“Ach, ihr Franzosen schiesst schlecht!”

diese worte werden andreas hofer bei seiner exekution am 20. februar 1810 in den mund gelegt. gesicherte belege dafür gibt es allerdings nicht, doch finden sie sich bis heute in der tiroler landeshymne. mit grund, denn hofer ist den tirolern bis heute nicht gleichgültig. ein “nationalheld” für die einen, der “oberste taliban” für die andern, ist er.

20_02_1810-die-erschiessung-von-andreas-hofer-in-mantua_120. februar 1810: die erschiessung des andreas hofer nach der niederschlagung des konservativen tiroler volksaufstandes von 1809 gegen bayern.

andreas hofer war sein leben lang wirt und viehhändler im tiroler ort st. leonhard, bevor er vor genau 200 jahren zum wild entschlossenen kämpfer wurde. vordergründig ging es gegen die herrschaft der bayern, welche die tiroler provinz im sinn von kaiser napoleon verwalteten. hintergründig drehte sich aber alles um vormachtstellung der katholischen kirche, die man bei dieser gelegenheit im geiste der aufklärung gestutzt hatte.

ausgelöst wurde der protest im winter 1809 durch eine pockenimpfung, gegen die sich erzkonservativen kapuziner wehrten. in ihren augen war das ein unerlaubter eingriff des menschen in gottes plan waren. die darauf folgende zwangsaushebung von rekruten durch den bayrischen könig brachte im frühling desselben jahres das fass zum überlaufen: nun sammelte andreas hofer zur antibayrischen volksbewegung, die in weniger als einer woche herrin der lage in innsbruck wurde.

das ganze jahre tobte der kampf, und der scheinbare sieg wechselte mehrfach die seite. hofers leute besiegten insgesamt dreimal die bayrisch-französischen truppen. erst als der winter wieder kam, brach die widerstandskraft der tiroler ein. hofer musste flüchten, wurde von österreichern, die mit dem kaiser der franzosen, verheiratet mit den habsburgern, paktierten, verraten, nach mantua in italien ausgeliefert, von einem kriegsgericht zum tod verurteilt und vor genau 199 jahren exekutiert. seit 1823 liegt er in der innsbrucker hofkirche begraben, in unmittelbarer nähe des “tiroler” kaisers maximilian I.

in der schweiz ist andreas hofer kaum je ein thema gewesen. im tirol, in bayern und im italienischen südtirol lässt er aber bis heute kaum jemanden kalt. dabei polarisiert er zusehens, denn der zeitgemäss wirkenden freiheitswillen hofers kontrastiert mit dem auffälligen antimodernismus des bartträgers an der schwelle zum 19. jahrhundert.

siegfried steinlechner, der dem mythos “andreas hofer” nachgegangen ist, veröffentlichte im jahr 2000 eine kritische würdigung der wichtigsten figur in der neueren tiroler geschichte. hofer sei von den zeitgenossen eher belächelt worden, schreibt er. erst mit dem aufstieg der deutschnationalen im tirol sei er zur unbestrittenen figur des tiroler widerstands stilisiert worden. höhepunkt seiner verehrung war jedoch die zeit der nationalsozialisten, die ihn als verteidiger des germanischen gegen das leateinische.

1984 erlebte der mythos andreas hofer ein eigentliches revival. anlass war der 175. jahrestag des aufstandes, den die schützen im tirol mit einem umzug unter einer übergrossen dornenkrone kraftvoll inszenierten. das wiederum provozierte die intellektuellen, sodass von innsbruck aus jene bewegung einsetzte, aus denen schliesslich die tiroler grünen hervorgingen. 2004 kam es erneut zu einer auseinandersetzung zwischen traditionelistischen schützen und den linksgrünen, die den text zum adreas-hofer-lied eabgeändert hatten. der mobilisierte landtag vermittelte. in der debatte nannte ein grüner vertreter hofer “obersten taliban” des tirols, wofür seine fraktion vom konservativen landeshauptmann verbal eine “links und rechts um die ohren geschmiert” bekam.

2009 ist wieder ein andreas-hofer-jahr, das nun auch den stadtwanderer herausfordert. denn er ist ende april ins land nördlich und südlich des brenners eingeladen, um über andreas hofer, seine zeit und seine wirkungsgeschichte zu berichten. das beret wird er dabei haben, nicht um besser zu schiessen, aber um besser zu verstehen, was die franzosen einst im tirol auslösten, und, was ein konservativer revolutionär ist, der hierzulande höchstens noch als konterrevolutionär durchginge …

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

8 Gedanken zu „“Ach, ihr Franzosen schiesst schlecht!”“

  1. Danke für diesen interessanten Beitrag, hab ich zum Teil in der Schule gelernt. Aber ich wäre nicht ich, wenn ich nicht schon wieder offene Fragen hätte.
    1809 Pokenimpfung? Das kann ich nicht glauben, das erscheint mir zu früh.
    Hingegen gab es dazumal schon Aufmüpfige. Die Kapuziner wehrten sich gegen die Impfung, da es in ihren Augen ein Eingriff in Gottes Plan war.

    Und somit komme ich in die Gegenwart mit dem Thema Masernimpfung.
    Den Eingriff in Gottes Plan lass ich insofern stehen, weil mir gelehrt wurde, dass jede Kinderkrankheit wichtig sei um das Immunsystem zu stärken.
    Doch soviel noch, man kann dafür oder dagegen sein, wär vielleicht ein Thema für einen anderen Blog, aber was sich Beda Stadler ein Befürworter auf Talk Täglich rausgenommen hat, war unter jeder Sau.

    @ Titus
    Gell, nun hab ich nur ein kleines Spürchen off-topic gemacht.

  2. Es ist noch nicht, aber bitte lass es werden. Es kann nicht sein, dass sich ein Mensch so aufführt nur weil er meint seine Meinung sei die Richtige.
    Ich hörte von Kindern die nach der Impfung Hirnschäden davontrugen. Neu ist, dass ein Vater diesen Impfungen Allergien zuschreibt.
    Ich sag nicht, dass es so ist, aber meine Tochter wurde gegen meinen Willen auf Druck des Arztes hin geimpft. Meine Tochter ist praktisch auf alle Lebensmittel allergisch, ganz zu schweigen vom Heuschnupfen, den sie vom Februar bis September hat.
    Es muss nicht in diese Richtung laufen, aber langsam bekomme ich auch so meine Bedenken.

    Und apropos impfen, nimm doch die Grippeimpfung. All die ich kenne, die sich einer Grippeimpfung unterzogen hatten, waren schlussendlich schlimmer dran, als wenn sie ihre Erkältung ausgelebt hätten.
    @ Mischa, was sagst Du dazu?

    Jeder soll entscheiden, was für ihn das Richtige ist, aber so ein Beda Stadler soll nicht mit Beispielen zum Holocaust kommen nur weil er meint, sein Gesagtes sei das einzig Wahre.
    In der Zwischenzeit gab er kund, dass er dass lieber nicht gesagt hätte, doch nun kennt der Leser seine Meinung. Selber schuld, seinen Ast hat er sich damit selbst abgesägt

  3. at Ate

    Am 30. April in der Wiener Zeitung erschienen:

    “…am 30. April 1799, wurde in Wien die erste erfolgreiche Pockenschutzimpfung außerhalb Englands durchgeführt, nur etwas mehr als drei
    Monate nach Beginn der ersten Reihenimpfungen in London. Auch an anderen Orten Europas wurden 1799 Impfversuche unternommen, die aber alle fehlschlugen”.
    Ganzer Artikel mit meinem Namen verlinkt.

    und off-topic: So eine Beschimpfung noch nie gehört: Wahnsinn, Blödsinn, Stuss. So betitelt Stadler die Aussagen von Frau Petek. Sie habe einen Dachschaden, sei unfähig und lesebehindert. – Schlicht ungeheurerlich, was sich Professor Stadler leistete. Ungeheuerlich, untragbar und unverständlich.

  4. Danke Eisvogel. Übrigens hab ich Dich vemisst. Hast Du Dein Buch fertig?
    Mir steht eins bevor. Schrieb bereits schon auf diesem Blog, dass ich eine blinde Bekannte habe die Schriftstellerin ist. Nun redet sie Tonbänder voll und ich hab ihr versprochen, diese in ein Buch umzuwandeln. Wird schon klappen.

    Die Äusserungen von Herrn Stadler scheinen wir gleich aufgenommen zu haben. Ich hoffe, der Stadewanderer macht zu diesem Thema einen Blog, so können wir uns alle äussern. Die Befürtworter, wie auch die Gegner der Masernimpfung, denn das Thema ist momentan sehr aktuell und sollte durchgesprochen werden.

  5. On-topic:
    Netter Schlusssatz, lieber Stadtwanderer… 🙂

    Off-topic:
    Wie heisst diese Sendung? PolemikTäglich oder so ähnlich? 😉

    Was mir bei der fraglichen Diskussion fehlte, ist die Frage der persönlichen Freiheit, also dass eine obligatorische Impfung doch ein relativ starker Eingriff in die persönliche Freiheit ist. Es darf mir doch nicht untersagt werden, mein Immunsystem – dieses unglaubliche “Wunder-Ding” – arbeiten zu lassen, das schon mit so manchem schwarzen Schwan fertig wurde…

  6. heute wird das andreas-hofer-jahr eröffnet.
    die positionen sind schon ziemlich klar ersichtlich.
    die grünen haben t-shirts mit dem “tiroliban” gedruckt, und die jusos wollen die umbettung hofers leichnam an seinen wohnort.
    die schützen halten kräftig dagegen, und im südtirol wird hofer als zeichen des wieder aufstrebenden selbstbewusstseins gefeiert.
    http://news.google.ch/news?q=andreas+hofer&oe=utf-8&rls=org.mozilla:de:official&client=firefox-a&um=1&ie=UTF-8&hl=de&ei=ZV6eSa3bDISJjAecpvzQCw&sa=X&oi=news_group&resnum=1&ct=title
    bei der pockengeschichte bleib ich dran, muss aber jetzt unterwegs!

  7. @ pockenimpfung: die wurde im 17. Jahrhundert von Lady Montagu aus dem Orient nach Europa gebracht, sie war also zu Hofers Zeiten bereits bekannt.

    übrigens wirds einen Text auf meiner Webseite zum Gedenkjahr geben, morgen irgendwann (steht dann links bei den Berichten zu den Bundesländern, mit Tiroler Wappen)

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