ligerz: vielfach speziell!

strahlende sonne! silberner see! und überraschende geschichten! das bekam man an diesem wochenende zuhauf: ganz besonders in ligerz!


fotos: stadtwanderer (anclickbar)

speziell schmal

nach ligerz kommt man beispielsweise über den see, – den bielersee. seit er im 19. jahrhundert gesenkt wurde, ist er berechenbarer. denn er reicht nicht mehr ganz ans strassendorf. bahn und autos danken es ihm. denn so haben sie etwas platz bekommen, um zwischen wasser und wein durchzudonnern. ligerz hat seither sogar einen kleinen bahnhof, doch halten die meisten züge hier nicht: tagsüber ist sind es die personenkombis von zürich über biel nach genf, und während der nacht ist es der güterverkehr, der hier die ruhe bricht.

viel platz hat ligerz dennoch nicht. der weg durchs dorf ist meist nicht mehr als 2 meter breit. zwei häusserreihen kleben förmlich daran und formen enge gassen: ein haus zeigt jeweils zum see, das andere zum berg. 500 menschen leben hier auf engstem raum; fast alle sprechen heute deutsch. gléresse, wie ligerz auf französisch heisst, ist seit dem 19. jahrhundert fast ganz in vergessenheit geraten.

das leben in ligerz findet auf engstem raum statt. aber es ist detailreich: weinfässer und kellertüren verdeutlichen einem das wirtschaftsleben; misteln und plakate symbolisieren den einfluss der tradition und der moderne, sowie zerfallene wie auch renovierte hausfassenden erinnern einen selbst hier dann die unaufhaltsam gewordene zeit.

schmal, speziell schmal ist hier alles, was eigentlich platz bräuchte. es ist so eng, dass der name des zentralen restaurants fast etwas komisch wirkt: “hotel kreuz”, heisst es, und man stellt sich unweigerlich jesus vor, am kreuz, die arme jedoch eng angewinkelt und nicht weit ausgestreckt. was für eine vorstellung!

über dem dorf ist der weinberg! und mitten drin steht die kirche. sie ist die gewinnerin der höhe: sie ragt auf dem hügel. sie überblickt die schäfchen. und sie beherscht die wege auf land und wasser. eine steile strasse führt hinauf. noch steiler ist in ligerz nur noch die kleine bergbahn, die nach schernelz geht, der siedlung auf dem plateau weit oben am hang, das zu ligerz gehört.


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speziell hoch

heute ist das eine speziell schöne wohnlage. früher sass dort ein seignieur, – zu deutsch freiherr. “festi” nannte man seine burg; heute ist das noch ein flurname. bezeugt ist die seignieurie seit den 1230er jahren, als man angesichts der zerfallenden macht im kaiserreich überall daran ging, den lokalen handel durch eine eigene obrigkeit zu sichern.

massgeblich im gebiet von gléresse waren die grafen von neuenburg, die nachfolger der herren von fenis, die auf der anderen seite des bielersees residiert. im 14. jahrhundert wurden sie vielfach geschwächt; neuenburg, und die von ihnen abhängigen orte kamen in den einflussbereich der aufstrebenden stadt bern.

die sepziellste persönlichkeit der freiherrenzeit ist heinrich. “von ligerz” hiess er, als er der weltlichen macht entsagte und ins benediktinerkloster in st. johannsen bei erlach eintratt. 1324 ging er nach einsiedeln, wo er rasch zum thesaurar des klosters aufstieg. er war damit für alles zuständig, was heilig war.

seinen grössten rückschlag erlebte heinrich 1354: zwar besuchte karl iv., der spätere kaiser aus dem hause luxemburg-böhmen, das kloster. doch der könig nicht in friedlicher absicht: die eidgenossenschaft, die sich zwischen den waldstätten sowie den städten zürich und bern angesichts der pestkrise gebildet hatte, war ihm ein antifeudaler dorn im auge. er strebte die restaurierung der hergebrachten verhältnisse an, – und betätigte sich als eifriger sammler von reliquien. solche nahm er von einsiedeln, wo er residierte, in grosser zahl mit nach prag. ausgerechnet heinrich von ligerz musste ihm die kostbarkeiten übergeben!


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speziell farbig

seit 1385 machte sich der eidgenössische einfluss breit. mit dem stanser verkommnis nahm diese gestalt an, und gewährte den bauern den freikauf von der leibeigenschaft, die in ligerz noch gegenüber dem basler bischof bestand. das ende der feudalherrschaft war damit gekommen, ausburger von biel und bern war man jetzt! 1551 erwarb das reformierte bern alle rechte in ligerz, vereinheitlichte die komplizierten unterstellungen ganz und vermachte das städtchen dem landvogt von nidau, der die bestehenden rechte am markt, an der fischerei und den steuereinnahmen bestätigte.

nun setzte die grosse zeit der rebbesitzer ein, – den einheimischen und den auswärtigen. ligerz wurde so zu einer frühen riviera. sonne und wein, see und schwein gab es hier in mengen. und das zog das städtische patriziat an. selbst familien wie die patrizier von wattenwyl besassen in gléresse stattliche herbsthäuser.


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speziell mobil

1803 kam ligerz ganz zum amt nidau; 1834 wurde es bernische gemeinde, und seit 1848 gehört man zur schweizerischen eidgenossenschaft. mit dem modernen staat setzte auch die verkehrserschliessung ein. bis dahin war man fast nur über den see erreichbar gewesen. die pontonniere in ligerz erinnern heute noch daran.

in den 1830er jahren wurde die bielerseestrase eröffnet, was leider unüberhörbar geworden ist. und in den 1850er jahren kam die besagte bahn zwischen biel und neuenburg hinzu. gottseidank, kann man für das unterdorf sagen, ist die heutige autobahn untertunnelt worden: das hätte ligerz sonst womöglich ganz platt gedrückt.

man dankt es als reisender, wenn man in ligerz ist. der schafiser im “kreuz” mundet uns auch ohne die angeschriebene, aber ausgegangene treberwurst ausgezeichnet, – und leicht erheitert spaziert man gerne noch ein wenig am see, geniesst die untergehende sonne, die sich silbern im wasser spiegelt.


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speziell für ligerz

hier es wird ausgesprochen schnell ruhig, sodass man in gedanken über den see schwebt – bis zur vorgelagerten petersinsel.

so entsteht doch noch weite – in ligerz etwas ganz spezielles!

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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