den täuschenden bildgebrauch entlarven

nur wenige tage nach dem anschlag vom 11. september 2001 tauchte im internet das “letzte Touristenfoto vom Dach des World Trade Centers” auf. peter guzli aus budapest stand dabei hoch über der stadt, – und von hinten näherte sich das berühmte flugzeug, das bald darauf den tower 1 rammen wird. eine digitale zeitangabe auf dem bild unten rechts bürgte für authentizität.

oder auch nicht!

denn das originalbild entstand vier jahre vorher auf einer ferienreise guzlis. selbstredend hatte es damals kein flugzeug im anflug auf das wtc. dieses wurde erst nachträglich hinein montiert. es ist, genauso wie die zeitangabe, eine fälschung.


mehr oder weniger offensichtlicher fake: peter guzli auf dem dach des wtc 1999 und 2001 in manipulierter form

eigentlich war es auch nur ein privater joke. doch in september-tagen des jahres 2001 wurde ein solcher, auf internet publiziert, zur globalen berühmtheit. obwohl das, oder besser noch: gerade weil es lügt.

das ist kein einzelfall. computerprogrogramme wie photoshop machen das bearbeiten von bildern zum alltagsgeschehen eines jeden mehr oder minder ambitionierten hobby-fotografen. meist geht es nur ums scharfstellen oder aufhellen imperfekter bilder. das ist denn auch harmlos. die grenzen zur bewussten manipulation ist aber fliessend geworden, seit die gleichen oder vergleichbaren programme auch dafür benutzt werden.

die ausstellung “bilder, die lügen”

die ausstellung “bilder, die lügen” im berner museum für kommunikation nimmt sich genau dieser unsicher gewordenen grenzziehung zwischen wahrheit und lüge an. sie erinnert gleich am eingang, dass in der heutigen zeit die wahrheit nur noch einen mausclick neben der fälschung liegt.

gezeigt werden im “lügen abc” vorwiegend fotografien aus dem 20. jahrhundert, aber auch einige videos aus dem 21. das material der 300 ausgestellten fälle reicht von “a” wie “aktuell” bis “z” wie “zukunft”. zur sprache comics, satire, werbung und die yellow press, weil sie für bildmanipulationen am anfälligsten sind. gezeigt wird aber auch der visuelle beitrag zur entstehung des führermythos vor dem zweiten weltkrieg, der entnazifizierung nach 1945 und der legendenbildung seither. doch ist das thema nicht auf den nationalsozialismus beschränkt. so werden auch berühmte fälschungen wie die ufologie werden unter dem aspekt des bildes, das etwas beweist, was nicht ist, behandelt.


schandfleck der amerikanischen aussenpolitik: breifing des un-sicherheitsrates zu den massenvernichtungswaffen im irak, das als legitimation für den krieg diente

konzipiert und kommentiert worden ist die ausstellung von hisgtorikern der stiftung “haus der geschichte der bundesrepublik deutschland”. das merkt man der bildauswahl auch an. deshalb greift man gerne nebst dem ausstellungsführer zum magazin “objektiv”. denn da geht es dann mehr um die gegenwart: colin powells “rede” und “zeige” vor dem un-sicherheitsrat, welche den irak-krieg mit beweisen zu massenvernichtungswaffen im irak legitimierte, eröffnet den reigen. zwischenzeitlich wissen wir es: bewiesen war nicht, vielmehr hatte der geheimdienst manipuliert, und powell bezeichnete seinen auftritt vor den völkern der erde im nachhinein als schandfleck in seiner amtszeit.

gezeigt wird im “objektiv” aber auch, wie das belgische fernsehen türkte, indem es mit einer reportage im nachrichtenstil das ende belgiens durch den austritt flanderns verkündete. erst nach rasch anschwellenden, empörten reklamationen deklarierte man den beitrag als fiktion, welche das tief zerstrittene land aufrütteln sollte. das ganze wirkt wie eine etwas gekünstelte rechtfertigung nach einem jux mit einer öffentlich vorgetragenen lüge, den sich die staatlichen medien leisteten.


plumpe täuschung durch den sgb: monitierter bundesratskopf mit behindertenkörper, ohne zustimmung bei beiden beteiligten entstanden

die aufgelisteten fälle in der grossen wanderausstellung machen aber auch vor der schweiz nicht halt: die fotomontage des schweizerischen gewerkschaftsbundes mit bundesräten als invalide wird genauso kritisiert wie das wahlkampf-video der svp, das zwischen himmel und hölle unterschied, je nachdem, ob die svp oder rotgrün die parlamentswahlen 2007 gewinnen werde. das ein gilt als plumpe eingriff ins bild und das rechts dazu, das andere als übertreibung im schwarz-weiss stil, ganz in den farbe der nationalkonservativen rechten vorgetragen.


raffinierte täuschung durch die svp: gestellte gewaltszene im wahlvideo, die unter anderen vorzeichen entstanden ist

die menge der kritisierten beispiele aus 100 jahren, die man auf engem raum im museum für kommunikation in einem rundgang von vielleicht einer stunde dargeboten bekommt, ist für den besucher und die besucherin beinahe erdrückend. totalitäre verständnisse von öffentlichkeit reihen sich nahtlos an spektakuläre medienskandale der gegenwart. manipulationstechniken in kinderbücher stehen just nebst jenen der werbung, die auch die erwachsenenwelt lenken sollen. alles mit einem ziel: das denkende subjekt auszuschalten.

eine kritik des verständnisses hinter der ausstellung

es macht aber sinn, beim thema bild nicht einfach manipulation mit nach hause zu nehmen. dafür kann man an der bar einen caffee trinken gehen, und das gehörte, gesehene und gelesene nochmals revue passieren lassen.

der raum und die zeit öffnen einem dabei den blick für ungereimtheiten in der ausstellung. zum beispiel in den die übersetzungen: auf deutsch steht da plakativ: “werbung lügt”; im französischen heisst es dann “la publicité trompe.”

das ist der feine unterschied, der mir wichtig ist. ich ziehe die französische der deutschen fassung klar vor.

natürlich gibt es die offensichtliche fälschung am bild. man erinnere sich an den wasserstreifen vor dem tempel in luxor, der von einem schweizer boulevardmedium rot eingefärbt wurde, um als angebliche blutlache nach dem terroranschlag zu erscheinen. und es kommen einem unweigerlich die bilder von djamile rowe, die als thomas borer geliebte, angeblich nächte- und tagelang in der schweizer botschaft in berlin sex mit dem gesandten aus der schweiz gehaben soll.

doch ist das nicht die ganze enttäuschung, die wir lernen müssen, wenn wir bilder betrachten. das wichtigste ist, sich vom bild als abbild zu verabschieden.


der berühmte sturz der saddam statue in bagdad, milionenfach als spontaner akt der befreiten bevölkerung verfilmt, wurde von amerikanischen soldaten vorbereitet. die us-flagge wurde erst entfernt, als die menge sich gegen die befreier zu wenden drohte.

die eine ent-täuschung, an der wir arbeiten müssen, besteht aus der bildproduktion. diese bietet bilder auf nachfrage an. und diese nachfrage besteht aus thesen, was publikationen aussagen sollen. bilder abeer verstärken thesen genauso, ob sie stimmen wie wenn sie nicht stimmen. das wissen zwischenzeitlich feldherren, staatsmänner, chefredaktoren, imagegestalter, historiker und kampagnenleiter im in- und ausland.


der wunsch des publikums nach helden wird durch inszenierungen im wahlkampf gang bewusst erfüllt (quelle: reuters)

die andere ent-täuschung ist bei der bildrezeption angesagt. wir alle sind nicht unvoreingenommene bildbetrachterInnen. wir registrieren und lesen sie als subjekte, die dazu neigen, reflexartig auf das reagieren, was das auge sehen will, spontan das wahrnehmen, was unsere gemütslage für bedürfnisse erzeugt, und bewusst nach dem suchen, was in unsere alltagsdeutungen von weltpolitik, kulturkonflikt und gesellschaftsklatsch passt.

beides macht das bild und seine verwendung in der massenkommunikation für täuschungen anfällig. wir lullen uns mit vorgefertigten bildern so weit in vorgeformten und selbstgemachten larven ein, das es ein vornehme aufgabe einer ausstellung in einem museum für kommunikation wäre, das nicht nur in seinen plakativen auswüchsen, sondern auch in seinen feinheiten ausdrücklich zu ent-larven.

stadtwanderer

Das „Lügen-ABC“ der Ausstellung

A wie Aktuelles
B wie Born, Michael
C wie Comic
D wie „Damnatio memoriae“
E wie „Entnazifizierung“
F wie Führermythos
G wie Golfkrieg
H wie Hitler-Tagebücher
I wie Ikone
J wie Jugendfrei
K wie Kalter Krieg
L wie Legendenbildung
M wie Morphing
N wie Nazikult und Nazierbe
O wie Optische Täuschung
P wie Paragraph
Q wie Querschläger
R wie Rufmord
S wie Satire
T wie Text und Bild
U wie Ufologie
V wie Volksaufstand
W wie Werbung
X wie Xenophobie
Y wie Yellow press
Z wie Zukunft

mehr zur wanderausstellung in bern

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

6 Gedanken zu „den täuschenden bildgebrauch entlarven“

  1. Eine gute Geschichte! Sarkozys Inszenierungen zur bildhaften Verführung des Publikums erreichen ja momentan einen neuen, bisher unbekannten Höhepunkt.

  2. ja, ich nehme an, du spielst schon mal darauf an. in der tat wirkt es etwas befremdend, wenn sich ein staatspräsident in der öffentlichkeit so benimmt, wie ein 23jähriger, der bei den frauen gerade einen grossen coup gelandet hat und dies seinen kollegen von früher mitteilen will. es freut mich, dass er dabei auch in momenten ertappt wird, die nicht in dieses schema passen, auch wenn ich sonst nichts von paparazzis halte!

    wahrscheinlich will président sarkozy mit seiner neuen proffensive eh nur von jenen bildern ablenken, die ihn arg kompromitiert haben: da hat er, noch auf vermittlung seiner ehemaligen frau cécilia, französische staatsangehörige in lybien frei bekommen, muss dafür aber zum entsetzen der europäischen verbündeten gaddhafi ein kernkraftwerk verkaufen. dieser, nicht verlegen, feiert den deal mit einem gruppenbild der staatspräsidenten vor der erhobenen faust, die dabei ist, einen amerikanischen kampfjet zu zermalmen.



    in der tat, nicolas sarkozy ist im moment seiner schlagzeilen wegen nicht zu beneiden. sogar die e-news-wand der espace-medien ag in bern widmete ihm heute, als werbung des nebelspalters, ein extra-seite:



    foto: stadtwanderer, anclickbar

    ich frag mich schon mal, was für ein präsident ist das noch ist?

  3. Besten Dank für diesen Beitrag! Ich habe mich gerade vor kurzem gefragt, ob diese Ausstellung besuchenswert ist.

  4. ja, schon, würde ich sagen, einfach nicht ganz zu ende konzipiert, jedenfalls für mein verständnis.
    die video-ecke habe ich aber ganz nützlich gefunden, sich einfach die neun beispiele anschauen, und sich fragen, was da nicht stimmt!

  5. Nun wissen ist der grosse Krieg unter den grossen Machos ausgebrochen: Wer kann am meisten triumphiere: Nicolas, der seine Carla geehlicht haben soll, oder Hugo (Chaves), der sich Naomi (Campbell) geangelt habe. Die eine singt, die andere interviewt, und schwupps, werden die Staatspräsidenten schwach!
    Frage sich nur, welcher Politigigant sich als nächster outet?

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