mein ganz persönlicher eu-beitritt

er sagte es immer klar und deutlich: “wenn die schweiz der eu nicht beitritt, werde ich ganz persönlich der europäischen union beitreten.” ende 2000 bereitete er diesen schritt vor; 2003 wanderte er aus, und bis ende jahr will er eu-bürger sein. doch er ist kein intellektueller schriftsteller, kein manager einer internationalen firma und auch kein pensionär mit realitätsverlust. er ist biobauer. “ausgerechnet!”, höre ich schon munkeln. “pourquoi pas?” würde er erwidern.

der bauer aus überzeugung

geboren wurde ruedi baumann 1947 als sohn von rudolf und lina baumann-röthlisberger im bernischen suberg. dort ist er auch aufgewachsen und dort wurde er auch rucksack-bauer, nachdem sein vater verstarb. 1974 heiratete er Stephanie; fünf resp. sechs jahre später kommt der nachwuchs zur welt. aus dem bauer war zwischenzeitlich ein diplomierte ing. agr. eth geworden, der in der berufswelt rasch die leiter zum “ersten direktionssekretär” der bernischen landwirtschaftsbehörde aufstieg.


vom bauernsohn zum buchautor: ruedi beaumann, wie man ihn in frankreich nennt (foto: stadtwanderer, anclickbar)

1985 verschrieb sich ruedi baumann ganz seiner ersten leidenschaft, dem bauern. den väterlichen hof stellte er mit seiner frau ganz auf “bio” um; und im gleichen jahr verliess er die svp-richtung freier liste; stepahnie engagierte sich bei den sozis. das rot-grüne duo hatte mit der tradition gebrochen, und war drauf und dran, vom politischen tauwetter im kanton bern zu profitieren.

das rot-grüne powercouple

baumann und baufrau wurden 1986 in den bernischen grossen rat gewählt. 5 jahre später war ruedi nationalrat; nur weitere drei jahre danach zog auch stephanie ins nationale parlament ein. Das rot-grüne powercouple war perfekt! ruedi, seit 1989 co-präsident der kleinbauernvereinigung, wurde 1997 gar präsident der grünen partei der schweiz. Und stephanie rückte zur verwaltungsratspräsidentin der berner insel vor.

12 Jahre familienleben im nationalratssaal hatten sie sich selber als limite gesetzt. rechtzeitig haben sie sich nach einer neuen herausforderung umgesehen. den eigenen hof übergaben sie einem ihrer söhne; für sich selber suchten sie eine andere beschäftigung.

einfach war das nicht: gute bezahlte abgangsjobs als politberater sind für linke selten; posten in der landwirtschaftsverwaltung waren zu wenig kreativ; und für das unterrichtswesens waren die biobauersleute aus suberg ihrer zeit zu weit voraus. stephanie und ruedi beschlosesen deshalb auszuwandern: frankreich ist ihre wunschdestination. doch das nahe gelegene burgund erweist sich als zu teuer, die lorraine als aussichtslos, sodass sie die südwestecke anvisieren. toulouse ist ihre startbasis, das verlassene bauerngut „la ouaitte“ in der gascogne wird ihr zielstrich.

der gesinnungsmensch

in seinem buch “bauernland. mein leben” berichtet ruedi baumann seine häutungen: jene aus dem traditionellen bauernmilieu beispielsweise, und jene aus der helvetischen politik, um noch eine zu nennen. es scheint ihn wirklich befreit zu haben. heute steht offen zu seiner jugendsünde, dem leidenschaftlichen traktorfahren, und er erzählt frei von der leber, wie gerne er panzeroberst geworden wäre. der jagd entsagt er zwar heute noch, doch lässt er sie auf seinem grundstück in südfrankreich zu. stopfgänse hält er selber nicht, doch findet er ihre fütterungsart weniger schlimm als die schweinehaltung in der schweiz. und “heizen mit weizen” erscheint ihm ethisch nicht vertret-, angesichts der tiefen Weizen- resp. hohen erdölpreise für nachvollziehbar.


ein leben lang mit ruedi verbunden: stephanie baumann, graugestreift (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ruedi baumann ist heute kein lupenreiner ökopolitiker mehr. er steht zu widersprüchen. er ist auch nicht mehr der provokateur der tv-nation. er ist versöhnlicher geworden. zur verwunderung, aber mit bewunderung seiner frau, hat mit mehr als 50 jahren kochen gelernt; und zur gaudi seiner französischen nachbarn spielt er saxophon an volksfesten. menschlicher macht ihn das alles: und “Beaumann” nennen ihn die bauern in der gascogne schon mal; wenn sie das schreiben würde, hätte er nichts dagegen …

heute ist baumann kein mediennaher grüner mehr, dafür ein sympatischer gesinnungsmensch. von seinem journalisten-freund in bern, daniel röthlisberger, gefragt: “fehlt dir die politik?“ gibt es kurz und bündig zum besten: „nein!“. jetzt habe er zeit zum nachdenken und zum bücherschreiben. als politiker fehlte ihm das. überhaupt lobt er die vorteile der freien bauersleute. ein bernischer fürsprecher sei gefangener des kantons und könnte nur mit schweren abstrichen auswandern. er dagegen können sein wissen, seine erfahrung und sein weisheit überall einsetzen, wo es freies land hat.

schweizer, franzose und europäer

auf das politische establishment der schweiz wirkt ruedi baumann nicht mehr mobilisierend. bei seiner buchlesung in bern ist es weitgehend abwesend. nur ein paar alte kämpen von der freien liste sind gekommen, und ein vizepräsident der grünen hat sich kurzfristig in den “stauffacher” verirrt. doch die veranstaltung ist ausverkauft. platschvoll ist der erste stock der buchhandlung an diesem abend. unangemeldete werden zwar nicht abgewimmelt, aber auf den treppen platziert. an die 200 interessierte lauschen gebannt und gespannt der lesung und dem dialog auf dem podium.

“bauernland” ist das buch eines bauers aus berufung. die äusseren umstände stehen auf sturm; sie sind aber nicht so wichtig. denn die innere überzeugung aber steht, und die leitet ihn. biolandwirtschaft ist heute nicht mehr eine politische theorie, sondern ein gesamteuropäische praxis. mit der früheren regierung frankreichs schlossen die baumanns einen vertrag, der sie zu umweltschonendem landwirtschaft verpflichtete. die vorteile daraus, hat die regierung raffarin zwar gestrichen, doch mag der bauermann nicht klagen. „mon président“ nennt er jacques chriac fast schon liebevoll, und provoziert gleich unverfroren weiter: seine kritische haltung zur globalisierung, seine idee der weltweiten besteuerung von finanzströmen und flugverbindungen, hat die volle unterstützung des global denkenden bauern. in der schweiz habe er als oppositioneller gleiches gefordert, in frankreich vertritt der staatspräsident solche konzepte, lobt er chriac. immerhin lässt er durchblicken, dass er noch lieber “ma présidente” sagen würde, und rührt schon mal die trommel die segolène royal, der denkbaren sozialistischen anwärterin auf das höchste amt im staate frankreich.

wenn es geht, möchten sich die baumanns bis ende jahr in frankreich einbürgern lassen. “zwei pässe ist besser als einer”, begründet ruedi diesen Schritt einleutend einfach. beim em-finale “frankreich-schweiz” hätte er soll alle trümpfe in der hand, scherzt der europäer. wo seine heimat ist, lässt baumann ganz bewusst offen. “la ouaitte” nennt er schon mal sein “heimetli”, obwohl es mit 70 ha sieben mal grösser ist als die “inselmatt” in suberg. offen lässt die seit kurzem vorliegende autobiografie auch, wo die baumanns ihren lebensabend verbringen wollen. man spürt die attraktivität der neu gewonnenen freiheiten als auswanderer, man glaubt aber auch die verwurzelung mit den aaretal zu merken.

auswanderer, nicht ausreisender

30 jahre hat er notizen zu seinem leben gemacht, und diese zu jahreschroniken verdichtet, die man im familien- und freundeskreis las. heute ist das private aus ruedis alltag öffentlicher geworden, und die politischen betrachtungen kommen grundsätzlicher daher. wer regelmässig bloggt, hat diesen wandel schon länger miterleben können, denn hinter dem “auswanderer-blog” steckt kein anderer als der buchautor von “bauernland”. 140 seiten hat er gebraucht, um das ins neue gleichgewicht und zuwischen zwei vuchdeckel zu bringen: ein erfolg wie seine persönliche veränderung auch könnte der band werden.

da er der schweiz nicht zutraut, zu seinen lebzeiten eu-mitglied zu werden, hat er seine drohung wahr gemacht und sich seinen traum individuell realisiert: “mymemberschip” ist sein credo. und es würde mich nicht wundern, wenn er von seiner festen basis aus nochmals gsinnungsfreunde des eu-beitritts in der schweiz mit seiner botschaft anstecken würde.


danke für die widmung, kollege wanderer (foto: stadtwanderer, anclickbar)

reisende haben ein ziel; wanderer dagegen sind unterwegs. “la ouaitte” wurde zum ziel von stephanie und ruedi. die entwicklung der schweiz in europa ist ihr ernst gemeinter wunsch!

kollege stadtwanderer!

ruedi baumann: bauernland. mein leben. nagel&kimche, münchen/wien 2006

bauernland. mein leben, ruedi baumann, alias www.auswanderer.blog

most popular

nur noch wenige tage und der “stadtwanderer” hat den ersten kleinen geburtstag: er wird halbjährig!

grosse reden will er keine, hat er auf seinen geburtstagszettel geschrieben! eine übersicht, wie schwer er geworden ist und welche zehen wieviel dazu beigetragen haben, interessiert ihn indessen schon.

denn er möchte einmal ein grosser und starker wanderer werden, weit und schnell laufen können wie ein pferd. die rennen im bois de boulogne, auf der longchamp, sind ihm ein vorbild!


impressionist eduard manet (les courses de cheveaux à longchamp, 1867) lässt seine starken pferde direkt aufs publikum losrennen

“most popular” heisst die rubrik, die neu über gewicht und wachstum von “klein-stadtwanderer” auskunft gibt.

das vorgehen ist einfach: man nehme alle artikel, die bisher geschrieben worden sind, ziemlich genau 150 an der zahl, und wähle die 10 prozent aus, die am meisten einzeln angesehen wurden. bei serien liste man indessen nur den artikel auf, der am meisten häufigsten erscheint!

und das sind sie, die populärsten artikel:

an 15. stelle: insel erobert, welt in sicht

an 14. stelle: des scharfrichters sohn vorzüglich aufgeführt

an 13. stelle: wenn links und rechts nicht gleich heissen

an 12. stelle: fragen über fragen an benedikt XIV. und moritz leuenberger

an 11. stelle: also, was ist ein blog? – eine herausforderung für dr. blog-blogicki

an 10. stelle: graffiti-city

an 9. stelle: fruchtbarkeit, beltane und keltische heiligtümer rund um bern

an 8. stelle: “kuhschweizer” und “sauschwaben”

an 7. stelle: brasil gegen fdp 1:0

an 6. stelle: reise in schwarz-weiss. ein berner ortstermin

an 5. stelle: go, doris, go (4)

an 4. stelle: heiraten in bern und anderswo

an 3. stelle: schnelle kommunikationswelt

an 2. stelle: mit meinen neuen favoriten unterwegs (juli 06)

und

an 1. stelle: wenn der rhein erzählt – und burgund hinhört

gratulation! gut 40000 seiten wurden in den 6 monaten aufgerufen, die meisten davon unter “stadtwanderer”, “geschichte” oder “bern”. fast 5000 davon wurden gefilter abgefragt, am häufigsten unter den titeln wie oben dargestellt!

immerhin, schon ganz toll …

klein-stadtwanderer

der aktuelle stand zu “most popular”

fragend wandern

wer stadtwandert, hat zeit sich fragen zu stellen! zur direkten demokratie, zur schweiz und zum vcs …

die fragezeichen zur direkten demokratie …

wir schweizer glauben, seit 700 jahren eine direkte demokratie zu sein. da muss man jedoch fragezeichen anbringen!


urner landsgemeinde

?

die auslandschweizerInnen können erst seit 1991 mitentscheiden; vorher war man davon ausgeschlossen, wenn man das land (auch nur vorübergehend) verliess.

??

das allgemeine stimm- und wahlrecht der männer wurde erst 1971 zum allgemeinen erwachsenenstimm- und wahlrecht. vorher waren die frauen ausgeschlossen.

???

das allgemeinen stimm- und wahlrecht musste in vielen fällen anfangs des 20. jahrhundert durch gerichte durchgesetzt werden, galten doch vorher vor allem lokal zahlreiche einschränkungen, wegen mangelendem besitz und mangelnder ortsansässigkeit.

????

gesamtschweizerisch wurde die direkte demokratie erst 1874 eingeführt, zuerst als referendumsdemokratie, dann auch als initiativdemokratie. vorher gab es die möglichkeit, in volksabstimmungen zu entscheiden nur in den liberaleren kantonen, die das in den 1830er oder 1840er jahren als bruch mit der vergangenheit realisiert hatten.

?????

die helvetische republik führte nach französischem verständnis die möglichkeit von volksabstimmungen ein, doch blieben sie eher theoretischer, denn praktischer natur. zudem waren sie eher ein plebiszit, denn ein volksrecht.

??????

die landsgemeindedemokratie ist eher eine vorform der direkten demokratie, denn ihre urform. zwar brachte die sie beteiligung der wehrhaften bürger an politischen entscheidung. doch hatte die obrigkeit zahlreiche mittel, diese mitwirkungsmöglichkeiten massgeblich zu beeinflussen. das abstimmungsgeheimnis, wie es heute hochgehalten wird, ist nicht garantiert.

ich will gar nicht falsch verstanden werden. ich bin kein gegner der direkten demokratie. vielmehr bin ich ein grosser fan! ich bin aber ein gegner der verklärung der direkten demokratie als urform des politischen systems der schweiz.

die fragezeichen zur schweiz …

selbst die schweiz entstand nicht wie man landläufig meint 1291. auch da muss man fragezeichen anbringen.

?

die schweiz entstand 1499 als ausgrenzung des heiligen römischen reiches deutscher nation, das sich damals neu zu formieren begann. die schweiz ist erst seit 1648 ein eigenständiger staat, dessen unabhängigkeit durch andere staaten wie frankreich und schweden anerkannt wurde. die heutigen schweizer grenzen wurden erst 1815 durch den wieder kongress festgelegt und garantiert. das alles schaffte erst die voraussetzungen, dass sie schweiz 1848 ein eigenes staat, mit eigenen grenzen und voller souveränität wurde.

??

1291 war keine staatsgründung! bündnisse wie jenes von uri, schwyz und nidwalden, die damals geschlossen wurden, gab es mit dem krise des heiligen römischen reiches mitte des 13. jahrhunderts zahlreiche. die burgundische eidgenossenschaft berns mit städten wie murten, avenches und allenfalls auch luzern sind älter und werden auch nicht als staatsgründungsakt der “romandie” gefeiert. sie waren bis ins 15. jahrhundert beliebt; sie wurden, trotz klauseln wie “ewig” immer wieder von neuem und immer wieder in anderen konstellationen geschlossen.

???

erst mit dem stanser verkommnis von 1484 gab es ein dokument, das von allem damals souveränen eidgenössischen ort unterschrieben worden ist. und erst mit der liberalen revolution von 1830 keimte der gedanke, dass dieser staat direktdemokratisch gesteuert werden sollte in der schweiz so stark auf, dass er eine systembildende funktion angenommen hat.

um auch hier nicht falsch verstanden zu werden: ich bin auch kein gegner der schweiz. vielmehr bin ich auch ein grosser fan hiervon! ich bin aber ein gegner der verklärung der schweiz als urform des europäischen staates.

die fragezeichen zum vcs …

das alles will meine heutige kleine stadtwanderung in sachen “direkter demokratie” leisten. sie wird quer durch berns gassen führen. geschichte soll sinnlich erlebbar sein. stadtwandern soll zum gedächtnis werden von orten, die mit begebenheiten in verbindung gebracht werden.

ich mache das heute exklusiv als weiterbildung für den vcs. und natürlich stellen sich auch seit den einsprachen zu den zürcher fussballstadien fragezeichen:

?

verbände entstehen mit der direkten demokratie. sie legitimieren sich über ihre interessenvertretung im willensbildungsprozess. ihre verhandlungsmacht bestimmt sich aus der fähigkeit, sich in konfliktsituationen durchsetzen oder verweigern zu können. gewonnene volksabstimmungen sind die wichtige begründung, wie man im politischen verhandlungsprozess gehör verschafft.

??

der vcs hat 2004, in einem politisch wichtigen moment, eine solche abstimmung gewonnen. der gegenvorschlag zur avanti-intiative wurde massgeblich durch ihn bekämpft und zu fall gebracht. damit wurde die recht unübliche serie von abstimmungsniederlagen für die behörden im jahre 2004 eingeleitet. doch der verband hat sein verhandlungspfand nicht konstruktiv umsetzen können. er ist wegen verbandsbeschwerden, die er namentich gegen fussballstadien ergriffen hat, gerade auch intern in die defensive geraten.

ich werde es sehen, ausrufezeichen

und auch hier wil gar nicht falsch verstanden werden: ich bin kein gegner des vcs. ich bin ein fan der ökologischen verkehrspolitik. die weiterentwicklung unserer mobilen gesellschaft unter diesem gesichtspunkt eine ziel, das ich sehr unterstützen kann. ich bin aber ein gegner der verklärung von …

ach, lassen wir das bis heute abend!

stadtwanderer

überlistet – stadtwandern in fernen städten! (flickr 2)

flickr stadtwanderer

“flickr” ist kein verschreiber.

“flickr” ist ein fotoalbum.
“flickr” zeigt bilder weltweit.
“flickr” verschafft neue kontakte.
“flickr” zeigt, was an bern und stadtwandern gefällt.

das gefällt mir.
ich habe gerne kontakt.
ich bin bin gerne offen für die welt.
aber ich habe nie ein fotoalbum geführt. deshalb schätze ich den verschreiber “flickR” so!

ich habe neue bilder geladen, von meinen wanderungen in bern, in murten, in aarberg. ich habe neue sujets gefunden, die mir besonders gefallen. vielleicht gefallen sie auch dir?


foto: stadtwanderer

der neue renner auf meiner
flickr-seite heisst: “stadtwandern in fernen städten”. dazu blieb ich in bern. schaute aber fern. schaufeRnster.

ich habe eine neue stadt entdeckt. doch das glas verhüllte sie. die sonne blendete mich. doch ich habe alles überlistet, und ein listiges bild des stadtwanderers ist entstanden.

stadtwanderer

hilfe: blog spam

würde ich 761 mal “hilfe” schreiben, würde es niemand lesen! so geht es mir mit den 761 kommentaren, die ich in den letzten 5 tagen erhalten haben.

sie sind alle inhaltslos und doof! höchstwahrscheinlich sind sie von einer maschine verfasst. sie erinnern mich an spams in mails …

immerhin, sie kommen gezielt: alle auf meine drei seiten, die am meisten gelesen werden!

das ganze nervt! und deshalb mein “hilfe”-ruf:

kann man sich dagegen schützen,
weiss mir jemand rat?

hilfehilfehilfehilfehilfehilfehilfe …

stadtwanderer

meinstein (3): was während einsteins berner jahre in der stadt geschah …

impressionen der änderungen in der stadt bern, während albert einstein hier lebte …

1902


neues bundeshaus, bern

. der erste sbb-zug fährt in den bahnhof bern ein.
. der erweiterungsbau des bundeshauses wird beendet.
. das neue parlamentsgebäude wird eingeweiht.
. die lufttrams der “berner tramway-gesellschaft” verschwinden; die tramlinie bern-wabern wird elektrifiziert.

1903


neue universität, bern

. das neue universitätsgebäudes auf der grossen schanze wird eingeweiht.
. das neue stadttheater am kornhausplatz wird eingeweiht.
. benito mussolini taucht erstmals in den polizeiakten berns als revolutionär auf.
. der maler paul klee erstellt erste radierungen.
. der schriftsteller rudolf von tavel gibt “Der Houptme Lombach” heraus.
. bsc young boys bern wird erstmals schweizer fussnallmeister.

1904


ovomaltine, bern

. stromversorgung der stadt, dank kohlegefeuerten dampfturbinen im marzili.
. dr. albert wander bringt die ovomaltine auf dem markt.
. das historische museum wird eröffnet.
. paris-bern wird im flug in 4 stunden und 20 minuter geschafft, spektakuläre landung von oskar bider auf dem wankdorffeld.

1905


neue post im bollwerkquartier, bern

. eröffnung des schweizerischen alpinen museums.
. das neue postgebäude am bollwerk wird eröffnet.
. der schriftsteller joseph victor widman eröffnet einen kreuzzug gegen das automobil.

1906


paul klee, bern

. die hohe zahl ausländischer studentInnen an der universität bern gibt in der bevölkerung und dem grossen rat anlass zu diskussionen.
. gaslampen stellen die öffentliche beleuchtung sicher, während die grossen plätze elektrifizierte bogenlampen erhalten. in den haushalten kommen glühlampen auf.
. paul klee verlässt bern richtung deutschland.
. leo häberli wird erster taxihalter in bern.
. die erste postautolinie bern-detlingen wird eröffnet.

1907


schweizer franken, snb bern

. sbb-linie bern-schwarzenburg löst die letzte postkutsche auf dieser strecke ab.
. die vorortsbahn bern-worb nimmt den güterwagenlandungsverkehr auf.
. die schweizerische nationalbank wird eröffnet, lokale und kantonale geldscheine werden durch nationale abgelöst.
. rudolf von tavel veröffentlicht “Der Stärn vo Buebebärg”.
. das erste ständige kino (“Radium”) wird eröffent.

1908


toblerone, bern

. prof. eugen huber, verfasser des schweizerischen zivilgesetzbuches, wird ehrenbürger
. ein denkmal auf der grossen schanze wird zu ehrem von albrecht von haller eingeweiht.
. die berner berufsfeuerwehr wird aufgebaut.
. theodor tobler erfindet die toblerone schokolade.

1909


casino,bern

. prof. emil theodor kocher erhält den ersten nobelpreis für medizin.
. beginn der klee-sammlung durch hanni bürgi.
. anna tumarkin wird erste professorin in europa; sie erhält die prüfungsberechtigung für geschichte der philosophie an der berner universität.
. die bernischen kraftwerke ag werden gegründet.
. das berner “casino” wird eröffnet.
. bsc young boys bern wird zum zweiten mal schweizer fussballmeister.
. die stadt zählt 84’430 einwohnerInnen, es gibt 110 autos, 25 motorwagen, 30 motorräder und 4362, – aber keinen albert einstein mehr stadt!

stadtwanderer

quelle:
A. Meichle: Zeitgeschehen während Albert Eisnteins Berner Jahre 1902-1909, Albert Einstein Gesellschaft, Bern 2002

meinstein (2): programm der stadtwanderung

26. august 2006, 1000-1130

treffpunkt: bern tourismus im hauptbahnhof bern, exklusiv für die inlandredaktion der neuen zürcher zeitung

1. station:
bollwerk 21: café bollwerk – einsteins stammbeiz


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können, muß man vor allem ein Schaf sein.”
Albert Einstein

2. station:
speichergasse 6: patentamt – einsteins arbeitsort


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Probleme kann man niemals mit derselben Denkweise lösen, durch die sie entstanden sind.”
Albert Einstein

3. station:
waisenhausplatz 30: städtisches gymnasium – wo einstein experimentierte


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Das, wobei unsere Berechnungen versagen, nennen wir Zufall.”
Albert Einstein

4. station:
münsterplattform: zivilstandsamt – wo einstein mileva maric heiratete


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Manche Männer bemühen sich lebenslang, das Wesen einer Frau zu verstehen. Andere befassen sich mit weniger schwierigen Dingen z.B. der Relativitätstheorie.”
Albert Einstein

5. station
gerechtigkeitsgasse 32: wohnung (1) – wo einstein sein erste junggesellenbude in bern hatte


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Phantasie ist wichtiger als Wissen, denn Wissen ist begrenzt.”
Albert Einstein

6. station
gerechtigkeitsgasse 16: wohnung (2) – wo die akademie olympia tagte”


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Die besten Dinge im Leben sind nicht die, die man für Geld bekommt.”
Albert Einstein

7. station
kramgasse 49: wohnung (3) – wo die familie einstein während des annus mirabilis lebte


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Ich habe keine besondere Begabung, sondern bin nur leidenschaftlich neugierig.”
Albert Einstein

8. station
zygloggenturm: uhrwerk – wo nichts relativ ist …


foto: stadtwanderer, anclickbar

“Am Anfang gehören alle Gedanken der Liebe. Später gehört dann alle Liebe den Gedanken.”
Albert Eisntein

stadtwanderer

meinstein (1): albert einsteins berner jahre

“meinstein” ist meine neueste stadtführung. sie ist albert einstein gewidmet. es ist keine vollständige stadtgeschichte; es ist auch keine umfassende biografie. es ist ein rundgang durch einsteins berner jahre. und es ist meine ganz persönliche leseweise von albert einstein: eben “mein einstein in bern” – kurz: “meinstein”.


albert einstein (1879-1855)lebte von 1902 bis 1909 in bern

die erste offizielle stadtführung hierzu findet am 26. august 2006 statt. ich habe sie ganz speziell für die bundeshausredaktion der „neuen zürcher zeitung“ konzipiert. die kommt mit mir extra auf tour(en)! da kann ich mich, und da kann sich auch bern nicht blamieren!

gut, bern hat gestern schon mal für schlechte schlagzeilen gesorgt gestern: das einstein-haus soll verhökert werden. also bin ich umso mehr für die stimmung zuständig …!

einsteins kurzbiografie

albert einstein wurde am 14.märz 1879 in ulm (württemberg, heute deutschland) geboren und verstarb am 18. april 1955 in princeton (usa). er war physiker und formulierte die spezielle wie auch die allgemeine relativitätstheorie. er lehrte als professor in zürich, prag, berlin und princeton; 1921 erhielt er den nobelpreis physik, nicht wie man meint für die relativitätstheorie, sondern für den fotoelektrischen effekt. auch diesen hat er, wie die spezielle relativitätstheorie, in bern entdeckt und wissenschaftlich aufgearbeitet.


einstein in bern: beamter III. klasse am patentamt, wo er sein berühmtes “büro für theoretische physik”, das die schätze der modernen physik enthielt, in der bescheidenen schublade seines arbeitstisches führte.

von 1902 bis 1909 lebte albert einstein während fast 7 jahren in bern. hier war als beamter am eidg. patentamt angestellt. während und nach seiner arbeit formulierte er die grundlagen seiner physik. 1905 war sein wunderjahr (“annus mirabilis”). er schloss nicht nur seine doktorarbeit zum thema „eine neue bestimmung der moleküldimensionen“ ab; er veröffentlichte auch seine ersten massgeblichen abhandlungen zur theoretischen phyisik, die das naturwissenschaftliche weltbild von heute prägen sollte.

1906 wird albert einstein an der universität in zürich promoviert; 1908 habilitiert er sich bei prof. paul gruner an der universität bern, wo er auch seine ersten vorlesungen hält. ein jahr darauf wird er ausserordentlicher professor für theoretische physik an der universität zürich, und kündigt er seine stelle am patentamt. mit seiner familie zügelt er nach zürich.

am 6. januar 1903 hatte albert einstein in bern erstmals geheiratet. seine geliebte aus studentenzeiten, mileva maric, wurde seine erste frau. im jahr zuvor war beiden die tochter liserl geboren worden, die jedoch nie bei den eltern lebte, lange ganz unbekannt war und deren spuren sich früh verlieren. 1904 wird beiden hans albert, der erste sohn, geboren. kurz nach dem wegzug von bern kommt auch der zweite sohn der einsteins, edmund, zur welt. er war lange zeit krank, und die obhut oblag ganz mileva.

1912 erneuerte albert einstein die bekanntschaft mit seiner in berlin lebenden, geschiedenen cousine elsa löwenthal, die er 1919, nach seiner scheidung von mileva maric, heiratete. bis zu seinem lebensende hatte albert einstein zahlreiche frauenbeziehung. zusammen mit seinem schlechte vorbild als familienvater sollte ihm das in der nachwelt viele kritiken eintragen.

einsteins leben in bern

die stadtführung „meinstein“ beschäftigt sich mit dem leben albert einsteins während seinen berner jahren. seinen alltag in dieser zeit teilte er in 3 gleiche teile: 8 stunden arbeit am patentamt (während der er häufig auch forschte), 8 alotria mit freunden und familien (während denen er sich erholte) , und 8 stunden schlaf (während denen er häufig auch wissenschaftliche artikel schrieb …).


die äusserst erfolge ausstellung über albert einstein im historischen museum wird durch einen persönlichen rundgang des stadtwanderer durch einsteins bern ergänzt

erwandert werden die zentralen stationen, an denen sich albert einstein in bern aufhielt. gezeigt wird, wo er lebte, wo er arbeitete, welche gaststädten er besuchte, wo er seine experimente unternahm, wo seine schwester maja lebte, wo er sich mit freunden zum philosophieren traf, und wo er sich mit mit mileva verheiratete. zur sprache kommen aber auch die jüdische familie einstein, einsteins politisches interesse, das ihn zu einem führenden intellektuellen des jungen staates israel werden liess, der wissenschafter einstein, der über die berner uni vor allem fluchte, an ihr aber dennoch seine karriere beginnen konnte. schliesslich soll auch versucht werden, einsteins leistung als moderner physiker und philosoph der moderne zu würdigen.

der einstein und der stadtwanderer …

“meinstein” ist durchaus ernst gemeint. es geht nicht um eine abschliessende würdigung einsteins leben und wirken. es ist auch kein verspäteter beitrag zum einsteinjahr von 2005. es geht um „meinen“ einstein: den gymnasiasten einstein, der, wie ich in aarau die schulbank drückte, den studenten, der, wie ich in zürich ein mässiger motivierter lernender war, den schaffer, der ich in bern arbeitete, und den forscher, der wie ich, bei von einem prof. gruner gefördert wurde.


vergangenheit verbindet: einstein und der stadtwanderer besuchten die gleiche alte kanti in aarau, um die matura zu erlangen

in „meinstein“ geht um einstein, der mir als junge vorbild war. denn auch ich wollte eigentlich physiker werden, um wie albert, in das weltall vorzustossen. und er ist ein vorbild geblieben. denn auch habe mich stets für politik interessiert, wiederum wie einstein! ohne je politiker werden zu wollen. “meinstein bern” macht schliesslich auch sinn, weil albert und ich in bern wohnten … tja, und beide haben sind am 14. märz zur welt gekommen …

stadtwanderer


“jene glücklichen berner jahre” werden durch einen dokumentation des physikalischen instituts der uni bern reichhaltig illustriert.

literatur:

Hentschel, A.M., Grasshoff, G.: Albert Einstein: “Jene glücklichen Berner Jahre”, Stämpfli, Bern 2005.
Rosenkranz, Z.: Albert Eistein. Privat und ganz persönlich. Historisches Museum Bern/NZZ Verlag, Bern/Zürich 2004.
Roggen, F.: Einsteins Schwester. Maja Einstein – ihr Leben und ihr Bruder Albert, NZZ-Verlag, Zürich 2005.
Meichle, A.: Zeitgeschehen während Albert Eisnteins Berner Jahre 1902-1909. Albert-Einstein-Gesellschaft, Bern 2002.
Trubuhovic-Gjuric, D.: Im Schatten Albert Einsteins. Das tragische Leben der Mileva Maric, Haupt, Bern 1988.
Flückiger, M.: Albert Einstein in Bern. Das Ringen um ein neues Weltbild, Haupt Verlag, Bern 1974.
Amt für Geistiges Eigentum: Erinnerungen an Albert Einstein – Aus seiner Tätigkeit am Amt für Gestiges Eigentum 1902-1909, Bern 1965.

alles ist relativ, sagt einstein. er könnte schneller recht haben, als bern lieb ist …

berner kramgasse 49: einstein-haus. auf den ersten blick ist alles unscheinbar. bis man das hausschild liesst. hier wohnte albert einstein 1905, als er seine sechs bahnbrechenden arbeiten schrieb. zu diesen zählt sein artikel für die annalen der physik, der ihm den nobelpreis einbringen sollte. berühmter noch als diese abhandlung ist heue seine spezielle relativitätstheorie, – auch sie wurde in ihrer ersten verbindlichen form an der berner kramgasse 49 verfasst. Populär zusammengefasst sagt sie: alles ist relativ …, selbst in der berner altstadt, muss man seit heute nachtragen. den das haus mit dem einstein-museum wird verkauft. bald schon könnte kein stein wie bisher auf dem andern stehen, an der berner kramgasse. …


einsteintafel an der kramgasse 49 (foto: stadtwanderer, anclickbar)

seit einem jahr populär ist die führung “600 jahre zytglogge – 100 jahre relativitätstheorie”. dabei geht es um die zeit, die zeiten, das zeitbewusstsein und die zeitmessen. Der bogen ist gross: man ende bei einsteins relativitätstheorie aus dem jahre 1905; man beginnt aber beim grossen stadtbrand von 14. mai 1405.

600 jahre zytglogge

der heutige zytglogge, ganz oben an der kramgasse war damals ein bordell für die pfarrherren. “pfaffenwyberhus” nannte man es, und dort, wo die tausenden von touristen heute in die höhe schauen, blickten im frühen 15. jahrhundert die gottesleute hin: kein Zifferblatt war zu sehen, aber das antlitz der 7 schönheiten, die zu ihren diensten standen. die sage will es, dass man zwei von ihnen entlassen hatte, und sie aus rache feuer gelegt haben. die stadt brannte in einer nacht zu einem drittel nieder. 600 häuser nhamen schaden, 100 menschen fanden den tod.

aus dem bordell wurde in der neu aufgebauten stadt der “zytglogge”. seither beherbergt der turm keine huren mehr, nurmehr uhren. Bestimmen auf ihre art den takt der zeit: in form von stunden, als tag und nacht, als monate und tierkreiszeichen. Und alles für jedermann sichtbar!

ein wunderwerk ist die uhr heute noch; ganz verstehen kann ich sie bis heute nicht: die symbolik mit hahn und bär, mit herrscher und glöckner ist reich, aber klar. die farben mit schwarz und gold, aber auch mit rot und grün sind schon schwerer zu deuten, und die informationen mit sonne und mond, umlaufbahnen und karusellen sind für mich meist zu viel.


ein fantastisches räderwerk im zytglogge hält die zeit sekundengenau in schwung (foto: stadtwanderer, anclickbar)

im innern des zytglogge wird alles noch komplizierter: das uhrwerk, 1527 in renovation gegeben, ist zum teil noch im original zu sehen. es ist, aber ob mit der messung der zeit die zeit selber stehen geblieben wäre! doch damit nicht genug: zahnräder, achsen, pendel und gewichte halten die zeit auf mysteriöse art und weise in schwung, und seitjeher punktgenau. nur die sommerzeit ist hier nicht programmiert, man muss im herbst die uhr eine stunden abstellen, im frühling das pendel aber eine stunde von hand schneller pendeln lassen.

zeit und kultur im mittelalter und in der neuzeit

in das kulturell vielfältige verständnis von zeit brachte isaac newton im 17. jahrhundert ordnung: die naturzeit der zyklen war schon längst durch die lineare zeit des christentums abgelöst worden. doch es gab nicht mehr das paradies am anfang und das jüngste gericht am schluss. vielmehr war die zeit zu etwas offenem geworden, ohne anfang und ohne ende. in der newtonschen physik existiert sie an sich und ist sie unabhängig vom raum. zeit besteht aus kleinsten einheiten, die überall gleich lang sind. deshalb hat ein tag 24 stunden, hat eine stunden 60 minuten, und hat eine minute 60 sekunden. immer, und überall!


isaac newton (“zeit ist unabhängig vom raum”) vs. albert einstein (“raumzeit ist”)

das galt, bis albert einstein kam. 1905 spaziert er regelmässig zwischen seinem arbeitsort, dem patentamt an der spichergasse und seinem zuhause an der kramgasse. regelmässig kam er da am zytgloggen vorbei. und er soll den turm schon mal verwendet haben, um seinen freunden “die zeit” zu erklären. das wort “raumzeit” wurde damals erfunden, denn anders als bei newton waren raum und zeit bei einstein nicht getrennt, sondern aufs engste miteinander verbunden.

100 jahre relativitätstheorie

mir erklärt eine junge physikerin im einstein-haus die relativitätstheorie von professor einstein. schon vor einstein war den physikern bekannt, dass sich das licht nicht unendlich schnell bewegte. vielmehr breitet es sich mit einer maxiamalen geschwindigkeit von 300000 km in der sekunde aus. für den menschen fast unvorstellbar, sagt meine lehrerin, für die physik einsteins aber essentiell: claude nicollier sauste schon mal mit 6 km in der sekunde um die welt; 50 000 mal schneller ist das licht, aber eben: nicht unendlich mal schneller.

und genau dabei setzt die lektion im einstein-haus, ausgerüstet mit obligater wandtafel und hellraumprojektor, ein: alles beginnt mit einer frage: was würde geschehen, fragte albert, wenn man sich mit lichtgeschwindigkeit auf das licht zu bewegen würde, und vor sich einen spiegel hätte? würde man sich im spiegel sehen können? wenn das licht mit lichtgeschwindigkeit auf unsere nase kommt, husch farbe aufnimmt und wieder mit lichtgeschwindigkeit auf den spiegel reflektiert wird, sieht man sich, sofern man sich nicht bewegt. Und wenn man sich selber mit lichtgeschwindigkeit bewegen könnte? Nein! Hätte newton gesagt, denn das von der nase reflektierte licht würde mit lichtgeschwindigkeit den spiegel suchen, der sich mit lichtgeschwindigkeit von der nase entfernen würde. Ja! sagt einstein, denn das licht bewegt sich immer mit lichgeschwindigkgeit, über-all! das ist das einzig konstante.


fast so wie wenn der meister selber seine theorie skizziert hätte … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

eie pointe kommt aber eben noch! wenn man sich in einem käfig befinden würde, von aussen durchsichtig, von innen mit spiegeln ausgefüllt und eine lichtquelle von oben nach und unten und von unten nach oben ginge, braucht das licht eine kleine zeiteinheit t, um wieder am gleichen ort zu sein. dabei würde es die doppelte höhe des käfigs h zurücklegen. die geschwindigkeit wäre weg durch zeit, c=h/t.steht nun ein zweiter beobachter ausserhalb des käfigs und bewegt sich dieser käfig von links nach rechts, sieht dieser beobachter nicht nur, wie sich das licht im käfig von oben nach unten und umgekehrt bewegt. vielmehr sieht er auch, wie sich der käfig bewegt, und damit das licht eine doppelte bewegung macht. Es legt die doppelte höhe des käfigs und den weg zurück, um den sich der käfig in dieser zeit verschoben hat. der weg ist also offensichtlich länger.

wenn die geschwindigkeit konstant ist, ist die zeit, die die das licht braucht für den stillstehenden beobachter braucht, um den längeren weg zurückzulegen länger. Für den bewegten beobachter ist die zeit kürzer, weil auch der weg kürzer ist. beide merken nicht, dass sie eine unterschiedliche zeit lang beobachten. er wenn sie wissen, dass sie beide das gleich sehen, merken sie, dass ihre zeiten nicht gleich schnell sind. es gilt seit einstein: je schneller sich bewegt, desto langsamer geht die zeit. sie steht still, wenn man sich mit lichtgeschwindigkeit bewegt!

im normalfall merkt man nichts davon, sagt meine professorin. deshalb waren die menschen auch nicht reif, einsteins theorie zu akzeptieren. wegen diesen zweifeln, hat er seinen nobelpreis auch nicht hierfür gekriegt. wenn wir uns aber dereinst mit lichtgeschwindigkeit bewegen werden, werden alle merken, dass einstein recht hatte. jetzt muss man es glauben, oder zu verstehen lernen.

ich habe verstanden: mit einsteins relativitätstheorie verhält es sich so, wie mit dem zytglogge: ein wunderwerk der mechanik aus dem 15. und 16. jahrhundert ist dieser, selbst wenn ich ihn nicht ganz verstehe. ein wunderwerk aus der physik des 20. jahrhunderts ist einsteins relativitätstheorie, selbst wenn ….

zeit und kultur im 21. jahrhundert

einstein könnte schneller recht bekommen, als einem lieb sein kann. seine zeit an der kramgasse könnte bald abgelaufen sein, still stehen, weil sich bern ändert, mit lichtgeschwindigkeit. gestern noch bin ich am wohlbekannten einstein-haus vorbei spaziert. nostalgie pur. 100 jahre einstein in erinnerung. einstein-jahr noch ganz präsent. 2006 – meine einsteinführungen sollen morgen beginnen.


schock vom tag: bern einstein-haus steht zum verkauf an (foto: stadtwanderer, anclickbar)

und heute: schock! ich lese: “Einstein-Haus wird verkauft”. die berner zeitung berichtet: “Das Einstein-Haus an der Kramgasse 49 steht zum Verkauf. Die Einstein-Gesellschaft bangt nun um den Fortbestand des seit 1979 bestehenden Museums. Als Käufer ist ein Geschäftsmann aus Holland im Gespräch.”

die jetzige besitzerin des einstein-hauses ist die rirma psp swiss property, die schweizweit grösste börsenkotierte immobiliengesellschaft mit sitz in zug. sie will das einstein-haus nicht mehr. «Wir sind vor allem in Zürich und Genf tätig», sagt psps-pressesprecher vasco cecchini der bz. in bezug auf nutzung und lage gäbe es liegenschaften, die nicht zur kernstrategie der firma gehören würden. und die würden abgeschoben.

der einstein-gesellschaft, bestehend honorablen physik-professoren aus bern, ist die liegenschaft mit einem wert von 3,4 mio chf zu teuer. und auch dem stadtpräsidenten alexander tschäppat fehlt das kleingeld für den kauf. die burgergemeinde wiederum interessiert sich kaum für albert einstein. der lebte zwar hier, war aber kein hiesiger! also bleibt noch die schwache hoffnung, der regierungsstatthalter würde wegen der lex friedrich gegen die änderung votieren, wie er es anderswo auch schon machte …

die angst ist aber allgegenwärtig, am heutigen 25. august 2006: was wird, wenn der holländische geschäftsmann keinen sinn für albert einstein und berns neu entdeckte liebe zu ihm hat?, ist hier und heute die bange frage.

zerstört die praxis die erinnerung an die eigene theorie?


einstein weiss es: alles ist relativ! am anfang war das nichts. dann explodierte es, und seither dehnt es sich mit lichtgeschwindigkeit aus. der ganze raum ist ein bewegung. und die zeit verändert sich mit ihm, nur die lichtgeschwindigkeit ist konstant.


ausser der lichtgeschwindigkeit ist nichts konstant, sagt einstein, nicht einmal die häuser in der berner altstadt (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ins 21. jahrhundert übersetzt hiesse das: die herrschaft ist in bewegung. und mit ihr ändern sich die eigentumsverhältnisse. nur das interesse des geldes ist konstant.

ansonsten ist alles relativ, sogar das einstein-haus …

stadtwanderer

maja einstein – alberts schwester

es ist die tragik dieser frau: immer nur ist sie „einsteins schwester“! nie nennt man sie direkt mit ihrem namen. selbst ihre jüngst erschienen biografie heisst nicht „maja einstein“. obwohl eine feministische historikerin das buch geschrieben hat, das jüngst im nzz-verlag erschienen ist.

die erste biografie maja einsteins

franziska roggen, die archivarin der universität bern, musste es satt gehabt haben. immer nur frage zum berühmten albert einstein, nie jedoch zur wenig bekannten maja einstein. dabei sind die bezüge des „fräulein einstein“ zur hiesigen uni sicher inniger als die alberts. er doktorierte in zürich, sie in bern. er foutierte sich um das unileben, sie beteiligte sich an ihm. aber er war das genie, und sie nur seine schwester!


marie (maja) einstein (1881-1951)

wer nur war diese frau? was für ein leben führte die junge akademikerin? und wie standen die geschwister einstein zueinander? die antworten auf diese fragen präsentierte franziska roggen – im einsteinjahr 2005 – in form der ersten biografie zu maja einstein, – pardon in form des lebenslaufs der schwester einsteins!

ein leben für sich – und mit ihrem bruder

1881 in münchen geboren, war maja, eigentlich: marie, zu klug, um ein gänzlich angepasstes frauenleben zu führen, aber zu wenig rebellisch, um ganz mit dem konventionellen zu brechen. so fasst roggen maja einsteins biografie zusammen. und: sie litt unter den zahlreichen eskapaden ihres bruders als genialer wissenschafter und untauglicher ehemann, konnte sich aber seiner familiären fürsorge in jeder lebensphase sicher sein. das ist es denn auch, dass sich wie der rote faden durch maja leben zieht, selbst in zeiten, als albert keine weltberühmtheit war.


klein maja und klein albert, um 1893

schon in aarau, wo albert die matura nachholen musste, lebte maja mit ihrem bruder zusammen. hier lernte sie auch ihren späteren ehemann paul winteler kennen, albert wohnte im haus der familie. mit dem aarauer juristen zog sie, gut 30jährig, gemeinsam nach luzern. er arbeitete dorch bei der sbb-generaldirektion. doch dem bürgerlichen leben blieb der nachwuchs verwehrt, sodass man um die 40 mit der stadt brach und sich in colonnate, einem kleinen ort der italienischen toskana, den traum der intellektuellen selbstverwirklichung erfüllte. “samos” hiess das gut, mit dem man sich selbst versorgte.

künstlerleben und schriftstellerei brachten indessen kein geld, sodass man schon bald von den zuschüssen zehrte, die der inzwischen weltbekannte wissenschafter albert grosszügig aus berlin leistete. den faschisten war das ganze leben ausserhalb der normen auf dem land suspekt, und sie vertrieben die jüdin maja noch vor dem zweiten weltkrieg aus italien. in den usa, wohin ihr bruder zwischenzeitlich emigriert war, fand maja 1939 – ohne ihre mann paul – lebenslangen unterschlupf in alberts nähe.


die jugendlichen geschwister maja und albert, um 1898

nach dem tod elsas, der zweiten frau alberts, war maja lange die wichtigste bezugsperson des grossen physikers, der zusehends isolierter lebte. wie albert 1955 ist auch maja 1951 in princeton gestorben. bruder albert schrieb dazu trocken: „nun fehlt sie mir mehr, als man meint.“

majas berner jahre

in bern lebte maja einstein an verschiedenen orten: 1907 mit ihrem freund an der florastrasse 6, 1908 bei der familie ihres bruders an der aegartenstrasse 53, und 1909 hielt sie sich – unterbrochen durch einen kurzen abstecher nach paris – an der spichergasse 7 auf.


maja einsteins dritter wohnort in bern: spichergasse, wo sie 1909 wohnte (foto: stadtwanderer, anclckbar)

in dieser zeit schloss sie ihr studium als romanistin ab und doktorierte sie bei prof. karl jaberg, den sie schon von aarau aus kannte. ihre these verfasste sie zu gottfried von bouillon, dem anführer des ersten kreuzzuges und ersten christlichen herrschers über das mittelalterliche jerusalem. in der stadtbibliothek – heute burgerbibliothek – fand sie zwei geschichten zum epos, das um 1200 zu seinen ehren verfasst worden war; sie sollten sich als die ältestens texte zum zyklus entpuppten. ende 1908 wurde maja nach leidvollen tagen der reglementsklauberei geprüft und bestand magna cum laude. ihr doktorarbeit fand nicht ungeteilte zustimmung von prof. jaberg; immerhin lobte er sie und die autorin, zahlreiche neue entdeckungen zum thema gemacht zu haben.


könnte leicht “geschwister einstein-platz” heissen: links, nochmals wo maja einstein wohnte, rechts, wo städtisches gymnasium, wo der junge beamte im keller experimentieren durfte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das war vielleicht auch typisch für ihr ganzes leben: ganz vorne, wie albert war sie nie; dazu fehlte ihr auch der hang, eine besondere person vor publikum, in der masse und für die öffentlichkeit zu sein. aber sie war ehrlich, grad und menschlich, und trug so in den vielen nischen, die ihr das leben eröffneten neues und kreatives zum ganzen bei.

auch in bern war das verhältnis zu albert genauso bestimmt: er war der star, und sie achtete auch sich und ihn. am 27. februar 1908 hielt er seine probevorlesung zur erreichung der privatdozentur, und sie war dabei, selbst wenn sie nichts von physik verstand. typisch ist aber die folgende episode: als maja den ihr wohlbekannten pedell fragte, in welchem saal ihr bruder vorlesen würden, antwortete dieser: „was, dieser … russ ist ihr bruder?“. schockiert musste sie gewesen sein, denn auch sie fand es unüblich, wenn dozenten keine socken trugen, wenn sie in hemdsärmeln lehrten, und wenn sie mit bartstoppeln korrigierten.

engagierte und einfühlsame, aber wenig übersichtliche lebensbeschreibung

vor allem mit der kritik an einsteins verhältnis zu seinen frauen ist das intersse an maja einstein, seiner schwester, der er ein leben lang verbunden blieb, erwacht. stattland widmet ihr in ihrer führung “Bern relativ – Einstein in seinem weltlichen Kloster” eine spezielle station.


maja einstein in der einstein-führung von stattland

nun hat auch franzika roggen nachgedoppelt. für ihre schön gemachte biografie hat die autorin roggen zahlreiche unveröffentlichte fotos gesammelt, hat sie interviews mit noch lebenden personen geführt, die maja direkt oder indirekt gekannt hatten, und hat sie persönliche briefe ausgewertet, die bisher kaum jemand beachtet hatte. entstanden ist so ein buch, das gut lesbar und reich illustriert ist. fast 40 kapitel hat es, und ist es keine 200 seiten dick. einzig eine lebenstafel, mit den wichtigsten jahreszahlen, lebensphasen, aufenthaltsorten und alltagsbegebenheiten maja einsteins vermisst man am ende des buches. handlicher hätte es die anregende lektüre auf jeden fall gemacht.


einsteins schwester, die biografie aus dem nzz-verlag

das leben maja, wohl stellvertretend für viele akademikerinnen anfangs des 20. jahrhundert, für viele jüdinnen während des zweiten weltkrieges und für viele schwestern berühmter brüder erzählt franziska roggen engagiert und einfühlsam zugleich. sie bilanziert es so: „trotz ihrer einsicht, heiterkeit und fürsorge spielte maja keine rolle im grossen weltengetriebe, sie verwöhnte aber ihren freundeskreis. hier wurde sie, die kein talent zum bösesein hatte, als “sonne”, als “das warme leben selbst” geliebt. ihre ausstrahlung hatte etwas vorbildliches, und sowohl in der familie einstein wie auch in den familien winteler und besso wurden töchter nach ihr maja genannt.“

des stadtwanderers schwester

franziska roggen: einsteins schwester. maja einstein – ihr leben und ihr bruder albert, zürich 2005

mein lieblingsbernerbär – berner kuriositäten (4)

er ist mein lieblingsbernerbär.

jeden tag wacht er über dem bahnhofplatz. in luftiger höhe ist er und sieht alles, was aus dem bahnhof kommt, sich am “loeb egge” trifft, in der stadt einkaufen geht, zur arbeiten im bundeshaus hetzt, mit einem joint umher schlurft, sein velo falsch parkiert, in der autokolone stecken bleibt, den zug erreichen muss, eine zeitung liesst oder sich ganz einfach mit dem banknachbar unterhält.


den turm hält er … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

sein offizieller name ist “tanzender bär”. ausgerechnet! wo doch das tanzen auf strassen und plätzen berns nach der reformation 1528 schon mal verboten war. er hält gar nichts von diesem eifer! er schwebt in hohen lüften, schwankt leicht im wind, sodass man schon mal glaubt, er tanze grad.


die uhr stellt er … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

seinen namen hat er von berner künstler carlo e. lischetti. der war maler, bildhauer und videoartist in einem. er war performer, liedermacher und wortjongleur zugleich. sogar lokalpolitiker war er zeitweise, und er hat den tanzenden bär geschaffen. vor jahresfrist ist er 59jährig selber aus dem leben geschieden.


die lampe richtet er … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

für mich ist sein tanzbär am bärenplatz der “clever-bär.” denn er kann alles: von wo auch immer man hinschaut, neue kunststücke vollbringt er allenthalben. da flickt er schon mal eine strassenlaterne, ein ander mal stellt er gar die turmuhr neu. und schliesslich ist er es, der die heiliggeistkirche immer wieder bolzengrad aufrichtet.

ein wahre attraktion ist er! ein wahrzeichen der stadt, ein beweis, dass die bären bärn erbaut und immer noch fest im griff haben.

wenn nur alles nicht illusion wäre! denn so toll ist der berner bär nur in der berner mär.


die tolle berner mär vom tollen berner bär ist er … (foto: stadtwanderer, anclikcbar)

in tat und wahrheit ist es die optische täuschung der vielen stadtwanderer, die ihn beim vorbeigehen zwar genau beobachten, aber die räumliche distanz zu den nachbargebäuden übersehen.

selber macht er nämlich gar nichts. den ganzen tag ruht er, wie in einer nicht mehr besuchten zirkusarena, über der stadt in stoischer ruhe findet er stets die balance, hoch auf dem seil beim bahnhofplatz.

gerade weil er so kurios ist, ist er mein lieblingsbernerbär.

stadtwanderer

die minuskeln des stadtwanderers

kürzlich hat mich luigi delfini wegen meiner kleinschreibung getadelt. ich hätte schon lange reagieren sollen, doch wusste ich nicht wie. jetzt habe ich den dreh gefunden: ein prominenter tritt in meinen zeugenstand: ihm verdankt das weströmische kaisertum seine wiedergeburt, er war der gelehrteste mensch seiner zeit, und er erfand die kleinbuchstaben!

die verpassten chancen der kleinschreibung

“Im Wesentlichen” – “im wesentlichen”?
nein, ganz einfach: “wesentlich” …
“aaach, jetzt habe ich das Wesentliche, das ich sagen wollte, schon mal vergessen!”

leider wurde die jüngste rechtschreibereform nicht bis

zu Ende?
zu ende oder gar
zuende

durchbuchstabiert! sonst würden jetzt alle,

im Deutschen!,
im deutschen?,

wie

im Englischen,
im englischen?

und

im Französischen?,
im französischen?

ziemlich konsequent nur kleinbuchstaben verwenden.

ich frage deshalb: welch grosse schwierigkeiten hätte man damit umgehen können? wieviele gestresste schulkinder wären schon mal erleichtert gewesen? und wie mancher deutschlehrer hätte sich endlich mit ganzem elan der verbesserung des sprachgefühles seiner schülerinnen zuwenden können?

wer alles hätte profitiert, hätte man die durchgezogene kleinschreibung systematisch eingeführt?

– die schulzeit wäre glatt um ein jahr verkürzt worden.
– hurrah!, hätte die FDP an ihrer jüngsten delegiertenversammlung ausrufen können.
– endlich ein staatlich verordneter leerlauf weniger, hätte die erstaunte SVP nur noch hinten nach kommentieren können.
– die wirtschaftsanalysten wiederum hätten mit sicherheit diese steilvorlage aufgenommen und weiter optimismus verbreitet: „je schneller, desto kräftiger!“
– auch die verleger hätten nach kurzem überlegen mitgezogen: „in tagebüchern wird sie schon lange praktiziert, im persönlichen brief nimmt sie seit längerem zu, und mit dem e-mail hat die kleinschreibung zum finalen siegeszug angesetzt“, hätte ihre spezialkommission bilanziert. wann kippen die websites, wann die elektronischen zeitschriften – und wann die tageszeitungen?, hätte der vorstand der verlegervereinigung nachgefragt. in der tat: bei schnellem handeln wären sie so zu retten gewesen, und das wäre für verleger zum entscheidenden argument geworden.

doch nichts davon im schweizerlande!

– wir sind blockiert!
– es fehlt an mut!
– allenthalben die zersetzenden nörgler!

die verleger verpassen die wende zu ihrer kulturhistorisch grössten tat seit gutembergs zeiten!
die analysten versagen wie immer, weil sie ja nur das extrapolieren, was andere schon interpolitiert haben.
und die fdp, die muss in murten über uniformen nachdenken, um massenmedial gehört zu werden, wenn auch nur mit der botschaft: strohfeuer!

vom formen der gedanken beim schreiben

ich bin weder avantgardistisch, noch revolutionär! ein wenig eigenbrötlerisch, – das bin ich aber schon …

meine artikel für die kundschaft und die fachwelt und die kundschaft schreibe ich anstandslos konventionell. meine eigenen Notizen, meinen blog hingegen verfasse ich unkonventionell.

ich gebe zu: ein bisschen schizo ist das! und es gibt leute in meinem umfeld, die das beklagen. sie hätten es lieber, ich würde alles wie die andern schreiben, genauso, wie die korrekturprogramme es auch wollen.

also muss ich mich immer wieder erklären: an allem schuld sind die mail! und ich frage gleich nach: sind sie eine autopoetische oder eine kommunikative form des schreibens? sind sie mehr als verfasste ideen, vorläufige gedanken oder erste entwürfe? – „delete!“, und schon sind sie weg, unwiderruflich zerstört: schreiben für den müllhaufen, könnte man das nennen.

seit ich das gemerkt habe, schreibe ich mir häufig selber mails. ich verfasse zwar solche an andere, mache mir aber ein bcc. so bleibe ich dokumentiert, quasi in meinem bild. und so kann ich auch mitverfolgen, wie meine gedanken wachsen, wie aus internen versuchen schon mal externe mitteilungen werden: schritt für schritt wird dokumentiert, wie gedanken geformt werden.

mein blog entstand genau so:

zuerst nur für mich, denn es interessierte sich gar niemand für das stadtwandern;
sodann für ausgewählte, denen ich schon mal einblick in meine vorläufigen texte gewährte;
schliesslich für die wachsende stadtwanderergemeinde,
– und die trittbrettfahren, die nur neugierig und kopfschüttelnd reagieren.

zitat: “Schade, dass diese Blog nur in Kleinbuchstaben abgefasst wird! ld blogs.delfini.ch/”

ich weiss, einmal in dieser kette der gedankenentwicklung hätte ich umstellen müssen. da das ganze jedoch nicht geordnet, sondern fliessend geschah, hat es sich seinen eigenen weg gesucht, und ich habe den richtigen moment nicht gefunden. und so sind meine blogs in kleinschrift verfasst!

sorry, sage ich all jene, denen das nicht passt!
schade, den wenigen, die es stört!
aber es ist nun mal so: ich werde mich nicht ändern, und ich habe eine wichtigen zeugen für meine konsequenz!

der prominente begründer der kleinbuchstaben


wer nach meiner einleitung meinte, ich würde auf karl den grossen anspielen, hat sich mächtig getäuscht. er war zwar der erste kaiser des neu begründeten, römisch-fränkischen kaiserreiches. doch war er nicht dessen erfinder! Also falsch …


der römische papst leio III. krönt im jahre 800 den fränkischen könig karl zum neuen römischen kaiser

wer nun auf papst leo III. tippt, der könig karl zum kaiser krönte, hat ebenso wenig recht! der war zwar der grosse nutzniesser des wiedergeborenen kaiserreiches. denn nur er konnte bestimmen, wer römischer kaiser und damit beschützer der christenheit werden dürfe. doch auch er war es auch nicht! warum nur hätte ein römer eine neue schrift gebraucht!


der gelehrte alkuin inspirierte die karolingische renaissance

meine einleitung zielte einzig auf alkuin, den angelsächsischen gelehrten, der 782 nach aachen kam, um in der lieblingspfalz des fränkischen königs die karolingische renaissance zu inspirieren. 14 jahre arbeitete alkuin daselbst. systematisch baut er die hofschule auf, widmet sich der pflege der wissenschaft, und vermittelt er den staunenden franken die werke der antike. mit dem könig arbeitete alkuin an einer umfassenden bildungsreform. sie sollte die klöster auffordern, schulen für das ungebildete volk einzurichten. um das christentum zu verbreiten, vereinte der gelehrte alte und neue testament gekürzt in einem band: „alkuin-bibel“, nannte man das damals, „best of …“ würde man es heute nennen.


die bibel von moutier-grandval aus dem 9. jahrhundert steht ganz in der tradition der alkuin-bibel

dabei kam er zu einem schluss: die römische schrift eignet sich nicht für die fränkische sprache. die grossbuchstaben erschweren das lesen der schlecht gegliederten texte. so entwickelte er am ende des 8. jahrhunderts die „karolingische minuskeln“, – die eigentliche ausgangsform aller späteren kleinbuchstaben der deutsche schrift und sprache.

die bleibende kulturelle leistung alkuins


das ist, bei aller vergesslichkeit der individuellen gedächtnisse, die bleibende kulturelle leistung alkuins.

zum schutzherrn der mailschreiben sollte ihn lotus notes erheben!
zum patron des stadtwanderers werden wir ihn bei der kommenden halbrunden geburtstagsfeier des “stadtwanderers” küren!

zwar hatte auch alkuins kaiserprojekt erfolg. der pilger karl wurde an weihnachten des jahres 800 in rom zum römischen kaiser gekrönt. der patriarch von jerusalem frohlockte und schickte karl reliquien vom heiligen grab sowie die schlüssel der stadt. der kalif harun al-raschid, der damals über die heiligen stätten der christenheit in jerusalem herrschte, übergab dem neuen kaiser die verfügungsmacht über das grab christi und schenkte karl sogar einen weissen elefanten. 812 wurde karl selbst vom oströmischen kaiser als imperator anerkannt, und er durfte den bisher höchsten weltlichen würdenträger in der christlichen welt „bruder“ nennen. wahrlich, alkuins idee, im westen ein imperium christianum zu schaffen, hatte seine zeit beeinflusst!


bleibende kulturtat alkuins: die minuskeln in der kaolingischen schrift, den vorläufern unserer kleinbuchstaben

doch den kaiser gibt es nicht mehr! sein reich ist zerfallen, und der kirchenstaat des papstes, den der kaiser zu beschützen hatte, ist auf eine kleine insel in rom, den vatikanstaat, zusammengeschrumpft. deshalb sollte man alkuin wegen seinen minuskeln nicht vergessen. dauerhafter haben sie unsere kultur geprägt als kaiser und päpste, als reich und reiche das je konnten

wie die schrift von method und kyrill, das kyrillische, die sich in der oströmischen und slawischen Welt durchsetzte und bis heute der wichtigste kulturspeicher im osten europas ist, so sind die karolingischen minuskeln im westen europas grundlage für die schrift geworden. politische herrschaften, religiöse strömungen, philosophische grundsätze hatten alle ihre zeit, – die kleinbuchstaben von alkuin haben sie ermöglicht, begleitet, gestaltet, – und in nur leicht modifizierter form überlebt!

es ist also jedes mal auch eine kleine lobrede auf den gelehrten aus york, wenn ich seine buchstaben so überaus zahlreich verwende. fast vergessen ist er heute; nicht mehr zeitgemäss ist er den meisten. er ist halt wie ich keiner gewesen, der mit der masse ging. auch er war letztlich ein eigenbrötler, einen autopoetischen kommunikator würde man ihn heute nennen.

wider die herrschaft, wider den mainstream

als nämlich karl in sachsen seinen langwierigsten, grausamsten und anstrengendsten krieg führte, um das nachbarvolk der franken mit dem schwert zum christentum zu zwingen, stellte sich der gelehrte quer. diese art der mission war für alkuin

„bekehrungsterror“!

er verwies seinen weltlichen gebieter auf den kirchenvater augustinus, der von der freiwilligkeit des glaubens sprach. als karl nicht hören wollte, entfremdete sich alkuin von ihm, kehrte sich mit folgender begründung vom könig ab und ging ins kloster:

„man kann den menschen zum glauben erziehen, aber nicht zwingen. er kann gezwungen werden zur taufe, aber das ist kein fortschritt im glauben … wer fälschlich den glauben bekennt, der wird in wahrheit das heil nicht haben. daher müssen die prediger der heidenvölker mit friedlichen und klugen worten den glauben lehren. sollen doch die lehrer des glaubens von den beispielen der apostel lernen; sie sollen prediger sein, nicht plünderer!“


stationen eines reichen lebens: alkuins weg von york nach aachen und tours

harte worte aus prominentem mund, an einen nicht minder promenten absender gerichtet! mir bleibt da nur, sie ins 21 jahrhundert zu übersetzen:

man kann einen blogger zu grossbuchstaben erziehen, aber nicht zwingen. wird er dazu gezwungen, ist es kein fortschritt im denken. wer sich nur äusserlich dazu bekennt, der wird in wahrheit durch das schreiben nicht beflügelt. daher müssen die deutschlehrerInnen der ungebildeten völker mit friedlichen und klugen worte ihre ansichten verbreiten. vorbilder sollen sie sein, nicht polizisten!

NICHT GROSS REDEN! klein schreiben, sollten sie …

stadtwanderer

wandern im dachstock des klosters einsiedeln

das war eine überraschung: ich war zwecks weiterbildung der feuerwehrleute unterwegs. mit einem anspruchsvollen tag und schwarzen köpfen habe ich gerechnet, – aber ganz anders als es herausgekommen ist. der stadtwanderer genoss einen herrlichen tag in einsiedelns kloster, das er selbst im dachstock zu sehen bekommen hat. feuertechnisch war er dem himmel schon mal ganz nahe …

andächtig vor dem kloster

wer was vom klosterleben haben will, muss früh aufstehen. 5 uhr war es heute bei mir. punkt 9 war ich dann in einsiedeln. nein, zu fuss hätte das nicht gereicht; mit dem oev schon, door-to-door in knapp drei stunden!


imposantes barockes kloster einsiedeln vor dem besuch (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ich war vor jahren schon mal da, hatte aber vom bau aus dem 17. und 18. jahrhundert nurmehr schwache, direkte erinnerungen. gedanklich war ich zwischenzeitlich oft im einsiedler kloster, – aber im alten, jenem aus den gründungszeiten: bei meinrad, dem mönch von der reichenau, der als einsiedler in den finsterwald hierher kam; bei eberhard, dem domprobst von strassburg, der als erster abt den grundstein zum benediktinerkloster legte, und natürlich bei otto, dem könig von sachsen und späteren ehemann von adelheid, der das kloster zum reichsgut erhob.


das reichskloster im hochmittelalter wurde von den schwyzern geplündert, was den krieg mit habsburg auslöste (foto: stadtwanderer, anclikcbar)

selbstverständlich wusste ich schon vor dem heutigen besuch um die zerfallene macht des klosters, das im 13. jahrhundert zum stift für den hohen adel verkam und von den schwyzer landleuten 1314, pünktlich zum dreikönigstag, geplündert wurde. den krieg gegen habsburg hat diese aktion ausgelöst! und unvergessen ist mir meine eigene überraschung, als ich von der grossen krise anfangs des 16. jahrhunderts vernahm; nur noch zwei mönche gab es im kloster, und der eine war huldrich zwingli, bevor er nach zürich aufbrach und die reformation predigte.


das kloster sorgt regelmässig für gesprächsstoff, seit man abt martin die öffentliche debatte gegen den innenhof getauscht hat (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ein ort der grossen politik ist das kloster auch danach gewesen. die friedensverhandlungen zwischen frankreich und bayern im dreissigjährigen krieg wurden in dieser klause geführt. die revolutionären französischen truppen schlossen das kloster dann beim einmarsch in die schweiz vorübergehend ganz. selbst heute redet man politisch und gesellschaftlich von einsiedeln: nicht zuletzt, seit der junge mönch martin vom verstorbenen papst johannes paul II. zum abt von einsiedeln gewählt wurde.

lehrsam im gymnasium des klosters

auch die weiterbildung der feuerwehrleute ist politisch motiviert. aber man ist mit sich selber beschäftigt. an der basis funktioniert die feuerwehr immer noch mustergültig; ich weiss es ihr zu danken! doch der druck kommt von der anderen seite, von der feuerwehr koordination schweiz. die vertritt die kantone in allen nationalen feuerwehrfragen, sodass der verband, trotz grosser geschichte, heute über die eigenen bücher muss.


in klausur: der schweizerische feuerwehrverband besinnt sich seiner stärken bei den einsiedler mönchen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

rudolf stämpfli, der präsident der schweizer arbeitgeber und ein berner protestant, klaus stöhlker, kommunikationskünstler für unternehmen in der defensive und ein eingebürgerter zürcher katholik, sowie der stadtwanderer, eigentlich ein katholik aus der umgebung von echallens, heute aber als berner forscher für politik, kommunikation und gesellschaft eingeladen, geben fleissig auskunft.

der anlass macht sinn: in glarus ist die feuerwehr mit der gemeindereform in den auslösungsstrudel geraten, doch die anwesende feuerwehrfrau aus lauerz zeigt aber auf, wo ausbildungslücken für motivierte frauen bestehen. auch kommandanten der feuerwehren sehen eine notwendigkeit, die bestehenden verbände zu beleben, denn ihr kampf für bessere ausrüstung, professionelle ausbildungen und gleichmässiger auszahlungen zu kümmern. die anwesenden vertreter “der instanzen”, die gebäudeversicherer, versuchen die leicht erregte stimmung zu beruhigen. “meh mues halt reede meetand”, sagt der kantonsvertreter aus dem baselbiet. was geredet wurde, ist allerdings strikte intern, was der stadtwanderer auch respektiert.


“schau, was du nicht erwartest” (regel des hl. stadtwanderers, überrascht , von der lektüre, die er im gymnasium einsiedeln findet (foto: stadtwanderer)

gefallen gefunden hat er an diesem tag nämlich an abt martin:jung, frisch und verspielt tritt er im rahmenprogramm auf. im walliserdeutsch erklärt er schon mal, er sei nicht nur ein diener gottes auf erden, sondern auch feuerwehrmann in himmlischen höhen der kirchen gewesen. den behelf und die uniform hat er aber beiseite gelegt, seit er dafür sorgen muss, dass seine mönche nach der regel benedikts im einsiedler kloster leben. “man solle jenen zuhören, von denen man nichts erwarte”, zitiert er den heiligen, und wendet sich direkt an klaus stöhlker! anfänglich habe er ihm nicht zugehört, als sich stöhlker bei ihm gemeldet habe. dann habe er sich jedoch eines besseren besonnen, und stöhlkers buch gelesen, – ohne etwas zu erwarten, wie er scherzt! heute unterhalte er sich mit seinem duz-freund gerne, ohne jeweils benedikts geist zu vergessen …

spannend im dachstock des klosters

bruder werner lädt uns nach dem zwischenspiel des abts in die stiftsbibliothek ein. mehr als 200 000 bände beherbergt sie. “aber keine unterhaltungsliteratur”, wie wir erfahren. nebst theologischem, aber auch profanes. die aktuelle ausstellung zeigt naturwissenschaftliche werke aus dem mittelalter. 1300 manuskripte, 600 inkunabeln und 400 frühdrucke seien hier entstanden, lese ich nach. bewahren will man den reichtum, auch wenn er nicht allen zugänglich ist. “treue spender haben gottseidank die renonvation des bibliothekssaals vor 8 jahren ermöglicht. leider ist der boden nicht erneuert worden, selbst alte bretter im estrich habe man wieder montiert”, bedauert unser wanderführer.


zwinglis werk, der hier einmal mönch war, findet sich in der stiftsbibliothek unter varia der schweizer geschichte (foto: stadtwanderer, anclickbar)

dann schlägt die stunde der feuerwehrleute. bruder martin, 20 jahren lang feuerwehrkommandant in einsiedeln, gewährt einen einblick in den dachstock des klosters. zuerst geht es durch die klausur der mönche, absolute stille wird verlangt. dann steigen wir über die holztreppen des estrichs, und es ist hohe konzentration ist nötig. schliesslich wanken wir im gänsemarsch über bretter vor petrus pforte: “vorsicht, kopf runter”, warnt einer, der den etwas tiefliegenden balken vor sich gerade noch rechtzeit sah.


himmel hoch jauchzend, falls man ein engel und kein stadtwanderer ist … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

so hoch oben möchte ich nicht sein, wenn es wirklich brennen würde. da wäre mir sogar die hitze des fegfeuers lieber, denke ich für mich, als ich aus der dachluke in den innenhof schaue. tief hinunter in menschliche abgründe, sieht man da. die profis lässt das alles eiskalt. um sich ein wenig anzuheizen, erzählen sie lieber von ganz gefährlichen dachstöcken, die sie schon bestiegen haben. ich muss weghören, sonst will ich noch freiwillig in die hölle!


feuertechnisch dem himmel nah, waren wir heute! (foto: stadtwanderer, anclickbar)

endlich stehen wir bei den kuppeln über der klosterkirche. bizarre holzkonstruktionen schützen die steingewölbe, und lange schnürre kommen von oben hinunter, die man zum richten der turmuhren braucht. allgemeine erheiterung wecken die luftschächte hinunter in die kirche. “von da dringt die stimme des herrn in den riesigen raum des gotteshauses”, witzeln die feuerwehrsleute.

fertig!

unten angekommen, bin ich schon ein wenig bleich. ich muss das pure gegenteil der schwarzen madonna in der klosterkirche gewesen sein. abt martin, der nicht mit uns auf dem dachstock war, singt mit seinen getreuen zu ihren ehren, als ich mich neben den vorwiegend spanisch sprechenden pilgern erhole. schwarze köpfe sind sich meine feuerwehrsleute aus ihren einsätzen mehr gewohnt, entnehme ich ihren geschichten.


offizielles foto, das private in der walfahrtskirche nicht erlaubt sind!

aus der geschichte der schwarzen madonna weiss ich, dass sie von den franzosen eingepackt und nach paris verschleppt worden ist. tönt fast so wie die bärenstory aus bern! doch die revolutionäre fielen auf eine trick des sigristen placidus kälin herein: die richtige madonna hatte er eilends im boden vergraben, als die welschen kamen, den franken habe er eine fälschung überlassen. als das kloster wieder eröffnet wurde, bracht man die statue restauriert zurück. so bleich wie ich, soll sie gewesen sein, zum lauten missfallen der bevölkerung. wieder eingeschwärzt wurde ist, sodass man heute wie seit könig ottos zeiten eine schwarze madonna in einsiedeln verehrt.


toller tag im kloster einsiedeln, hoffentlich auch ein gutes omen für die feuerwehren, bilanz der stadtwanderer bei der heimkehr (foto: stadtwanderer, anclickbar)

schwarze köpfe, die einen vom russ und rauch bei feuerwehrmännern, die andern aus der tiefe der geschichte, der märchen und legenden über mystische frauen, waren das thema von heute. der feuerwehr sei für den andächtigen, lehrsamen und spannenden tag schon mal ganz herzlich gedankt.

fertig! (wie ich heute gelernt habe, nach dem rapport abzugehen)

stadtwanderer

der holländerturm – das symbol der neuen raucherpolitik

das lob ich mir: die neue berner regierung will, dass in den restaurants des kantons nicht mehr geraucht werden darf. öffentliches rauchen soll ein wenig eingeschränkt werden. der kanton tessin ging jüngst voraus, und die erste (nicht repräsentative) umfrage von www.espace.ch ergibt applaus für die massnahme. sie wird zu reden geben: “phantasien der rot-grünen” vs. “medizinische notwendigkeit” werden sich gegenüber stshen. wie in der geschichte des rauchens und seiner bekämpfung, weiss der stadtwanderer, der den blauen dunst gar nicht mag.


erstes grosses ziel der rot-grünen regierung in bern: restaurants sollen rauchfreie zonen der öffentlichkeit werden (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der duft der weiten welt und die folgen

es ist der 6. november 1492. columbus ist einige tage zuvor auf guanahandi, einer bahamainsel, gelandet und hat kundschafter ausgeschickt. sie kehren an diesem tag mit einer botschaft zurück: frauen wie männer würden glühende kohle in den händen halten, – von wohlriechenden kräutern getragen. auf der einen seite würden sie brennen, auf der anderen würde man den rauch einsaugen. “tabacos” seien das, und diese wort beginnt sich wie “america” im bewusstsein der europäerInnen einzubrennen.

auch die samen der geheimnisvollen pflanzen kommen bald auf den kontinent. jean nicot, ein französischer händler in lissabon, sorgt 1560 für deren verbreitung. holland ist führend, aber auch in england und frankreich gibt es nachfrage. willkommen ist das rauschmittel bei seefahrern, studenten und soldaten. nicot steht quasi stellvertretend für die ausbrechende sucht, und gibt der gefragten substanz ihren heutigen namen: nikotin.

die welle macht vor bern nicht halt. 1565 bekommt der zürcher gelehrte conrad gessner die pflanze zu sehen, kann sie aber nicht richtig bestimmen. er wendet sich an bänz marti von bätterkinden, bekannt unter dem gelehrtennamen benedikt aretius, der sich in seinem garten um verschiedene spezialitäten kümmert. er erkennt die pflanze sofort, denn er ist der erste in deutschen und schweizerischen landen, der das tabakkraut zu medizinischen zwecken züchtet.

den eigentlichen durchbruch im “tabaktrinken”, wie man das rauchen damals noch nannte, bringt der krieg, – der 30jährige von 1618 bis 1648. alle gegen habsburg!, ist das motto, alle abhängig von der sucht, ist das reale verhalten! bis kriegsende hat sich die gewohnheit, tabak zu kauen, zu schnupfen oder zu rauchen, in der kaputt gemachten gesellschaft weit verbreitet.

erste phase: immer repressiver und immer wirkungslose verbote

in bern bringt der bauernkrieg der neuen sitte den durchbruch. die obrigkeit setzt sich nicht nur gegen aufmüpfige bauern zur wehr. sie beginnt auch das “röuken” zu bekämpfen. 1659 erlässt die berner obrigkeit das erste mandat. ein verbot aus gesundheitlichen, feuerpolizeilichen und volkswirtschaftlichen gründen. man will verhindern, das geld aus der jungen republik abfliesst, das zu hauf bauernhäuser in flammen aufgehen und die untertanen süchtig statt arbeitsam werden. doch der erfolg bleibt aus, sodass es …

… 1675 zur grossen verschärfung kommt! alles verbieten hat nichts genützt. armselige landleute, männer wie frauen, rauchen, was das zeug hält! wer ertappt wird, muss eine hohe busse zahlen. 50 bernische pfund werden verlangt. wer das nicht leisten kann, kommt an die trülle, und wenn keine vorhanden ist, gibt es vier tage arrest mit kaltem wasser und hartem brot. wehe, ein amtsmann oder eine krichenperson wird bei gleichem erwischt, – dann wird die strafe gleich vervierfacht.

höhepunkt in der repressiven politik gegen den tabakkonsum ist die zeit zwischen 1697 und 1710. jetzt, wo verbote, wo bussen, wo strafen versagt haben, wird die religion mobilisiert. die reformationskammer beaufsichtigt das rauchen mit sepziellen mitteln: jedes kammermitglied kann zwei spitzel benennen, die wie feuermelder bekannt machen, wer raucht. wer die bevölkerung auskundschaftet, muss nicht bekannt gegeben werden, nicht einmal den anderen mitgliedern der kammer. so kann quasi jeder jeden observieren. die repression ist jetzt perfekt!

zweite phase: privat erlaubt, öffentich eingeschränkt

zu beginn des 18. jahrhunderts ändert man die politik. am 15. november 1709 geben rat und burger allgemein bekannt, dass der notdürftige und gemässigte gebraucht, sofern er nicht öffentlich geschähe, zugelassen sei. hauptgrund für den sinneswandel sind die offiziere aus den besseren kreisen, die in den holländischen armee dienst leisten. dabei werden sie samt und sonders mit dem tabakkonsum vertraut, und sie bringen die neue sitte nach bern. unterdrücken lässt sich das rauchen selbst in den besseren kreise nicht mehr! also besinnt man sich eines besseren: repression ist passé, besteuerung wird in! wer privat rauchen will, wird verzeichnet und zahlt jährlich eine kleine abgabe, lautet die neue devise.

die zünfte werden für die kontrolle in der stadt eingesetzt; die feuerschauer machen gleiches auf dem land. doch der widerstand ist gross, den patrizier wie bürger haben in aller heimlichkeit immer wieder mal geraucht. es opponieren vor allem die schmiede. man weigert sich, bei der obrigkeitlichen kontrollaktion mitzumachen, sodass 1710 das mandat schon wieder ausser kraft gesetzt wird. von nun an ist das rauchen in bern gestattet. aber eben: nur privat! und nicht übermässig! schliesslich ist man protestantisch!

dritte phase: laissez faire, bei staatlichem nutzen

der staat steigt nun selber ins rauchergeschäft ein. städtische versuchsplantagen werden nach 1710 angelegt. 1719 erscheint eine anleitung für den tabakanbau, die vor allem auf dem land verbreitung findet. 1723 wird eine hochobrigkeitliche tabakfabrik eingerichtet, welche das angebaute kraut einsammelt. ein jahr später wird die zehntpflicht hierfür aufgehoben, um die produktion anzukurbeln. 1728 wird die firma privatisiert. johann georg berseth, bernischer grossrat, ist der erste tabakunternehmer in den bernlanden. französische refuginaten, wie man sie damals nannte, setzen 1733 gar den öffentlichen verkauf von tabak durch. gegen bares, versteht sich, denn das gesetz des marktes hat sich in nur einer generation nach der liberalisierung durchgesetzt.

das rauchen in der öffentlichkeit bleibt indessen streng verboten. die geldstrafe bleibt bestehen, und sie wird im 18. jahrhundert regelmässig wiederholt. erst die allgemeine liberalisierung der gesellschaft, die industrialisierung der wirtschaft und die entwurzelung der menschen in stadt und land lässt auch diese einschränkung fallen. mit den weltkriegen nimmt das rauchen seinen grossen aufschwung. in der nachkriegszeit wird es von der werbung entdeckt, und als signifikantes zeichen des neuen lebensgefühls in der nachkriegszeit gefeiert.

holländerturm als stilbildendes symbol der gemässigten politik


die realitäten lassen sich heute nicht mehr verdrängen. die eu regelt die tabakwerbung streng, denn die gesundheitlichen schäden sind enorm. passivrauchen wurde zwar lange aus dem bewusstsein verdrängt; die medizin kennt die folgen jedoch schon lange. felix gutzwiller, der präventivmediziner und fdp-politiker, ist nicht vergebens der vorkämpfer gegen das öffentliche rauchen in der schweiz. “schmuck” sollen sie wieder werden, die privaten raucherlogen. “geraucht werden soll im privaten”, sagt er. – “wie im seinerzeit im holländerturm”, verrät der stadtwanderer dem zeitgenössischen medizinmann. denn heute begibt man sich wieder auf die nahtstelle zwischen der zweiten und dritten phase der rauscherpolitik zurück: rauchen ist erlaubt, ein privates geschäft mit gesellschaftlichen folgen. deshalb darf nur rauchen, wer sich selber schaden, nicht aber die anderen belästigt.

bernisches symbol dieser politik (das sujet des abstimmungsplakates, wenn die wirte auf dem land das referendum ergreifen sollten!) ist der holländertrum. eigentlich war er ein wehrturm aus der zeit der savoyischen stadtbefestigung. seine eigenartige form – eine mischung aus motte, wachturm und windmühle – liess ihn zu jeder zeit auffallen. den heutigen namen hat er jedoch wegen des privaten rauchens, denn die bernischen offiziere im dienste der oranier versammeln sich nach ihrer rückkehr mit vorliebe im “rauchleist”. das tabakkollegium trifft sich regelmässig im obersten stock des wehrtumrs, der durch die stadterweiterung keinen sinne mehr macht. so wird er um 1720 zum privilegierten städtischen raucherstübli! ein hauch von rauch steigt aus den fenstern auf und prägt den neuen namen: holländerturm nennt man ih seit 1896 und selbst in die wikipedia hat es dieser begriff geschaft! wahrlich, das beispiel wirkt stilbildend, – bis heute!


holländerturm, gezeichnet von karl howald “Der Turm in der alten Ringmauer, 1851”

“g o t t s e i d a n k!”, buchstabiert der stadtwanderer befriedigt, und outet sich, erstmals bedingungslos mit obrikgeitlichen sittenmandaten der berner herrschaft zu sympathisieren. egal, ob sie patrizischen oder rot-grünen ursprungs sind …

(dunstfreier) stadtwanderer

zur kulturgeschichte des holländerturms empfehle ich unverändert:
eduard m. fallet: der holländerturm am waisenhausplatz in bern. benteli verlag, bern 1976

bern sucht den superslogan!

bern hat ein neues gesellschaftsspiel. man sucht den besten slogan zur euro08. gefunden werden soll er auf der strasse. alle passanten können mitmachen. das interessiert natürlich auch den fussball-uninteressierten stadtwanderer.

doch eine ganz andere lokalposse ist im gespräch! stolz ist man allenthalben über das neue stade de suisse. wirklich gelungen, ist der bau. weniger gelungen ist jedoch der penalty-punkt. im neuen stadion schiesst man keine elfmeter. jeder strafstoss war bisher nur 10 meter lang. künstlerpech oder: “im penaltyschiessen war die schweiz noch nie meisterlich!”


foto: stadtwanderer (anclickbar)

diese hiobs-botschaft kommt im dümmsten moment! seit knapp einer woche versucht sich meine lieblingsstadt, mit fussballerischer slogan-suche zu profilieren. wenn das keine interferenzen zwischen der bösen aktualität und der guten werbung geben wird!

immerhin, mich hat die posse von heute bewogen, bei der morgenlektüre den gestern gesehenen und nebenbei fotografierten aufruf, zur euro08 sprüche zu klopfen, doch noch mehr oder weniger ernst mitzumachen. und das, obwohl mich fussball kaum interessiert! sollte ich im ausgeschrieben wettbewerb tatsächlich ein ticket gewinnen, werde ich es auf dem “stadtwanderer” verlosen!

hier das ergebnis:

. Der Zauber von Bern. Euro08.
. Bern. Mehr als nur ein Spiel!
. Eine geballte Ladung Bern erwartet Sie!
. Stell Dir vor, es ist Bern, und ganz Europa ist da!
. The whole Bernese story: good old days, much Young Boys, one Michelle!
. Europäische Geschichte(n), – in Bern erzählt.
. ero.bern, knab.bern, verzau.bern!
. wir tschutten liebend bern!
. Real games. Real Berne!
. Schuss-Tor-Bern!
. italien schmiert. deutschland verliert. frankreich kracht. bern lacht!
. The old and new Habsbourg connections (1291-2008).
. Tschäppät gegen Hayoz: 1:0 (nach Euro08).
. vorteil schweiz: keine nation – kein nationalismus!
. Ball-Bier-Bern!
. Laupen. Murten. Wankdorf!

natürlich kann mein absoluter favorit nicht fehlen:

. Stadt Bern: die Fan-Zone des Stadtwanderers!

der stadtfan
(gilt als bewerbungsschreiben fürs stadtmarketing …)

graffiti-city

entstanden sind sie in new york der 70er jahre. der film “wild style” hat sie in den 80ern im europäischen kulturraum bekannt gemacht. nägeli harald hiess der erste szenen künstler in der schweiz. wie jede andere stadt ist auch bern heute voll von graffiti: auf meinen 8 kilometern zwischen wohnen und arbeiten habe ich schon mal an die 400 exemplare gezählt. das sind alle 20 m oder 3 sekunden fahrt ein exemplar! eine fotografische dokumentation samt seinem gedankengang, stellt der stadtwanderer hier vor.

wanderer, nicht sprayer

nein, gesprayt habe ich nie! gedanken verschiedenster art habe ich mir jedoch immer schon gemacht. in den 80er jahren veränderten graffiti unser lebensgefühl: rebellion gegen die beton städte wurde manifest. neue ausdrucksformen entstanden mit der subkultur der hinterhöfe. und kulturphilosophen, stadtsoziologinnen und linguistInnen skizzierten, was die neue urbanität ausmachen wird.


gefallen mir am besten auf meinem heimweg (foto: stadtwanderer, anclickbar)

vieles davon gefiel mir und gefällt mir immer noch: die zerstörung der natur durch die kultur ist bei uns weit vorangeschritten. deshalb freut mich die ästehtisierung der kultur. klar, bei weitem nicht alle graffiti waren kunst. auf vieles könnte ich glatt verzichten! gäbe es sie aber nicht mehr, würde mir etwas fehlen!


hat mich irritiert: “hinterkappelen” in fast arabischer schrift (foto: stadtwanderer, anclickbar)

ich glaubte schon mal, sie gesehen zu haben und beachtete sie nicht mehr. ich glaubte sie erkannt zu haben, und verlor jede neugier. ich glaubte sogar, sie durchschaut zu haben, und wurde stumpf.

ich dachte mir: die zeichen, die ich setze, sind kulturell anders. sie sind reflexiver, sie sind kognitiver, sie sind vorsichtiger. ich wandere gerne, um mich zu entspannen, um mich auszudrücken und mitzuteilen.

urbane spuren und ihre intepreten

doch halt: auch hunde pissen, und autos stinken immer noch. menschen beschriften, was sie können, und kommunikation bezeichnet, was sie will. staaten markieren territorien, und systeme bestimmen unser leben. man hat seinen mentalen concon hierzu entwickelt und macht sich nicht jede tag gedanken dazu. bis man sich ärgert, bis man sich ertappt, bis man froh ist und bis man nachdenkt.


drei zivilisationen auf engstem rau: staatliche signale, private werbung und subkultureller ausdruck (foto: stadtwanderer, anclickbar)

genauso geht es mit graffiti. spurenleser, welche das entstandene interpretieren, gibt es viele: archäologen vergleichen graffiti mit uralten wandmalereien. semiotiker entziffern sie, um die grammatiken des urbanen alltags aufzuzeigen. selbst die kommunikationswissenschaft nimmt sich dem phänomen an, um botschaften zwischen sendern und empfänger zu bestimmen. denn schleichend meldet sich der clash der zivilisationen an: staatliche strassensignale beherrschen den öffentlichen raum schon lange nicht mehr souverän. private werbung ist im heftigen wettstreit mit ihnen. doch damit nicht genug: graffiti verkünden den aufstand der zeichen gegen öffentliche und private herrscher.


je unbelebter der ort, desto dichter die kommunikation (foto: stadtwanderer, anclickbar)

unser strassen, unsere bahnhöfe, unser häuser sind orte der dichten symbolischen kommunikation geworden. sie sind nicht nur objekte des alltags; sie werden nicht nur auf karten repräsentiert. sie repräsentieren den stadtraum: “ich war da”, ist die wichtigste inhärente.


zentale botschaft: ich war da, stempel! (foto: stadtwanderer, anclickbar)

graffiti hat sich heute als begriff eingebürgert, wenn es um all die privat angebrachten willensäusserungen in form von bildern, schriftzügen und zeichen auf oberflächen des öffentlichen raums geht. graffiti stammt aus dem italienishen, das sich seinerseits am vulgärlateinischen verb für “mit dem griffel kratzen” ausrichtet. graffiti sind also etwas zwischen schrifttafel und grabsteinen. sie sind orte der mitteilung, und orte der erinnerung. das ist vergessen gegangen, fast so wie der sprachgeschichtliche hintergrund: ein graffiti müsste eigentlich ein graffito heissen, und graffitis im plural ergibt für den lateiner keinen sinn.

objekte, stile, writer

seit mit der 90er jahre gibt dafür eine sozialwissenchaftliche graffiti-forschung. auf dem web ist sie fast so präsent wie die graffiti in der city. wikipedia, wer denn sonst, verschafft uns the state of the art: die form der worterläuterungen, die ich für dieses blog konsultiert habe, stammte vom 4. august 2006, 21 uhr 41. ich entnehme dem, dass graffiti ein objekt brauchen, denn ohne das bleibt nichts. sie brauchen einen künstler oder eine künstlerin, denn ohne sie geschieht nichts. und sie haben eine geregelte ausdrucksform, denn graffiti ist kunst.


du sollst wissen, wie ich die stadt sehe (foto: stadtwanderer, anclickbar)

psychologen wissen, dass die writer extremsportlern gleichen. sprayer vermittelt ihnen den ultimativen kick. graffiti verschafft ihnen positive emitionen, lässt sie kreativ sein. writer streben nicht nur nach aufmerksamkeit, sie wollen ruhm erlangen. sie wollen in ihrer szene verankert sein, graffiti ist selbstverwirklichung, ist lebenssinn durch grenzerfahrung.


“slug” (ausgerechnet!) hat die am klarsten wiedererkennbare handschrift auf meinem heimweg hinterlassen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

wer sich übt, will fortschritte machen. das gilt zunächst für den stil: erkennbar soll er sein, – wiedererkennbar. deshalb entwickeln writer eine eigene schrift. sie verwenden eigene formen, eigene farben. sie sind elegant, genauso wie der arm, der beim rotieren einen kreis, eine ellipse, einen spirale entwirft. sie sind aber auch dynamisch, genauso wie der schritt, der die spraydose schwebend davon trägt. graffiti sind meist abstrakt, ähneln mehr chinesischen, den europäischen schriftzeichen. gute graffiti sind einer herausforderung für das publikum.


eine wohltat graffiti statt betonwände (foto: stadtwanderer, anclickbar)

nicht jeder oberfläche reizt, ein graffiti zu hinterlassen. dunkle autobahnunterführungen, unbewacht am tag und des nachts wenig befahren, sind eher orte für die anfänger. öffentliche oberflächen, beobachtbar, zentral gelegen, interesieren schon fortgeschrittene. die meisterschaft ergibt sich, wenn man seine spuren an heikelsten stellen anbringen kann: unerreichbare flächen in luftiger höhe, hinter dichten abschrankungen, geschützt durch stracheldraht gelten als highlights.

die gesetze der szene


nicht alles, was man graffiti nennt, ist kunst, ist kalligrafie, ist comic oder abstrakte malerei. einiges ist auch einfach ein ärgernis, hätte allenfalls platz in einem versuchslabor finden dürfen und ist nicht raffiniert genug, um aufgestellt zu werden. doch der szene ist das egal. niemand nimmt sich die pflicht heraus, zu werten. denn darin ist man sich einig: oberflächen zu besitzen, aufmerksamkeit zu erregen, mitteilungen zu hinterlassen, soll jede und jeder dürfen.


schlicht schlecht: absolut unnötige sprayereien (foto: stadtwanderer)

immerhin scheint es wenige ungeschriebene gesetze zu geben: writer schützen writer; selten zerstört ein graffiti ein anderes. sprayer schützen auch denkmäler; selten bekleckern sie statuen, erinnerungstafeln, friedhofsmauern. doch writer spielen gerne mit der werbung: sie unterwandern sie, sie ahmen sie nach, und nehmen sie auf die schippe. die werbung hat die botschaft begriffen: nur zu gerne kommuniziert sie mit graffiti. kreative wären vielleicht zu gerne auch writer geworden!

reaktionen der öffentlichkeit

die öffentlichkeit reagiert geteilt auf graffiti. die hip hop szene und ihre sympathisanten sehen darin eine zentrale ausdrucksweise der gegenwart. und sie künden ihre macht schon mal an: 100 sprayer, gezielt mobilisiert, könnte das bild einer stadt über nacht nachhaltig verändern. für die svp und ihre szene ist graffiti des teufels. verslumung ist ihr stichwort. schmierereien ihre codierung von graffiti. und writer sind gesetzesbrecher, die man ins straflager putzen schicken sollte!


neue gelassenheit: graffiti am pathologischen institut der universität bern (foto: stadtwanderer)

behörden reagieren zwischenzeitlich meist etwas gelassener. klar, sie haben bürgerinitiativen, die druck machen. sie sehen aber auch die sysiphus-arbeiten, wenn man ständig putzen will. kapitulation? jein. denn das zwingt sie, architekten zu leeren, mit oberflächen nicht zu provozieren. es macht nötig, stadtgärtner anzuleiten, pflanzen einzusetzen, wo spraydosen nur warten. und selbst bauunternehmer haben ihre lektion schon mal gelernt. selbst sie machen bisweilen aus der not eine tugend, wenn sie abschrankungen anmalen oder anschreiben lassen.


selbst ein wenig graffiti: markierung der bauverwaltung auf der strasse (foto: stadtwanderer)

es gibt aber auch die harte reaktion auf graffiti in der city. writer werden verfolgt, belangt und bestraft. neuerdings setzt man sogar aufs stadt zürich, wenn es um prävention, aufklärung und verfolgung geht! und so kann die rechtsberatung für sprayer auf dem web nicht fehlen!


ausgerechnet: das coop areal, frei von graffiti bekam ein graffiti (“hoi heinz, gehe kurz gassi mit fido, martha”)als werbeplakat von “tele2” verpasst (foro: stadtwanderer, anclikcbar)

die genau beobachtung lehrt mich: die grenzen zwischen legal und illegal sind fliessend. die signale des bauamtes auf der strasse unterscheiden sich bisweilen kaum von graffiti. firmenkommunikation ahmt schon mal formen und farben nach. so könnte schriftzug “coop” fast genauso gut von einem writer entworfen worden sein. und selbst private markieren ihre häuser mit kunst am bau, und lassen die graffiti daneben schon mal stehen.

kulturschaffende etablieren graffiti

jean baudrillard, der französische intellektuelle hat sich dem graffiti besonders angenommen. er sieht in ihnen den ausbruch der zeichen aus dem lingusitischen ghetto, den einbruch der kunst in das urbane als ort der codierungen von welt. doch im graffiti zähle nicht mehr die kraft wie im zweikampf, sondern das spiel mit der differenz. graffiti-city ist die moderne form der urbanen identität schlechthin.


das spiel mit der differenz ist die urbane kultur schlechthin (foto: stadtwanderer)

wer so rühmt, ruft künstler auf den plan. sie produzieren heute moderne wandmalereien in wettbewerben, bei denen juroren beurteilen, welche graffiti stehen bleiben dürfen. wer so rechtfertigt, begründet auch das auftreten von kulturmagazinen, die dokumentieren, beschreiben, analysieren und deuten, was ist, was kommt, und warum es sein muss.


“layup” – berner anlaufstelle der graffiti kultur (foto: stadtwanderer, anclickbar)

“nonstop” ist das graffitimagzin, das drei mal pro jahr erscheint und über street art in der schweiz (und europa) berichtet. “www.nonstop.li” ist die online ausgabe dazu, die vorsichtshalber in liechtenstein erscheint. da erfährt man beispielsweise, dass es in bern weiterhin keine wand für legales sprayen gibt, die stadt jedoch die möglichkeit für einen graffiti-kult-event für jugendliche präft. dafür gibt es einen shop für writer gibt es in bern. “layup gmbh” heisst er nüchtern. wer die website besucht, bekommt “berne’s finest selection of streetwear, records, cans, and accessoris” vorgeführt. enter hier virtuell, oder gleich um die ecke, dafür reell.

stadtwanderer

ps:
paah! das ging aber flux: ich war noch kaum richtig fertig mit meinem beitrag, kam schon post aus berlin. “zueri-berlin” setzt meine betrachtungen mit einem kleinen beitrag aus dem kreuzberg, hinweisen auf literatur der szene und bürgerinitiativen gegen graffiti-city fort! schön, dass die interurbane kommunikation so gut klappt!

ps2:
unglaublich, aber den schönsten aller graffiti habe ich übersehen …

vergessener graffiti

bern stadt geschichte

dass bern eine tochterstadt in den usa hat, weiss man allgemein.
dass in new bern erstmals pesi cola verkauft wurde, hat man vielleicht schon gehört.
dass laura bush einen berner stammbaum hat, ist wohl fast allen neu!

laura bush – mit blut aus der famiie von graffenried

die gezielte recherche zum verdeckten hinweis brachte es an den tag: auf der website der national library fand ich unter “first ladies’ biography” zu laura bush folgendes:


die heutige first lady der vereinigten staaten von amerika

national library zu laura bush
“ancestry: English, French, Swiss; Laura Bush’s most recent immigrant ancestor is her maternal great-grandfather Louis Le Maire, born in 1840 in France. Nine generations back, her paternal ancestor Christopher De Graffendried, born in Bern Switzerland in 1691 immigrated to Virginia.”

noch präziser wird ihre umfangreiche enealogische dokumentation. der name deGraffenried findet sich bis in ihre GREAT-GREAT-GREAT-GREAT-GREAT-GRANDPARENTS-GENERATION. dann verliert es sich, weil grossgrossgrossgrossgrossgrossmütterlicherseits. und unter der nummer 632 unter den vorfahren liesst man folgendes:

“Christopher deGraffenried was, therefore, the first of the deGraffenrieds to settle permanently in America. On February 22, 1714, at Charleston, South Carolina, he married Barbara Tempest (nee Needham), daughter of the distinguished Sir Arthur Needham of Wymondsley, Hertfordshire, England. In the family Bible Christopher made the following entry of his marriage: ‘God bless us and our issue. We moved first to Phila. to Maryland and lastly to Va.’ (…) It is recorded in the family Bible that Christopher died at his plantation on the James River, Virginia, ‘on Sunday at sunrising, October 27th, 1742’ and that ‘Barbara his wife departed this life the 26th day of June, 1744.”

christopher degraffenried? war das nicht der begründer von new bern! der test im historischer lexikon der schweiz sagt “jein”. Es war sein sohn gleichen namens. über den vater christoph weiss man hierzulande:

historisches lexikon der schweiz zu christoph von graffenried
“Graffenried, Christoph von, geboren 15. 11. 1661 Worb, gestorben Nov./Dez. 1743 Worb, ref., von Bern. Sohn des Anton, Genealogen und Landvogts von Aigle. 1684 Regina Tscharner, Tochter des Beat Ludwig, Gutsbesitzers in Sutz. 1679-83 Auslandaufenthalt in Heidelberg (Gast des Pfalzgrafen), zwei Jahre Studium in Leiden, 1682 Magister Artium in Cambridge. In London wurde G. Kg. Karl II., in Versailles Kg. Ludwig XIV. vorgestellt. 1691 Mitglied des Rats der Zweihundert in Bern, 1702-08 Landvogt von Yverdon. Nach seiner Aufnahme ins Londoner Bürgerrecht 1709 gründete G. mit Unterstützung der engl. Krone in North Carolina Ende 1710 die Kolonie New Bern. 1713 kehrte er nach Bern zurück, da er u.a. wegen krieger. Auseinandersetzungen mittellos geworden war. 1730-40 erster Herr der ganzen Herrschaft Worb seines Namens.”

new bern, eine bernisch-pfälzische pionierstadt

was daraus geworden ist, weiss man, zumindest in bern, einigermassen: die stadt “New Bern”, in north carolina gelegen, gibt es auch fast 300 jahre nach ihrer gründung immer noch. das restaurierte capitol und wohnhaus aus dem 18. jahrhundert erinnert an die zeiten, als new bern
hauptstadt der neuen kolonien war.


wappen von new bern verbindet die neue heimat bis heute mit der alten heimat

das wappen der stadt entspricht bis auf den jüngsten tag dem der stadt bern. das motiv mit dem berner bär sieht man in new bern überall: auf öffentlichen gebäuden, den fahrzeugen der stadt und auf uniformen der städtischen bediensteten und der polizei. die erste flagge, ein spätes geschenk der stadt bern, ist heute im gerichtssaal des rathauses ausgestellt.

kratzer im lack

ganz so erfolgreich, wie sich die prioniertat von christopher bis heute präsentiert, ist sie jedoch nicht. die junge historikerin annelise leuenberger, heute als erwachsenenbildnerin im museum murten tätig, hat nachgefragt, ist auf erstaunliches gestossen, und hat diesen sommer in buchform darüber berichtet.


christopher degraffenried, begründer von new bern

christoph von graffenried lag demnach mit seinem vater anton, dem besitzer der herrschaft worb, im dauerstreit. als christopher studienhalber im ferner ausland weilte und sich zugung zu den royals seiner zeit verschaffte, kappte der vater das geld. zuerst musste der junge christoph deswegen london verlassen, dann auch paris, um direkt ins heimatliche worb zurückzukehren.

hier vermählte er sich, hatte mit regina tascharner 11 kinder, was ihn erneut in geldsorgen brachte. anfänglich verlief die karriere wie vorhergesehen. der berinsche grossrat wurde landvogt in iferten, dem heutigen yverdon-les-bains, doch blieb das erwartete grosse geld aus.

da kam christoph mit dem patrizier franz ludwig michel in kontakt, der den landvogt von den reichen silberminien begeistern konnte, die man im fernen amerika entdeckt hatte. “man”, das war die berner kolonie, die es seit 1705 unter dem apotheker franz ludwig ritter in “carolina” gab.

schiff ahoi!

am 13. mai 1709 reiste christoph heimlich nach london, womit die vorgeschichte von new bern beginnt. seine frau, seine 11 kinder und seine schulden überliess er dem vater. die englische königin anna unterstützte das projekt, machte von graffenried zum bürger von london und erhob ihn zum landgrafen von carolina. der englische oberfeldmesser john Lawson verkaufte dem berner ein stück land, das man 5 jahre land gratis und franko besiedeln konnte.


geographische lage von new bern

anfangs 1710 folgte sohn christoph dem vater nach london nach. er hatte 150 begleiter bei sich, darunter 50 täufer, die man aus bern abgeschoben hatte. in england kamen 650 pfälzische religionsflüchtlinge hinzu. lawson segelte mit dem pfälzern nach übersee, und war nicht sehr erfolgreich. die hälfte der auswanderer starb, bevor man das ziel erreichte. die graffenrieds und ihre berner begleiter folgten separat, und kam wohlbehalten in der neuen heimat an. zielstrebig begannen sie mit der besiedlung des küstenraumes, indem new bern entstand.

sorgen über sorgen

von den versprochenen silberminien, gab es keine spur. so plagten stete geldsorgen die auswanderer. diese wogen umso schwerer, als die berner firma ritter & Cie. zweifel am projekt bekam, und kein weiteres geld sprechen wollte.


skizze des ursprünglichen new bern

dafür standen von graffenried und seine getreuen mit den lokalen tuscaroras-indianern im krieg. bei einer erkundungsfahrt wurde er gar gefangen genommen, und nur die intervention des gourverneurs rettete sein leben. sein partner lawson wurde hingerichtet. während der gefangenschaft wurde new bern auch weitgehend zerstört.


übersicht über new bern heute

christopher de graffenried zog nach seiner freilassung nach virgina weiter, fand aber auch dort keine silbermine. als die schuldhaft drohte, riet im der gouverneur, persönlich in london und bern nach einem kredit zu fragen.

ablehnungsfront wegen konkurs

am englischen hof begegnete von graffenried aber nicht mehr das entgegenkommen, dass er aus seiner studien- und abreisezeit kannte. aus dem prionier war ein allseits bekannter schuldner geworden, sodass er london nur unter falschem namen richtung bern verlassen konnte.


könig anne II., die das projekt degraffenrieds anfänglich gefördert hatte

im dezember 1713 traf er in seiner vaterstadt ein, wurde aber auch da geschnitten. seinen posten als grossrat hatte er mit zustimmung seines vaters verloren. selbst ein geltstag hatte seine frau eröffnet, um seine schulden zu begleichen. und der vater hatte den sohn in amerika gar enterbt. die herrschaft worb ging direkt an christopher’s sohn franz ludwig.


memorial in worb, das an christoph von graffenried erinnert

nach dem tod des vaters 1730 zwang christopher seinen sohn, das erbe auszuschlagen. er machte sich selber zum herrn in worb, musste aber mitansehen, wie 1734 sein eigener sohn in unmittelbarer nähe schloss worb baute und hier auch residierte. 1740 wurde christopher bevormundet, da er vollends in seinen geldsorgen ertrunken war. nur drei jahre später verschied er.

meine kleine würdigung

bern hat der glücklose christoph von graffenried ein denkmal in der auswanderungsgeschichte gesetzt. die stadt erholte sich nach dem krieg gegen die tuscararos-indianer, der bis 1713 dauerte. gouverneursstadt war man zwar nicht mehr, doch stieg new bern zu einer bedeutenden hafenstadt in carolina auf. erst der bürgerkrieg setzte dem ein ende. in einer schweren schlacht nahmen die der armeen der nordstaaten new bern am 14. März 1862 ein. noch einmal erholte sich das gemeinwesen: 1898 wurde pepsi cola in new bern vom jungen apotheker caleb bradham erfunden und zunächst bekannt als “Brad’s Drink”.


ursprünglicher schriftzug von pepsi cola, in new bern erfunden

christopher de graffenrieds ältester sohn, der ihm nach london gefolgt und mit ihm nach amerkika gesegelt war, verliess new bern nach der zerstörung im krieg mit den lokalen indianern, kehrte aber anders als sein vater jedoch nicht nach worb zurück. vielmehr siedelte er sich in williamsburg nahe new york an, heiratete, hatte viele kinder, von denen laura in der 9. generation eine wahrliche nachfahre der de graffenried aus bern ist.


stadtgeschichte über new bern von pat bartram und kathy nathan

was soll man dazu sagen? würde man die berner heute fragen, was sie von ihrer bekannten nachfahrin und dem weitgehend in vergessenheit geratenen stadtgründer hielten, würde ich schätzen:

. 1 von 10 würde beide toll finden; es wären der konsequenten republikaner.
. 2 von zehn würden laura mögen, nicht aber den konkursiten christopher, das wären die kapitalistischen republikaner.
. 5 von 10 stünden christopher positv, laura aber negativ gegenüber; das sind die nachfahren der alten republik bernensis.
. und 2 von zehn könnten gar nichts anfangen mit beiden; besonders für sie habe ich die kleine geschichte erzählt!

stadtwanderer

quelle
“Small Number – Big Impact. Schweizer Einwanderung in die USA, Zürich 2006. Herausgegeben wurde der lesenwerte Sammelband vom Verein Migrationsmuseum Schweiz. Editiert haben ihn Bruno Abegg und Barbara Lüthi, und erschienen ist erim Verlag der Neuen Zürcher Zeitung.

flickr für den stadtwanderer

hätte man mich vor dem wochenende gefragt, was “flickr” ist, hätte ich gesagt: ein tippfehler! doch dann stiess ich zufällig auf dieses angebot von “yahoo” und war begeistert. ein fotoalbum, einfach zu bedienen, weltweit benutzt, spannend zum suchen, kommentieren und selber zu verwenden, – eine web 2.0 – anwendung!


mein icon: I, me and myself …

da mein blog-layout für fotos nur beschränkte gestaltungsmöglichkeiten zulässt, habe ich natürlich sofort ein konto eröffnet, und meine favoriten geladen. alles fotos, die ich in diesem sommer beim morgendlichen, mittäglichen oder abendlichen stadtwandern gemacht habe. “myberne” quasi im taschenformat!

leider ist meine kapazität schon belegt für diesen monat, das dutzend ist voll! ich werde aber bald neue themen aufführen, für alle, die gerne etwas von der stadt bern und ihrer umgebung sehen, von geschichte, politik und kultur haben! also, nichts wie hin zu meinen bildern: kritisieren, kommentieren und korrigieren!


da schon mal eine kostprobe zum “stadtpräsident (sp)”

meine 12 themen im august sind

. bellevue
. bowäger
. erholung
. gemüsemarkt
. morgenerwachen
. münster
. regierung und parlament
. spiegelung
. staatsschutz
. stadtgründer
. stadtpräsident (sp)

und natürlich …

stadtwanderer

flickr stadtwanderer
wikipedia flickr

nachwort zum geschichtsunterricht

es war eine überraschung für sie. der nachdiplomkurs „Politische Kommunikation“ der zürcher hochschule winterthur kannte mich zwar als dozenten. dass ich auch stadtwanderer bin, wussten sie jedoch nicht. Und schon gar nicht ahnten sie, dass sie von mir durch bern geführt würden!

die leistungs-klasse aus winterthur …

seit die ausbildung fertig ist, trifft sich der kurs regelmässig und besucht gemeinsam eine stadt. am samstag war bern dran. monia hatte alles eingefädelt, eine spezielle stadttour versprochen, von einem bekannten unbekannten geführt.


foto: stadtwanderer (anclickbar)

ich warte um 14 Uhr 01 schon leicht ungeduldig im nydegghof auf meine ehemaligen studentInnen. sie waren es spät, es war, wie wenn ich unterrichten müsste. aber ich hatte keinen beamer bei mir, keine powerpointpräsentation vorbereitet, die ich nochmals rasch durchgehen konnte. denn ich weiss, in dieser klasse ist leistung gefragt.

ich hatte an diesem tag nur zu einer stadtwanderung geladen. „In 80 Minuten um die Welt“, lautete der Titel,- ein anspielung, dass meine gäste an diesem tag ein volles programm zu bewältigen hatten, und man (im Voraus) nur beschränkt zeit opfern konnte.

da kamen die Ersten von der nydegg-brücke in den hof hinunter. Sie staunten nicht schlecht. ihr dozent für demoskopie als stadtführer? Der theoretiker der meinungsbildung als lokalhistoriker?

die klasse-leistung aus bern …

die Begrüssung war freundlich, aber kurz: „Keine Angst“, sage ich. „Meine Welt ist nicht der erdrund. Meine Zeit ist nicht die von Jules Vernes. Und ich führe Sie nicht 80 Tage an der nase herum. Ich bin Stadtwanderer. Ich führe sie durch Bern. Ich zeige Ihnen in 80 Minuten meine kleine Welt.“


foto: stadtwanderer (anclickbar)

es sollte ein städterundflug im zeitalter des SWISSAIR-groundings werden. deshalb blieben wir auf dem boden der harten realitäten: “Die Schweiz ist passé, es lebe Bern!”, war mein motto. doch anders als es im alten bern üblich war, geht die zeit heute schnell. so habe ich die stadtgeschichte im “20 minuten”-format, aber mit nzz-qualität gegliedert: eindrückliche bilder, kleinere geschichten und ein paar infoboxen. sind noch fragen? iht stadtwanderer!

• wir starten mit der schwäbischen stadtgründung 1191 im burgunderland beim zähringer-denkmal.

• wir betrachten die stadt, oben von der Rathaustreppe aus, wie das Sigismund, der deutsche könig, bei der einweihung 1414 gemacht hatte.

• wir stehen zwischen münster und chorherrenstift auf dem platz an der sonne, wie 1476 adrian von bubenberg, als er die herzöge von burgund besiegt hatte.

• wir hören von theater ums “Du Théâtre”, dessen bau mit der ersten berner aktiengesellschaft 1766 erfolgte, und revolutionäre kultur fördern wollte, die dann in form von französischen truppen kam.

• wir lauschen der gründung des bundesstaates 1848, berns erhebung zur bundesstadt, und der demokratisierung von macht, basierend auf ideen eines deutschen flüchtlings.

und wir besuchen den neuen bundesplatz, wo der unbekannte stadtführer eine lobrede auf den bekanntesten beamten in Bern hält. einstein, der beamter III. klasse im amt für geistiges eigentum gelingt mit der erfinder des heutigen physikalischen weltbildes eine geistige tat erster klasse!

schöner könnte der schluss nicht sein, also finale!

mehr klasse im geschichtsunterricht: mehr stadtwandern im curriculum!

„Geschichte war mit immer ein Gräuel“, erzählt mit ein student unterwegs. „Mein klassenlehrer in der Sek war fürchterlich“, ergänzt eine weitere. „Erst im Gymnasium, bei unserer tollen Geschichtslehrerin, begann ich zu verstehen, um was es da geht“, höre ich im hintergrund tuscheln. und: „Es ist schade, dass man im unterricht den zweiten weltkrieg von vorne bis hinten behandelt, sich aber nicht mit der eigenen geschichte befasst … „


foto: stadtwanderer (anclickbar)

„Das war spannend“, werde ich am schluss heimlich gelobt. „Danke!“, sage ich da. es ist motivation für mehr. „Es gibt keinen Grund, Geschichte langweilig zu erzählen“, las ich am morgen in einem spannenden buch zur frage: „Was wäre geschehen wenn …?“ ich habe es mir zu herzen genommen, heute, wie schon bei früheren stadtwanderungen. und ich hoffe, ich werde mich auch inskünftig immer daran erinnern!

„Stadtwandern als Nachwort zum Geschichtsunterricht“, gar kein schlechtes motto! mehr klasse während den geschichtslektionen bedeutet: raus aus dem klassenzimmer, rein in die stadt! stadtwandern ist angesagt, lebendige geschichte vor ort ist spannend, nicht jahreszahlen beigen und befreiungsgeschichte büffeln!

an den 80 minuten als zeitliche begrenzung für meine meine geschichtslektion muss ich allerdings noch etwas arbeiten …

stadtwanderer

in 80 minuten um die welt!

nein, damit ist nicht der erdball gemeint, und es geht auch nicht 80 tage wie bei jules verne! wir haben es eilig, und wir bleiben in bern! ein stadtrundflug wie in guten alten swissair-zeiten ist angesagt, aber im format von “20 Minuten”, exklusiv für die NDK-abschlussklasse der zürcher hochschule winterthur!

12. august 2006, genau 14 00: tafel zum UNESCO-welterbe


jules verne als vorbild: die ganze welt erkunden!

auf dem nydegg-hof


zähringische pioniere, savoyische strategen und bernische burgenbrecher – adolph von nassau, die berner mission eines europäers – historische erläuterungen des berner wappens

kurzer spazierflug (bitte rasch aufschliessen!)

auf dem rathaus

schlagzeilen: der komet, die pest und der stadtbrand – könig sigismund und das bordell – bourgogne au revoir, grüezi eydgenossenschaft!

kurzer spazierflug (bitte rasch aufschliessen!)

auf dem münster(platz)

ablassgelder, sponsoringverträge und andere einnahmequellen der kirche – bern nimmt frankreich den bären ab! – die Reformation, das mass aller dinge

kurzer spazierflug (bitte rasch aufschliessen!)

rund ums casino

henzi aus bümpliz und das du théatre – napoléon, d’falke – revolution und restauration nur wegen politologieprofessoren

kurzer spazierflug (bitte rasch aufschliessen!)

rund um den predigerplatz

asylanten und direkte emokratie – bundesstadt, nicht bundeshauptstadt – demokratie, liberalismus und sozialismus

kurzer spazierflug (bitte rasch aufschliessen!)

meinstein-city (wo auch immer das ist!)

der bekannteste beamte bern – der unbekannte stadtwanderer verabschiedet sich!

der stadtwanderer

PS: “www.stadtwanderer.net/blog” berichtet in der ausgabe von “heute” darüber!