wie die zauberformel entstand

darin sind sich die politologInnen der schweiz einig: ein konkordanzsystem ist das gegenteil eines konkurrenzsystems. letzteres stellt der regelfall dar: parlamentarische demokratien sind auf mehrheitsbildung ausgerichtet, wobei sich regierung und opposition gegenüber stehen. die regierung vertritt die minimal nötige koalition, die aus wahlen hervorgeht. sie entscheiden, wer die mehrheit alleine oder in verbindung mit anderen bekommt und wer sie bis zu den nächsten wahlen auch ausüben darf.

weniger einig sind sich die politologInnen hierzulande in der frage, ob die erweiterung einer parlamentarischen demokratie durch direktdemokratische institutionen mit einem konkurrenzsystem in verbindung gebracht werden kann oder zwangsläufig in ein konkordanzsystem mündet. hauptgrund: die vielzahl der thematischen konfliktlinien, die sich bei regelmässigen volksabstimmungen ergeben, kann mit einer 51 prozent koalition nicht erfolgreich bewältigt werden. das führt letztlich dazu, dass reine mehrheitsregierungen nicht unmöglich sind, sich aber auf die dauern nicht halten können.


vereidigung des ersten bundesrates, der 1959 nach der zauberformel gewählt worden war, am 17.dezember

die geschichte des schweizerischen bundesstaates zwischen 1874 und 1959 ist ein beredetes beispiel für den umbau einer parlamentarischen demokratie auf der basis des konkurrenzsystems zur direkten demokratie mit dem konkordanzsystem.

das konkurrenzsystem von 1919

1848 folgte man in der schweiz institutionell dem französischen und amerikanischen vorbild. der bundesrat wurde durch einen bundespräsidenten geführt, der gleichzeitig die schweiz nach aussen vertrat. er war aber kein richtiger präsident, sondern nur einer auf zeit, der primus inter pares in einer regierung war. diese wiederum hing von der mehrheit im parlament ab, das aus zwei kammern bestand: der volks- und der kantonsvertretung. beide wurde nach dem majorzverfahren gewählt, was die zahl der relevanten parteien verringerte. faktisch kannte man eine konfliktlinie: die sonderbundessieger aus dem liberal-radikalen lager gegen die verlierer aus dem katholisch-konservativen.

von einem reinen konkurrenzsystem kann man in dieser zeit noch nicht sprechen. bis 1919 regierte auf dieser basis der freisinn aufgrund der parlamentszusammensetzung weitgehend hegemonial. demokratisierungsbestrebungen dieser elitendemokratie von 1848 führten 1874 zur einführung des gesetzesreferendum und 1891 zur volksinitiative für parzielle verfassungsänderungen. die vorherrschaft des freisinns blieb jedoch, wen auch eingeschränkt. 1891 bereinigte man den konflikt mit den anfänglichen gegnern des bundesstaates. die kathololisch konservativen wurden unter aufgabe ihrer opposition schrittweise integriert. weitere zugeständnisse, vor allem an die politisch und gewerkschaftlich aufstrebende arbeiterschaft machte man indessen nicht. so tarierte der freisinn die macht aus, die es ihm erlaubt, stets in der regierung zu sein.

1918 wurde daus ausbalancierte, bürgerlich geprägte politische system durch den generalstreik erschüttert. nur ein jahr später wurde der nationalrat erstmals auf der basis des proporzwahlrechtes gewählt. die auswirkungen waren beträchtlich. der freisinn des 19. jahrhunderts verschwand. verschiedene parteien machten sich jetzt breit, so die fdp, so die lp, so die bgb und so die sp. ihnen stand, in den katholischen landesteilen die KK gegenüber, die nur beschränkt parteispaltungen kannte.

die landesregierung setzte sich hinfort aus fdp, kk und bgb zusammen, vorübergehend auch aus einem vertreter der lp. mit der bgb zusammen behielt die fdp die mehrheit im bundesrat. zusammengehalten wurde die sehr ungleichen koalitionspartner durch den antikommunismus. aussenpolitische war die sowjetunion der feind, innenpolitisch die linke.

eine wirkliche koalition war das jedoch nicht. vor allem die wirtschaftsinteressen zwischen den aussen- und binnenorientierten ökonomie erschwerten eine einheitliche, kohärente politik. den minderheiten kam eine hohe taktische bedeutung zu, die sie mit referendumsdrohungen ausnutzten. volksabstimmungen wurden zur regelmässigen nagelprobe für die bürgerliche regierung. unheilige allianzen wurden möglich. die leistungsfähigkeit des systems stockte. genau diese situation war es, welche die grenze der beiden institutionen, parlamentarische und direkte demokratie, aufzeigte.

das konkordanzsystem von 1959

in den 30er jahren des 20. jahrhunderts setzte ein fundamentaler umbau des regierungssystems der schweiz ein. die aussenpolitische bedrohung, namentlich der aufstieg des nationalsozialismus nach 1933 beförderte ihn. innenpolitisch reduzierte die linke ihre opposition. 1935 anerkannte sie grundsätzlich die militärische landesverteidigung. 1937 kam es im wirtschaftsbereich zur sozialpartnerschaft in der lebenswichtigen metallindustrie, mit welche der klassenkampf von 1918 überwunden wurde.

die linke strebte in dieser situation eine mitte-links-regierung an, die ihre sozialpolitischen forderungen unterstützen sollte. durchsetzen konnte sie das aber nicht. 1938 kam es bei der bundesfinanzreform zum grossen kompromiss: die rechte konnte die aufrüstung finanzieren, die linke erhielt die ahv. und die parteien gingen zu einem system der mässigung in ihrem konflikt untereinander über, um gemeinsam, konkordant! regieren zu können.

zur direkten regierungsbeteiligung der sp kam es jedoch nicht sofort. 1939 wurden die parlamentswahlen des krieges wegen ausgesetzt. erst 1943 wurde wieder gewählt. die siegreiche sp wurde darauf hin in den bundesrat aufgenommen. sie verblieb dort aber nur auf zusehen hin. 1953, nach einer gescheiterten volksabstimmung zerbrach das vier-parteien-bündnis, indem die sp in die selbstgewählte opposition ging. 1959 sollte sie allerdings gestärkt, und mit der unterstützung der kk, wieder dorthin zurückkehren. jetzt hatten fdp, kk und sp je 2, die bgb einen sitz. die kk war damit gestärkt worden: sie konnte rechte wirtschaftspolitik und linke sozialpolitik betreiben, und sie gab den ausschlag, was galt!

bilanz: neuer wahlmodus mit geburtsfehler

am 17. dezember 1959 (heute vor 48 jahren!) wurden vier neue bundesräte (jean bourgknecht (kk), willy spühler (sps), ludwig von moos (kk) und hans-peter tschudi (sps)) sowie drei bisherige paul chaudet und max petitpierre (beide fdp) und friedrich traugott wahlen (bgb) gewählt. geboren war damit die “zauberformel” für die regierungsbildung im bundesstaat. die grossen parteien sollten proportional zu ihrer stärke im bundesrat vertreten sein. dieser arbeitete in den kerngeschäften finanzen, wirtschaft, soziales und landesverteidigung lösungen auf der basis eines gemeinsamen willens aus und vertrat diesen nach aussen als kollegium. abstimmungssiege gehörten nicht einer partei, abstimmungsniederlagen führten aber auch nicht mehr zu rücktritten in der landesregierung. direkte demokratie und wechselnde mehrheiten im bundesrat vertrugen sich hinfort.

entstanden war so die konkordanz. parteienwettbewerb, direkte demokratie und regierungszusammensetzung waren nun wieder so in übereinstimmung, dass eine stabile regierungstätigkeit entstand. deshalb war die zusammensetzung der bundesrates das kernstück für das entstehen der konkordanz, nicht aber das einzige element des neuen systems.

gerade der modus für die zusammensetzung des bundesrates zeigte aber von beginn weg, dass die konkordanz für die teilnehmenden nicht nur vor- sondern auchnachteile haben konnte. denn das neue system entstand mit einem bleibenden geburtsfehler: die mehrheit des parlamentes, die zwei sozialdemokraten in die landesregierung wählte, verhinderte des einzug von walther bringolf, dem sp-präsidenten, in den bundesrat. er galt als zu wenig konsensfähig. und er wurde durch hanspeter tschudi verdrängt, der dann erfolgreich die ahv in der schweiz einführte.

was die konkordanz nach 1959 und sie in die krise geriet, schreibe ich im nächsten beitrag, von irgendwo auf der welt, in der ich momentan umherwandere …

stadtwanderer

filmwochenschau der bundesratswahlen vom 17. dezember 1959
die ereignisse des jahres 1959 (wenn auch ein wenig deutschland-lastig)

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „wie die zauberformel entstand“

  1. Das Jahr 2007 geht in die Geschichtsbücher ein. Mit 29% der Wählerstimmen erreichte die SVP ein Rekordergebnis bei den Nationalratswahlen. Knapp zwei Monate später wurde die mit Abstand wählerstärkste Partei der Schweiz in die Opposition geschickt. Das politische System der Schweiz steht vor einer neuen Herausforderung: CVP und SP haben mit Hilfe einiger Freisinniger die Konkordanz beendet. Neu steht die Regierungskoalition einer starken, motivierten Opposition gegenüber.

    Während die Mundwinkel unzähliger Journalisten am 21. Oktober immer tiefer sanken und einige im Fernsehstudio Leutschenbach ostentativ den Kopf hängen liessen, bot der 13. Dezember in Bern ein anderes Bild: Die Medienschaffenden liessen ihrem Jubel über die Nichtwahl von Christoph Blocher freien Lauf. Strahlende Gesichter, Freudensprünge und Applaus prägten das Bild in den Fernseh- und Radiostudios der Wandelhalle im Bundeshaus.
    Ähnliches war im Ratssaal selber zu beobachten: Jubel wie nach dem entscheidenden Tor in einem Finalspiel der Fussball-Meisterschaft. Endlich war es gelungen, Christoph Blocher aus der Regierung zu entfernen – seit vier Jahren das Hauptziel der politischen Linken. Die tatkräftige Unterstützung der CVP und einiger Freisinniger zeigt, mit welchen Mehrheiten wir es im Bundesparlament wirklich zu tun haben. Doch das Erwachen in den Reihen der künftigen Regierungsparteien ist bitter: Viele haben sich nicht darauf vorbereitet, dass die SVP in die Opposition geht. Taktisch war der Rauswurf vorbereitet, strategisch nicht.

    Abruptes Ende des Konkordanzsystems
    Auch in den Reihen der Medienschaffenden bewegt man sich zum grösseren Teil noch in sicherer Distanz zur politischen Realität. Über die Auswirkungen der neuen Verhältnisse haben sich die meisten Journalisten noch keine Gedanken gemacht – oder sie ignorieren die neue Situation sogar bewusst.

    So schreibt Michael Schoenenberger in der „Zürichsee-Zeitung“ vom 15. Dezember: „Die Schweiz ist in eine neue Phase eingetreten. Ob am Ende dieser Phase das Ende der Konkordanz steht, ist ungewiss. Wahrscheinlicher ist, dass das politische System die derzeitige Masslosigkeit der SVP überlebt. Gemässigte Kräfte werden erkennen, dass sich die Konkordanz nicht zufällig entwickelt hat, sondern die Folge der direkten Demokratie mit ihren vielfältigen Partizipationsmöglichkeiten ist. Noch sitzt die SVP mit zwei Vertretern im Bundesrat, auch wenn dieses nicht die radikale Linie des Zürcher Flügels vertreten.“ Dies sind Träumereien aus der politischen Welt von gestern.

    CVP wollte Koalition mit Sozialdemokraten
    Das Konkordanzsystem hat sich tatsächlich aus dem direktdemokratischen System der Schweiz ergeben. Allerdings beruhte es immer auf dem übereinstimmenden Willen der vier grössten Parteien, gemeinsam die Regierungsverantwortung zu tragen. Dieser Wille ist nicht mehr vorhanden, nachdem CVP und SP nicht mehr bereit waren, mit der SVP zusammenzuarbeiten. Die CVP strebte eine Koalition mit den Sozialdemokraten an und hat sich damit definitiv aus dem bürgerlichen Lager verabschiedet. Die neue Regierung wird einen Mitte-Links-Kurs verfolgen.

    Die SVP wiederum ist im neuen Bundesrat nicht mehr vertreten. Dies dokumen­tiert sich auch im Hinblick auf die im kommenden Jahr anstehenden Abstimmun­gen: Von den fraktionslosen Bundesräten wird für die SVP-Prämiensenkungsiniti­ative oder auch die Volksinitiative für demokratische Einbürgerungen kaum Sukkurs zu erwarten sein. Nachdem die Parteibasis in mühseliger, aber erfolgreicher Kleinarbeit die entsprechenden Unterschriftensammlungen bewältigt hat, sieht sie sich nach vier Jahren wieder aus dem Bundesrat gedrängt.

    Schweizer Konkurrenzsystem – ein Sonderfall?
    Wohl ist die Schweiz seit vergangenem Mittwoch von der bewährten Konkordanz zu einem Konkurrenzsystem nach ausländischem Muster übergegangen. Und doch bestehen verschiedene Unterschiede:

    * Die stärkste Schweizer Partei ist in der Opposition. Normalerweise führt die stärkste Partei die Regierung an und ist nicht in der Opposition.
    * Die Schweiz ist eine direkte Demokratie. Dies gibt der Opposition viel mehr Kraft, als die Oppositionsparteien im Ausland je haben können. Der SVP als bürgerlicher Opposition stehen nicht nur die parlamentarischen Mittel, sondern auch umfassende Volksrechte zur Verfügung.
    * Die Schweizer Regierung hat kein Koalitionsprogramm. Im Gegensatz zur Opposition, welche über ein glasklares, gut verständliches Programm verfügt, hat die Regierungskoalition aus SP, CVP, FDP und den fraktionslosen Bundesräten kaum gemeinsame politische Ziele.
    * Die Schweizer Regierungsparteien streiten sich um den Führungsanspruch. Die bürgerliche Opposition jedoch kann auf einen bewährten Parteipräsidenten und eine überaus motivierte Basis zählen.

  2. Die FDP setzt sich mit Nachdruck für den bilateralen Weg mit der EU ein, denn dieser Weg ist ein wichtiger Grund für den guten Gang der Wirtschaft und damit für den Wohlstand der Bürgerinnen und Bürger. Zusätzliche flankierende Massnahmen, wie sie der Linken vorschweben, lehnt die FDP aber kategorisch ab. Von der SVP wird ein klares Bekenntnis zu den bilateralen Verträgen erwartet.

    Der bilaterale Weg der Schweiz hat sich als grosser Erfolg erwiesen. Nicht zuletzt dank den Bilateralen geht es der Schweiz heute wirtschaftlich sehr gut und die Konsumentinnen und Konsumenten profitieren von einer tiefen Inflation. Die Schweiz kann vom Wachstum in den neuen EU-Staaten profitieren. Aus diesem Grund will die FDP, dass der bilaterale Weg weitergeführt und die Personenfreizügigkeit auf die neuen EU-Staaten Rumänien und Bulgarien ausgedehnt wird. Dies ist eine logische Folge des bilateralen Wegs. Dabei sind Übergangsregelungen, Kontingente und lange Übergangsfristen, wie sie auch bei der letzten Ausdehnung der Personenfreizügigkeit zum Tragen kamen, auch hier notwendig.
    Die FDP lädt alle Kräfte, welche die Schweiz in Richtung Erfolg bewegen wollen, zur Zusammenarbeit ein. Für eine erfolgreiche Weiterführung des bilateralen Wegs müssen folgende Voraussetzungen erfüllt werden:
    * Es dürfen keine zusätzlichen flankierenden Massnahmen – namentlich im Arbeitsrecht – eingeführt werden. Die Rahmenbedingungen des Standorts Schweiz müssen weiter verbessert und nicht durch eine Interventionsflut verschlechtert werden.
    * Statt flankierender Massnahmen fordert die FDP lange Übergangsfristen und Kontingente.
    * Auf Referenden und unheilige Allianzen gegen den bilateralen Weg ist zu verzichten.

    Gefragt sind nun insbesondere die CVP und die SVP. Statt Schaukämpfen müssen in der kommenden Legislatur die Interessen der Schweiz im Vordergrund stehen.

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