dem “bund” geht’s wieder mal schlecht

… wirklich ereifern mag ich deshalb aber nicht. ein rückblick auf meine zeitungsbindungen in bern vor und nach der jahrtausend-schwelle.

dem bund droht das aus; die bz lauert im hintergrund. doch jetzt wird auch eine kooperation mit dem tagi erwogen.


das jahrhundert mit zeitungen

als ich in den frühen 80er jahren nach bern kam, verstand ich den “bund” nicht richtig. das traditionsblatt war mir zu elitär, zu bernisch, zu textlastig. dehalb hielt ich mich vorerst ganz an die “berner zeitung”. nach dem verkauf der zeitung 1992 setze beim “bund” eine wohltuende modernisierung ein. ich wurde nun bund-leser und blieb es die ganzen 90er jahre hindurch.

der eigentliche bruch kam symbolische zur jahrtausendwende. der “bund” lancierte im frühling 2000 die kampagne gegen meine erste antisemitismus-studie, und er gewährte mir als angegriffenem kaum möglichkeiten der gegendarstellung. mein liberales verständnis von medialer öffentlichkeit wurde nachhaltig zerstört. die “bz” berichtete zwar fair über die verschiedenen standpunkte im konfliktfall. doch war die absicht, der konkurrenz eins auszuwischen, offensichtlich.

seither habe ich keine feste zeitungsbindung mehr. am ehesten noch an die “nzz”. im büro habe ich weiterhin die “bz”. zuhause, ein gemeinsamer entscheid, hatten wir noch den “bund”. diesen sommer haben wir aber auch dieses abo sistiert. die penetrante kommentierung des stellvertretenden chefredaktors gegen samuel schmid ging mir auf den wecker. nur weil man die svp im bundesrat haben will, kann man nicht voreingenommen das handeln anderer magistraten beurteilen. bei aller kritik an schmid, die ich teile.

das jahrhundert ohne zeitungen
überhaupt, das zeitungsgeschehen ist bei mir in den letzten jahren sichtbar in hintergrund gerückt. zu viele fehlbeurteilungen haben mein grundsvertrauen in die journalistische arbeit der tages- und wochenendpresse erschüttert. zeitungen trinke ich eigentlich nur noch, wenn ich kaffee lese …

deshalb war meine träne auch klein, als ich gestern erfuhr, der “bund” sei wieder in finanziellen schwierigkeiten. zur debatte stehen die fusion mit der bz oder der anschluss an den tagi. eine wirkliche präferenz habe ich nicht.

für die berichterstattung über das tagesgeschehen fände ich es besser, bern hätte zwei zeitungen, die sich korrigieren. das schützt vor trägheit. wenn das eher für den “tagi” spricht, weiss ich umgekehrt auch, dass die sensibilitäten in bern und zürich ungleich sein. deshalb gibt es auch argumente für die fusion mit der bz.

allerdings mag ich mich nicht ereifern. denn für den lokalen informationsfluss ist gibt es gratiszeitungen, news-portale und zahlreiche blogs, die mir heute schon näherstehen als die presse. das 21. jahrhundert tickt wohl nicht mehr gleich wie das letzte saeculum.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

19 Gedanken zu „dem “bund” geht’s wieder mal schlecht“

  1. mir geht es ähnlich. präferenzen für ein blatt habe ich keine mehr, dafür ist die qualität zu schlecht. auch bei der nzz habe ich zwischendurch probleme mit der objektivität der berichterstattung. wie ich schon im meinem kommentar an eisvogel bei “it’s time for a change” geschrieben habe, informiere ich mich via diverse zeitungsquellen. und trotzdem steht überall fast dasselbe. empfiehlt mir ein kollege einen bericht so lese ich den. egal in welcher zeitung.

    wegen historisch bedingten gefühlen und auch wegen dem gegenseitigen korriegieren fände auch ich es besser, dass bern zwei zeitungen behalten würde. den bund wie auch die bz. es ist fast so wie wenn der scb und der scl fusionieren würden. das ginge überhaupt nicht. auch da muss es beide geben 😉

  2. Was mich irritiert bei dem Ganzen, ist, dass die Journalistinnen und Journalisten sich in diese Diskussion nicht einmischen, wenigstens die Journis, die nicht Boujous (Boulevard-Journis) oder A-Jours (Journis, die sich konsequent nur nach den News-Agenturen richten) sind.

    Zu meiner Zeit habe ich noch versucht, unsere Gewerkschaft zu mobilisieren

  3. …also um meinen Satz zu vervollständigen und einen intelligenten Schluss hinzubekommen:

    Zu meiner Zeit (vor ca. 10 Jahren) habe ich noch versucht, meine KollegInnen zu mobilisieren. Tatsächlich und aus lauter Verzweiflung am Schluss auch mit unserer Gewerkschaft. Aber alle konterten, dies sei nicht Aufgabe der Gewerkschaften, sondern des Verlegers. Punkt.

    Ich bin nach wie vor der Meinung, dass die Gewerkschaften hier schlafen und diese Rolle sehr wohl übernehmen könnten. Wenn der Druck von Wirtschaftsseite so stark wird, dass eine Zeitung nach der andern eingeht, dass auch bei den Elektronischen vor lauter Zeitdruck kein Platz mehr für Reflektion ist, dann müsste dies auch im Interesse der Gewerkschaften sein (es gehen nähmlich schlicht Arbeitsstellen flöten, es werden die kritischen Journis gegen die jungen Mitmacher ausgetauscht, die nicht wissen, dass Fragen stellen zu ihrem Beruf gehört, die gerne im Rudel auftreten und an denen jede Kritik abperlt, wie Wasser auf dem Gefieder eines Erpels). Puahh, ich merke, ich bin immer noch wütend. – Hier wird einfach etwas verschlafen und eines Mörgelis wachen wir auf und staunen, wie es nur hat so weit kommen können. – Punkt.

  4. @ eisvogel

    ist es nicht auch aufgabe der gewerkschaften für die information der gewerkschafter zu sorgen. wenn nun eine zeitung (wenn möglich gewerkschafts nahe)eingestellt wird, können die gewerkschafter ja nicht mehr objektiv informiert werden, sofern die zeitung objektiv war. da liegt wohl das problem 🙁

  5. at mischa

    Kannst du mir das bitte noch einmal erklären. Schnall grad nicht, was du meinst oder mir sagen möchtest. Vielleicht steh ich mir selber auf der Leitung? Hülfe!

  6. Wenn ich Dich richtig verstehe, lieber Stadtwanderer, bemängelst Du nicht den Bund, sondern die heutige Qualität der Berichterstattung an sich.

    Kurt Imhofs Vorschläge, soweit ich sie verstanden habe, mögen zwar gut sein, was die inhaltliche Qualität betrifft. Aber sie lösen nicht das Problem der Selektion (was wird publiziert), der Orientierung (wie und wo) und der zeitlichen Abstimmung (wann). Das sind alles Aufgaben, welche Redaktionen heute auch (schier unbemerkt) wahrnehmen. Gerade aufgrund der enormen Menge an Informationen, welche heute ins Internet gestellt werden, bekommen diese Aspekte eine besondere Bedeutung. Ich denke Du hast selber schon aufgrund Deiner heutigen sich-informieren-Praxis festgestellt, dass es äusserst müssig ist, selber zu selektieren, sich selber zu orientieren und beides noch in einen zeitlichen Kontext zu stellen. Ob da weitere oder zusätzliche technische Hilfsmittel eine Unterstützung sein können?

  7. wo nes em bound ned glonge nesch dr thuner tägu z’chaufe hät me gseit: itze übernehmt d’bz thun u dä bärn.
    u genau das esch doch itze sowit. dass es dem zörcher blatt glenge wörde z’bärn e ziitig zmache wo ou gläse wörde glaubt jo niemerts.
    denn eis sötmer mer bin gäudscheffle ned vergässe. we si z’bärn ned wei de tüe sie eifach steu morre u das geht ke neui abi.

  8. @ eisvogel

    meine gedankenspiele verstehe ich manchmal selber nicht mehr 🙂

    nein, ich meinte nur, dass es komisch war und ist, was Dir passiert ist. die gewerkschaften müssten doch daran interessiert sein, dass die leute richtig und objektiv informiert werden. dies natürlich über die zeitungen. wenn nun so ein offizielles blatt politisch stellung bezieht, ist dies nicht mehr objektiv. da geht es nicht nur um die arbeitsstellen sondern auch um den auftrag die leser neutral und objektiv zu informieren. da gibt es glaube ich keine kontrollstelle, also warum übernehmen dies nicht die gewerkschaften, die parteien und die verbände etc.

    das beispiel was der stadtwanderer brachte, mit dem herrn stellvertretenden chefredaktor des bundes, darf nach meiner meinung in einer tageszeitung nicht passieren. die zeitungen sollten neutral bleiben und irgendjemand sollte dies dann auch kontrollieren.

    ich merke gerade, dass mein vorschlag wohl nicht umsetzbar wird oder ist.

    na ja, dann lesen wir halt weiter “quer” durch die tageszeitungen 😉

  9. at Mischa

    Mercie für die Erläuterungen. Wenigstens bin ich nicht so alleine mit “meine eigenen Gedankenspiele verstehe ich manchmal selbst nicht mehr”. Geht mir zuweilen auch so.

    Zu den Gewerkschaften: Ich muss vorausschicken, dass ich nicht weiss, ob sich da zwischenzeitlich etwas geändert hat. – Gehe aber davon aus, dass es sich nicht verändert hat.

    Nein, es ist nicht das Interesse, der Mediengewerkschaft, dass das Publikum richtig informiert wird. Aufgaben, die tradierten, der G sind, Arbeitsplatzerhalt, Löhne, Schutz vor Entlassungen etc. das übliche halt. – Und selbstverständlich wird nicht über die offiziellen Medien informiert, sondern über die internen Zeitungen. Eigentlich logo?

    Grundsätzlich müssten diese Diskussionen und vor allem die Reflexion ja in den Redaktionen laufen. Aber da immer weniger Zeit ist und immer mehr Druck, bleibt dafür kaum bzw. keine Zeit. Jeder beackert sein Gärtchen und schaut nicht, was der andere macht. Der Raum für eine Kritik-Kultur ist in der Regel nicht gegeben.

    Und ja, was Stadtwanderer sagte, darf nicht geschehen. Aber wenn zum grossen Halali geblasen wird und das auf der Redaktion nicht diskutiert wird, dann rennen die Wadenbeisser los und lassen auch nicht mehr los, bis das Gejagte mausetot und zerfleddert zu Boden liegt.

    Es gibt Leute, das wissen wir, die solchen Jagden mit Genugtuung zuschauen. Vielen aber ist das zuwider. Was hat das Publikum für Möglichkeiten? Leserbriefe schreiben. Zeitung abbestellen und dann…?

    Letztlich sind es die Journalistinnen und -isten, die aufwachen müssen. Wenn eine Zeitung nach der anderen eingeht, sind es ihre Stellen, die verloren gehen.

    Und in diesem Sinne könnte eine Mediengewerkschaft doch tätig werden und sich einmischen. Allerdings nicht über die offiziellen Medien, um das noch einmal klar zu haben.
    So. Und Punkt.

  10. Eisvogel, ich denke das “Problem” betreffend Gewerkschaft liegt wohl daran, dass noch gar nichts entschieden wurde. Man kann sich nicht gegen etwas wehren, dass noch nicht ist. Aber ich bin sicher, dass man auf der Hut ist – auch die Gewerkschaften.

    Bei dieser Gelegenheit verweise ich noch auf meinen verlinkten Namen. Man wehrt sich schon, zumindest dort, wo sich einigermassen klar abzeichnet, mit was für Folgen zu rechnen ist.

  11. Danke Titus. Da hab ich gejammert und lamentiert anstatt mich ab und zu wieder schlau zu machen. – Peinlich für mich. Aber dir ein grosses Mercie.

  12. bin klar für fusion bund mit bz.
    das ist die einzige variante, bei der kanton beern eine einigermasse eigene zeitung behält.
    alles andere erinnert ein wenig an teile und herrsche.

  13. ich bin für eine einheitszeitung. nur noch eine, vom staat geschrieben (also von der svp zürich)in grossschrift mit mindestens arial 20. viele bildchen von schäfchen und schwarzen….

    also hallo wo sind wir den? 😉

  14. Zwei Dinge betrüben mich:

    Einerseits die Diskussionen um den Bund. Ich habe keine Lust auf eine BZ/Bund-Fusion, die BZ hat mir zuviele Bildli, zuviel Tratsch, zu sentationsgeile Schlagzeilen – und ich frage mich, ob es generell gesund ist, dass der Tamedia immer mehr Medienhäuser gehören…

    Zum anderen, dass Sie, lieber Stadtwanderer, Gratiszeitungen und News-Portale als genügender Informationsinput ansehen. Kann das wirklich sein? Kurze Agenturmeldungen mit Agenturfotos anstelle von Berichte von Berner Journis mit eigenen Fotografen?

  15. stadtrat luzius theiler hat gestern ein dringliche interpellation eigereicht. 23 abgeordnete wollen wissen was der gemeinderat unternimmt zur erhaltung der medienvielfalt in bern.
    klar ist das der geimeinderat beschränkte handlungsmöglichkeiten hat.

  16. werter basian
    der bund hast sich einen eigenen stil im aufbau und in der aufmachung, der bei einem zusammenschluss mit BZ oder tagi in frage gestellt wäre. man weiss zwar, dass die leser nirgends so konservativ sind, wie in ihrer visuellen orientierungen bei einer zeitung. gleichzeitig weiss man auch, dass die generelle und insbesondere die exklusive berücksichtigung von tageszeitungen im informationsverhalten rückläufig ist. daraus wird – auch bei den bezahlzeitungen – der trend abgeleitet, sich an den erfolgreichen fernsehstationen und gratiszeitungen auszurichten, was zu bildhaften zeitungen, kurzen beiträgen, personalisierten berichten und symbolischer statt realer politikbetrachtung führt.
    das hat aber wenig mit mir zu tun, denn teilweise bin ich da auch skeptisch. bildhaft ist auch mein blog, kurz sind meine beiträge nicht. ich arbeite auch gerne mit personen, aber nicht nur. geschichten erzählte ich zwar gerne, aber es geht mir eher um hinter- als vordergründiges.
    niemals würde ich gratiszeitungen für sich alleine als genügende infoquelle betrachten. im verbund mit anderem decken sie aber auch bei mir einen teil des news-bedürfnis ab. dass hillary clinton aussenministerin wurde, muss ich nicht fast einen tag danach aus einer berner tageszeitung lesen, da reicht es mir, dass mir cnn das mitteilt.
    nicht zuletzt habe ich dieses beispiel gewählt, weil ich immer mehr erkenne, wie korrespondenten und auslandredaktoren beispielsweise den gleichen quellen auf internet abschreiben, die ich gelesen habe, bevor sie mit in tageszeitungen entgegenschwappen.

    meine folgerung: newsgeschäft, dort wo man schnell ist, hintergrund, dort, man vertiefen kann.

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