gugler gewalt

es war an weihnachten 1375. es lag schnee. es war kalt. und es war bedrohlich rund um bern. die heilige nacht war alles andere als friedlich. vielmehr fiel die entscheidung im krieg gegen die gugler. wer das waren und was sie im aaretal wollten, erzähl ich in der nachfolgenden geschichte, – passend zur aktuellen gewaltstimmung rund um die diesjährige weihnachten.


fraubrunnen: szene aus dem guglerkrieg an weihnachten 1375, die fremden truppen von graf coucy sind gut an den kapuzenförmigen helmen erkennbar, die ihnen auch den sonderlichen namen “gugler” eintrugen (quelle: diebold schilling, spiezer chronik, anclickbar)

die anerkannte burgundische eidgenossenschaft

nach dem gewonnenen laupenkrieg und dem friedensschluss mit habsburg 1340 war der aufstieg berns nicht mehr zu bremsen. zwar stoppte die pestwelle von 1348 das bevölkerungswachstum, und auch die herrschaft der schultheissenfamilie von bubenberg wurde vorübergehend erschüttert. kaufleute übernahmen 1350 die herrschaft in bern und sicherten die stellung der stadt durch friedensverträge mit savoyen. die burgundische eidgenossenschaft, im 13. jahrhundert entstanden, wurde ferner durch einen ewigen bund mit biel (1352) gefestigt, und auch dem bund der waldstädte trat man 1353 bei.

1365 anerkannte kaiser karl IV. bei seinem besuch in bern eben diese burgundische eidgenossenschaft, in deren zentrum die stadt bern stand, und sicherte ihr so den wirtschaftlichen aufstieg als regionalmacht zu. zuvor hatten die bubenberg das politische zwischenspiel der händler beendet. ritter johann von bubenberg der jüngere leitete die geschickte der stadt, während die kaufleute ihr erstes festes kaufhaus bauten.

bern holte in dieser zeit im seeland, wo sich die herrschaft der grafen von neuenburg in aarberg in finanzielle nöte geraten war, kräftig aus. selbst mit dem bischof von basel stritt man sich um die vorherrschaft über die stadt biel. und auch nidau geriet, als das dortige grafengeschlecht mit dem guglerkrieg ausstarb, in berns einflussgebiet.

graf enguerrand VII. von coucy

doch dann kam plötzlich alles ganz anders als erwartet: im winter 1375 versammelte sich ein riesiges heer im aaretal. gekommen war es brandschatzend und verwüstend über den jura. angeführt wurden sie von enguerrand VII. de coucy, einem französischen grafen aus der picardie, der mit dem bau des grössten donjons auf seiner burg in der picardie mitten im 14. jahrhundert seinen anspruch auf mehr macht im umkämpften frankreich angekündigt hatte.


chateau de coucy, mit dem gewaltigen donjon in der heutigen picardie, war der ausgangspunkt der eroberungen von comte enguerrand VII., der sich schon als kommender französischer könig sah; sein schloss wurde im 1. weltkrieg zerstört, die überrreste kann aber heute noch besichtigen

enguerrand VII. kam nicht ins mittelland. er hatte den südfranzösischen hauptmann jean de vienne und den walisischen captain owen logoch und ihre insgesamt über 20’000 mannen mitgebracht, die im 100 jährigen französisch-englischen krieg wegen eines vorübergehenden friedens arbeitslos geworden waren.

enguerrand selber stammte mütterlicherseits aus dem haus habsburg, und er erhob anspruch auf den habsburgischen aargau. dieser war 1310 samt den städten bremgarten, lenzburg, aarau, sursee, sempach und willisau herzog leopold I. und katharina von savoyen vererbt worden, und von da an ihre tochter, katharina, der mutter von enguerrand, gegangen. faktisch herrschten aber die herzöge von österreich von wien aus über den aargau.

genau das wollte enguerrand wettmachen. hungrig war er, auf den aargau, während seine truppe im kahlen aaretal auf die nächste mahlzeit hungrig waren. doch der graf liess sich nich lumpen. er postierte sein heer demonstrativ im vorgelagerten st. urban, und seine französischen und walisischen hauptleute nahmen mit gottstatt und fraubrunnen den rückwärtigen raum ein.

der krieg an weihnachten 1375

die militärische bedrohung für bern war offensichtlich. vor den toren der stadt lagen fremde heere, die den anspruch erhoben, ihrerseits über das aaretal und die zuflüsse bis zur reuss herrschen zu wollen. das passte nichts in die expansiven pläne des schultheissen von bubenberg. also organisierte sich der widerstand der bauern in den betroffenen gebieten, der auch die berner und ihre verbündeten, die innerschweizer, erfasste. mit den raubenden, schändenden und mordenden truppen nahm man jedoch nicht die direkte konfrontation auf. doch in nächtlichen angriffen übte man sich im kleinkrieg.


herrschaftsverhältnisse im 14. jahrhundert im mittelland: umstritten während des guglerkrieges die zugehörigkeit von teilen des aargaus, namentlich der städte willisau, sempach, sursee, aarau, lenzburg und bremgarten zu den habsburgischen landen; unbestritten: die 8örtige eidgenossenschaft von 1353 als gegengewicht, das den habsburgern gegen graf de coucy noch zu hilfe kam (karte:wikipedia.com, anclickbar)

höhepunkt dieses partisanenkrieges waren die weihnächtlichen attacken, – an weihnachten. anfangen hatten die innerschweizer am 24./25. dezember in buttisholz; ihnen gefolgt waren die berner nachts darauf in anet (ins), und vom 26. auf den 27. dezember schlugen diese auch in fraubrunnen zu. die klöster, in denen sich die truppen coucys verschanzt hatten, gingen in flammen auf; besonders fraubrunnen wurde arg in mitleidenschaft gezogen, und musste später erneut aufgebaut werden.

der weihnächtliche schlag mit herben verlusten für die fremden besatzer sass. die kargheit des landes im kalten winter trug das ihre zu demoralisierung der truppen bei. so zogen sie sich über den jura zurück, ohne dass graf coucy zum entscheidenden stoss auf den aargau hätte ansetzen können.

gugler – ein name aus unverständnis

habsburg war von den burgundischen und waldstätter eidgenossen gedeckt worden; – noch einmal wird man bald beifügen müssen. denn die luzerner vertrieben ihrerseits 1386 in sempach die österreicher, und die berner rundeten im burgdorfer krieg von 1384 ihre herrschaft im aaretal auf kosten der kyburger bis solothurn ab. enguerrand nutzte die schwäche der fernen verwandten in wien, um sich 1387 nochmals in büren festzusetzen. diesmal konnte er sich gerade ein jahre halten, den bern und solothurn duldeten auch diesen vorstoss in ihre umgebung nicht auf dauer.

in erinnerung geblieben ist die episode coucy nur der name der truppen. die kapuzenförmigen helme seiner mannen waren den barhäuptig kämpfenden bernern fremd. sie übersetzten ihren lateinischen namen, cucullus, in ihre sprache: daraus wurde auf bärndütsch “gugler”; der krieg an weihnachten 1375 fand als guglerkrieg eingang ins berner kollektivgedächtnis, wo er bis heute als geschlechtsname nachwirkt.

stadtwanderer
(in der weihnachtsnacht extra nochmals aufgestanden)

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „gugler gewalt“

  1. Lieber Stadtwanderer

    Habe mit Interesse Deinen Beitrag zur Guglergewalt im Jahre 1375
    gelesen und ein paar kleine Fehler ausgemacht. Da ich mich schon fast
    30 Jahre mit den Coucys beschäftige, möchte ich Dir gerne mitteilen,
    dass der von Dir angesprochene Enguerrand VII nicht der Erbauer des
    gewaltigen Donjons ist, sondern sein Ahne Enguerrand III (le
    bâtisseur) in den 1220er Jahren. Dieser war auch sehr arrogant mit
    seiner Devise ‘Roi ne suis, ni Prince, ni Duc, je suis le Sire de
    Coucy’ und wollte dem noch unmündigen König Ludwig IX die Königswürde
    streitig machen, was jedoch dessen weise Mutter, Königin Blanche von
    Kastilien, zu verhindern wusste. Der Guglerführer Enguerrand VII starb
    auf einem der letzten Kreuzzüge gegen die Türken nach der Schlacht bei
    Nikopol (Bulgarien) 1396 in einem türkischen Gefängnis in Bursa.

    So weit so gut.

    Lieber Grüsse aus Wnterthur

    Ralph Weber

  2. Hi Ralph,
    sehr guter Kommentar über den leider etwas fehlerhaften Bericht.
    Würde gerne mehr über Ihre Erfahrung mit den Coucys wissen, da ich ein Buch über Enguerrand VII. schreibe, der im FEBRUAR 1397 in Bursa verstarb.
    Bitte um eine Antwort und beste Grüße aus Florida! Klaus

  3. schön, dass der stadtwanderer die interessierten an den coucys zusammenführt.
    vielleicht wäre es von vorteil, den bericht nicht einfach als fehlerhaft abzutun, sondern aufzuzeigen, was nicht stimmt.

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