energien fürs leben

es ist kulturwochenende zur wohlener ortsgeschichte: es liest eine schriftstellerin zum landleben; es erzählt ein politologe, was man über die wortgeschichte von hinterkappelen weiss. zu sehen ist wohlen vom kirchturm aus, und speziell gezeigt werden möriswil, das schönste dorf in wohlen, das schlössli von oberdettigen mit dem weissen turm. und die mühle hofen, die mich ganz besonders interessierte.


kulturwochenende auf der mühle hofen mit dem alten müller (fotos: stadtwanderer)

ernst baumgartner erzählt

ernst baumgartner war 40 jahre lang erfolgreich müller in hofen. dann musste er den familienbetrieb einstellen. sein vater, der aus dem fraubrunnenamt kam, hatte sie 1897 übernommen. kurz vor dem 100jährigen familienjubiläum kam dann aber das aus. Sohn niklaus und seine frau regula arbeiten noch als bauersleute in hofen. Immerhin, ihre kinder zeigen interesse, die mühle in veränderter form wieder in betrieb zu nehmen!

hier hat eine dreihundertjährige geschichte vielleicht bald schon wieder zukunft. seit 1719 ist die mühle nachgewiesen. stark ausgebaut sei hofen in der zeit des übergangs, wie ernst baumgartner die wende vom ancien regime der gnädigen herren zum kanton bern bezeichnet. 1920 kam dann der grosse einschnitt: die bkw begann mit der stauung der aare im nahegelegenen mühleberg; 29 bauernbetriebe sind damals in der aare, die zum wohlensee anschwoll verschwunden.

er werden immer wieder gefragt, wo denn das mühlerad sei, erzählt ernst baumgartner am kulturwochenende aus seinem leben. er kann die interessierten noch auf eine jüngst angebrachte wandmalerei verweisen; sonst muss er aber auf die turbine im keller zeigen. Mit der stauung der aare wurde auch die mühle modernisiert. 1920 wurde eine turbine von brown&boveri in betrieb genommen, die über transmissionsriemen die energie in die ganze mühle verteilt. das wasser für die turbine kommt über einen speziellen kanal bis zur mühle. 19 meter stürzt es danach in die tiefe, um anschliessend über einen industriekanal in den wohlensee geleitet wird.


szenen in der mühle: der müller verschwindet auf dem pater noster, transmissionsriemen aus leder, bildhafte erinnerung an das verschwundene wasserrad (fotos: stadtwanderer)

250 tonnen mehl produzierte ernst baumgartner anfangs der 60er jahre in 12 monaten. 25 eisenbahnwagen à 10 tonnen ladung, gibt er seine rekordleistung bildhaft weiter. doch dann sei die ganz grosse modernisierung des mühlewesens gekommen. heute fülle alleine die coop-mühle in zürich in einem tag 60 solcher eisenbahnwagen; dafür hätte er, auch in guten zeiten, zweieinhalb jahre gearbeitet.

im geist ist der 87jährige ernst müller auch nach seiner pensionierung vor 13 jahren müller geblieben. das spürt man förmlich, wenn er, mit blauer mütze gekleidet, einem mit dem gehstock die alte mühle hofen zeigt. müller zu sein, sei zu jeder zeit etwas spezielles gewesen, weiss er zu berichten. die stadtadeligen vor der helvetik hätten genau auf ihr monopol auf mühlen geachtet. dann hätten sich aber immer mehr müller auf dem land selbständig gemacht, und seien freimüller geworden, als zentrale bindegliede zwischen bauers- und bäckersleuten. die sozialisten hätten die müller als frühkapitalisten brandmarken wollen. er selber sehe das anders: wirtschaftlich habe man zur dorfelite gehört, politisch blieb der einfluss aber bescheiden.

bescheiden war des müllers einfluss auch auf wanderratten. die seien gerne von mühle zu mühle gezogen. denn es habe immer etwas zum fressen gegeben. einmal, als ein müllerinspektor gekommen sei, weiss ernst baumgartner, habe er die türe vor schreck gleich wieder zu geschlagen. heute sehe man keine wanderratten mehr, auch keine iltisse gebe es auf der mühle. in den drei estrichen des hauses habe es nur noch hausmarder.

die zukunftsoffensive der baumgartners

ernst baumgarnter weiss um den umstrittenen ruf der müller in der bevölkerung, und greift das thema selber auf: „warum vermeiden es störche, auf einer mühle zu nisten?“, fragt er die staatliche rund am kulturtag. weil der müller die eier stehlen würde, bevor sie ausgebrüttet seien, lacht er. ja, es sei vorgekommen, dass der müller die bauern über den tisch gezogen habe; eine haftung über generationen müsse er aber ablehnen.


denkmalgeschützt: mühle hofen mit ofenhaus (fotos: stadtwanderer)

ganz offensichtlich sind die baumgartners heute wieder in der offensive. sie haben sie den mühlenfreunden angeschlossen, und sie organisieren mit wachsendem erfolg den mühletag. trotz diesen angeboten zur zukunft der mühle hofen, sind sie am wohlener kulturwochenende der renner. jetzt müssen sie das interesse der menschen nur noch in ein interesse der kunden umwandeln: „wenn die finanzierung der renovation von oberwasserkanal und turbine klappt, werde man hier bald schon ökostrom produzieren und die bkw damit beliefern. sollte sich das rechnen, wollen niklaus und regula baumgartner auch das ofenhaus nebenan seinem ursprünglichen zweck zuführen und selber brot backen. die denkmalpflege und die pro patria hätten ihre unterstützung für das vorprojekt bereits zugesagt.

der stadtwanderer, heute in seiner wohngemeinde auf dem land unterwegs, auch: denn brot und strom sind energien für das leben!

stadtwanderer

ps:
das wochenende in wohlen hat auch andere blogger interessiert, wie zum beispiel
„adrian schori“

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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