierte Flüchtlinge aus dem Bündnerland gewesen, welche die Bank in enger Verbindung mit dem Berner Patriziat gegründet hatten.
Der Kurssturz fiel auf sie zurück. 1721 wurde die Privatbank zahlungsunfähig, Sie musste Liquidiert werden. Das dauerte volle 11 Jahre. Wo sie angesiedelt war, weiss heute niemand mehr.

Die Polarisierung
Der Geldverlust war erheblich. Betroffen waren zahlreiche Privathaushalte. Den grössten Abschreiber soll Christoph Steiger gemacht haben, im Krisenjahr zum Schultheißen gewählt.
Die Krise polarisierte. Wer verlor, stieg ab.
Ein Teil der Burgerschaft rebellierte. 1721 setzte er durch, dass das Los den Zugang zum Rat entscheiden sollte. Damit wollte man Korruption vermeiden.
Sogar ein generelles Bankenverbot erwog man in Bern in der Krise, ohne es zu beschliessen.
Zwei Jahre danach rebellierte auch die Waadt. Jean-Daniel Davel, vormals Offizier in Berner Diensten, nutzte die Abwesenheit der Landvögte, die in Bern Reformen berieten. Er eroberte den Lausanne. Propagiert wurde die Unabhängigkeit von Bern. Den Anführer der Aufständischen exekutiertem die Berner kurzerhand.

Nachgeholter Hauch von Exotik
Nur die Krämer bauten ihr Gesellschaftshaus fertig. Stilecht wurde es nicht. Der gleiche Werkmeister sollte nur wenige Jahre danach die wunderbare hockbarocke Heiliggeistkirche-Kirche bauen. Das sagt alles.
Ein Hauch von Exotik brachte ihr Mitglied Johann Wäber nach London und Bern. Als John Webber wurde er zum bekannten Maler, der mit dem Entdecker James Cook auf Seereise ging. Als erster Schweizer betrat er australischen Boden. Zweimal landete er in Honolulu war und selbst die Beringstrasse bereiste er. Von überall brachte er seine gemalten Bilder mit.
Südsee-Feelings gab es trotz Bankenkrise!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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