erst beim gehen entsteht der weg

wo es keine wege hat, bahnen sich die menschen pfade, aus denen früher oder später strassen werden. und wo es von denen genug hat, muss man sich den sinn der wege im gehen erst wieder erschliessen. ein beispiel.


fotos: twicepics und stadtwanderer

gestern war meine allerletzte stadtführung in diesem jahr. die weiterbildungsklasse der bundes- und kantonsverwaltungen an der uni bern ging mit mir unterwegs. die demokratie-tour habe ich schon einige male gemacht. ich kenne sie. glaubte ich jedenfalls.

die brunnen der reformation

die brunnen der stadt bern waren gestern mein inneres thema. wie überraschend das sein kann.

der gerechtigkeitsbrunnen aus dem 16. jahrhundert wacht über berns grosse strasse. der brunnen ist mächtig und in sich abgeschlossen. fast ein wenig wie das reformierte bern in katholischer umgebung steht er da. doch nicht nur das, denn der brunnen ist auch hoch, er überragt die gasse mit dem markt, den geschäften und den händlern von damals. über allem, selbst über der monarchie, der theokratie und der despotie, den gewalten der frühen neuzeit, wacht die gerechtigkeit. die höchste frau in bern, das mass aller dinge in der politik, könnte man sagen.

der brunnen der rebellen

wie die zeit diese symbolik von fontänen nur abgeändert hat! in der postgasse steht der brunnen aus der neuesten zeit. mit langem schmalem trog. ganz ohne schmuck, nur mit einer treppe und geländer. überragend ist er nicht, dafür mangelt es nicht nur an grösse. es fehlt auch die tugend, die über bern sich ausbreiten würde. entsprechend oft wird der brunnenm versprayt. typisch 68, ist man aus heutiger sicht geneigt zu sagen. typisch auch, dass er just vor den jüngten wahlen renoviert werden musste, um sich sich noch einige zeit zu halten.

die brunnen der gegenwart
denn die gegenwart des 21. jahrhunderts kündig sich auf dem bundesplatz an. gleich 26 brunnen hat er doch. allerdings man sie sie nicht. kein trog steht mehr da, und keine säule ist da nicht. die welt ist flach, ist die ideologe unseres zeitalters. autoritäten wie die gerechtigkeit sind out. nicht einmal mehr stürzen kann man sie, wie das die 68er so gern noch taten. nein, sie sind am boden, wenn überhaupt noch vorhanden! dafür is alles allen zugänglich. was so wie bei google. das wasser spritzt heraus, in schüben, sodass man immer neuem hinsehen muss. doch brunnen im realen sinne sind das nicht mehr. nur noch inszenierung des wasserspiels werden dem staunenden publikum aus aller welt geboten.

1000 tage als stadtwanderer – 1000 geschichte zu erzählen

der weg entsteht erst beim gehen, las ich heute. und es blieb in meinem innern haften. wahrlich. der sinn der orte erschliesst sich einem erst, wenn man wandert und so die symbolik der plätze, der strassen, der häuser auf die reihe bringen kann.

der weg ist dann nicht nur der pfad im raum, er ist der faden durch die zeit. doch den muss man immer wieder selber spinnen. doch genau das macht das stadtwandern stets von neuem spannend. auch wenn ich heute am 1000 tag dieses blogs darüber berichte..

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

9 Gedanken zu „erst beim gehen entsteht der weg“

  1. tausend tage sind keine zeit und trotzdem hast Du mit Deinem blog schon sehr viel erreicht und bewegt und vorallem zum diskutieren angeregt.

    herzliche gratulation und vielen dank für den tausendtä(t)(g)igen blog.

  2. tanxs.
    die statistik in meinem dashbord weiss noch mehr.
    723 artikel sind in diesen tausend tagen entstanden.
    3304 kommentare haben sie ausgelöst, 3250 habe ich aufgeschaltet; ein paar unflätige musste ich löschen.
    ate war die fleissigste kommentatorin. leider will sie nicht mehr. mischa, titus, eisvogel, walko, röschtigraber, bidu, lisa n., honigbärli, rittiner&gomez, adelheid, bärbi, wie ihr euch alle nennt, sind aber immer noch da. vielleicht gelingt es euch, ate zu bewegen, wie mitzuplaudern, mindestens bei den nächsten 1000 einträgen …

  3. Lieber Stadtwanderer
    Danke, dass wir an deinem Faden mitwandern dürfen, wenigstens virtuell. Es ist lehrreich, spannend, annregend, vergnüglich, kontrovers, fruchtbar, konstruktiv, dramatisch, amüsant, charmant und ergötzlich hier mitzuwandern. Schlecht ist nur, dass mein eigener Blog immer mehr in den Hintergrund gerät, möglicherweise gar nie entstehen wird, weil fast alles, was mich interessiert, auch hier diskutiert wird.

    Zwei Dinge hier noch zu deinem heutigen Post: Vermissen tu ich hier den Meret Oppenheim Brunnen. Er war mein Liebling in Bern. Ich glaub, es gibt keinen schöneren in der Schweiz als genau diesen. Und ein bisschen geschichtsträchtig ist er doch auch schon für die Stadt Bern (mit Namen verlinkt)?

    Zum Zweiten: Ich habe fast jahrzehntelang nach diesem alten Spruch gelebt: “Der Weg ist das Ziel”. Stur, wie ich bin. Das kann ganz schöne Umwege geben. Das kann ganz schön lehrreich sein. Zuweilen aber ist es schlicht dumm, will sagen: War ich dumm. – Den Spruch von Morgenstern habe ich erst vor wenigen Jahren gelernt. In etwa: Wer sein Ziel nicht kennt, wird den Weg dahin nie finden.

    Zu dem bin ich immer ein bisschen herumgerast. Von Wandern war da nicht viel. Erst heute, mit meinem Puschkin an der Seite, merke ich, wie viel ich bei all meiner Herumrennerei auf all diesen Umwegen nicht gesehen habe.

    Unter dem Nenner: Ab und zu innehalten und sich fragen, wo man da gelandet ist. Sich ab und zu fragen, wohin man eigentlich will.

    Dir brauch ich das alles ja nicht zu sagen. Es ist vielleicht mehr ein angeregtes Selbstgespräch. Aber vielleicht versteht der eine oder die andere, was ich meine? – Z.B. Ate? ;_)) – Hast nicht doch ein bisschen hereingegückselt?

    Hier ist eben nicht links-rechts-links-rechts-vorwärts Marsch.

    Auf die nächsten 1000 Wanderungen, Stadtwanderer…!!!

  4. oh, eisvogel, welch wunderbarer kommentar!

    natürlich, werde ich meret oppenheim in meine berner brunnologie integrieren. die auswahl entsprach meinen beobachtungen während der stadtwanderung zu einem ganz anderen thema.
    ein schon ganz ansehnliches porträt der hiesigen wassertempel findet sich hier:
    http://www.flickr.com/groups/356797@N20/pool/

    ps:
    ate hält momentan inne. vielleicht für länger oder immer. so sind spannend und traurig sind wanderungen auf der blogosphäre …

  5. Eins muss ich euch lassen, hartnäckig seid ihr, nebst Dir lieber Stadtwanderer auch Titus und Mischa.
    Also, auf die nächsten 1000 Einträge.

    Wurde heute etwas wehmütig als ich den 2400er las, der mit dem Bettmümpfeli. Da gingen schon andere und kamen wieder. Der Stadtwanderer ist also auch eine Art Hauptbahnhof.

    @ Eisvogel
    Ich versteh Dich sehr gut, denn ich gücksle immer und überall. Auch laufe ich nicht den links-rechts-links-rechts-vorwärts-Marsch. Mal liege ich in der grünen Wiese, ein anderes mal beschmiere ich (natürlich nur in Gedanken) die Wände rot. Meistens fahre ich in der Mitte und auch da gibt es ja immer Abbiegungen, mal geht der Blinker nach links, meistens aber nach rechts.
    Nun hoffe ich doch schwer, dass Dein Puschkin ein Hund ist.

  6. at Ate

    Ha! Hat sie gegüggselt. Schön. – Und ja, der Puschkin ist ein Hundetier. – Schöne Vorstellung, die grüne Wiese und die virtuell verschmierte Mauer.

    Ich hab es ebenso nicht mit Links/Rechts. Aber ich stehe (versuche) für Menschlichkeit einzustehen. Ich finde, man kann durchaus hart und manchmal auch laut diskutieren. Aber mit Anstand. Ein Wort, das man fast nicht mehr in den Mund nehmen kann. Man kann von moralischen oder ethischen Grundsätzen reden, letztlich geht es für den einzelnen Menschen, der seiner täglichen Arbeit nachgeht, schlicht um Anstand. Und die hat eine Sorte von SVPler einfach nicht. Sie schüren Ängste, streuen sie wie Viren. Und dann bieten sie der verängstigten Bevölkerung ihre einfachen Hauruck-Rezepte. – Darum blinke ich – wenn schon eher Links. Aber nicht blind.

    Aber eben, wir sollten weniger fahren und blinken, sondern wandern und herumschauen und dabei vielleicht gemütlich plaudern. Denn “Erst beim Gehen entsteht der Weg”. So. Schön, bisch wieder do.

  7. schön besch weder derbi ate.
    i gloube au zäme wörde di e vermesse wenn du wörkli goo wörsch.
    du muesch das nome ned z’persönlech nää wenn deer eine wägem blocher oder so widersprecht.
    steu deer vor meer wäre in rossland. do diskutieret nor de putin und sin medijuhu welle vo beede itze grad präsident esch u am schloss seit de putin gäng: ä bo s’chont ned druuf a meer mache eh wa i wot.

  8. schön ate hast Du Dich umentschieden.
    du bereicherst diesen blog. und schliesslich brauchen die eher linksblinker 😉 einen verkehrspolizisten 🙂

  9. Ach Gott, oh Göttchen, irgendwie scheints mir, werde ich in die SVP-Ecke gedrückt, darum eine kurze Biografie. Als ich mich im Jahr 2000 für Politik zu interessieren begann, liess ich mir alle Parteiprogramme kommen. Das erste, dass ich ins Altpapier warf war dasjenige der SVP. Die Partei erschien mir als zu seicht, zu durchlässig.
    Mir ist nicht die Partei wichtig, sondern das jeweilige Thema einer Partei. So gab ich ein sattes JA bei der Hanfinitiative, obwohl ich selbst nicht kiffe. Hab über 1000 Flugblätter der Grünen versandt (Kronenwiese). Bin mir auch nicht zu schade im FDP-Sekretariat anzurufen um Unterschriften-Bögen zu ordern. Und nun will ich schon wieder in die Hose steigen, denn der “Maulkorb” scheint zu scheitern. Und warum? Natürlich wieder wegen der SVP und der AUNS.

    Nun habe ich aber momentan andere Sorgen. Mein liebster SVP’ler, der Mörgeli, liegt nach einem Verkehrsunfall im Spital. Rückenverletzung hiess es, kein Gefühl mehr in den Beinen.
    Aber dem traue ich zu, dass er sich am Mittwoch ins Bundeshaus radeln lässt, damit er Blocher auf seinen Zettel schreiben kann.

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