kleine weihnachtsgeschichte zwischen traumwelt, familienwelt und bloggerwelt

„pitbull“ ist der suchbegriff auf google, der meinem blog in den letzten wochen am meisten besuche beschert hat. das hat mich erstaunt! zwar habe ich einen beitrag mit einem bezug zur pitbull-debatte im bundesrat geschrieben, und ich habe über die auswirkungen auf das stadtwandern spekuliert. das thema selber habe ich aber nur im vorbeigehen, beim rücktritt von joseph deiss aus dem bundesrat, aufgenommen.

erklären kann ich mir die nachfrage eigentlich nur durch das klima der gewalt, das momentan unser aller alltag beherrscht. diese nacht hat mich diese stimmungslage selbst im schlaf erfasst. wohl als verarbeitung meines morgendlichen faustschlages vor einigen tagen, träumte ich schlecht.


portrait meiner geburtsstadt: fribourg (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

traumwelt

ich stand an einem strassenzug, der mich stark an eine stelle in buchs erinnerte, wo ich in den 60 jahren lebte und als bub in die schule ging. ich war aber kein junge mehr, sondern ein gestandener mann. und ich wurde rücksichtslos gerempelt. von links kam ein typ, mit einem kinderwagen, und stiess mich offensichtlich zur seite. im ersten moment war ich erstaunt, doch dann bin ich ihm ein paar schritte gefolgt. ich sprach ihn auf den vorfall an, ohne eine reaktion zu bekommen. dafür spürte ich, wie sich meine linke faust ballt.ich erhob meine kampfbereite waffe, schlug aber nicht zu. immerhin hielt ich sie meinem gegenüber unter die nase. dieser schaute mich kurz an, und sagte verächtlich: man wisse ja, dass ich ein randale sei! ich hätte ja schon seine nachbarin verhauen. da war ich schlagartig entwaffnet.

damit hatte ich nicht gerechnet, und ich zottete von dannen. jetzt war ich offensichtlich an der gerechtigkeitsgasse in bern, ganz unten, wo die junkerngasse abzweigt. ich wählte den seitenweg. ich wollte mich zurückziehen, ein wenig besinnen. als ich einige schritte gegangen war, verlief sich die gasse in einen waldweg und dieser endete im dunkel der nacht. doch war auf linker seite eine treppe, die zu einem fenster mit licht führte. ich stieg einige stufen hoch, sah flüchtig eine gruppe junger frauen an mir vorbei runter laufen. eigentlich beachtete ich sie nicht, denn mein auge war ganz auf das licht in den nacht gerichtet. hinter dem fenster entdeckte ich eine bücherei. ich presste die nase ans fenster, und ich las einige der buchtitel, die ich erheischen konnte. es handelte sich ausschliesslich um christliche werke. die letzte der jungen frauen, die an mir vorbei die treppe hinter gelaufen waren, sagte zu mir. „es ist eine grosse klosterbibliothek; sie leihen auch bücher an auswertige aus.“


wohn- und arbeitsort meines verstorbenen grossonkels: fribourg (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

familienwelt

da erwachte ich; und der traum war sofort vergessen. offensichtlich war mir das thema unangenehm. mein überich sammelte sich schneller, als mein ich den traum hätte festhalten können.

ich wusste noch, dass ich etwas spezielles geträumt hatte. beim frühstück erwähnte ich das, ohne mich an den inhalt erinnern zu können. die themen über dem esstisch wanderten, und ich wollte das gespräch auf meinen faustschlag von jüngst lenken, – da machte es unvermittelt click und der ganze traum entlud sich im nu in mir.

wir haben darüber geredet und beschlossen, am letzten vorweihnachtstag einen besinnlichen halt in unserem alltag zu machen, – ganz ohne verpflichtungen; nur für uns und unsere seele.

die innere enge berns haben wir gleich ganz gemieden; dafür sind wir nach fribourg gegangen, haben den samstagsmarkt besucht und einige gassen erkundet. dabei sind wir auf die spuren meiner vorfahren mütterlicherseits gestossen. mein grossonkel lebte als uhrenmacher bei hugentoblers an der rue de lausanne. ich haben ihn als 18jähriger auf einer velofahrt durch die halbe schweiz dort besucht. er hat mir seine junggesellenbude gezeigt, mir all den funkgeräten, die ihn mit der halben welt verbanden, und wir sind zusammen eine fundue essen gegangen.

das ist nun 30 jahre her, und mein grossonkel ist schon lange verstorben. aber ich habe sein haus wieder gefunden. der uhrenladen ist nicht mehr, terre des hommes verkauft jetzt an gleicher stelle waren aus der halben welt. doch den eingang in die wohnung auf der seite erkannte ich unversehens wieder; und ich entdeckte sogar das namensschild, das immer noch am briefkasten klebt und unter den hausglocke angebracht ist. ich war ein wenig gerührt.

danach gings stadtauswerts. an der route de villars machten wir halt, denn jetzt wurden meinen kindheitserinnerungen wach. “da, da bin ich aufgewachsen”, rief ich. wir haben gehalten, und haben “meinen” spielplatz von damals besucht. bambi und bimbo, das kleine reh und der blaue elefant, auf denen ich als knirps geritten bin, stehen immer noch; bimbo aber hat ein ohr verloren! spuren der gewalt, denke ich kurz. wir gehen sogar an der quartierkioso tünterlen; wie damals, als ich erstmals meinem kleinen plüschhasen selber einen fünfermocken kaufen durfte. jetzt gabs caramel von halter, auch seit alters her bekannt.


orte meiner kindheit: fribourg (fotos: stadtwandererIn, anclickbar)

weihnachtswelt

zum abschluss sind wir ins nahe gelegene kloster hauterive“auf der suche nach dem verlorenen paradies”, habe ich im sommer hierzu berichtet. man parkiert in der nähe, macht einige schritte zu fuss, überschreitete eine krete, und manliest ein schild, das einem aufmerksam macht, jetzt in die abtei einzutreten. man wechselt die welt, und man wird angehalten, schönheit und ruhe zu beachten und wahren. selbstverständlich haben wir das auf jedem schritt respektiert.

die stille war wunderbar; die wenigen menschen hier waren wirklich besinnlich: eine familie mit drei kindern, der vater mit einem zerschlagenen gesicht; ein älteres ehepaar, eine mutter mit kind und eine alleinstehende frau. alle waren sie im klosterladen gewesen, und haben ein laib brot gekauft, um teilzuhaben an der christlichen gemeinschaft und sich daran zu stärken.

auch wir sind in den klosterladen gegangen, haben brot gekauft, – vor allem aber tee, – beruhigungstee.


porträt einer gasse: fribourg (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

bloggerwelt

auf dem rückweg war ich müde. ich erinnertee ich mich nochmals an den traum, und den schrecklichen artikel im „blick“ über den pitbull-halter, dessen hund ein kind zu tode gebissen hatte und der gestern vor gericht gestanden waren. erst jetzt wird mir klar, warum pitbull ein schlagwort ist, und warum ich wohl wieder von gewalt geträumt habe. aber ich vergesse alles ebenso schnell, wie ich am morgen meinen traum ausgeblendet hatte.

es ist definitiv nicht meine welt, die der gewalt.
„aber sie ist!“, denke ich mir am abend, vor dem tee und dem stadtwanderer-blog über meiner weihnachtsgeschichte sitzend.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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