fruchtbarkeit, beltane und keltische heiligtümer rund um bern

zugegeben, ich bin eher ein mensch, der gerne im zentrum lebt. das heisst jedoch nicht, dass ich keine affinitäten zu rändern habe. als soziologe muss man das sogar haben, denn michel foucault lehrte uns nicht nur über die kultur des strafens in den zentren (guillotine, mit der könig louis XVI geköpft wurden) nachzudenken. er forderte uns auch auf, an die ränder zu gehen, weil dort beobachtet werden könne, wie gesellschaft entsteht. so führte er uns als soziologe auch die kultur psychiatrischer kliniken vor.

stadtrandwandern wiederum bedeutet auch, über die ursprünge einer siedlungen nachzudenken. lange war ausgemacht, dass bern eine zähringergrundung sei, die aus dem nichts entstanden sei. dann mehrten sich die zweifel: die burg nydegg, die die zähringer verstärken liessen (und die heute nicht mehr steht), hat ältere ursprünge. eher ist sie burgundischen ursprungs. doch auch die burgunder waren nicht die ersten, die in den aareschlaufen siedelten; vor ihnen waren die römer und diese war nur da, weil es schon länger eine keltische bevölkerung gab. die ist zwar nicht direkt auf dem mittelalterlichen stadtgebiet nachgewiesen; vielmehr siedelte sich weiter südlich und muri und weiter nördlich, in der aareschlaufe gegen bremgarten, wie man seit 1849 weiss. die aare ist dort sehr flach, und man kann sie als furt bei fast jedem wasserstand passieren.


zinktafel mit dem vermutlichen stadtnamen brenodor, die man in der nördlichen aareschlaufe gefunden hat (quelle: univ. wien)

nachweislich gibt es in der schlaufe eine gallorömische siedlung, von der man 1984 auch den namen gefunden hat: brenodor. hergeleitet wird das aus dem keltischen, und meint das oppidium des brennus. aufgrund der achäologischen ausgrabungen nimmt man an, dass brenodors blütezeit zwischen 100 und 260 unserer zeit war. auf jeden fall war es eine römische satellitenstadt von aventicum, das nach 70 unserer zeit besonders von den flavischen kaisern in rom gefördert wurde und sich zur eigentlichen metropole im mitteland entwickelte. kollaps des römischen reiches um 260 unserer zeit liess vorübergehend die keltischen untergründe der römischen kultur in ganz alleinen stärker hervortreten, gleichzeitig aber auch die germanen vorrücken. spätestens mit ihnen dürfte auch das städtische leben in breonodor zurück gegangen sein.

einiges erinnert auch heute noch an die keltische zivilisation in bern. man muss ein wenig sensibilisiert sein, denn schriftliche zeugnisse aus keltischer zeit gibt es keine. aber es gibt zahlreiche überlieferungen, zu denen vor allem der keltische jahreskreis gehört. er kann auch als früher kalender gelten, der den sonnenzyklen folgte. gebildet wird er durch vier fixpunkte, die beiden sonnwenden einerseits, die tag-und-nachtgleichen anderseits. sie bilden das vierspeichige rad der kelten, wobei jede speiche einem der vier zentralen feste entspricht:

. samhain (31. oktober resp. 1. november) ist die jahreswende, und markiert den beginn des winterhalbjahres.
. beltane (30. april resp. 1. mai) ist jahreshäfte, und mit ihr beginnt das sommerhalbjahr.
dazwischen liegen
. imbolc (30. januar oder 1. februar), das lichtfest, und
. lugnasad (30. juli oder 1. august), das erntefest.
sie markieren die sonnenwenden.

übergänge dieser art wurden in keltischer zeit rituell gefeiert, weshalb es überall wo kelten ware, alte, heilige orte gibt.

in bern dürfte das der glasbrunnen im bremgartenwald sein. seit alters her spendet er wasser, und ist er ein symbol der fruchbarkeit. in der tat konnte man in seiner nähe auch viereckschanze, keltenschanze genannt, entdecken. selbst wenn es davon noch wenige spuren gibt, verweisen sie auf ein heiligtum aus vorchristlicher zeit. so fand man in ihrer nähe rste von gräbern aus der hallstattzeit.

der fruchtbarkeitsmythos des glasbrunnen ist in christlicher zeit nur überform worden, nicht verschwunden. mit der reformation erhielt er eine besondere wendung: magdalene nägeli, die tochter von hans-franz nägeli, der obersten im waadtländerkrieg von 1536 und späteren schultheissen in bern, heiratete gleich drei nachfolger ihrer vaters (den von steiger, den von wattenwyl und den manuel) im schultheissenamt, und hatte mit ihnen fast ungezählt viele nachfahren. sie überlebte ihre ehemänner alle, und als sie starb, hinterliess sie fast 100 kinder, enkel und urenkel. in der sage lebt sie als die mysteriöse frau weiter, die einem am glasbrunnen erscheinen kann. sie soll wunderschön und voller ausstrahlung sein.

angespielt wird damit auch auf die keltische feen, die in flussquellen hausen und besondere wünsche erfüllen können. zu diesen wünschen gehört unzweifelhaft der kinderwunsch.

vielleicht ist das ganze etwas unzeitgemäss geworden. die kinderzahlen sind rückläufig in bern. soziologen sprechen schon davon, dass hier der demografische knick schon vorbei ist, und die bevölkerung strukturell schrumpft. tja, mal sehen ob sich das ändert. diese nacht ist valpurgisnacht: beltane mit neuheidnischem charakter …

sie sind halt unsterblich, die kelten, die stets an die wiedergeburt ihrer vorfahren glaubten.

stadtrandwanderer