stadt an der grenze

ich war einen tag lang in konstanz. der stadt ennet der schweizerisch-deutschen trennlinie bei kreuzlingen, um eine neue art urbaner grenzerfahrung zu machen.

weihnachtsnmarkt-kn-p1-_1_1
der weihnachtsmarkt in konstanz – symbolisch für eine stadt, die raummässig an ihre grenze stösst

der weihnachstmarkt in der altstadt, der in die unterführung zum bahnhof konstanz reicht, zieht gegenwärtig unendlich viele leute an. die schmale passage zwischen häusern und betonmauern, gefüllt mit ständen, waren, verkäufern und interessierten, vermittelt dem besucher rasch ein gefühl der enge.

das ist auch andern orten der schmucken kleinstadt am bodensee der fall. zwar sind zahlreiche häuser im stadtkern modernisiert worden, doch die gassenbreite ist seit dem mittelalter vielerorts unverändert geblieben. selbst auf der sigismundgasse, benannt nach dem imposanten kaiser, der das konstanzer konzil einberief, um die berühmte papstwahl von 1415 abzuhalten, kann man sich stellenweise kaum kreuzen.

gleiches findet sich in der hussengasse, die ihren namen vom tschechischen kirchenkritier jan hus hat, der auf dem konzil zu erscheinen hatte, um seine kritik zu verteidigen, dafür zum tod verurteilt wurde und sich nicht einmal rechtfertigen durfte, herrscht so emsiges treiben, dass man bisweilen keinen schritt vor den andern stellen kann, ohne jemanden anzurempeln.

die stadt lebt davon, dass nach einer zeit des chaos im spätmittelalterlichen europa man sich hier im konzilium traf, um für ordnung in der katholischen kirche zu sorgen, selbstherrliche machthaber abzusetzen und abweichler mit dem tod zu bestrafen.

in gespräche mit den stadtbehörden und ihrer bürgerInnen erfährt man interessantes über die gegenart der bodenseemetropole: die stadt ist für ihre rund 80’000 einwohnerInnen zu klein geworden. insbesondere in der touristenzeit wird das bunte treiben am attraktivenhafen, in den zahlreichen ausstellungen und auf den strassen der altstadt zu belastung. der prall gefüllte weihnachtsmarkt ist das nur das tüpfchen aufs i in anderen zeiten.

stossen unsere klein- und mittelstädte an ihre grenzen?, diskutieren wir auf dem heimweg im zug nach bern. ja, es könnte sein, dass der raum, seinen infrastruktur und seine verbindungswege im urbanen gebiet mit den menschen, die sich in stadtkernen tummeln, nicht mehr mithalten kann, kommen wir zu schluss. und das uns langsam aber sicher stresst, ohne dass wir es wirklich merken.

ich musste wirklich in die stadt an der schweizer grenze gehen, um mir die frage nach den grenzen der stadt zu stellen.

stadtwanderer

cal

ich bin der berner stadtwanderer. ich lebe in hinterkappelen und arbeite in bern. ich bin der felsenfesten überzeugung, dass bern burgundische wurzeln hat, genauso wie ich. also bin ich immer wieder auf der suche nach verästelungen, in denen sich die vergangene kultur in meiner umgebung versteckt hält.

3 Gedanken zu „stadt an der grenze“

  1. Hier rächt sich ein historischer Irrtum. Wenn damals der Bischof von Konstanz, der im Schloss Gottlieben residierte, sich statt für den Kaiser für die Eidgenossen entschieden hätte, dann wäre Konstanz die Hauptstadt des Kantons Thurgau und das verschupfte Kreuzlingen, dessen Bürger ich bin, wäre intergrierter Teil des Stadt.
    Und die Konstanzer wären vor bösen Erlebnissen der braunen Zeit bewahrt geblieben! Dem Bischof waren die Haudegen wohl etwas zu unkultiviert.
    Noch ein Kompliment an den Berner Stadtwanderer: Er hat herausgefunden, dass es östlich von Winterthur auch noch Leute gibt. Ansonsten kennen die Berner nur noch Rorschach und das dank Mani Matter.

  2. Der Stadtwanderer hat den falschen Zeitpunkt augewählt. Wer geht schon freiwillig in den Rummel eines Weihnachtsmarktes, wo die schönste Städte im Kommerz versinken und die Buden mit dem ewig gleichen Angebot die Aussicht versperren! Darum komme ich auch nie zum Zibelemärit!
    Konstanz sollte an einem gewöhnlichen Werktag besucht werden. Zuerst bummelt man durch die freien Gassen, besucht das Münster, dann empfehle ich eine Wanderung entlang des Rheins nach Ermatingen, wo sich im Winter die Wasservögel in der Bucht sammeln. Dann mit der Bahn zurück und gegen Abend geht man zu Fritz in der Salmansweilergasse zur Weinprobe. In dieser urigen Kneippe wird noch Konstanzer Dialekt gesprochen. Für Berner vielleicht gewöhnungsbedürftig, was aber auch umgekehrt gilt.

  3. das mit dem zibelemärit ist ein guter vergleich.
    doch auch dieses event in bern zeigt, dass das fassungsvermögen grenzen hat. die beteiligung von menschen nimmt wieder ab, obwohl man genau weiss, dass es an solchen momenten eingstunk gibt.
    in konstanz war ich ja nicht nur am weihnachtsmarkt, auch in der stadt, die ich übrigens sehr schätze. und mein eindruck entstand nicht nur aus gesprächen auf der gasse, auch in amtsstuben.
    den hinweise auf die kneipe verdanke ich gerne. fritzens wein werde ich das nächste mal verköstigen, wenn ich von züri west nach nach züri ost reise …
    konstanz sucht nämlich wieder den anschluss an die schweiz, habe ich festgestellt. vor einigen tagen ist man greater zurich area beigetreten, weil der flughafen zürich wichtiger für die verkehrsströme wichtiger ist als die landeshauptstadt stuttgart!

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert