mit meinen neuen favoriten unterwegs (oktober 06)

alle bisherige favoritenlisten ansehen

ich habe schlecht geschlafen. was mache ich mit jene, die mal top waren

. weitertoppen? – wirkt langweilig, wenn ich die gleichen vorne sind.
. enttoppen? – wirkt fast wie eine gegenempfehlung, für jemanden der einmal top war?
. wegtoppen? – wirkt künstlich, denn schön, nützlich, lehrreich können die blogs immer noch sein.

also habe ich des nachts gegrübelt. und bin zu folgendem schluss gekommen: wer einmal top war, ist immer top, kommt aber in eine separat rubrik, ist sozusagen “für immer gut”.

“für jetzt gut” sind:

1. edemokratieblog (vormals 6.)

edemokratie
dieses blog ist seit ich bloge der aufmerksamste zuverlässigste informant zu fragen der politischen philosophie, kommunikation und aktualität


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

2. münstergassblog (neu)

mügablog
bücher sind seit langem meine beste quelle der inspiration, und die münstergassbuchhandlung ist seit langem die beste buchhandlung, und die beste buchhandlung kann man seit neuestem als blogger besuchen, toll!


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

3. auswandererblog (vormals 3)

auswanderer-blog
meinen nutzerInnen schon längst bekannter, bilaterales schweizisch-europäisches blog aus der feder von ruedi baumann; sein früher konventionelles tagebuch ist ein renner als buch und auf meinem blog.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

4. bernet blog (neu)

bernetblog
das ist das wohl beste firmenblog, das es in der schweizer kommunikationsbranche gibt, fast täglich frisch, informativ, und anregend, ohne (wie beneton&stöhlker) alle runtermachen zu müssen.

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(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

5. kritikerblog (vormals 8.)

blogkritik
unverändert das kritischste blog zur blogosphäre, der mich immer wieder auf neue, mögliche favoriten aufmerksam macht, und schon so weit institutionalisiert ist, dass er auch während der abwesenheit von paz spannend informiert.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

6. recherchenblog (neu)

recherchenblog
einfach professionell, in der selbstankündigung, einfach für alle professionellen bloger in meinem rückspiegel, unverzichtbar, wenn man als blogger mehr als nur smalltalker sein will!


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

7. gedankenbörsenblog (neu)

gedankenbörsenblog
die eigentliche neuentdeckung des monats, frech bebildert und beschriftet, – also alles, was man sich von einem anregende blog wünscht.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

8. damals (neu)

damals
kein blog im konventionellen sinne, sondern die e-version der gleichnamigen zeitschrift, deren news-rubrik aber so gut gemacht ist, dass man das problem als top-historien-ankündigungs-blog empfehlen kann.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

9. kommunikationsblog (neu)

kommunikationsblog.ch
das neue blog meiner berufskollegen am forschungsinstitut gfs.bern, das letzten monat ganz ansprechend mit erhellenden infos aus der politik-, kommunikations- und sozialforschungsbranche gestartet ist.


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

10. technorati (neu)

technorati.ch
der beste blog, der wahrheit über die blogosphäre verspricht, und mich aktuell auf dem 203’495. platz der weltweiten favoritenliste führt …


(foto: stadtwanderer, berner münstertreppe, anclickbar)

und nun “für immer gut” …

meine top-empfehlung im monat september ’06

apropos
einfach der schönste aller schönen blogs …

meine top-empfehlung im monat august ’06

today’s strip
es ist unser bevorzugter “bericht aus schweden”, ohne grosse worte zu verlieren, versprüht er viel hintergründige humor. lars mortimer ist der bekannteste schwedische karikaturist, der jeden tag seine website mit einem neuen “hälge”, dem träfen elch aus den schwedischen wäldern, ergänzt. so kann man ganzjahresstimmungen im norden minutiös mitverfolgen.

meine top-empfehlung in den montaten juni und juli ’06

weiachblog
unverändert unschlagbar das beste, was es für politisch-historisch interessierte stadt- und dorfwanderer gibt. ich bewundere die gabe, auf fast nichts, nichts weniger als eine täglich spannende kolumne schreiben zu können.

stadtwanderer

mister schweiz auf lebzeiten

der titel des buches ist mehrdeutig. „der rote boss“ spielt sowohl auf benedikt weibel, ist. geschrieben haben das buch christian dorer und patrick müller, beides redaktoren beim „sonntagsblick“. entstanden ist so eine mischung auf spannungsreicher verkehrsgeschichte der gegenwart und lesenswertem portrait eines erfolgreichen wirtschaftsführers der heutigen schweiz.


die erste biografie benedikt weibels, gerade rechtzeitig zu seinem rücktritt als ceo der sbb (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie ein buch entsteht …

der ort der buchpräsentation ist ausgesprochen symbolisch: obwohl von der buchhandlung „stauffacher“ veranstaltet, findet sie im „hotel bern“ statt, – dem ehemaligen berner volkshaus, das heute für eine modernisierte sozialdemokratie steht: und das passt zum portraitierten erfolgreichen aus den sp-reihen. benediktus ist dabei eher trügerisch, denn beppo, wie die genossen ihn nennen, ist nicht nur ein gutredner; er ist vor allem ein gutmacher und müsste demnach eigentlich bonifatius weibel heissen!

wenig real erscheint dagegen die geschichte der beiden jung-autoren, wie sie zum buchschreiben gekommen seien. man habe sich zu zweit auf der bellevue-terrasse getroffen, um die berufliche situation zu besprechen. dabei sei man übereingekommen, nebst dem kurzfutter für die sonntagspresse mal „was grösseres“ verfassen zu wollen. eine biografie zu schreiben, sei das losungswort gewesen, – und „benedikt weibel“ sei das bevorzugte thema gewesen. mit dem rücktritt habe als gratispromotion habe das gar nichts zu tun.

doch benedikt weibel wusste von seinem bevorstehenden rücktritt schon länger, wie er bei der buchpräsentation sagt. er habe mit seiner frau im herbst 2005 abgemacht gehabt, nicht wie vorgesehen bis 2008, sondern nur bis ende 2006 an der spitze der SBB zu bleiben. kommuniziert hat er es aber erst am 24. februar 2006. und mit diesem hintergrundwissen stieg er vor einem jahr in das buchprojekt ein, um, ganz der clevere marketinger, die sich bietende chance zu nutzen. immerhin ist so ein anregender rückblick auf 28 Jahre unternehmensgeschichte und auf weibels steile karriereleiter vom sekretär der generaldirektion bis zu dessen präsidenten und zum ersten ceo der ehemaligen staatsbahnen entstanden. glaubwürdig ist die schreibe, weil sie negatives wie positives zu weibels wirken enthält. lesenwert ist sie, weil sie kurzweilig und einfach verständlich geschrieben ist, nützliche statistiken zur eisenbahngeschichte und eine chronologie der ereignisse seit weibels wirken bei der SBB enthält. und illustriert ist das buch, weil es den sportler benedikt, den politisierende studenten beppo und den znternehmer weibel mit zeittypischen fotos vorstellt.


stationen einer erfolgsstory: fotos aus dem berufsleben von benedikt weibel (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie eine karriere entsteht …

was man weibel ihm im zeitalter der raschen firmenwechsel, des raschen geldes und des raschen verschwindens aus der verantwortung hoch anrechnen muss, ist seine standfeste persönlichkeit als führungskraft. er nutzte seine fähigkeiten als analytiker und motivator, als entscheider und kommunikator nicht nur, um das unternehmen zu modernisieren. er brachte sie, gerade auch in der medialen öffentlichkeit, stets gewinnbringend für „seine“ sbb ein, mit dem er sich in guten wie in schlechten zeiten uneingeschränkt identifizierte.

gerade das spürt man an der buchvernissage in bern: weibel kennt seinen betrieb. er weiss um die mentalitäten seiner angestellten. und er ist bestens informiert über die kundschaft, die man gemeinsam bedient. „ihr sorgt dafür, dass die sbb heute fährt, und ich sorge dafür, dass sie morgen auch noch fährt“, ist sein motto an die belegschaft. dabei überschätzt er sein bewusstsein nicht, weiss er um die bedingtheit vom sein: wie kein anderer kennt die anfälligkeit des komplexen systems „sbb“. und: „je besser eine person ist, umso mehr fehler begeht sie“, zitiert er an diesem abend peter drucker, seinem vorbild in der managementlehre. solche einsichten haben zum reflektierten botschafter der eisenbahnen gemacht, der die organisation modernisiert und das image popularisiert hat: das viel zitierte „bahnland schweiz“ ist substanziell mit der ära-weibel verbunden.

beppo, der 68er rebell aus lebensgefühl, ist zwischenzeitlicher reifer geworden und hat besondere fähigkeiten zur synthese entwickelt. bis heute verabscheut er formale autorität: „status ist keine legitimation“, bekennt er freimütig. vorgesetzte können ihre vorteile nur durch kompetenz begründen. und genau daran arbeitete er sein ganzes leben lang: zuerst als assistent für betriebswirtschaft an der uni bern theoretisch, dann in der lehre als unternehmer bei migros-chef pierre arnold praktisch. und noch heute steht er nicht still: 50 bücher liesst er im jahr, nicht selten auf langen bahnfahrten nach paris, berlin oder rom. das alles hat den charismatischen wirtschaftskapitän aus fleisch und blut geformt.

dem unternehmen sbb hat es zur erfolgsstory gereicht: unter weibels führung haben die sbb ihre zugs-, personen- und tonnenkilometer zwischen 25 und 50 prozent gesteigert. boomender personenverkehr und prosperierende bahnhöfe haben geld in die leeren kassen der staatsbahnen gespült. alle volksabstimmungen zur sbb sind seit 1987 im sinne des unternehmens ausgegangen, und bahnjubiläen resp. publikumsanlässe wozu-auch-immer sind publikumsmagnete geworden. sogar ins ausland expandiert das unternehmen, und ihr chef ist bei europäischen bahnpartnern ein gefragter ratgeber.

der linken hat der kräftige modernisierungsschub des ehemaligen staatsbetriebes nicht immer gepasst: namentlich die gewerkschaften haben den personalabbau nach der finanziellen krise von 1995 nicht akzeptieren wollen und versucht, „ihren Beppo“ aus der sp auszuschliessen; – erfolglos, wie man sich erinnert. erfolglos waren sie auch, als sie sich gegen die umwandlung der sbb in eine aktiengesellschaft wehrten, denn der übergang vom beamten zum angestellten war ihnen ein dorn im auge. nicht so weibel, der diesen zustand als anachronismus bekämpfte.

fast gestrauchelt wäre weibel dann aber, als er zum ceo befördert worden war. denn damit wurde auch ein neues lohnsystem durchgedrückt, das quer zum umfeld weibels und auch seinen eigenen überzeugungen stand. doch der politische instinkt blieb dem sozialdemokraten auch hier erhalten. mehr verantwortung bedinge mehr lohn, weniger erfolg aber weniger bonus, verkündete er nach dem strom-blackout 2005. und die summe seines gehalts liess er – demonstrativ gegen den willen seines verwaltungsratspräsidenten – nach oben einfrieren.

dieser wird auch nach dem rücktritt seines ceos, benedikt weibel, nicht ohne arbeit sein, den baustellen gibt es bei den eisenbahnen unverändert zahlreiche: der güterverkehr hat den turn-around noch nicht geschafft, die signaltechnik etcs funktioniert nicht wie gewünscht, und die pensionskasse der sbb ist, herkules weibel zum trotz, noch bei weitem nicht im lot.


beleg einer begegnung: benedikt weibels dank für die politisch-idelle unterstützung seiner lebenswerkes (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wie ein mythos entsteht …

mit benedikt weibel wird ende 2006 ein intellektueller macher der schweizerischen und europäischen eisenbahnen vom zug steigen. die bilanz der autoren dorer und müller lautet: im stationenreichen prozess der sbb-modernisierung war weibel weder gott noch teufel. vielmehr war er querdenker, antreiber, bahnarchitekt, abzocker und vorkämpfer in einem. mit den arbeitnehmerorganisationen lag er mehrfach im streit, den kaktus der woche, ausgeteilt durch die „schweizer illustrierte“, hat er gleich neunfach erhalten, und auch die bahnkunden mit spezifischen interessen haben ihm x-fach erboste briefe geschrieben. das alles trug seinem ruf als ausgezeichneter bahnchef mit sitzleder keinen abbruch. denn ebenso häufig erhielt er in all diesen jahren dankesbriefe, die rose der woche und fürchten sich die bähnler heute vor dem, was kommt, wenn der rote boss geht.

am berner abend der buchpräsentation vor über 100 bähnlern, kundinnen und interessierten outet sich weibel auch ein wenig. den nimbus des erfolgreichen, der weibel seit jahren umgibt, stammt aus den zeiten der einführung des halbtaxabonnements. das kostete zu beginn der 80er jahre noch 350 CHF, – viel zu viel, wie man heute weiss. doch dann kam das waldsterben und mit ihm die gesellschaftliche kritik am einseitig geförderten individualverkehr. umdenken in der bürgerschaft war die herausforderung, die weibel instinktsicher aufnahm und in der sbb-generaldirektion durchsetzte. statt alter politik sei neue gefordert, verkündete er. statt preiserhöhungen zu lasten der konsumentInnen verlangte er preissenkungen zugunsten eines grösseren verkehrsvolumens.

diese forderung wurde in den 80er jahren zum programm mit namen: benedikt weibel, damals marketing-chef der sbb, erfand den „borromini“, das 100-franken-abo, für das mit dem tessiner architekten francesco borromini, der weiland noch die 100er note zierte, warb. zum eigentlichen wendemoment in der bahngeschichte wurde es, fasst weibel zusammen: in den besten jahren hatten die sbb und anverwandte unternehmen 2 mio. kunden mit einem sbb-borromini im sack. und auch heute noch ist das halbtax, „trotz geringfügigen preisaufschlägen wegen den zugewandten orten“ (weibel zur preisstaffel 150, 250, 350 CHF) ein renner, der beppos aufstieg zum „mister sbb“ politisch wie unternehmerisch sicherte.

und da kann auch ich mich outen: in meinen politischeren jahren war schon mal ebenso tatkräftig dabei, der idee des halbtax zum durchbruch auf politischem parkett zu verhelfen. dafür dankt der bahnchef schon mal herzlich.

der stadtwanderer von heute nimmt das schon mal gelassener, als der polikämpe von damals. er fragt nach den folgen des engagements, denn er ist seit vielen jahren ein bahnkunde. fast jeden tag nutzt er die angebote. der sbb, und fast immer ist er zufrieden, – besonders seit man im zug gar nicht mehr rauchen darf. immer wenn er aus dem ausland zurückkomme, weiss er zudem die überwiegende ordentlichkeit, die vorherrschende pünktlichkeit und weitestgehende sicherheit der sbb besonders zu schätzen. schliesslich ist er als berner ein grosser fan der welle über den geleisen, symbolträchtig zu weibels perfektestem werk, dem fahrplanwechsel vom 12. dezember 2004, erbaut.

seinen persönlichen entschluss, 1984 aufs autofahren zu verzichten, hat er nur deshalb in die tat umsetzen können, weil die sbb unter ihrem chef benedikt weibel eine erfolgreiche vorwärtsstrategie eingeleitet haben. dafür dankt er dem vorbild im nach hinein ebenso herzlich.

„mister sbb“ ist benedikt weibel in der öffentlichkeit schon lange. „mister euro08“ will er nach dem übertritt von der sbb- zur fussball-fangemeinde noch werden. sollte dem tausendsassa auch das gelingen, ist dem junggebliebenen der titel des „mister schweiz“ wohl auf lebzeiten sicher. meine nominationsstimme hat er jedenfalls jetzt schon …

stadtwanderer

Christian Dorer, Patrick Müller: Der rote Boss. Die Benedikt-Weibel-Story, Orell Füssli Verlag, Zürich 2006, 34.80 CHF

mit adrian von bubenberg duzis gemacht

am morgen fahre ich mit dem poschi in die stadt bern. ich steige beim city west aus. normalerweise gehe ich beim glatz am hirschengraben einrn cafe haben. von dort sind es nur noch ein paar schritte bis in mein büro. doch diese führen am denkmal von adrian von bubenberg vorbei.


tatort rathaus thun (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das aufkeimende bouquet

seit jahren mache ich diese morgentour. am anfang war ich sehr ehrfürchtig, wenn ich ins blickfeld des alten schultheissen geriet. später wurde ich mutiger, schaute ihn gar an. bis ich ihm schliesslich eine rotzfreche frage stellt: “was soll dieser blick? ich bin nicht dein leibeigener!”

adrian von bubenberg schüttelte kopf. er schien zu sagen: “ich bin nicht der, für den du mich hälst. ich bin nicht einfach der schlachtensieger von murten. ich bin viel geheimnisvoller. ergründe mich!”

von so viel aristokratischem selbstbewusstsein liess ich mich nicht beeindrucken. vorerst jedenfalls. dann aber begann ich zu suchen, zu lesen und zu staunen: adrian von bubenberg, ein berner burgunder? wie soll ich das verstehen? der hat doch mit seinen bernern die burgunder besiegt? war das ein schlachtensieg wider willen?

ich begann meine lesefrüchte zusammenzufassen, und sie adrian von bubenberg in stillen minuten vorzulesen. ich wollte wissen, wer er war, und ich wollte wissen, was er meinte, wenn ich über ihn schrieb. so sind wir uns näher gekommen. morgen für morgen, schritt für schritt. zwischenzeitlich verstehen wir uns ganz gut. klar, er ist konservativer als ich, und ich bin jünger als er. das macht aber nichts. manchmal sind wir ernst, wie adelige vor der entscheidenden schlacht. doch dann lachen wir wieder, wie katholiken.

jüngst hat mir adrian von bubenberg das duzis angebote. “ja”, hab ich gesagt, “ich bin der stadtwanderer, und du, du bist dann der adrian.” sogar angestossen haben wir miteinander. mit einem blauburgunder!


mit spitzer zunge alte geschichten neu interpretiert (foto: stadtwanderer, anclickbar)

anhaltend vollmundig

so habe ich heute mein referat in thun begonnen. dann habe ich kräftig zugelegt. die schlacht von murten ging wie ein film an uns vorbei. die vorgeschichte, in grandson, der zweite anlauf der burgunder, direkt auf murten, die besetzung der kleinstadt durch adrian, die belagerung durch karl den kühnen, und der aufmarsch des entsatzheeres im wald von lurtigen. das schlachtgeschehen, das ich 1977 im rahmen meiner rs nachspielen musste, purzelte nur so aus mir heraus: das feld von salvenach lag vor mir, der grünhag wurde gedanklich sichtbar, der überraschungcoup der innerschweizer beim burggraben, ein erlebnis wie ein kinderspiel, die überrumpelung der burgunder, als ob nichts gewesen wäre, und dann, dann der sturm auf murten. selbst das schreckliche gemetzel in meyriez am murtensee habe ich nicht ausgelassen.

wer meinte, ich würde nun als militärhistoriker enden, der sah sich getäuscht. das war nur das vorspiel. jetzt ging es erst richtig zur sache. der schlachtensieger auf eidgenössischer seite, adrian von bubenberg, war der jugendfreund von karl dem kühnen! selber verstand er sich als politischer anführer der burgunderpartei in bern. als ritter von spiez residierte er zudem auf einem der burgundischen königssitze aus zeiten von könig rudolf und königin berta. den burgunderkrieg mit den herzögen aus dijon wollte er nicht. er versuchte ihn im bernischen kleinrat zu verhindern.

deshalb wurde adrian gestürzt.

die franzosenpartei, angeführt von niklaus von diesbach, übernahm die macht im bernischen kleinrat. dessen vater war durch den tuchhandel mit den europäischen königshöfen reich geworden; nobilisiert wurde die familie durch titelkauf. in die bernische politik ist sie dann eingestiegen. kräftig aufgemischt haben sie die feudalen verhältnisse. mit den habsburgern haben sie den frieden gesucht und gefunden. mit frankreich haben sie dann einen neutralitätspakt geschlossen. doch das war nicht nur staatsmännisches handeln. es war die vorbereitung zum krieg gegen die herzöge von burgund.

als sich der gestürzte adrian nach spiez zurückgezogen hatte, erklärte bern dem hause savoyen den krieg, eroberte grosse teile der heutigen waadt ein erstes mal, war rücksichtslos gegen mann, frau und kind. die romands wissen rechnen ihnen das heute noch auf. doch dann kam die katastrophe: niklaus von diesbach erlag den kriegsverletzungen, die er sich in blamont, im jura zugezogen hatte.

bern war im selbst gewollten krieg, und der stadtstaat hatte von einem tag auf den anderen keinen politisch-militärischen anführer mehr.

in dieser heiklen lage wandte man sich erneut an adrian von bubenberg. der liess sich bitten, kam nach bern und organisierte die bernischen truppen. in grandson wurden die anrückenden truppen des burgundischen heeres lautstark erschreckt, aber nicht besiegt. diese sammelten sich in lausanne und griffen nun murten an. adrian blieb nichts anderes übrig, als die exponierte stadt zu besetzem, um ein direktes vorrücken der burgunder auf bern zu verhindern.

patriotisch genug, bekämpfte er karl den kühnen. und militär beschlagen, besiegte er ihn auch. für den kaiseraspirant war das eine schreckliche niederlage, die nur noch durch die entscheidungsschlacht vor den toren von nancy gesteigert wurde! ausgeträumt war der traum von einem burgunder auf dem kaiserthron …

adrian wurde nach der murtemer schlacht erneut schultheiss von bern. den feldzug gegen karl in nancy verurteilte er. als diplomat war er bemüht, den schaden, den die berner kaufleute mit ihrem krieg gegen savoyen und burgund angerichtet hatten, so klein wie möglich zu halten.


thun, während des vortrages (foto: stadtwanderer, anclickbar)

nachdenklich im abgang

adrian wusste um seine eigenen burgundischen wurzeln. sie rühren aus der zeit des burgundischen königreiches, das von 888 bis 1032 ein selbstständiges regnum war, das von arles bis dijon, aber auch bis bern reichte. die burgundische tradition war hier schrittweise zerfallen, aber nie ganz vergessen gegangen. die zähringer wussten darum, sie waren die vizekönige von burgund. und auch den habsburgern waren die zusammenhänge bewusst. der alte rudolf ehelichte die junge isabell von burgund, um hand auf das untergegangenen königreich legen zu können. selbst die staufer und die luxemburger griffen, als sie auf dem kaiserstuhl sassen, immer wieder nach der burgundischen königskrone, und suchten sich bei den herzögen von savoyen oder bei der burgundischen eidgenossenschaft berns zu stärken. bern war in seiner gründungszeit ein adeliger stützpunkt in burgund. noch 1375 nannte man bern die krone burgunds.

adrian von bubenberg war der schlachtensieger in bern. er hat damit den durchbruch zur verfassten eidgenossenschaft massgeblich vorbereitet. das ist seine bleibende tat. er hat aber auch die burgundische tradition in uns mit seinem schlachtensieg ausgelöscht. das ist sein schicksal.

schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut? war meine rhetorisch gemeinte einstiegsfrage heute abend.

sicher war er müde und froh, am abend des 22. juli für ein paar stunden zu schlafen. sicher fühlte er, wie er seine vaterstadt gerettet hatte. das alles spricht für einen guten schlaf. sicher wurde ihm aber mit der schlacht bewusst, dass er seine eigene herkunft, seine tradition, seine partei mit dem krieg wider willen verraten und zerstört hatte. ohne zweifel musste das in ihm gewissenbisse hinterlassen haben, und das spricht dafür, dass er schlecht geschlafen hat.

merci, “mittelalter!thun”, ich wollte immer schon für thun etwas gutes tun. ihr habt mir eine tolle möglichkeit geboten, das nun einzulösen. 111 nasen, die sich in thun für den schlaf von adrian von bubenberg interessieren, erachte ich als kleinen erfolg für euren jungen verein, – und als beweis, dass das interesse an burgund in uns weiter lebt!

tschüss, ich gehe jetzt selber schlafen … hoffentlich gut!

stadtwanderer

und hier die vortragsunterlagen:

schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut?

ich danke drei autoren für die erhellenden einblicke bei meiner vorbereitung:

volker reinhard: geschichte der schweiz, münchen 2006
stif förster; markus pöhlmann, dierk walter: schlachten der weltgeschichte. von salmis bis sinai, münchen 2003, 3. auflage
hans-rudolf fuhrer (hg.): burgunderkriege. dokumentation, militärgeschichte zum anfassen, au 2003, 4. auflage

und hier der bericht im thuner tagblatt.

einen ungehaltenen vortrag halten …

vorgeschichte

das ist gar nicht nett: wollte ich doch das schloss thun erwerben, wenn die reform der nernischen amtbezirke in der volksabstimmung vom 24. september 2006 durchgeht, und nun hat die stadt thun massiv geld in eben diesen kauf eingeschossen, – und das schloss vor meiner hand erhalten. doch ich werde mich morgen in thun revanchieren und einen ungehaltenen vortrag halten!


schloss thun, so greifbar nahe in meinen händen, wurde an die stadt verkauft (foto: schlossgeist)

der thuner schlosskauf …

man wusste es: bei einem “ja” in der volksabstimmung werden die 27 amtsbezirke (ehemalige landvogteien resp. napoléonische verwaltungsbezirke) der kantons bern auf 10 reduziert. zahlreiche regierungsstatthalter werden dann einen neuen job suchen müssen, und eben so viele schlösser, bisher ihre sitze, werden zu haben sein.

am sonntag war es dann soweit: die vorlage ging glatt durch. interessiert hatte ich mich für das schloss thun. mein angebote: ich halte in thun einen vortrag über adrian von bubenbergs bernische und burgundische wurzeln, erweitere das zu einer eigentlichen serie von vorträgen zur thuner heimatkunde und mache regelmässige stadtwanderungen in der oberländer-metropole. meine honorare investiere ich in den kauf des schlosses thun, von dem aus ich inskünftig meine burgund-, kantonbern-, stadtbern und stadtthun touren plane …

nun ist mein objekt der begierde schon weg. die stadt thun “ihr” schloss selber gekauft. 3,4 mio franken hat sie hingeblättert, – ich verstehe, dass der hochverschuldete kanton fast nicht nein sagen konnte. mein angebot war doch um einiges kleiner.

… und meine morgige revanche

nett ist das aber nicht von der stadt thun! also werde ich mich revanchieren und direkt in die thuner politik und geschichte einmischen: neues fussballstadion und das thuner politforum im schnittfeld von medien und behörden bieten mir willkommene anlässe hierzu. auftakt ist aber mein morgiger vortrag, – der ausgerechnet in thun stattfindet!

eine ungehaltene rede werde ich morgen in thun halten!

mein thema: “schlief adrian von bubenberg nach der schlacht von murten gut? unkonventionelle betrachtungen zu einem wendemoment der bernischen, eidgenössischen und burgundische geschichte.”

schön aufs glatteis führen werde ich das die militärfreunde, eidgenössischen patrioten, thuner lokalhelden, den ich werde mich outen, und meine burgundische herkunft beweisen, adrians zwiespalt als burgunder und berner aufzeigen, und das schwarz-weiss-denken der militärhistoriker kräftig aufweichen …

aktives mittelalter!thun

eingeladen bin ich von den veranstaltern mittelalter!thun. das ist ein junger verein mit vielseitigem programm. in diesem jahr haben sie schon zweimal das rathaus in beschlag genommen und konzerte durchgeführt. bis ende jahr lädt er das tanzfreudige publikum mehrfach zu mittelalter-discos (?!) ein. gegen ende jahr erwartet die fans
mittelalterlicher musik ein weiterer leckerbissen: die virtuosen
musikerinnen und musiker von “Faun” spielen unplugged im rittersaal des
thuner schlosses. dazu liest der historiker-kollege christian folini
mittelalterliche geistergeschichten.

selber trete ich beim “Fulehung” (fauler hund) auf, der beim thuner “Ausschiesset” eine zentrale rolle spielt. ursprünglich war er der hofnarr bei karl dem kühnen. laut sage konnten die tapferen thuner ihn fangen, und halten ihn immer noch irgend wo im schloss versteckt. selbst der stern im thunerwappen geht auf mein vortragsthema zurück: bei der schlacht von murten kämpften die thuner truppen so erfolgreich, dass der staate bern ihren einsatz mit dem stern im banner belohnte.

schade nur, dass der kanton bern meinen einsatz beim stadtwandern, beim burgunderblut-auffrischen und beim historischen bewusstseinsfördern nicht mit einem kleinen schloss belohnen wollte …

(ungehaltener) stadtwanderer

mein nevö

nevö? das wort ist heute ungebräuchlich. korrekt würde man es “nevoeu” schreiben. damit meinte man bis ins 20. jahrhundert die kinder der geschwister. heute ist für diese kinder männlichen geschlechts “neffe” üblicher, für solche weiblichen “nichte.” und nun, nach der langen vorrede die pointe: der stadtwanderer hat einen nevö erhalten. er heisst www.kommunikationsblog.ch .


communication, wallpaper by isabel cardinal

die verwandtschaft zum “stadtwanderer” zeigt sich schon am layout. da ist unzweifelbar mein bruder am werk gewesen. doch es ist nicht des stadtwanderers zwilingsbruder, der da bloggt, sondern dessen söhne und töchter. es sind die projektleiter vom forschungsinstitut gfs.bern, dem ich verschiedenartig verbunden bin, die kommunikationsblog.ch betreiben.

ganz schön zur sache gehen die neulinge der szene in den ersten beiträgen, die seit sonntag erschienen sind:

. Kritik ohne Rückfrage! Die NZZ und ihr Chef-Anti-Demoskop aus der Redaktion wissen selbst alles besser, deshalb greifen sie Umfragen regelmässig an. Das ist schade, denn in der NZZ-Redaktion hat es Menschen, die viel wissen über die Meinungsbildung bei Abstimmungen. Dank den Modellen und Umfragen von …

. Heute keine Umfrage! Zu allerlei Themen grassiert die Umfragewut. Umfragen sind oft nicht zielführend und schlechte Umfragen verleiten zu Fehlschlüssen.

. Heute keine News! Der “Flugs-Journalsimus” grassiert. “heute” fischt im seichten und klaren Wasser, zieht entsprechend keine Beute an Land und spitzt darauf basierend weil die Informationsbeute fehlt einzig den eigenen ausgeworfenen Angelhaken zu.

. Heute Hochrechnung! Die Hochrechnung ist eine von gfs.bern entwickelte Methode und war am 24. September 2006 zum wiederholten Mal sehr präzise. Das Institut stellt damit seine Leistungsfähigkeit unter Zeitdruck unter Beweis und zeigt unser Verständnis einer Kombination aus einem guten Produkt und dessen öffentlicher Kommunikation davon..

meine geneigte leserschaft merkt die unterschiede sofort: grammatikalisch ist der/das kommunikationsblog konventioneller. sprachlicher ist er/es direkter und sachbezogener, und thematisch ist er/es natürlich ganz in der gegenwart, allenfalls in der jüngsten vorvergangenheit oder dem futurum I angesiedelt. historische exkurse, burgundische kulturen und bernischer alltag sind auf dem kommunikationsblog.ch denn auch nicht zu erwarten.

vielmehr wollen die autorInneen, lukas golder, urs bieri und monia äbersold (alle megamässig jünger als ich) regelmässig über politische (und andere) kommunikation schreiben, sich zu demoskopischen instrumenten äussern, über veranstaltungen der sozialforschung berichten und kommunikationswissenschaftliche literatur bekannt machen. ein bisschen eigenwerbung werden sie sich machen wollen, aber auch jene menge klatsch&trasch aus dem gfs.bern wird in aussicht gestellt.

anlass soll jeweils sein, was die junge crew an überraschendem, interessantem und missverständlichen in allen formen der kommunikation vom gerücht bis zur medienmitteilung in ihrem eigenen alltag erlebt.

wer weiss, vielleicht schreibe ich auch mal eine gastkolumne. vorerst schaue ich meinem nevö gebannt zu, wir er aufwächst und wie er sich macht in der blogosphäre!

stadtwanderer

einstimmung abstimmung

muss an diesem wochenende arbeiten. habe deshalb keine zeit, einen richtigen blogbeitrag zu schreiben. habe aber in die trickkiste gegriffen, und ein paar stimmungsbilder, die ich dieser tage ab und zu zu meiner abstimmungseinstimmung gemacht habe, ausgewählt.


die definitiven titel der fotos sind noch nicht verteilt. die vorläufgien arbeitstitel lauten aber:

abgehoben
alles andere als ein kinderspiel!
auf augenhöhe
banca nationale svizzera
banque nationale suisse
blick von links
blick von rechts
dem aufschwung verpflichtet
.. . go!
goldgrube
kein wechsel
licht%schatten
matchentscheidend
platz der kantone
platz des volkes
rot vs. roth
schweizerische nationalbank
sprudelnd
staatstragend
stop and …
toi,toi,toi!
verbunden
verschwiegen
sie können sie selber auf die fotos verteilen!

ich melde mich, sobalb ich bei meinem nächsten stadtrundgang genaueres dazu erfahre

stadtwanderer

ps:
beim letzten bild, das ich machte, wollte mich die polizei beinahe verhaften. “was fotografieren sie da?”, wurde ich gefragt. “roths gerüst”, antwortete ich. “das ist aber die nationalbank, vor der sie fotografieren”, wurde ich belehrt. “eben, ist ist und bleibt roth”, antwortete ich und liess mich kontrollieren. hätte beinahe doch nicht arbeiten müssen an diesem wochenende!

verstehen sie europäisch?

“da verstehe ich nur spanisch”, sagt man normalerweise, wenn man nichts versteht.
ich wiederum verstehe vom spanischen nichts, und sage es normalerweise nicht.

deshalb bin werde ich heute erbarmungslos ausgeliefert sein, denn meine abendliche stadtwanderung findet vor allem mit spanierInnen statt. und die verstehen weitgehend nur spanisch, – insbesondere, wenn man von direkter demokratie spricht!

doch genau das ist das vorgeschriebene thema der heutigen führung, von der (immer noch amputierten) justitia bis hin zur schanzenpost!.

also habe ich mich entscheiden, auf französisch das sagen, was ich in meiner angestammten sprache (“bahnhof-büffet-olten-mischung”) denke und in der deutschen standardsprache minuskulös zu schreiben versuche.


welcome, flims (foto: randonneur urbain)

das ist der grosse europäische sprachenkompromiss für heute!

denn so wird gewährleistet, dass die spanierInnen und die zugewandten interessierten aus brüssel, die mitkommen, nicht nichts verstehen, wenn ich ihnen die geschichte und aktualität der schweizerischen demokratieentwicklung erzähle.

schliesslich wollen die organisatoren des anlasses etwas erreichen:

. die präsenz schweiz, die den fussmarsch in allen fünf landessprachen sponsort,
. das institut iri, das die vorbereitungen auf deutsch-schwedisch-englisch geleistet hat, und
. das forschungsinstitut gfs.bern, das für den grossen bogen der politik- und demokratieverständnisse von der aufklärung bis hin zum 24. september 2006, auf deutsch-englisch-spanisch, zuständig ist.

wer das programm schon mal nachschlagen will, wird auf englisch bedient.
wer den einführenden vortrag der politologin bianca rousselot mitverfolgen will, muss, wie bianca, spanisch können.
und wer meinen worten lauschen möchte, muss schon eine einladung auf französisch haben.

und wenn wir pech haben, erholt sich bianca, unsere sprachkünstlerin, nicht rechtzeitig von ihrer mandelentzündung und hat gar keine stimme! doch selbst dafür ist, in allen notfall-sprachen, vorgesorgt …

und sie?

verstehen sie jetzt europäisch, oder ist das für sie nur chuderwelsch. dann rate ich den zug zu nehmen, und richtung chur zu fahren, den chuderwelsch ist die alemannische bezeichnung für rätoromanisch (chuder=chur, wälsch=fremde sprache). sagen sie einfach:

allegra, flem!

das ist dann rätoromanisch, was leider auch fast niemand versteht, aber es hat über’s wochenende wieder platz, in den flimser hotels!

ich jedenfalls empfehle mich für heute auf berndütsch:

machits guet, bim loufe ir stadt!

stadtwanderer

ps:
habe in der bourgogne, wo ich eben war, den ehemaligen präsidenten der “matten-engisch(nicht englisch!)-vereinigung”, roger fridelance (was für ein name!) kennen gelernt. werde in dieser hinsicht bald einen einführungskurs besuchen, damit definitiv niemand mehr etwas von meinem spanisch versteht … hasta la vista!

im bild sein

nun tagt er wieder, der deutsche historikertag. eine respektable versammlung ist es, die sich in konstanz gelehrt unterhält: „GeschichtsBilder“ sind das thema. man vollzieht damit, quasi offiziell, nach, was der stadtwanderer schon lange weiss und vormacht: geschichte in bildern zu erzählen, die zu orten passen, ist seit cicero eine wichtige technik der individuellen und kollektiven memorierung, die mir besonders am herzen liegt.

geschichtsbilder als wissenschaftliche mode

diese woche scheint sich am bodensee eine kleine revolution abzuspielen. ausgerechnet die deutschen historiker, die quellenfixierten textliebhaber, geben vor, das bild als historische informanten zu entdecken. da kann der stadtwanderer nur milde lächeln, denn es sind nicht mehr als wissenschaftliche moden, die so aufkommen und gehen.


melusine mit drei ihrer zehn söhne, die alle ein gut sichtbares merkmal haben

doch ich will nicht lästern! denn das thema des historikertages ist ernst genug. es hat nicht ohne grund die ganzen sozial- und humanwissenschaften erfasst: am anfang stand die „emotionale intelligenz“; es folgten werke zum emotionalen handeln, und heute ist man beim grossen thema „bild und emotionale kommunikation“ angelangt. dahinter verbirgt sich ein system: menschen behalten gelesenes nur schlecht, erzähltes schon besser und gesehenes ganz gut, weiss ich aus erfahrung. didaktisch ist das bild ein gefeierter meister, denn visualität schlägt literalität immer.

dem vorteil des bildes kann man aber auch misstrauisch gegenüber stehen: hirnforscher fragen heute, wie wir funktionieren, genetiker geben wir, es entschlüsseln zu können, und philosophen stellen die kantianische frage nach dem freien willen des menschen, seiner voraussetzungen und seiner barrieren neu. „sind wir alle visuell manipuliert?“, könnte man das mit einer bangen frage zusammenfassen!

sicher nicht manipuliert sind die historikerInnen in deutschland. der auftritt zum historikertag auf dem web enttäuscht jedenfalls, denn das angebot ist eher traditionell: professorale sessions, mit discussion papers, die nur darauf warten, gelehrt gelobt zu werden. das bild als quelle gibt es schon, selbst bildinterpretationen werden zugelassen, wo texte fehlen, und geschichtsverständnisse als geschichtsbilder werden angeboten. wirklich revolutionäre durchbrüche habe ich aber bis jetzt kaum ausmachen können, und so wird es wohl eher einen üblichen text- als bildband zur tagung geben.

die melusine des berner schultheissen thüring von ringoltingen

das muss ich einen gegenpunkt setzen, denn historiker müssten eigentlich wissen, dass historische bücher vor dem buchdruck eher betextete bildbände, den bebilderte textbände waren. und bern war in dieser entwicklung im 15. jahrhundert europäisch gleich mehrfach führend.

den startpunkt setzte könig sigismund, als er 1414 auf dem weg zum konzil in konstanz in bern weilte, das steinerne rathaus einweihte und bern zum königlichen stand erhob. jetzt wurde man sich seiner bedeutung bewusst, und man begann gerade in bern bücher herzustellen. conrad justinger, der erste staatlich besoldete schreiber der stadt bern, erhielt den auftrag, eine stadtgeschichte zu verfassen. erschienen ist sie aber erst im 18. jahrhundert, denn bücher hielt man damals für verführerisch. doch die obrigkeit liess sich gerne verführen: sie beauftrage auch geschichtsbewusste berner wie tschachtlan und schilling, fortsetzungen von justinger zu verfassen: eindrückliche geschichtsbilder sind damals entstanden, die heute noch sehenswert sind und einen spätmittelalterlich geprägten eindruck der eher frivolen welt vom leben mit der pest zeigen.


reymond beobachtet verbotenerweise seine gemahlin beim baden und entdeckt, dass sie eine fee ist

da kann ich natürlich thüring von ringoltinges “melusine” nicht auslassen, denn der gesellschaftsroman mit geschichten aus dem ritterleben war lange eines der beliebtesten bücher in bern. der epische angelegte roman, der als volksbuch erschien, erzählt die geschichte der schönen fee, die in menschengestalt den heruntergekommenen kleinadeligen reymond heiratet, ihrer lebtag aber ein fabelwesen bleibt: in der gesellschaft ist sie eine gute christin, eine gute grau und eine gute mutter: 10 Söhne gebiert sie ihrem mann. obwohl alle einen makel haben, gedeihen sie prächtig, und der aufstieg der familie ist sicher. um zu zeigen, dass man nicht irgendjemand ist, nennt man sich fortan de lusignan.

doch war die heirat zwischen reymond und melusine an eine bedingung geknüpft: an samstagen ist die frau für den mann tabu. er darf sie nicht sehen, und er darf ihr auch nicht nachspionieren. natürlich hält er sich nicht daran, und bohrt ein loch in die türe der badestube. da entdeckt er erst, dass seine gemahlin keine frau, sondern eine fee ist. originalton aus dem 15. jahrhundert:

„raymond gesach durch das loch hinin und sach das sin wip und gemachel in einem bade nacked sass. Und sie was vom nabel uf ein uss der acht schöne wiplich bilde, von liebe und angesichte unsaglich schön. Aber vom nabel hin der under teil was ein grosser fyentlicher wurms von blauer lasur mit wisser farb und runden silberin tropfen gesprengt …“

melusine bemerkt die untat ihres gatten und fährt mit einem schrei aus dem fenster der badstube. sie verflucht den unhold reymond, sodass erst die fürbitte eines gemeinsamen sohnes beim papst in rom die familie von der schande wieder erlöst.

eigentlich stammt melusine aus dem französischen ritterroman des späten 14. jahrhunderts. von da kam der stoff nach bern, wo er von thüring von ringoltingen, einem berner junker, der bis zum hiesigen schultheissen aufstieg, aufgenommen wurde. 1415, in der zeit der neuen bücherkunst geboren, verfasst er eine deutsche übersetzung, die 1456 als gesellschaftsporträt der damals bekannten welt erscheint.

berner beiträge zum weltbild des spätmittelalters

das original von ringoltingens ist leider ganz verschwunden, doch es gibt 10 abschriften und 30 drucke, die sich auf ihn beziehen. denn was von ringoltingen der deutschen nachwelt hinterliess, faszinierte die aristokratie weit über den rhein hinaus bis tief ins 19.jahrhundert hinein. und selbst heute scheint melusine in verwandelter formn nichts von ihrer faszination eingebüsst zu haben, bleibt sie doch als meerjungfrau in film und fotografie, aus geheimnisvolle dame der guten gesellschaft in literatur und malerei eine beliebtes thema.


melusine fliegt ihren mann verfluchend davon

nun ist dieser tage in wiesbaden einer der ältesten drucke neu heraus gekommen. andré schnyder, ein germanist, der selber zwischen bern und lausanne und zwischen französisch und deutsch pendelt, hat die ausgabe editiert. bezogen hat er sich auf eine version des baslers bernhard richel, die 1473/4 erschienen war. und sie zeigt, wie damals schon gesellschaftsromane, familienhistorien und sittengeschichten aufgemacht waren: 67 bilder erschliessen den verschachtelten text im nu, denn sie verbanden, wie damals üblich, text, bild und buch in einem stück.

ich bin kein psychologe, weshalb ich auf eine tiefenanalysen der psyche in der gesellschaft des 15.Jahrhunderts verzichte. ich kann deshalb auch keinen originellen beitrag zur grossen debatte leisten, ob wir durch bilder inspiriert oder verführt werden. ich bin aber historisch inspirierter berner stadtwanderer, der sehr gerne in den alten, wertvollen bücher vor dem eigentlichen buchdruck schmöckert, und diese verführung auch liebend gerne bloggend weiter reicht.

bern bietet gerade hierzu reichhaltiges anschauungsmaterial. geschichtsbilder finden sich gerade in dieser zeit zuhauf, denn das wort, das die bücher der reformation und der wissenschaft lange bestimmte, hatte im katholizismus und im gesellschaftsleben von damals noch keine dominante stellung. immer wieder findet es das bild als spiegel des textes.

das sollte man eigentlich auch in konstanz wissen, denn hier wehrte sich die katholisch-lebensfrohe gesellschaft auf dem konzil noch ein letztes mal gegenüber ihren unerbitterlichen kritiker gegenüber. wer 2006 von einer wissenschaftlichen wende, einem paradigmatischen wechsel und gar von einer wissenschaftlichen revolution spricht, sollte nicht vergessen:

im bild darüber, was geschieht, war man schon lange, bevor es geschriebene bücher gab.

stadtwanderer

quelle:
thüring von ringoltingen: melusine (1456), hgg. von andré schnyder, in verbindung mit ursula rautenberg, 2 bd., wiesbaden 2006

“erfahrungen in der versuchsphase zum roadpricing …

die stadt stockholm hat am wochenende das roadprincing in einer volksabstimmung angenommen. 51,7 prozent haben sich für, 45,6 prozent gegen die einführung einer fahrzeuggebühr in der innenstadt entschieden. für den stadtwanderer gleich mehrfach eine interessante veränderung:

. erstens wird der stadtverkehr eingeschränkt.
. zweitens folgen immer mehr städte dem beispiel londons.
. drittens direktdemokratische instrumente breiten sich auf der städtischen ebene aus.
. und viertens: schweden, das der stadtwanderer so liebt, scheint in der ära des schwindenden sozialstaates in einer neuen frage eine viel beachtete vorreiterrolle zu übernehmen.

doch gerade beim letzten punkt muss genau hinsehen, um zu verstehen, was sich ändert. deshalb hat der stadtwanderer die gelegenheit genutzt, bruno kaufmann, den schweizer politikwissenschafter, korrespondenten und förderer der direkten demokratie weltweit, zu interviewen. hier seine erhellenden und teilweise auch korrigierenden ausführungen über die bisherigen tagesmeldungen in der schweiz hinaus. hier seine thesen:

. der vorgängige versuch war entscheidend, dass man mit dem thema erfahrungen sammeln konnte.
. die taxifahrer, die berufspendler waren genauso wie die zentrumsbewohnerInnen, die jungen menschen und die rot-grünen sympathisantInnen dafür.
. die zustimmung resultierte aber nur, weil die aussengemeinden offiziell nicht an der abstimmung teilnahmen.
. die kurzfristig nachgeschobenen plebiszite in den bürgerlich dominierten vororten zeigten eine deutliche ablehnung.
. unabhängig davon will die neuen konservative bürgermeisterin von stockholm das roadpricing in ihrer stadt einführen.


stockholm gestern: verkehr dominiert über alles (foto: flickr_maltR)

stadtwanderer: bist du vom abstimmungsresultat überrascht?

bruno kaufmann: “nein.”

bist du über das ergebnis erfreut?

“ja.”

was haben die befürworter besser gemacht, dass sie obsiegt haben?

“entscheidend war das learning by doing, so hat man in seinem alltag erfahrungen gesammelt. die kampagnen waren dann gar nicht mehr so wichtig.”

hat man die stimme der pendler mitberücksichtigt?

“nur zum teil! es fanden befragungen vor allem in jenen agglomerationsgemeinden statt, wo klare nein-merheiten erwartet wurden.”

wie soll man das verstehen?

“das ist meines erachtens einer der knackpunkte der entscheidung. das ursprüngliche begehren der autoverbände verlangte eine volksasbtimmung in der ganzen provinz. offiziell machte aber nur die stadt mit, während die bürgerlichen beherrschten agglogemeinden in der schlussphase inoffizielle plebisizte durchführen liessen. die stadt hat zugestimmt, die vororte hätten aber abgelehnt.”

was ändert sich nun in stockholm?

“effektiv ist das noch offen. das zentrale problem ist, dass die lokale volksabstimmung juristisch nur konsultativen charakter hat, dass in den agglomerationsgemeinden zum teil manipulative befragungen durchgeführt worden sind und dass die neuen mehrheiten im stadtparlament in der sachfrage eher negativ eingestellt sind. schliesslich muss auch das nationale parlament einer einer permanenten strassensteuer mit einer in stockholm mit einer gesetzesänder zustimmen.”

immerhin, die neue konservative stadtregierung hat angekündigt, sich beim nationalen parlament für das roadpricing einzusetzen. was ist also konkret zu erwarten?

“der oev wurde ausgebaut und das städtische verkehrsaufkommen ging zurück. die einzelnen autofahrer zahlen selbstverständlich mehr, und es gab auch zusätzlich bussen.”

weiss man schon, wer dafür und wer dagegen gestimmt hat?

“dafür war die bevölkerung ganz im zentrum stockholms, und auch jüngere menschen haben dafür gestimmt; ältere personnen und die aussenquartiere waren eher dagegen.”

wie haben die parteilager votiert?

“rot-grün mehrheitlich dafür, und das zentrum auch. bei den liberalen und christlichdemokraten waren minderheiten auf der ja-seite, während die konservativen dagegen waren.”

wie haben die verschiedenen verkehrsteilnehmer gestimmt?

“sie stimmten, wie zu erwarten war: die benutzerInnen des öffentlichen verkehrs waren dafür, die berufsfahrer mehrheitlich auch, während die pendler und gelegenheitsautofahrer mehrheitlich dagegen stimmten.”

wie haben die verschiedenen berufsgruppen reagiert?

“die taxifahren stellten sich auf die ja-seite, während gewerbetreibende im nein-lager waren.”

wie war der mitteleinsatz?

“interessanterweise haben sowohl die umwelt- wie auch die automobilverbände von den politischen parteien geld für ihre kampagnen bekommen und diese paritätisch auf beide seiten aufgeteilt.”


stockholm heute: pv-verkehr soll erschwert, oev soll ausgebaut werden (foto: flickr_maltR)

was war das für ein entscheid: gegen das verkehrschaos in den
städten, für mehr lebensqualität der urbanen bevölkerung oder für höhere steuern gegenüber den automobilisiten?

“es war eine mischung aus der ersten und zweiten annahme. mit steuererhöhungen hat man nicht dafür, nur dagegen argumentiert.”

ist der moderne schwedische mythos “alle macht dem volvofahrer?” am
wochenende zu ende gegangen?

“in den städtischen gebieten sicher, ausserhalb jedoch nicht. vor allem nicht in arboga …”

ist mit auswirkungen in weiteren grossstädten des nordens zu rechnen?

“ich gehe von ähnlichen bestrebnungen in kopenhagen aus, eventuell auch in helsinki und göteborg. oslo selber hat schon seit 1990 ein eigenes verfahren für eine verkehrssteuer.”

im kanton bern diskutiert man ähnliche ideen: was sind die wichtigsten lehren, welche aus der willens- und meinungsbildung in stockholm ziehen können?

“es braucht einen versuch, mit welchem die konsequenzen geprüft werden können. sicher sollte das nicht so viel kosten wie in stockholm, wo man im voraus fast 100 millionen franken investiert hat. und es braucht eine klare regelung, wer über was entscheidend kann. schweden ist im ersten teil vorbild, die schweiz wäre es im zweiten teil.”

noch etwas, quasi in eigener sache: ist mit einem aufschwung der stadtwandererbewegung in stockholm zu rechnen?

“da bin ich unsicher, denn die distanzen in stockholm sind gross und die kalte saison langwas zu lang. man müsste eher eine gemütliche schiffroute finden, welche die verschiedenen inseln vor rund um stockholm miteinander kombinieren würde …”

stadtwanderer: trotz diesem dämpfer für die stadtwanderer, besten dank für das erhellende gespräch!


stockholm morgen: kalt und eisig, aber verkehrsberuhigt und fussgängerfreundlich (foto: flick_maltR)

verwirrliche abstimmungsanlage

das ursprüngliche referendum der autoverbände im jahre 2003 gegen das
roadpricing in stockholm schlug eine volksasbtimmung in der ganzen provinz vor. das provinzparlament lehnte dies jedoch ab (was in schweden erlaubt ist). die autoverbände richteten darauf hin begehren für konsultative abstimmungen an die stadt stockholm und die anderen gemeinden der provinz einzeln. das stadtparlament liess das ansinnen gelten und ordnete die volksasbtimmung vom kommenden sonntag an. ebenso wurde 2004 entschieden, den vorgängigen versuch innerhalb stockholms vorzubereiten. in den agglo-gemeinden mit bürgerlichen, dem roadpricing gegenüber negativ eingestellten mehrheiten wurden bereits 2003 12 lokale abstimmungen angeordnet. sie fanden aber weitgehend ohne erfahrungen und debatten statt. in den meisten dieser gemeinden wurden die konsultativen abstimmungen nun kurzfristig wiederholt. es sind nach wie vor mehrheiten dagegen, doch gingen die ablehnenden voten um über 15 prozent zurück. es bleibt die verwirrliche bilanz zu einem verwirrlichen verfahren: die stadt stockholm hat knapp zugestimmt, die vororte haben wuchtig verworfen. wenn man die ergebnisse zusammenzählen würde, ergäbe sich eine ablehnung. politisch wäre aber das unkorrekt!

klärender bruno kaufmann

luzerner von geburt, studierte in zürich, cambridge und göteborg (schweden) politikwissenschaft, bereiste die ganze welt, lebte mit seiner familie in der schweiz und ist seit einigen jahren im schwedische falun heimisch. er berichtet als korrespondent für radio drs und den tages.anzeiger regelmässig über den norden; die hälfte seiner berufsarbeitet widmet er dem direktdemokratischen institut iri, dessen europäisches netzwerk er präsidiert. im mai 2008 wird er in luzern den weltweiten kongress für direkten demokratie, den er organisiert, eröffnen. vorher aber noch wird er mit uns stadtwandern, am kommenden freitag mit einer delegation von ausländischen direktdemorkatie-interessierte aus spanien resp. der eu-administration.

bern – flims? bern – bantanges!

alle politikerInnen sind am wochenende nach flims gefahren. das sind, von bern aus, glatt 230 kilometer. mit der gleichen distanz kommt man, in umgekehrter richtung, locker ins burgundische. und das hab ich an diesem (verlängerten) wochenende gemacht. mit gewinn, würde ich sagen; schade nur, dass ich nicht so lange ferien machen kann wie die politikerInnen flims …


erzählte landschaft: gite lafontaine in bantanges, saone&loire, bourgogne (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die schweiz ist klein. man denkt sich, alles sei um die ecke. und man weiss es: von bern bis zürich geht es schnell, und nicht viel länger hat man von zürich nach chur; flims ist dann nur noch ein katzensprung. bei reisen ins ausland sieht das schon anderes aus: an sich weit, und an sich fern. doch das stimmt nicht: pontarlier ist von bern aus näher als zürich, lons-le-saunier ist weniger weit als chur, und der weg nach bantanges kürzer als flims!

zweigt man in bantanges nach süden ab, gilts nur ein schild zu beachten: 800 m zum “Gite LaFontaine”, – das gästehaus von barbara und peter aeschlimann. beide sind aus bern, haben hier lange zeit gearbeitet und vor einigen jahren beschlossen auszuwandern. ein haus in burgundischen landen haben sie erworben und es mit viel engagement zum wunderbaren gästehaus umgebaut.

das klima in der gegend ist mediteran, die landschaft ist fast überall eben, und die zimmer sind ländlich-modern. das frühstück ist reichlich, und das nachtessen ganz persönlich: aeschlimanns kochen für ihre maximal 14 gäste jeden tag selber, – wenn’s geht, mit produkten aus der region. auch den weinkeller haben sie selber zusammengestellt, und empfehlen jedem gast einzeln, was auf ihre wünsche passen könnte.

die meisten besucherInnen stammen bis heute aus der schweiz, aus gross-bern könnte man sogar sagen. denn das “LaFontaine” ist zu einem geheimtipp für burgund-ausflüglerInnen geworden, die es unter freunden weiter empfehlen: feuerwehrleute, pensionierte beamte, geschiedene frauen, nordic walkerInnen und kulturinteressierte schweizerInnen finden hier eine attraktive bleibe, um sich ein paar tage (oder auch länger) zu erholen, zu baden, in der prärie spazieren zu gehen oder bis naturschutzpark rad zu fahren.

wer zudem automobil ist, kommt in der umgebung voll auf seine rechnung; cuisery ist die stadt der unendlich vielen buchhandlungen, tournus der mittelalterliche ort mit der ältesten romanische kirche in der frankreich, und chalon-sur-saone bietet zum shoppen (fast) alles. gut erreichbar sind solutré, der felssporn, bei dem die urzeitliche pferdejagd stadtfand, cluny, das führende mittelalterliche kloster, und die weinstrasse von macon bis beaune, wo man sich gezielt eindecken kann.

und wer dann noch noch nicht genug erlebt hat, der geht am montag morgen nach louhans auf den markt: 157 arkaden zählt die kleinstadt, so 1570 besucher dürfte der markt mindestens haben und mindestens 15700 hühner, gänse und hasen dürften bei jedem markttag den besitzer wechseln …

so nahe, so lebhaft und so sympathisch ist „burgund“, – die geschichtsträchtige gegend, die immer noch diesen namen trägt. mehr verbunden sind wir mit ihr, als wir uns bewusst ist; die alte burgundia reichte von arles im süden bis langres im norden und von nevers im westen bis wimmis im osten. hätte bern damals schon bestanden, wäre es teil des frühmittelalterlichen königreiches gewesen. auch adelheid, meine lieblingskaiserin, verkehrte auf dem weg bümpliz nach chalons mit dem pferd, und berner söldner marschierten schon mal zu fuss dorthin, um arbeit zu finden. da kann selbst adrian von bubenberg nicht fehlen, der sich in der gegend mit karl dem kühnen traf, um mit seinem jugendfreund den einen oder andern bubenstreich auszuhecken …

ich kanns nur empfehlen, sich gleich bei äschlimanns anzumelden … denn verweilen, geniessen und erholen muss man sich schon selber!

stadtwanderer

ps:
ok., in zwei wochen gehe ich auch nach flims, viel weiter als nach bantanges ist es ja nicht…

fassadenbern längst unterwandert

bern, das sind steinerne fassaden, vereinheitlichte stadthäuser, kollektivistische sitten!meint man …
bern, das ist die altstadt mit dem höchsten mass an individualisierung, korrigiert eine studie über die die soziokultur in der schweiz. demnach ist gerade die individualisierung als teil des soziokulturellen wandels nirgendwo so fortgeschritten, wie in der berner altstadt. der stadtwanderer hat nachgelesen und berichtet.


wunderebare fassaden der berner altstadt verdecken den erheblichen soziokulturellen wandel in der kernstadt (foto: flickr_intutum)

schillernder begriff “soziokultur”

soziokultur ist ein schwer fassbarer begriff. unbestritten ist eigentlich nur, dass soziokultur an einen raum gebunden ist, und so beobachtet werden kann, wenn sie menschen mindestens vorübergehend an einem ort aufhalten.

soziokultur verschwindet mit der auswanderung. sie ändert sich mit der einwanderung. sie wandelt sich aber auch mit der strukturellen zusammensetzung einer gesellschaft: unterschichtung sozialwohnungsbau ändern die soziokultur genauso wie die verlagerung von wohn- zu arbeitsraum. und sie verändert sich mit der verflüchtigung von gesellschaft, etwa der horrenden mobilität in bahnhöfen.

soziokultureller wandel ergibt sich auch dann, wenn menschen mit verschiedenen herkünften, unterschiedlichen bräuchen und sitten, mit divergentem rechtsempfinden und anders lautenden gesetzen aufeinander treffen. normen des alltäglichen verhaltens kommen dann in bewegung, in streit, und der konflikt muss ausgetragen werden. das kann zu integration von werten, zur segregation von lebenswelten oder auch zur zerstörung von soziokultur führen.

verdienstvolle konkretisierung durch sozialgeografInnen

verdienstvollerweise haben drei sozialgeografInnen der uni zürich raum, struktur und kultur der schweizer gemeinden und quartiere systematisch untersucht. sie haben das verfügbare datenmaterial vor allem des bundesamtes für statistik gesichtet. sie haben es klassiert und sortiert. und sie haben die entwicklungen zwischen 1990 und 2000 beobachtet. so bekommt man ein bild des soziolkulturellen wandels in der schweiz. karten, diagramme, sturktur- und trendanalysen veranschaulilchen, was man mit dem vagen begriff alles anfangen kann.

unser forscherteam hat vier dimensionen der soziokultur identifiziert. und es hat jede dimension mit inhalten gefüllt: es interessieren der soziale status, die lebensformen und die individualisierung, die integration und fremdsprachigkeit und die alterssturktur resp. alterung einer gesellschaft. strukturen identifiziert man vor allem mit dem status und der alterung, während individualisierung und integration etwas über kulturen aussagen.

das geniale ist nun, dass so nicht nur der flüchtige begriff “soziokultur” konturen bekommen hat, sondern auch eine unglaublich detaillierte übersichten über räumliche disparitäten vorliegen. man weiss jetzt genau, wo die gebiete mit dem tiefsten status sind und der höchsten alterung. man kann sich dazu einzeln karten abrufen. man sieht so auch, wo die pluralisierung ausgeprägt und die individualisierung weit vorangeschritten ist

überraschende ergebnisse anhand von bfs-daten

wenig überrascht, dass städte ein besonderer ort des soziokulturellen wandels sind. erahnbar war, dass die (über)alterung in der region basel am grössten ist, und der status in der agglomeration zürich am höchsten ausfällt. hier ist auch die pluralisierung der kultur entwickelt, während die agglomeration genf den stärksten idividuallsierungsschub kennt.


soziokultur der schweiz: karte der individualisierung (bfs/sotomo)

verkleinert man die räume, die interessieren, rückt auch bern an die extreme:

. hoher status in der altstadt? – kaum.
. hoher grad an fremdsprachigkeit zwischen nydegg und bahnhof? – eventuell.
. überalterung des mittelalterlichen stadtbildes? – schon eher?
. individualisierung der lebensformen? – ausgeprägt!

die obere berner altstadt, die savoyerstadt, ist gesamtschweizerisch der am zweistärksten individualisierte lebensraum. und die untere altstadt folgt schon an vierter stelle. nur gerade das zürcher rathausquartier weiss noch einen höheren indexwert für die abweichung von traditionellen lebensformen auf.

die selbstgewählten lebensformen kommen vor allem bei den 30-50jährigen zum vorschein: wohngemeinschaften, partnerschaften ohne kinder oder “living-together-apart” sind drei typische formen, welche die sozialgeografen beim haushaltstyp identifiziert haben. individualisierung zeigt sich aber auch bei den rollenmodellen von mann und frau: der traditionellen trennung von erwerb und ernäherung stehen hier drei lebensformen mit erhöhter individualisierung gegenüber: modernisierte, bürgerliche familie mit teilzeitarbeit der mütter, vollerwerbseltern, die beide rund um die uhr arbeiten, und teilzeitererwerbseltern, die die paritätisch in die verschiedenen familienaufgaben teilen, gehören hierzu.

klar ist, dass sich diese entwicklungen zwischen stadt und land unterschieden. man kann denn auch festhalten, dass orte wie eischoll/unterbäch, baltschieder/lalden oder silenenen, das pure gegenteil von zürich-rathaus sind.

aber eben: auch die berner altstadt gehört zum einen extrem. der ausgeprägte postmaterialismus der hiesigen bevölkerung macht es aus. egaliltäre familienmodelle werden hier am häufigksten praktiziert, sehr hoch ist auch der wege-anteil und schliesslich gibt es einpersonenhaushalte wie nirgendwo sonst.

ansporn fürs kommende stadtwandern

wer glaubt, berns fassaden, zurecht bewundert und geschützt, würden etwas über die die heutige soziokultur der berner altstadt aussagen, der sieht sich massiv getäuscht. das fassadenbern ist schon längst unterwandert. die architektur der altstadt ist aus dem geist des späten 18. jahrhunderts und seither mit bewahrender tendenz nur leicht modernisiert worden. doch das gesellschaftlichen leben in den häusern hat sich massiv verändert. vor allem mit den alten kulturellen selbstverständnissen hat man gebrochen: es sind nicht mehr die patrizier, die bürger, oder die beamten, die der altstadt ihr soziokulturelles gepräge geben. es sind längst die individualisierten abweichlerInnen von traditionellen familien-, arbeits- und wohnmodellen, die hier eingewandert sind. unterwandert ist die altstadt, von der soziokulturllen modernisierern.


individualisierung der stadtwandererausrüstungen ist angesagt (foto: stadtwanderer)

merci, michael hermann, corinna heye und heiri leuthold, für eure erhellende einblicke hinter die fassenden, auf die auch ich immer wieder hereinfalle. eine klasse leistung, der ich vermehrt nachgehen will, als nun soziokulturell-aufgeklärter

stadtwanderer

soziokulturelle unterschiede in der schweiz. vier indizes zu räumlichen disparitäten, 1990-2000, bfs/uniz, neuchâtel 2005

starkermann, gottesmann, kriegermann

simson (griechisch: sampson, lateinisch: samson, symbol für sonne und licht) ist eine figur aus dem alten testament, die noch älter ist als könig david. seine zeit, das 12. jahrhundert vor christus, war bestimmt von israels kampf gegen die philister, ihren gefährlichsten gegnern. die philister bewohnten die küstenlandschaft am mittelmeer und waren den israeliten kulturell überlegen.


simpson bändigt den löwen – berner brunnenfigur aus der reformation (foto: stadtwanderer)

schon simsons geburt war ungewöhnlich: seine mutter war unfruchtbar, doch kündigt ein engel jahwes simsons kommen an. das verdeutlichte die geburt eines nasiräers, eines gott geweihten. doch anders als erwartet, verliebte sich der heranwachsenden simson nicht in eine israelin, sondern fortgesetzt in philisterinnen. auf dem weg zu seiner ersten geliebten besiegte er einen brüllenden löwen mit blossen händen, was seine besondere fraft demonstrierte und ihn berühmt machte.

die einzige frau simsons, die namentlich bekannt wird, ist delila. sie sollte jedoch nicht seine treue frau werden, sondern eine verräterin, die im namen der philister handelte. von ihnen wird sie bestochen, ihren mann zu überwältigen, denn simsons krafttaten waren für die philister eine gefahr.


der starke simpson wird schwach und erliegt seine liebe zu einer verräterin
quelle: wikipedia

unverzüglich versucht delila hinter das geheimnis der kraft simsons zu kommen. dieser aber durchschaut das spiel, und er führte sie dreimal in die irre: zuerst soll sie ihn mit sieben frischen sehnen fesseln, die er aber beim erscheinen der philister wie bindfäden zerreisst. danach sind es neue stricke, denen sich simson wie fäden erledigt. schliesslich nennt er seine sieben locken, die delila an einen webstuhl verknoten soll. doch auch hier befreit sich der held mit leichtigkeit. deshalb versucht es delila ein weiteres mal, und sie fordert ihren mann heraus:

„Wie kannst du sagen, ich liebe dich!, wenn mit dein Herz nicht gehört? Jetzt hast du mich dreimal belogen und mir nicht gesagt, wodurch du so grosse Kraft besitzt“, beklagte sich delila.

nach längerem drängen durch delila, offenbarte simson ihr alles. „Ein Schermesser ist mir noch nicht an die Haare gekommen; denn ich bin von Geburt an ein Nasiräer. Würden mir die Haare geschoren, würde meine Kraft mich verlassen; ich würde schwach und ware wie jeder andere Mensch.“


simson wird von den philistern überwältigt und geblendet
quelle: wikipedia

die verführerische delila lässt darauf simson auf ihren knien einschlafen. dann schneidet sie ihm die sieben locken ab und ruft die philister, die ihn, entkräftet, gefangen nehmen. sie stechen ihm die augen aus und bringen ihn nach gaza in gefängnis.

doch sein haar wächst auch in der gefangenschaft nach. als die philister in gaza ein grosses fest feiern, holen sie simson aus dem gefängnis, um ab ihm ihren spass zu haben. simson wird in den palast gebracht, wo sich 3000 fürsten der philister versammelt haben. blind wie er ist, lehnt er sich an die mittelsäule und spürt, wie seine kraft zurückgekehrt ist. er merkt, dass das seine gelegenheit ist, sich an den philistern zu rächen. er spricht ein gebet zu seinem gott und kippt mit seinen leibeskräften die säule um, sodass das haus einstürzt. die philister werden begraben, und auch simson findet dabei den tod.

die geschichte lehrte im alten testament, wie starke männer schwach werden, wenn sie von listigen frauen verführt werden. simson besiegt zwar einen löwen, doch unterliegt er in seiner liebe zu delila. sein schicksal hatte aber auch einen höheren sinn: die kraft jahwes war es, die ihn dazu führte, sich stets in eine philisterin zu verlieben. denn dies gab ihm auch einen vorwand, sich mit dem gegner zu streiten.


der gefangene simpson lässt den palast der philister einstürzen – und ist der erste stelbstmordattentäter der geschichte
quelle: wikipedia

in bern taucht simson gleich mehrfach auf. er findet sich auch an der fassade des rathauses, denn im mittelalter war simson eine der bliebtesten figuren aus der bibel. und er ragt über dem simpson-brunnen in der kramgasse, seit 1542 in der heutigen form bestehend. der bezug auf ihn, den löwenstarken helden, und moses, den gesetzgeber des volks israel durch die bernischen brunnenkunst, ist nicht zufällig: ganz bewusst wurde nach dem übertritt berns zur reformation der direkte anschluss an das alte testament gesucht. nicht zuletzt ist dies auch deshalb von bedeutung, weil sich im 17. jahrhundert, in bern ein reformiert-orthodoxer protestantismus entwickeln wird.

bis heute ist simson eine beliebte figur der kunst, der gestaltung und des films geblieben. seine deutung ist allerdings komplexer geworden: nicht mehr nur den helden des volkes sieht man in ihm; er gilt auch als der erste selbstmordattentäter der geschichte. aber er ist kein palästinenser wie heute, sondern ein israeli.

eben: starker mann, gottes mann, krieger mann.

stadtwanderer

übersehen …

vor einem monat habe ich meinen beitrag über “graffiti-city” geschrieben. ich bin von zuhause aus zu fuss zur arbeit gegangen. und ich habe das gleiche retour gemacht.
ich kenne den weg, wenn auch meistens aus der perspektive des postautos. dennoch habe ich auf meinen beiden wanderungen rund 400 graffiti entdeckt, – auf den 8 kilometern weg.
der bericht darüber ist innert kürzester zeit einer der populärsten auf dem “stadtwanderer” geworden.

doch jetzt ist er entwertet: unglaublich, der schönste unter den graffiti, ist mir entgangen. er:


vergessener graffiti “let’s go, walking in the town.”

ganz an der strasse ist er allerdings nicht. vielmehr ist er bei der zentralwäscherei, die ich notabene ausgiebig fotografiert hatte, gleich um die ecke, leicht abgeschirmt durch ein paar bäume.

dennoch, ich erkläre ihn nachträglich zum meinem favoriten: spektakulär gemacht, ausdrucksvoll in seiner aussage, und geheimnisvoll plaziert, werde ich ihn immer grüssen, wenns heisst “let’s go, walking in the town!”

stadtwanderer

graffiti-city

missing …

vermissen …

eigentlich vermisse ich nur melanie winiger. sie war cool. schön, echt und lebensfroh. bei “achtung fertig, charlie” war ich der charles: fix und fertig hat sie mich gemacht, – wenigstens im film: von der der ersten bis zur letzten sekunde bin ich voll mitgegangen.


eine miss zu sein, heisst nicht, auf eine eigenständige persönlichkeit zu sein: melanie winiger, ganz links, in “achtung fertig charlie” …

vermarkten …

ich habe mir die miss-wahlen vom samstag nicht angesehen. aber ich kann mich den ergebnissen nicht entziehen, denn miss-wahlen in der schweiz sind heute wie überall mediale präsentationen und aufgeladene entscheidungen, die zu kommerziellen verkauften produkten führen. und ein konsument bin ich auch!

was dabei herauskommt, ist vermarktet und muss nicht vermisst werden. das ist mir bei der letzten miss ein jahr lang so gegangen: sie war zwar erfolgreich, sie repräsentierte die schweiz auch gut, und sie war äusserlich schön. aber laurianne gilléron berührte mich keinen moment während ihres abgelaufenen glücksjahres.


eine miss zu sein, heisst sich vermarkten zu lassen: laurianne krönt ihre nachfolger christa zur schönheitskönigin

bei christa rigozzi, der neuen schönheitskönigin, weiss ich noch nicht, woran ich bin. sie wird uns ja erst vorgestellt: “spontan und eifersüchtig”, sei sie, naja … , kriminologie studiere sie, hoppla, sag ich da …, und unkulturell, unpolitisch, unhistorisch scheint sie nicht zu sein, denn: “ich bin so multikulturell wie unser land”, verrät sie der schweizer illustrierten und fügt gleich bei: “ich bin glücklich, in einem land wie der schweiz mit einer direkten demokratie zu leben.” schliesslich empfiehlt sie mit “The da Vinci Code” ein geschichtsträchtiges werk als ihr lieblingsbuch.

das lässt aufhorchen! jedenfalls mehr als die wieder ganz banale geschichte, ihren herzallerliebsten giovanni vor dem mcdonalds kennen gelernt zu haben, resp. zu wissen, dass sie italienischer muttersprache ist, als gute studientin in fribourg/freiburg französisch und deutsch spricht, und, sebstverständlich, auch das englische herrscht.

vergessen …

wie aber wäre es, wenn christa statt

englisch fränkisch,
italienisch lombardisch,
französisch burgundisch und
deutsch schwäbisch

sprechen würde? das wäre genial, – und es würde die jüngste misswahl nahtlos in die linie stellen, welche die etwas modernisierten brautschauen von heute seit dem 9. jahrhundert in unserer gesellschaft sind.

als im jahre 818 die kaiserin irmingard, die frau des zweiten fränkischen kaisers ludwig, starb, mochte dieser nicht alleine bleiben. anders als sein vater, karl der grosse, nahm er sich nicht weitere frauen mit strategischer absicht, und folgte er auch nicht der fränkischen (un)sitte, gespielinnen aus dem gesinde zu neuen frauen zu nehmen.

nein, der kaiser veranstaltete – nach byzantinischem vorbild – eine brautschau unter den schönen töchtern des höheren adels.


kaiserin judith (795-843), quelle: wikipedia

es siegte judith, die tochter des bayrischen grafen welf und der edlen sächsin heilwig. sie war eine stark persönlichkeit, als sehr schön und ausgesprochen willensstark wird sie in den alten quellen beschrieben. sie war es denn auch, die den welfen, bis heute adelsgeschlecht, wenigstens vorübergehend herrschaftlich bedeutsames ansehen gab.

bei ihrer vermählung mit dem kaiser 819 erhielt judith das kloster san salvatore in brescia als morgengabe, und schon bald darauf übte sie erheblichen einfluss auf ihren mann, kaiser ludwig, aus. dieser las lieber spannende bücher als zu regieren. insbesondere war judith darauf bedacht, ihrem sohn mit dem kaiser, den sie, in anlehnung an den grossvater, keck karl taufen liess, einen anteil des fränkischen erbes zu sichern.

das weiderum führte zum grossen streit, denn ludwig hatte bereits 817 seine nachfolge resp. die verteilung des fränkischen reiches geregelt, – und zwar unter den drei söhnen lothar, pippin und ludwig aus erster ehe. demnach sollte lothar den grossteil erben und der neue kaiser sein, während pippin unterkönig von acquitanien und ludwig das gleiche in bayern werden sollten.

davon liess sich die resolute schönheitskönigin judith jedoch gar nicht beeindrucken. sie setzte 829 beim kaiser durch, ein weiteres unterkönigreich auszuscheiden und speziell für karl zu reservieren. aus alemannien, dem elsass und churrätien wurde so erstmals in der geschichte das unterkönigreich schwaben formiert und sohn karl zugesprochen.

diese nachträglich änderung der erbrechte sollte die fränkischen adeligen derart schockieren, dass sie eine fürchterliche intrige gegen die eigentliche herrscherin lancierten: judith wurde des ehebruchs mit bernhard von septimanien bezichtigt und 830 in ein kloster bei poitiers geschickt. ihr mann, der kaiser, wurde vorübergehend abgesetzt, und rettete seine und judiths haut erst, als die vikingische bedrohung des reiches so stark und der gemeinsame wille unter den streitenden söhnen so schwach war, dass man ludwig nochmals als titularkaiser einsetzte und judith aus der verbannung frei liess. formell herrschen sollten sie bis zu ihrem tod, derweil der bruderkampf unter dem schützenden dach erbarmungslos weiter ging.

judith verstarb im historisch bedeutsamen jahre 843. ihr stiefsohn pippin war schon vor ihr tot, sodass karl unterkönig von acquitanien werden und auf schwaben verzichten konnte. dem alten erbvertrag konnte so genüge geleistet werden, bevor die miss bayern, die schöne und starke kaiserin, das zeitliche segnete.

dennoch, ruhe kehrte im fränkischen reich nicht ein: seit dem tod ihres vaters im jahre 840 machten karl und ludwig gemeinsame sache, besiegten 842 den eigenen bruder lothar in einer der schrecklichsten adelsschlachten der geschichte im burgundischen fontenay und stellten danach neue forderungen zur reichsteilung. weder auf acquitanien noch auf bayern wollten sie sich beschränken lassen; vielmehr sollte das fränkische kaiserreich nach alter sitte in drei gleich grosse stücke aufgeteilt. was danach geschah, war schon 829 angelegt worden: jeder griff nun nach seinem kleinen reich, bis das grosse zerfiel.

miss-bräuche …

miss-wahlen haben also schon mal europäische geschichte gemacht. frauen sind dabei der männergesellschaft vorgeführt und in sie eingeführt worden. bilder der bewunderung und der angst sind daraus entstanden. das hat zu miss-bräuchen aller art geführt: frauenrollen wurden so schon im 9. jahrhundert normiert, neu definiert und unendlich lang diskutiert.

zu schwach durften sie nicht sein, die neuen frauen, denn sonst wären sie gar nicht aufgefallen. zu stark war aber auch wieder ein problem. besonders die verbindung von stärke und schönheit, im lateinischen mittelmeerraum nichts ungewöhnliches, irritierte in den fränkischen dörfen. intrigiert wurde gegen sie, bis ehen zerbrachen, liaisons bröckelten, verbindungen zerfielen.

wer sich in einer brautschau durchgesetzt hatte, war mit dem odium der selbständigkeit behaftet. nicht die väterliche vermittlung entschied das schicksal, sondern die wahl auf dem fränkischen hofplatz. neue miss-bräuche kamen so ins land, und sie beeinflussten die politik nachhaltig. den kaiser freute es, judith auch, und karl, ihr gemeinsamer sohn, stieg als “der kahle” vom vermeintliche unterkönig in schwaben gar zum nachnachfolger seines vaters als kaiser auf.

die bewertung von judith blieb jedoch umstritten. sie ist weder eine heilige noch eine hure gewesen. aber irgend etwas dazwischen. lange wurde sie ganz aus den geschichtswerken gestrichen, dann als unglückliche kaiserin verniedlicht. erst heute wird sie eine politische figur, über die man biografien schreibt.


fränkische reichsteilungen 843-888 lassen das imperium einstürzen und zahlreiche königreiche in ost und west, nord und süd entstehen

ihre wirkungen sind beträchtlich. die von ihr angeschobene reichsteilung brachte eine ethnisierung der gesellschaft. deutsche und franzosen berufen sich bis heute auf die reichsteilung nach judiths tod 843, um die anfänge ihrer unterschiedlichen geschichte zu erklären. deutsch und französisch wiederum werden in ihren ältesten formen mit dem teilungsvertrag in verbindung gebracht, liess man doch 842 die grossen des reiches auf ihre zugehörigkeit zum ost- oder westreich schwören und bediente man sich dabei in strassbourg erstmals in der europäischen geschichte übersetzern.

selbst auf die plurikulturelle, mehrsprachige schweiz hat sich die reichsteilung nach judiths tod haltig ausgewirkt: die gebiete rechts der aare, der hauptharst der heutigen deutschsprachigen schweiz, kamen zum ostfränkischen reich, genauer gesagt: zum herzogtum schwaben, das 911 in den ausmassen wie von judith verlangt entstand und 917 dem ostfränkischen reichsverband einverleibt wurde. erst im 12. jahrhundert sollte sich dieser teilweise auflösen, – in die heutige deutsch- resp. rätoromanische schweiz und in das jetzige baden-württemberg.

mit dem zerfall der fränkischen herrschaft im 9. jahrhundert kam die ethnische teilung der heutigen schweiz zwischen 888 und 1032 klar zum ausdruck (bild: wikipedia)

demgegenüber kamen 843 die gebiete links der aare, im wesentlichen die heutige französischsprachige schweiz und das üchtland zwischen aare und saane, zum kaiserlichen mittelreich. von diesem wissen wir, dass es nicht bestand hatte und in drei weitere königreiche zerfiel: in lothringen, seither kampffeld zwischen deutschland und frankreich, im burgund, wie man weiss ein vorübergehend selbständiges königreich, das in der westschweizer vorgeschichte tiefe spuren hinterlassen hatte, und in die lombardei, heute im wesentlichen zu italien gehörig und der tummelplatz der lega nord.

von dieser lombardei, von diesem italien hat sich nur das tessin dauerhaft abgespalten. er zählt heute zur schweiz, – und so erhielt christa ihre chance, nicht nur nachfolgerin von laurianne als miss schweiz, sondern auch indirekte nachfolgerin im plurikulturellen von miss judith zu werden.

dreisprachig ist sie ja schon, die neue schönheitskönigin christa. ihre kulturelle, politische und historische wirkung hoffe ich nich missen zu müssen, denn wenn es in den nächsten 12 montanen nichts zu vermelden gibt, werde ich sie für immer vergessen … doch vorerst setze ich ganz auf den grossen “missing-trend”, dem sich heute kaum eine(r) mehr keine entziehen kann,

nicht einmal der

stadtwanderer

quelle:
armin koch: kaiserin judith. eine politisch biografie. matthiesen 2005

lieber alexander tschäppät

ich finde es toll, dass sich bern unter deiner leitung gesellschaftlich öffnet, europäischer wird und selbstbewusster die eigenen schönheiten zeigt.

seit tagen wurde ich nun mit prospekten zum europäischen tag des denkmals eingedeckt. verschiedene kantone waren am samstag diesbezüglich aktiv. im kanton bern gab es aktivitäten quer durch alle regionen; in der stadt gab’s gleich drei führungen: in der elfenau, beim rathaus und beim erlacherhof.


begehrt wie noch nie: berner “hängende gärten” an der südseite der altstadt sorgten am samstag vor allem für “hängende köpfe”!

klar, ich habe mich entschieden, daran teilzunehmen, mitanzusehen, teilzuhaben und mitzuvermitteln. die gärten am südhang der stadt haben es mir angetan. in den prospekten wurden sie gelobt, – als grünbereiche der patrizier, aber auch der haus- und nutzgärtner, je selbst der modernen realisierung. das hat meine spannung erhöht, denn von aussen kenne ich sie schon.

ich war mit meiner neugier nicht allein. bei weitem nicht.

der andrang war riesig. das hat zunächst alle gefreut!

was danach geschah, war deutlich weniger erfreulich:

lange menschenschlanggggggen, wie zu zeiten der ddr,
willkürliche ssssssssssektionskriterien, wie zu zeiten der gnädigen herren,
und scharenweise aaaaaaaaaaaabgelehnte, wie heute bei den asylsuchenden.

wer auch immer dafür zuständig war:

die organisatoren?,
die denkmalpflege? oder
deine präsidialdirektion?:

ich sage es dir als stapi: es gab sehr viele enttäuschte an diesem nachmittag!

man war sich einig: dass der andrang so gross war, lag nicht in eurer verantwortung. durch euch wird aber der umgang mit der überraschung bestimmt. leider war er ganz daneben: herrschend, abweisend, kaltschnäuzig, verständnislos war der umgang mit der ungewohnten situation.

neben mir standen alte frauen, die sich gefreut hatten, zu ihren lebzeiten die sonst nicht zugänglichen gärten von nahem sehen zu können. es waren junge menschen da, welche die stadt als lebensraum nutzen möchten und neues entdecken wollten. selbst romands hatte es, die von weit her gereist waren und für einmal alle kulturellen barrieren vergessen hatten, nur um eure schönen gärten zu bewundern!

wir alle, die wir mit einem prospekt ohne aussicht abgespiesen wurden, waren masslos enttäuscht und frustriert. getroffen hat uns alle, dass wir als unreife fans von robbie williams tituliert wurden: das war nicht nur ein schiefer vergleich, sondern hätte den organisatoren eigentlich auch auf die sprünge helfen müssen: angesichts des andrangs gastierte dieser star nämlich gleich zweimal in bern!

lieber alex, bern scheint mir gut beraten zu sein, dem europäischen tag des denkmals rasch einen bernischen tag der wiedergutmachung folgen zu lassen. aus “gartenräume – gartenträume” wurde am samstag schlicht “garten berna – garten trauma”. erbaulich ist das nicht!

statt die hängenden köpfe unter den ausgeschlossenen anzusehen, würden sich viele interessierte freuen, bald möglichst die hängenden gärten doch noch zu gesicht zu bekommen.

ich würde sogar einen sonderkorrespondenten des stadtwanderers schicken, um darüber zu berichten …

… ein angebot?

gruss

stadtwanderer

häppi börsday

sechs monate ist er alt, der kleine stadtwanderer; ein guter moment für ein paar besinnliche worte zum kleinen geburtstag …


gratulation, stadtwanderer, ein kleines geschenk von mir, kaiserin adelheid (s.u.)

“Wege entstehen dadurch, dass man sie geht.”

(franz kafka)

“Sei nicht der Diener eines anderen, wenn du als eigener Herr kannst wandern.”

(philippus theophrastus paracelsus)

“Wer das Strahlen der Morgenröte sehen will, muss durch die Nacht wandern.”

(annelies mäder)

“Reisen heisst, an ein Ziel kommen; wandern heisst, unterwegs sein.”

(theodor heuss)

“Die Menschen reisen in fremde Länder und staunen über die Höhe der Berge, die Gewalt der Meereswellen, die Länge der Flüsse, die Weite des Ozeans, das Wandern der Sterne; aber sie gehen ohne Staunen aneinander vorüber.”

(hl. augustinus)

“Ohne Beine läuft beim Wandern nichts.”

(werner mitsch)

“bern: die fan-zone des stadtwanderers”

(slogan des sommers bern06)

der stadtwanderer

österreiz-autrisse: die wahren hintergründe zum staatsbesuch

geheimverhandlungen am staatsbesuch: das treffen zwischen den bundespräsidenten heinz fischer (a) und moritz leuenberger (ch) an diesem wochenende ist nur vordergründig durch sonnenschein geprägt. im hintergrund schwelt ein konflikt, bei dem es um nicht weniger als die gemeinsame geschichte der beiden länder geht. mit blick auf die euro08 soll eine neuinterpretation erfolgen. doch jetzt drohen schwierigkeiten, die sich nicht mehr verheimlichen lassen. der stadtwanderer weiss die details.


baustelle bundeshaus – baustelle geschichte: die wahren hintergründe der neuen staatsnamen werden vom stadtwanderer analysiert (foto: standwanderer, anclickbar)

könig rudolf von habsburg altes und neues image

könig rudolf von habsburg wird im wiener dom als römischer könig verehrt. und in der lausanner kathedrale erinnert man sich seiner, denn er weihte mit dem papst die neu erbaute kirche. als herrschsüchtiger monarch ist er dagegen in der schweizer geschichte verschrien. wegen ihm hätten sich die freien bauern aus der innerschweiz erhoben. zur sicherung ihrer angestammten, aber bedrohten rechte hätten sie, am 1. august 1291, den bund der alten eidgenossen schliessen müssen. so lernt man es im geschichtsunterrigeheim gehaltene historiker-kommission am werk

die bilateral-gemischte historikerInnen-kommission, welche dieses leben portraitieren wird, ist seit längerem hinter verschlossenen türen an der arbeit. ganz im stillen hat sie, im auftrag der beiden aussenministerien, die aufgabe gefasst, mit blick auf die euro08, die geleichzeitig in österreich und in der schweiz stattfinden wird, ein versöhnliches stimmendes buch, samt cd und internetseiten herauszugeben. bereits abgemacht ist, dass österreich definitiv auf alle territorialen ansprüche in der schweiz verzichtet. umgekehrt wird sich die schweiz für das rüppelhafte benehmen bei der plünderung des reichsklosters einsiedeln 1315 beim nachbarn formell entschuldigen.

die beiden sozis im präsidentenamt, politisch mit den alten geschichten der monarchisten und bauernparteiler unbelastet, haben sich während des staatsbesuches vom stand der diplomatischen verhandlungen, der wissenschaftlichen arbeiten und der publizistischen massnahmen informieren lassen. das protokoll will es, dass davon bisher nichts nach aussen gedrungen ist.

politische verstimmung ruchbar geworden

ruchbar geworden ist gestern, dass es am ende der gespräche zu einer verstimmung in einer zentralen frage gekommen sei. warum auch immer, der literarisch bewanderte bundespräsident der schweizerInnen, der zürcher pfarrerssohn moritz leuenberger, habe sein gegenüber souverän ein wortspiel angeboten. wenn ernst jandl in der heutigen politischen landschaft “links und rechts” problemlos verwechseln könne und daraus “rinks und lechts” machen dürfe, ohne dass jemand “halt!” rufe, dann solle der ausgebrochene staatsstreit analog gelöst werden. aus den nachbarn “österreich und schweiz” resp. “autriche und suisse” solle probehalber “österreiz und autrisse” werden. noch während des staatsbesuches werde man das breitflächig verkünden, und wenn dann wiederum niemand “halt!” rufe, werde die schweiz in der entscheidenden frage nachgeben. das kann man zwischenzeitlich an der aussenwand des bundeshauses nachlesen.in schon fast reformatorischer manier wird einem da die wiedervereinigung von österreich und der schweiz vorgeführt.

der stadtwanderer, der so oft das gras wachsen hört, weiss aber noch mehr. denn er hat sich gesternflux ins café fédérale (bald: café imperial) gesetzt und eine unglaubliche entdeckung gemacht. unter seinem stuhl war ein fax versteckt. dieses enthielt das protokoll der gespräche zwischen fischer und leuenberger! interessiert begann er zu lesen, und staunend hat er die schwerwiegende problematik zu kenntnis genommen, die gerade verhandelt wurde. um einen primör in der sonntagspresse nach gehabtem muster zu verhindern, macht er hier der blogger-öffentlichkeit das dokument in extenso zugänglich:

das brisante fax-dokument

“die republik österreich und die schweizerische eidgenossenschaft verpflichten sich, bis frühling 2008 unter dem motto: “fussball vereint” eine neue biografie zu könig rudolf von habsburg herauszugeben, die einen sinneswandel gegenüber der gemeinsamen historischen persönlichkeit erreichen will. hierzu wird ein sechs-punkte-programm verabschiedet, das als guideline für die kommende öffentlichkeitsarbeit dienen soll:

1. rudolf von habsburg übernahm 1273 ein kaiserreich in desolatem zustand. realist genug, erkannte er sofort, dass es nicht um die wiederherstellung der alten verhältnisse gehen konnte. deshalb verzichtete er auch den titel eines römisch-deutschen kaisers. dafür favorisierte er zügig die entwicklung stabiler kleinstaaten am südlichen rande des reiches. österreich, schwaben und burgund sollten als herzogtümer stark gemacht werden. der einfachheit halber wird man indessen nur von österreich und der schweiz als nutzniesser der revindikation sprechen. beabsichtigt wird damit, rudolfs anerkennung im lager der autonomisten, der linken partisanen und der demokratischen bauern zu erhöhen.

2. um den stolz der schweizerInnen auf rudolf von habsburg zu wecken, wird er inskünftig konsequent als schweizer mit erfolgreichem auslandsengagement vorgestellt werden. er wird in einer linie mit peter sauber, lotti latrouse und roger federer in allen srg ssr idee suisse medien gepusht; für den nächsten swiss award wird er asl “schweizer des jahres” nominiert. überall wird man seine brugger herkunft betonen und viel von seiner besonderen verbundenheit mit den aargauer bauern sprechen. denn auch sie waren im ausland erfolgreich. sie haben tatkräftig geholfen, den renitenten könig von böhmen, ottokar II., in dürnkurt zu besiegen. dank diesem sieg konnten die habsburger von brugg nach wien übersiedeln, und verliehen so dieser stadt imperiales gepräge. das wird man den österreicherInnen in erinnerung rufen.

3. der neuerdings österreichisch-schweizerische doppelbürger rudolf wird zudem als erfolgreicher wirtschaftsförder profiliert werden. insbesondere beim eher nationalkonservativen schweizer gewerbe will man damit punkten. strassenbauer und -unterhalter sei er zu lebzeiten gewesen, wird man bei den baumeistern unaufhörlich repetieren. städte hätte er zusammengekauft und miteinander verbunden, wird man bei den eth-architekten und -raumplanern stets von neuem wiederholen. als ersten urbaniten wird man ihn schliesslich feiern, denn dank ihm hätten handel und gewerbe mit ihren geschäften bisher nicht bekannte skalenerträge erwirtschaften können. dieses argument wird besonders auch im umfeld der fdp-nahen handelskammern und sp-gelenkten staatlichen wirtschaftsförderungsstellen zwischen aarau und freiburg seine verbreitung finden.

4. zudem will man die romand(e)s damit gewinnen, dass der bisher eher als hagerer langweiler bekannte könig neu als lustiger lebemann aufgebaut wird. selbst im hohen alter von 64 jahren habe er noch die 16jährige prinzessin von burgund, elisabeth, geehelicht. dieser bemerkenswerten tat wird man folgenden spin geben: nicht nur der einen jungen frau habe er die chance als “miss habsburg” eröffnet, sondern auch den traditionsbewussten burgundern so die rückkehr ins germanische reich ermöglicht.

5. für das internationalistisch-pazifistisch-modernistische lager in beiden ländern will man schliesslich könig rudolf als eigentlichen friedensstifter bekannt machen. die sitten des faustrechts und der blutrache, die zu seiner zeit noch gegolten hätten und zeitgemässen vorstellungen von zivilisation widersprechen würden, seien von ihm persönlich bekämpft worden. soweit sein einfluss reichte, förderte er den königlichen landfrieden, amtete als schiedsrichter in unentscheidbaren streitfällen und trug so wesentlich zur versittlichung des rauhen bauernlebens bei.”

zwischen anpassung und widerstand: doppelgesichtige schwyzer söldner

an dieser stelle endet das protokoll abrupt. ganz offensichtlich ist man sich im 6. punkt, dem für die innerschweizer-zielgruppe, in die haare geraten. moritz leuenberger, bundespräsident aller schweizer, habe unwirsch gebremst, als er von folgender ungeheuerlichkeit erfahren habe: in alten schweizerischen militärarchiven hätte die bilateral-gemischte historikerInnen-kommission dokumente gefunden, wonach ausgerechnet die schwyzer söldner die treuesten anhänger des habsburgischen königs gewesen seien. anders als im heutigen selbstverständnis der urschweizer seien sie keine widerständler, sondern willige anpasser gewesen. als zusatz-fax-kopie liegt dem stadtwanderer folgender bericht vor:

“Im Jahre 1298 zog König Rudolf von Habsburg zu Feld wider den unbotmässigen Pfalzgrafen Otto von Burgund. Auf dieser “Reise” begleiteten ihn 1500 Schwyzer. Als ein starkes Entstzheer heranrückte, sah sich der König genötigt, sich auf die benachbarten Höhen jenseits des Doubs zurückzuziehen. Es herrschte Mangel an Lebensmitteln, da dem Heer alle Zufuhr abgeschnitten worden war. In dieser schwierigen Lage musste das Schwert die Entscheidung bringen. Daher beriet sich der König mit den Seinigen über die bevorstehende Schlacht.
Bereits war die Nacht hereingebrochen, wirrer Lärm herrschte in beiden Lagern, als die Schwyzer als wohlgeübte Bergsteiger den Abhang herabstiegen, das Lager des im Heere der Burgunder stehenden Grafen Theobald von Pfirt überfielen und eine Anzahl seiner Leute nidermachten. Sie gewannen beträchtiche Beute und richteten grosse Verwirrung an, so dass im Tal alles in laute Bewegung geriet. Bei Tagesanbruch schickten die Welschen eine Gesandtschaft zum König und baten um Frieden.
Diesen Erfolg verdankte der König der Waffentat der Schwyzer, der ältesten, die wir in Einzelheiten in der Schweizergeschichte kennen. Wie die einheimische Ueberlieferung nachher berichtete, fügte der König den Schwyzern zum Lohn dafür das nachmalige Ehrenzeichen in ihre rotes Banner, das weisse Kreuzeszeichen im Eckquartier.”

leuenberger: modernes gottesurteil soll entscheiden

dank seinen guten beziehungen ins eda hat der stadtwanderer erfahren, dass heinz fischer am bundespräsidententreffen mit dem bisher unbekannten dokument punkten wollte. er habe nicht nur die informelle integration der schweiz in die europäische union mit einem österreichisch besetzes eu-büro in bern formalisieren bestätigt, sondern darüber hinaus auch eine erweiterung des bundesbriefarchivs in schwyz verlangt. so könne man die urkunde von rudolf für die solddienste der schwyzer direkt neben dem bundesbrief in einer permanenten sonderausstellung bekannt machen, war seine rede.

doch das führte zum eclat! moritz leuenberger habe ungemacht in svp-nahen kreisen gewittert. proteste von den versammelten schwyzer parlamentarierInnen habe er kommen sehen, die sich in den bundesrat fortpflanzen würden und von dort aus in ungeahntem masse die politik beeinflussen könnte. seine wiederwahl als bundesrat 2007 sah er dadruch gefährdet, weshalb er den genossen fischer ins väterliche gebet genommen und das gottesurteil à la jandl verlangt habe.

staatspolitik auf höchster ebene wurde also hinter den mauern des bundeshauses betrieben. die flüsterer vom dienst sind auf jeden fall bestrebt, den neugierigen stadtwanderer zu beschwichtigen: tschutten werde man so oder so gemeinsam, und das buch über rudolf von habsburg werde auf jeden fall erscheinen, allenfalls leicht gekürzt … hätten die beiden präsidenten beim staatsbesuch schon mal beschlossen!

unglaublich, die was die geschichte alles noch bringen wird …

der staunende stadtwanderer

meine anzahlung an den thuner schlosskauf …

tja, sachen gibts: in thun mochte keiner der einheimischen historiker am “fulehung” über die schlacht von murten sprechen. hat der veranstalter auf internet recherchiert, wer das machen könnte, und ist auf meinen blogbeitrag über adrian von bubenberg gestossen. die einladung, in thun etwas zu tun, um das geschichtsinteresse zu wecken, habe ich natürlich dankend angenommen.


habe selber als soldat 1977 in einer übung die schlacht nachgespielt. verstanden habe ich auf diese art aber nichts von dem, was passierte. das aber liefere ich mit meinem vortrag nach …

Vortrag:
„Schlief Adrian von Bubenberg nach der Schlacht von Murten gut?“
Unkonventionelle Betrachtungen zu einem Wendemoment der bernischen, schweizerischen und burgundischen Geschichte.

Referent: Claude Longchamp, Institutsleiter gfs.bern, Historiker & Burgunder

Mittwoch, 27. September, Rathaushalle Thun, 20 Uhr

“Als Adrian von Bubenberg am Morgen nach der Schlacht von Murten erwachte, war er nicht mehr nur Alt-Schultheiss von Bern und Ritter von Spiez. Er war der gefeierte Sieger der Schlacht von Murten. Adrian von Bubenberg hatte den mächtigen Herzog von Burgund besiegt: Karl den Kühnen. Die Eidgenossenschaft hatte 1476 – erstmals gemeinsam – ihr bedrohtes Territorium verteidigt und riesige Beute gemacht. Doch Adrian von Bubenberg war Kriegsheld wider Willen; denn eigentlich stand er auf burgundischer Seite, ja war sogar mit Karl dem Kühnen befreundet! Wie also schlief er in der Nacht nach der Schlacht, der Held Adrian von Bubenberg?

Wir warten gespannt darauf, was der Berner Stadtwanderer dazu erzählt!”

klar, und ich bin schon mal gespannt, was mir hierzu alles nicht einfällt…

stadtwanderer

ps:
in thun entscheidet sich am nächsten abstimmungssonntag, ob das schloss verkauft werden soll. falls dem so ist, würde ich mein vortragshonorar schon mal als anzahlung an den kauf geben …

berns welterbe

jede führung mit ausländischen gästen beginnt mit einem satz. “bern ist zwar nur eine mittelgrosse europäische stadt; sie gehört aber zum UNESCO-welterbe.” merkwürdigerweise ist das interesse hierzu bei auswärtigen teilnehmerInnen viel grösser als bei einheimischen. diese beschäftigt in der regel vielmehr die frage, ob die stadt sauber oder dreckig sei, je nachdem ob die gäste aus bern oder zürich kommen …!

das unesco-welterbe in der schweiz

zeugnisse vergangener kulturen und einzigartige naturlandschaften, deren untergang ein unersetzlicher verlust für die gesamt menschheit wäre, können seit 1972 unter den schutz der unesco gestellt werden. die aktuelle liste hierzu umfasst insgesamt 830 denkmäler in 138 ländern. davon sind 644 kultur- und 162 naturdenkmäler. weitere 24 denkmäler gehören sowohl dem kultur- als auch dem naturerbe an.


ausgewählte orte, die weltweit dem schutz der unesco unterliegen

zu den bekannten geschützten städten zählen die pyramiden ägyptens, der grand canyon des colorados, mont saint-michel vor frankreich, das heiligtum tadj mahal, die inkastadt machu picchu un die felsenstadt petra in jordanien.

die grundlage für die aufnahme in die schützenswerten stätten ist das internationale “Übereinkommen zum Schutz des Kultur- und Naturerbes der Welt”, das die UNESCO 1972 beschlossen hat. 180 staaten haben die konvention inzwischen unterzeichnet. 1975 hat auch die schweiz das abkommen ratifiziert. seither sind sechs objekte in die unesco-liste aufgenommen worden:

1983
. die altstadt von bern,
. der stiftsbezirk von st. gallen und
. das benediktinerinnenkloster st. johann in müstair,

2000
. die burgen von bellinzona

2001
. die region jungfrau-aletsch-bietschhorn und

2003
. der monte san giorgio.

hängig ist die kandidatur des glarner hauptüberschiebung, die erdgeschichte sichtbar macht.


bern, auf dem fels in der aareschlauf, für die traditionellen berner “der sack”

kriterien für die aufnahme ins welterbe sind die “einzigartigkeit” und “authentizität” einer kulturstätte oder die “integrität” eines naturdenkmals. über die aufnahme entscheidet das UNESCO-welterbe-komitee.

einmalig: der zähringische stadtplan berns

das zentrale gebiet der heutigen schweizer bundesstadt war bereits in vorgeschichtlicher zeit besiedelt. es lebten keltische bauern und römische siedler in der aarestadt brenodor, und es liessen sich hier burgundische und alemannische völkerwanderer nieder. die schützenswerte tat stammt jedoch aus dem ende des 12. jahrhunderts: 1191 gründete herzog berchtold v. von zähringen, rektor von burgund, die stadt bern. damit fand seine erschliessung des brach liegenden üchtlandes zwischen saane und aare, die zu städtegründungen in fribourg, murten, thun und burgdorf geführt hatte, ihren höhepunkt.

die mittelalterliche stadt von bern wurde durch den aareübergang in der heutigen nydegg bestimmt, der vor der korrektur der aare im 19. jajrhundert resp. dem ersten brückenbau im 13. jahrhundert die sicherste flusspassage weit und breit war. die stadt in der flussschlaufe hatte zudem von drei seiten einen natürlichen schutz. die vierte seite wurde durch einen natürlichen graben (heute aufgeschüttet) und den zytgloggenturm als wehrturm abgeschlossen.

charakteristische merkmale berns und allen anderen, neu angelegten zähringerstädte sind die breiten strassen für den markt, die einen zentralen platz ersetzen sowie die fortschrittliche wasserversorgung. das strassennetz ist streng geometrisch angelegt. die beiden hauptstrassen treffen im zentrum rechtwinklig aufeinander, und sie werden durch eine ringstrasse rund herum abgeschlossen. die felder zwischen den strassen wurden ursprünglich alle in gleich grosse parzellen von 100 x 60 berner fuss aufgeteilt.

mit ausnahme der burg in der nydegg wurde die zähringerstadt, wie damals üblich, als holzstadt gebaut. erst nach 1393 wurden die strassen gepflästert, und nach dem grossen stadtbrand von 1405 begann man auch die häuser aus stein zu bauen um die charakteristischen lauben für das gewerbe zu erweitern. das älteste gebäude aus dieser stadtbauphase, das heute noch steht, ist das berner rathaus, – in den seinen grundfesten aber immer noch der bau aus dem 15. jahrhundert. ende des 18. jahrhunderts wurde per mandat der obrigkeit der häuserbau vereinheitlicht; seither hat die altstadt ihr eigentümliches gepräge. für dieses sind auch die brunnen typisch, die fast alle im 16. jahrhundert im geist der reformation entstanden.

berns bleibende verpflichtung und aktuelle herausforderungen

die unesco bemüht sich, nicht nur das erbe zu schützen, sondern auch ein weltbewusstsein dafür zu schaffen. internationale feiern sind ein vehikel dafür, die von den nationalen unesco gesellschaften umgesetzt werden. 2008 wird in diesem rahmen schweiz- und weltweit das “jahr der kartoffel” sein.

Quelle: ExperienceLA, http://www.flickr.com/photos/experiencela/

mit der aufnahme in die liste des welterbes wird in bern vor allem der einmalig erhaltene grundriss der stadt, insbesondere das zähringische stadtstrassennetz, geschützt. bern hat sich mit dem schutz verpflichtet, die historische bausubstanz im inneren und am ausseren der gebäude zu erforschen, zu wahren und zu pflegen. dadurch soll die altstadt von bern als bevorzugter lebensraum für anwohnende, die bevölkerung der region und besuchende aus der ganzen welt sein.


bewusstseinsarbeit in der schweiz: unesco welterbe als briefmarke resp. als buswerbung

die bewahrung des kulturerbes hat den hang zum konservativen charakter des stadtbildes noch verstärkt. dem steht seit längerem eine bevölkerung gegenüber, die sich stark gewandelt hat. die patrizier sind verschwunden, das bürgerliche leben wird seltener. die altstadt hat in der letzten generation einen erheblichen wandel von generationen, schichten und werthaltungen erlebt, der nicht folgenlos geblieben ist. das moderne, individualisierte stadtleben steht heute klar im vordergrund.

aktuell mächtig gestritten wird darüber, ob man die geschützte altstadt für das nachtleben in bern attraktiver machen soll oder nicht. das stadtparlament hat mehrfach getagt, extremstandpunkte und kompromissvorschläge sind beraten worden, und ein ende ist nicht in sicht. quer durch alle parteien gibt es konflikte zwischen befürwortern und gegnern, nicht selten zwischen älter und jüngeren menschen.

à suivre …

stadtwanderer

auf den spuren der kollektiven gedächtnisse

im google-zeitalter ein begriff an bedeutung gewonnen: das kollektive gedächtnis. ein tiefes ausatmen nach einer langen wanderung hierzu, und ein paar gedanken, die ich am wegrand liegend aufgenommen habe.

digitale und kulturelle gedächtnisse

alles was auf dem www kommuniziert wird, hinterlässt spuren, wird archiviert, katalogisiert und so auch memoriert. in einem bisher unbekannten masse können wir uns dieses kollektiven superspeichers bedienen, da es uns wörter definiert, texte erschliesst, sprachen übersetzt, bilder zeigt und töne ausspuckt. doch das ist nur die eine seite des gedächtnisses. die andere ist die erinnerung.


philipp emanuel von tscherlitz, baron und stadtwanderer (rechts), mit pascale bruderer, nationalrätin (links) aus ebenso einer gemeinen herrschaft (fotos: stadtwandererin)

wer die geschichte zu seinem “google” macht, bekommt nicht nur alerts zugeschickt, erhält nicht nur diskussionsstände zugestellt und kann nicht nur mit neuesten wissenschaftliche texte zuschlagen. geschichte erschliesst einem auch das kulturelle kollektivgedächtnis. sie erlaubt es, sich zu erinnern, von der gegenwart in die vergangenheit. lesend, staunend, fragend, erzählend bleibt man so nicht nur laufend auf dem laufenden, sondern wird wandernd bewandert.

individuelle und kollektive gedächtnisse

so wie die einzelnen menschen ein individuelles gedächnis haben, haben gruppen von ihnen ein kollektives. freundeskreise, organisationen, gesellschaften, religionsgemeinschaften, soziale schichten und regionen kennen es: das gemeiname gedächtnis, dasses ihnen erlaubt sich zu verorten. denn kollektive gedächtnisse sind wohl einem spiegel gleich, man sieht sich selber, aber auch sein umfeld. man hat, was sonst so schwer ist, sich und seinen hintergrund vor augen.


der stadtwanderer und sein publikum: mitten in der steinstadt mit deren bau man nach dem stadtbrand 1405 begonnen hat (fotos: stadtwandererin)

archaisches wissen, märchen und mythen sind ohne zweifel kernbestandteile des kollketiven gedächtnisses. doch sie sind nicht das ganze kollektive gedächtnis. vielleicht sind sie das, was die gefühle für den einzelnen sind: grundlegende wegweiser, die helfen entscheidungen zu treffen. geschichte ist darüber hinaus unser wissen, dass wir erwerben, wenn wir gefühlsvoll gegenüber unbekannten situationen handeln.

elemente der kollektiven gedächtnisse

zeichen, symbole, gebärden und rituale sind ursprüngliche darstellungs- und vermittlungsformen. sie werden nicht selten gruppenübergreifend verstanden. gerade deshalb haben sie ihre bedeutung auch in der modernen gesellschaft nicht verloren; angesichts multikulturell bestimmter gesellschaften ist ihre bedeutung zwar weniger einzigartig, aber umso grösser. ubiquitäre piktogramme erlauben es uns, uns in bahnhöfen, auf autobahnraststätten und grossen volksplätzen zurecht zu finden, wo auch immer diese sind.


stadtwanderung pur: müde füsse der stadtwanderer und willkommene überraschung von der lutherischen kirche (fotos: stadtwandererin)

auch märchen gibt es überall auf der welt. gerade weil sie eine einfache grundstruktur haben, eigenen sich sich für die kindererziehung und -unterhaltung. doch sie sind nicht nur das: in ihnen spiegeln sich die hoffnungen und befürchtungen ganzer gruppen. mehr noch als das fernsehen, sind sie als kollektiver erfahrungsschatz quellen der fantasie, der kraft und der bewegung.

schliesslich sind auch mythen ein fester bestandteil des kollektiven gedächtnisses. sie sollen zeigen, wie alles geworden ist, auch wenn man es nicht weiss. sie erinnern an die götter, die welt geschaffen haben, heroen, die in unsere gegenden gekommen sind, und urmütter oder stammväter, die das als erste kuultur geschaffen haben. ihn ihnen spiegeln sich vorbilder, mit ihnen fesseln uns wurzeln und durch sie motiviert uns das feuer, stets von neuem eine gesellschaft zu sein.

die geschichte ist eine entwickelte form des kollektiven gedächtnisses. sie erschliesst uns das leben. sie zeigt, wie unser umfeld geworden ist, und wo wir darin unseren platz haben. die individuellen erinnerungen sind einmalig, sondern typisch. wir haben eine herkunft und eine familie. wir sprechen eine typische sprache und verwenden eine spezifische schrift. wir bekennen uns zu einer religion und teilen philosophien.

gedächtnisbildung und identitätsbildung im kleinen und im grossen


so, wie wir in unserem alltag mit der vergangenheit umgehen, so definieren wir uns auch als teil des kollektiven gedächtnisses. das erschliesst dritten unsere identität, so wie es uns einen zugang zu unserer identität eröffnet. wir werden uns unserer position bewusst, wenn wir uns unseres kollektiven gedächtnisses bewusst werden. wir suchen in der geschichte die antwort auf die frage, wie es gekommen ist, wenn wir uns rechtfertigen müssen. das ist schon fast traditionell.


organisator viktor erne und seine frau marietta/andreas steigmeier, verleger historischer werke, auf der stadtwanderung (fotos: stadtwandererin)

modern ist es dagegen, die herrschende verhältnisse zu kritisieren. dann suchen wir nach verlorenen spuren im kollektiven gedächtnis, spüren wir gekappten entwicklungen nach, und interessieren wir uns für umgeleitete ströme. denn nur im nirgendwo unseres kollektiven gedächtnisses können wir uns verorten, wenn wir unser leben ändern wollen.

jahresfeiern und die instrumente der zeitmessung, historische persönlichkeiten mit ihren begebenheiten, strassennetze und stadttore, katastrophen und ihre ursachen, probleme und lösungen, staaten und ihre grenzen, kriege und der frieden, räume und zeiten erlauben es uns, uns zu definieren und abzugrenzen, uns zu identifizieren und zu entwickeln, uns in fremde rollen zu schlüpfen und zu verstecken, uns aufzuregen und wieder wohl zu fühlen.

festmäler nicht festplatten

gedächtnisse sind zunächst speicher, die man füllt, die man ordnet und die man ausräumt. doch sie sind mehr als wohlgeordnete festplatten. sie sind oppulente festmäler. sie nähren uns, wo auch immer wir sind, – und sie formen uns, wer immer wir sind.

kollektive gedächtnisse sind immer mit einer gemeinschaft entstanden, geprägt durch deren leistungen, gekennzeichnet durch deren verletzungen. egal, ob diese bewusst, unterbewusst, verdrängt oder vergessen sind.


gebanntes und staunendes publikum, das bewandert heimkehren wird (fotos: stadtwandererin)

kollektive gedächtnisse haben einen individuellen charakter, selbst wenn sie die erinnerungen von gemeinschaften sind. gerade das macht die kollektiven gedächtnisse für die kulturelle identität, aber auch für die kulturkritik unverwechselbar interessant.

kollektive gedächtnisse sind die wie räume, in denen ich gerne wandere. sie sind wie karten, die mir orientierung geben. sie werden mir bewusst, wenn ich sie mir oder anderen wandernd erzähle. am einfachsten ist es, wenn ich das mit schauplätzen und denkmälern verbinde, unachtsames beachten, beachtetes neu entdecke, indem ich es stets nach dem beitrag befrage, den es für das kollektive gedächtnis hat. das alles erleichtert es einem, sich des kollektiven gedächtnisses zu erinnern, und so die erinnerung zum sprechen zu bringen.

einfach glücklich ..

es ist ein phänomenales erlebnis, eine unglaubliche erfahrung und eine grosse erkenntnis, wenn man sich ein kollektives gedächtnis erschliesst, wenn man es erwandert und wenn man es anderen vermittelt!


licht und schatten über bern, von den anfängen bis heute (fotos: stadtwanderer)

nun bin ich zurück, von meiner tätigen stadtwanderung durch keltische, burgundische, eidgenössische, bernische und schweizerische gedächtnisse

erschöpfter und glücklicher
stadtwanderer