das ungewohnte gewohnte

die tage der konzentration auf meine neue nebentätigkeit in st. gallen haben mich arg aus dem gut eingespielten lebensalltag gerissen. da wird das gewohnte schneller als man glaubt ungewohnt.


gestern, als ich mir gedanke über das morgen machte und das heute sah (foto: stadtwanderer, anclickbar)

gewohnt war heute abend die fahrt zwischen stadt und wohnort. doch die richtung war diesmal ungewohnt. hinterkappelen – bern, statt bern – hinterkappelen.
gewohnt war auch heute abend mein feierabendbier an einer bar. doch war es diesmal nicht vor der heimkehr, sondern danach.
gewohnt war heute ferner auch das verkehrsmittel, mein poschi. doch diesmal sassen nicht die vertrauten leute drin, die auch von der arbeiten kommen, sondern ganz andere, die ich gar nicht richtig einordnen konnte.
gewohnt war heute schliesslich, dass die gratiszeitung “heute” am boden lag. doch diesmal hob ich sie auf, um darin zu lesen.

gewohnt war da wahrscheinlich, dass christoph blocher auf der frontseite angekündigt wurde. ganz ungewohnt war dagegen, dass er ein interview zu seiner zukunft abbrach, weil er persönlich die türe öffen und besuche empfangen musste.
gewohnt wa da wahrscheinlich auch, dass eine ausländer-geschichte zu integrationsfragen in bern geboten wurde. ungewohnt war dagegen, dass der berndütschkurs, der an der uni bern angeboten wird, trotz extragebühren platschvoll ausgebucht ist.
wahrscheinlich gewohnt war da schliesslich auch, dass am tag vor dem lauberhornrennen ein skirennfahrer-porträt erscheint. ungewohnt war dagegen auch hier, dass toni bürgler, der sieger 1979 und 1981 nicht mehr ski fährt und in der schweiz lebt, sondern mit seiner lebenspartnern in der nähe von paris in frankreich pferde züchtet.

es tat mir richtig gut, auf dem heutigen weg nach bern gründlich aus der macht meiner trott gerissen worden zu sein. denn wenn jeden tag das gleiche geschieht, neigt man dazu, aus der regelmässigkeit einen zusammenhang zu konstruieren, – und das unbeschaut auch vom nächsten tag zu erwarten.

doch das ist töricht. selbst physiker zweifeln heute, ob das universum ewig existiert oder nicht wieder in sich zusammenfällt. deshalb ist es auch sinnvoll, nicht jeden morgen mit der erwartung aufzustehen, die sonnen komme ganz sicher von osten her.

und wenn das heute nicht mehr die vorschau auf das morgen ist, dann wird einem das täglich unbewusste ganz schnell wieder bewusst. das nährt das ungewohnte interesse an dem, was nicht mehr wie gewohnt. und das weckt den sinn dafür, dass heute heute ist, und morgen hoffenlich wieder ein heute.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

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