friedrich barbarossa, der wirkliche deutsche kaiser

teil 1: kaum zu fassen …

teil 2: das leben der kaiserin adelheid


teil 3: adelheids land

jetzt feiern sie wieder! seit dem 6. august 2006, dem 200. jahrestag der auflösung des heiligen römischen reiches deutscher nation, erinnert man sich gerne und häufig des “reichs der deutschen.” der stadtwanderer hat schon die ganze woche den kopf geschüttelt, und versucht jetzt, als abschluss, einen gliederungsversuch zum “1000jährigen reich”!

karl der grosse …

in der dümmsten aller interpretationen, begann das deutsche kaierreich am 25. dezember 800. es wäre also im 1006. lebensjahr gestanden, als es sich selber auflöste. erster deutscher kaiser wäre demnach karl der grosse gewesen. wie man weiss, war er franke aus dem geschlecht der karolinger, die unter karls grossvater, karl martell, die macht im maroden fränkischen reich usurpiert hatten, die mit betrügerischen schenkungen den papst bestochen hatten, und dank ihm zu fränkischen königen und eben: zum deutschen kaiser gekrönt worden seien.


friedrich barbarossa, der legendäre, wirkliche deutsche kaiser

diese interpretation der reichsgeschichte vertreten heute nur noch exoten wie das pm magazin, denn auch die franzosen, die holländer, die belgier und die luxemburger sehen in karl dem grossen einen frühen vorfahren. ein deutscher war er wahrlich nicht! auch die gut-euorpäische zusammenarbeit in der eu gebietet es heute, von solchen projektionen deutlich abstand zu nehmen. und das ist selbst gut für die deutschen: was der charismatiker karl zusammengehalten hatte, bröckelte schon unter seinem sohn, und seine enkel zerstörten sein werk in einer brutalen schlacht, nahe dem heute französischen fontenay, vollends. niemals hätten deutsche so etwas gemacht! fränkische idioten mussten das gewesen sein. 888 war man deshalb soweit, dass man als schutz des christentums einen unehelichen karolinger aus kärnten zum kaiser machen musste, weil die ehelichen nachfrahren nicht in der lage waren, die vikinger aus ihrem reich zu vertreiben. der neu war zwar mässig erfolgreich, aber sein sohn, ein kind, unterlag räberbanden der magyaren, was dem ostfränkischen reich definitiv das ende bereitete!

otto der grosse …

in der zweitdümmsten aller interpretationen gibt es das deutsche kaiserreich seit dem 2. februar 962. es wäre also 844 jahre, sechs monate und vier tage alt geworden, wie der “spiegel” in seiner jüngsten ausgabe nachgerechnet hat. könig otto I., aus dem geschlecht der sächsischen liudolfinger, die man heute nach ihm stolz “die ottonen” nennt, wäre demnach der deutsche reichsgründer. räumlich hätte es wie unter karl von der ostsee bis rom gereicht, wäre aber einiges schlanker gewesen als der koloss des frankenkaiser. wo die grenze im osten war, wusste man nicht so recht, denn mit den slawen lagen die ottonen im dauerstreit, und im westen war die verteilung des alten fränkischen mittelreiches zwischen den ost- und westfranken einer klaren grenzziehung hinderlich.


friedrich barbarossa, der authentische, wirkliche deutsche kaiser

doch auch diese interpretation vertritt heute nur noch eine beschränkte anzahl hamburger journalisten. deutsch auf dem pass, aber nestbeschmutzer in ihrer arbeit! denn die andern deutschen wissen: regierbar war das nicht, römische traditionen und richtiges germanentum in einem reich, das geht seit dem treffen im teutoburger wald nicht! der beste belegt, dass das damals kein deutsches reich war, ist doch, dass man das wort deutsch noch gar nicht kannte. das wurde erst am ende des 11. jahrhunderts verwendet, zu zeigen der salischen kaiser. das waren deutsche! leider noch gefangene im römischen reich. und das gab dann zoff: der papst demütigte den deutschen könig, indem er ihn im harten winter 1077 in italien auf seine burg zitierte, so tief, dass es seither für deutsche politiker heisst: “nach canossa gehen wir nicht!” nur mühsam wurde damals der konfikt zwischen papst und gekittet, doch der streit war wichtig: er liess im reichsadel deutsches selbstbewusstsein entstehen!

friedrich barbarossa, der unverwechselbar deutsche …

in der einig richtigen interpretation des reichs der deutschen entstand es aus den trümmern des investiturstreites. friedrich von hohenstaufen, heute noch als barbarossa bekannt war der erste, der beste, der wirlliche deutsche kaiser! gekrönt wurde der kraftvolle macher am 18. juni 1155. doch das von ihm begründete reich wurde nicht 651 jahre alt, wie man meinen könnte. es endete viel zu früh und viel zu banal, als der der nichtschwimmer friedrich am 10. juni 1190 in saleph, dem heutige göksu in anatolien, auf dem hinweg zum grossen kreuzzug nach jerusalem ertrank.


friedrich barbarossa, der unglücklich gestorbene, wirkliche deutsche kaiser

doch was für eine figur friedrich barbarossa in den 35 jahren dazwischen war: schwäbischer herzog war er schon früh, römisch-deutscher könig wurde er mit eleganz, und selbst zum burgundischen könig liess er sich nach entsprechender heirat später erheben. komplett war seine macht, sein glanz, seine würde! den schrecklichen streit zwischen seinen beiden elterlichen familien, den staufern väterlicherseits, den welfen mütterlicherseits, pariierte er so meisterlich. dem papst, der sich fortwährend auf dem hohen ross überschätzte, leistete er keine unnützen dienste mehr. und den oberitalienischen städten, die nach einer kaiserfreien handelszone trachteten, lehrte er das fürchten. 1183 schloss er mit ihnen kaiserlichen frieden: die oberitalienischen städte waren wieder fest ins deutsche reich eingebunden, wenn auch mit zugeständnissen. dem adel in deutschland erklärte friedrich den frieden von konstanz als “sieg!” und feierte ihn mit dem grössten wurst- und saufgelage, das es im reich je gegeben hat, während man über den aufstieg der städte in der toskana zu den zentren der republikanischen moderne gefliessentlich schwieg. die toskana-fraktion der rot-grünen eliten interessiert es bis heute, was daraus geworden ist!


friedrich barbarossas heiliges deutsches kaiserreich

kaiser friedrich war so einmalig, dass er in den olymp der geschichte aufgenommen wurde. dank seiner grösse muss man die geschichte in einem wurf erzählen, kann man die wenigen wendepunkte der weltgeschichte als vorstufen zum deutschen reich sehen. friedrich selber hat ganze arbeit geleistet. er hat karl den grossen aus dem grab holen und ihn heilig sprechen lassen, den ein bisschen deutsche war er schon! er hat den corpus iuris civilis des christenkaiser justinian zur basis des reichtsrechts gemacht, denn ein rechtstaat ist deutschland seit ihm! und er hat den titel des heiligen römischen reiches, denn einen papst braucht es für das heilsame wirtschaftswunder nicht!


friedrich barobarossas liebste kaiserpfalz in gelnhausen

leider war das engagement in der türkei so wenig sinnvoll. schmählich ist friedrichs ende. denn der versuch, seinen leichnam mit essig zu konservieren, misslang, sodass man nach friedrichs tod gezwungen war, seine herrlichkeit aufzuteilen, sein fleisch in antiochia, seine knochen in tyros und sein herz in tarsos beizusetzen. seit diesem tragischen vorfall gibt es das deutsche reich nicht mehr, denn was kam, war des kaisers nicht wert!

die unrealistsichen universalististen …

am wenigsten schlimm waren barbarossas direkte nachfahren. sie entwickelten jedoch die idee eines universalistischen kaisertums. was daran, bitte, ist deutsch? sein enkel war der schrecklichste dieser universalisten ohne augenmass. herrscher über das mittelmeer wollte er werden, so wie es die alten römischen kaiser waren! und dafür war er zu allen schandtaten bereit: zuerst liess er sich vom gehassten papst instrumentalisieren, um den deutschen könig zu stürzen, der nördlich der alpen regierte; dann gelang es dem aegyptischen sultan den tunichtgut mit einem harem zu verführen, um ihn zum schach spielen mit den mohammedaner zu bringen, statt an den zweikampf gegen die ungläubigen zu denken; und selbst die gottlose wissenschaft der südländischen falkenjagd förderte der ketzer vor seinem ende, statt die jagd mit speer und hund zu pfelgen, wie es seit alters her in den deutschen wäldern gebräuchlich ist.


friedrich barbarossa, stammvater der wirklich deutschen kaiserlichen

schlimmer noch war das haus luxemburg-böhmen. es sei erinnert, dass sie eine europäische herrschaft erreichten wollte. der dynastiegründer konnte nur noch französisch und kein wort deutsch mehr. karl V. machte prag zu seiner hauptstadt, und liess alle deutschen kleinstädte, die friedrich ihrer pfalzen wegen so geliebt hatte, vermodern. und sigismund, der letzte luxemburger, vereinigte gar ungarn mit dem reich. kein wunder, dass in diesem europäischen projekt die mehrheit der reichsuntertanen nicht mehr deutsch sprach!

die unnützen emporkömmlinge …

unterboten wurde diese schande nur noch durch die kranken habsburger, die sich als abkömmling der deutschen nation wähnten. nichts davon ist richtig! aus brugg an der aare in der heutigen schweiz stammen sie! nur durch heirat gross zu werden, paktierten sie mit spanieren und residierten sie in wien. sie waren sich nicht zu schade, sich auf die goldene bulle als wahlurkunde zu berufen, um bei bedarf gegen sie zu verstossen! zu schlechter letzt besiegelten sie das ende des reiches gar noch. franz II. kapitulilerte vor einem dahergelaufenen korsen, und rette seine herrlichkeit als österreichischer kaiser in die provinz. die deutschen, ihres reiches, ihrer nation, ihrer staates beraubt, überliess er treulose napoléon, dem kaiser der franzosen. was zum teufel suchte der in den rechtsrheinischen gebieten?


friedrich barbarossa: republikanisches andenken an den wirklichen deutschen kaiser

tja, seit dem ende des römischen reichs, beschäftigt sich die geschichtswissenschaft mit dem auf- und abstieg von imperien. wenn man sich das anhand des “1000jährigen” reiches vergegenwärtig, sagt sich der stadtwanderer: wahrlich, dieser rotbart aus schwaben ist der einzige, wirkliche deutsche kaiser, den es je gab! nur schwimmen hätte er lernen müssen, um ohne rückgriffe auf die geschichte, aber mit vorgriffe auf die zukunft ein 1000jähriges deutsches reich zu schaffen!

stadtwanderer

adelheids land

der römisch-katholische wie auch der griechisch-orthodoxe kalender, und selbst der protestantische, erinnern mit dem namenstags am 16. dezember an adelheids leben. nur der „spiegel“ dieser woche übergeht sie in seiner story, „der deutschen reich“, das es ohne sie nicht gegeben hätte. der stadtwanderer schaut deshalb in den rück-spiegel und ergänzt die dramatische geschichte ihres lebens im 10. jahrhundert, das irgendwio in der nähe seines wohnortes begann. seine gegend selber versteht er als adelheids land. würde er es “heidi-land” nennen, wäre seine hauptdarstellerin wohl wenigstens im hohl-spiegel erwähnt worden.

teil 1: kaum zu fassen …

teil 2: das leben der kaiserin adelheid

adelheids kindheit

prinzessin adelheid kam 931 zur welt. ihre eltern, könig eudolf und königin berta, waren das fürstenpaar in hochburgund. dieses umfasste die heute westschweiz und, ennet dem jura, die gebiete der heutigen franche-comté. geistiges zentrum war st. maurice, das mächtige kloster am oberen ende des genfer sees, von wo aus man den übergang über den grossen st. bernhard in die lombardei kam, die den weg nach rom, vendedig und byzanz eröffnete.


adelheids eltern, der burgundische könig rudolf II. und die königin berta

gleich nach dem tod des vaters wurden die geschwister getrennt. die beiden aufstrebenden machthaber im norden und süden legten hand an: könig otto nahm den minderjährigen prinz conrad in seinen schutz und erhob damit anspruch auf hochburgund als protektoreat. erzogen am hofe des sächsischen königs, von seiner Heimat aber hunderte von kilometern entfernt, konnte konrad nur mit ottos hilfe burgundischer könig werden. denn er musste sich gegen hugo, könig der lombardei, der seinen vater rudolf schon als lombardischen könig verdrängt hatte, durchsetzen. dieser hatte nicht nur conrads schwester in gewahrsam genommen, sondern auch die mutter der beiden. berta musste sich nach dem tode ihres mannes mit hugo verehelichen, und dieser verlobte gleichzeitig mit der heirat von berta, ihre totcher, adelheid, mit seinem sohn, lothar.auch das war programm und zielte ins burgundische.

adelheids jahre in pavia waren nicht unbeschwert. könig hugo hatte berta nur aus machtpolitischen gründen geheiratet. sein ausschweifendes leben am hof änderte er deshalb nicht. er hielt sich gleichzeitig mehrere nebenfrauen und verfügte über ein ganzes arem. Und er soll adelheid als erster verführt haben. berta, ganz unglücklich darüber, verliess hugo wieder, musste jedoch ihre verlobte tochter in pavia zurücklassen.

die lombardische königin

könig hugo, der in der stolzen königsstadt pavia residierte, war, wie auch otto, drauf und dran, der neue kaiser zu werden. doch er sollte es nicht schaffen. 947 geriet er in der lombardei in bedrängnis, flüchtete ins rhonetal und setzte seinen sohn, lothar, der zwischenzeitlich adelheid geheiratet hatte, als neuen könig ein. nun waren sie die machthaber in pavia, mussten sich aber gegen die veroneser markgrafen, die selber lieben gerne, den königstitel beansprucht hätten, behaupten. berengar, der kopf der opposition, wurde an den hof in pavia berufen, und war der berater des königspaar, – bis zum tod von lothar. bis heute ungeklärt, vermutete man einen Anschlag, der auf berengar selber zurückgehen sollte. dieser beanspruchte jedenfalls, gleich nach dem Tod von lothar, neuer könig zu sein.

am hof in pavia galt das langobardische recht. dieses bestimmte, dass die witwe des königs selber entscheiden dürfe, ob und wenn sie heiraten wolle, und somit auch die nachfolge im amt des königs bestimme. das hiess nichts anderes, als dass die junge adelheid über die geschicke der oberitalienischen Grossen entscheiden würde. nun setzten diplomatische aktionen von nördlich der alpen ein. es meldete sich der herzog von schwaben, der herzog von bayern und der König der Sachsen und Franken. alle hatte hatten nur ein ziel: die lombardische erbschaft anzutreten.

die römische kaiserin

könig otto hatte die besten karten in den händen, war er doch der erzieher von adelheids bruder conrad gewesen, der zwischenzeitlich könig von burgund geworden war. so will es die fügung, das adelheid otto auserwählte. das war nicht ohne, für die folgende Ggschichte. denn erst mit der heirat der beiden richtete der sächsisch-fränkische könig ernsthaft seine Politik nach Süden aus. zusammen mit der lombardischen erbin, mit dem burgundischen könig bot sich ihm die möglichkeit, von der nordsee bis rom ein neues reich zu gründen. es zwar halb so gross, wie das von kaiser karl dem rrossen, und auch dieses umfasste erst einen Drittel des untergegangenen römischen reiches.

anders als karl, der sich eher widerwillig im päpstlichen rom aufhielt und lieber in achen heimatlichen weilte, verschrieben sich otto und adelheid ganz der römischen perspektive. heruntergekommen, wie es seit den wirren im späten 9. jahrhundert war, wollte sie es erneuern. Sie wollten ein zweites byzanz schaffen, so wie seinerzeit kaiser konstantin aus byzantium ein zweites rom geschaffen hatte. die anerkennung des kaisers am bosporus war ihnen wichtig. nicht zuletzt vermählten sie deshalb ihren sohn, könig otto II., den anwärter auf die kaiserkrone mit einer nichte des byzantinischen herrschers.


kaiserkrünung von otto und adelheid in einer zeitgenössischen darstellen

ganz in der tradition der byzantinischen theokratie, sah sich otto selber als spitze der kirche, der reichskirche, wie er es nannte. er beanspruchte deshalb auch, bischöfe in ihren diözesen und den papst in rom selber einzusetzen. Begründet wurde damit das ottonische reichskirchensystem, dass im 11. Jahrhundert während des investiturstreits zum zerwürfnis zwischen kirche und staat, zwischen kaiser und papst führen sollte.

auch adelheid stützte sich ihr ganzes leben als kaiserin stark auf den rat der bischöfe. sie waren ihre ratgeber, und sei nutzten dieses position auch, um ihre macht zu stärken. In der ottononischen Theokratie gaben am schluss die bischöfe von köln, mainz und trier den ton an. Doch dabei liess sie es nicht bewenden. Sie baut klöster auf, die man angesichts streitender päpste vor ihrer herrschaft hatte zerfallen lassen, und sie gründet unermüdlich neue klöster, die sie als lombardische erbin reich beschenkte.

die burgundische heilige

adelheid war an dieser schrittweisen auflösung des königreichs burgund nicht unbeteiligt. im Jahre 999 kehrte sie dorthin zurück, wo sie geboren worden war. könig rudolf III., der sohn ihres bruders, war nur noch ein schwacher burgundischer könig. die macht über das riesige rhonetal hatte er aufgegeben. den königssitz, den sein vater in chambery festgemacht hatte, um die alpenübergänge zu beherrschen, hatte er aufgeben müssen. In einer intrige hatten sich die grafen von savoyen dort festgesetzt, sodass dudolf neuenburg gründete, und von dort aus, mehr wie ein landgraf als ein könig residierte. die alte kaiserin hatte das vakuum, das so im königreich ihres vaters und grossvaters entstanden war, gesehen. Um die grossen Besitztümer vor dem Zuggriff der Savoyer zu retten, vermachte sie ihre klöster den umliegenden kirchenfürsten. st. maurice, das burgundische hauskloster, vermachte sie dem Bischof von Sitten. moutier-grandval, das jura-kloster schenkte sie dem bischof von basel.

ihr liebstes kloster in der heimat, kloster payerne, das sie mit ihrem bruder conrad als grab ihrer mutter berta gestiftet hatte, ging an das führende kloster cluny. Dem dort entstandenen, neuen kirchenorden war die kaiserin besonders verpflichtet. in ihm sah sie die vollendung der welt. Der Abt von cluny, odilo, bedankte sich für die reichen schenkungen, die er von der kaiserin erhalten hatte. niemand geringer als er, war der erste biograph der ersten kaiserin. er legte damit den grundstein, dass adelheid keine 100 jahre nach ihrem tod von urban V., einem cluniazenser papst, als heilig gesprochen wurde.

„heidi land“? – adelheids land!

adelheid ist die grösste persönlichkeit in der geschichte des neugegründeten römischen reiches, das 1806 als heiliges römisches reich deutscher nation unterging, die aus dem gebiet der heutigen schweiz stammte. sie war jene, der aus dem verbund der stammeshezogtümer nördlich der alpen, die ihr zweiter mann, könig otto regierte, ein reich mit europäichen dimensionen machte.


heidi: bild der schweiz, wie man sie gerne hätte – wann nur entdeckt man das adelheid-bild der schweiz, wie sie wirklich war

erinnert man sich wie “der spiegel”, nur an der deutschen reich, kann man auf diese europäische „schweizerin“ verzichten, so wie die schweizerinnen auf diese „europäerin“ verzichten, und heidi adelheid vorziehen. für den stadtwanderer ist „heidi-land“ aber immer noch „adelheids-land“!

stadtwanderer

literaturangaben:

Odilo (Abt v. Gluny): Epitaphium Adelheidae Imperatricis, in: MG SS IV, 633 ff.; bearb. v. Herbert Paulhart, 1962
J. Bentzinger: Das Leben der Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos I., während der Reg. Ottos III. (Diss. Breslau), 1883
Franz Paul Wimmcc: Kaiserin Adelheid, Gemahlin Ottos I. des Grossen, in ihrem Leben und Wirken von 931-973 (Diss. Erlangen), 1897
Karl Uhlirz: Jahrbücher des deutschen Reiches unter Otto II., 1902
Gertrud Bäumer; Adelheid, Mutter der Königreiche, 1936
Gertrud Bäumer, Krone und Kreuz, 1938;
Gertrud Bäumer, Otto I. und Adelheid, 1951
Maria Andrea Goldmann: Die hleilige Kaiserin Adelheid, 1947
Thilo Vogelsang, Consors regni. Die Frau als Herrscherin im Mittelalter (Diss. Göttingen), 1950, 44 ff.
Herbert Paulhart: Zur Heiligsprechung der Kaiserin Adelheid, in: MIÖG 64, 1956, 65 ff.
Die Lebensbeschreibung der Kaiserin Adelheid / Odilo Abt von Cluny, bearbeitet von Herbert Paulhart, Böhlau, Graz/Köln 1962
Erich Beyreuther, Adelheid, Gemahlin Ottos I., Mutter der Königreiche, in: Menschen vor Gott, hrsg. v. Alfred Ringwald, II, 1958, 354 f.
Bruno Keiser: Bevor das Jahr Tausend anbrach. Adelheid, Königin, Kaiserin, Heilige. Ein Leben in bewegter Zeit, Düsseldorf 1995 (auch als Taschenbuch verfügbar)
Queenship ans sanctity. The Lives of Mathilda and the Epitaph of Adelheid. Washington, DC 2004
Kaiserin Adelheid und ihre Klostergründungen in Selz, hgg.von Franz Staab und Thorsten Unger. Speyer 2005.

und nicht vergessen:
stadtwanderer: meine nachbarin. spaziergänge beim schloss bümpliz, eigenverlag, bern 2006

das leben der kaiserin adelheid

teil 1: kaum zu fassen …

wo genau kaiserin adelheid zur welt gekommen ist, weiss man bis heute nicht. aber es könnte bümpliz gewesen sein, damals ein königshof, heute ein kleines schloss in einem berner aussenquartier.


schloss bümpliz, am ort, wo die burgundische königspfalz stand

der bisher letzte biograf adelheids, bruno keiser, bleibt bemerkenswert ungenau: “Die Stimmung am Hof des Königs von Hochburgund war gedrückt. Die Geburt einer Tochter am 27. 6. 931 verbesserte die Laune des Herrschers kaum. Stammhalter besass die Familie bereits. In die Wiege der kleinen Adelheid lugten zwei Brüder, Konrad und Rudolf, ein schon betagter Onkel Ludwig und dessen Sohn Heinrich. Das Interesse für den Nachwuchs verflog rasch. Man musste abwarten, ob der Säugling die ersten Monate überleben würde.”


adelheid (931-999, von 962 bis 996 erste kaiserin des neu gegründeten römischen reiches)

sicher ist also nur, dass adelheid im damaligen hochburgund, dem herrschaftsgebiet beidseits des jura, zur welt kam, wo ihre eltern, könig rudolf und königin berta, bei ihrer geburt, am 27.juni 931 lebten. gestorben ist kaiserin adelheid am 16. dezember 999 im elsässischen seltz, wo sie begraben war, bis der rhein 1307 ihre letzte ruhestätte wegschwemmte.

epochale persönlichkeit

aus der kleinen adelheid wurde im 10. jahrhundert eine epochale persönlichkeit. begonnen hat alles präzise an ihrem 16. geburtstag, an dem sie ihren verlobten lothar, könig der lombardei heirate. das grosse glück währte indes nicht lange: gut drei jahre danach viel lothar einem attentat zum opfer, und adelheid wurde gefangen gesetzt.


kaiser otto und kaiserin adelheit, als “consortium” herrscher und herrscherin über das reich

befreit hat sie otto, könig von sachsen und franken, welcher der mächtigste herrscher nördlich der alpen war. mit der heirat von adelheid am 23. September 951 wurde otto auch könig der lombardei. mit seiner zweiten frau hatte er insgesamt fünf kinder. den kleinen otto, 955 geboren, machte er zum neuen könig, den selbst strebte er nach mehr: nach der kaiserkrone. diese erlangte er am 2. Februar 962 gemeinsam mit adelheid. zusammen begründeten sie das römische reich von neuem. ihr sohn otto II., genauso wie dessen sohn otto III., strebte nach der renovatio imperii romanorum. sie wollten die herrschaft roms über die westliche welt erneuern. beide verstarben jung in italien, sodass ihre träume unerfüllt blieb.


sohn otto II. mit theophanu, seiner frau, ebenfalls kaiser und kaiserin, dank der regenschaft von adelheid

dass die beiden jungs überhaupt kaiser wurden, verdanken sie beide adelheid. sowohl otto II. wie auch otto III. waren beim tod ihres vorfahren zu jung, um die herrschaft selber antreten zu können. in beiden fällen sicherte adelheid die dynastische folge als regentin des reiches. erst 996 dankte sie als kaiserin ab, als die schweden und dänen ins reich eingefallen und die slawenaufstände erneut ausgebrochen waren. ihr enkel otto III. wurde ihr nachfolger, lag aber so stark im feld, dass adelheids tochter, mathilde, äbtissin in quidlingburg zur regentin des reiches berufen wurde. die reichsregierung der damaligen zeit war und blieb fest in frauenhänden.


enkel otto III., ebenfalls kaiser dank der regentschaft von adelheid

mutter der königreiche

adelheid war 68 Jahre alt, als sie verschied. sie hatte zweimal geheiratet und ihre beiden männer überlebt. sie hatte insgesamt sechs kinder gehabt, die, wenn sie die kindheit überstanden, alle zum europäischen adel des 10. jahrhunderts zählten. sie waren am französischen königshof verheiratet. sie am zentralen reichskloster der herrscher äbtissin, und sie waren könige und kaiser. adelheid selber war burgundische prinzessin, lombardische königin, königin von sachsen und franken, und sie war kaiserin. in der geschichtsschreibung gilt sie deshalb, nicht zu unrecht, als pendant zu karl dem grossen. so wie er zum “vater des fränkisch geeinten europas” wurde, so wurde adelheid zur mutter der königreiche, die aus dem fränkischen niedergang entstanden. dank ihr bestand das römische reich im kern aus den ostfränkischen, dem lombardischen und dem burgundischen regnum, war ein multikulturelles projekt.

erst unter den nachfolgern der ottonen zerfiel diese tradition, wurde sie von den saliern nur noch mit militärischer macht zusammen gehalten, um unter den staufern ganz auseinander zu brechen. zum heiligen römischen reich stilisierte friedrich I., seines legendären roten bartes wegen, barbarossa genannt, als es keine einheit mehr aus dem irdischen imperium und dem himmlischen sacerdotium mehr gab.

als adelheid geboren wurde, waren ihrem eltern der germanischen tradition folgend, nomadisierende herrscher. einen festen königssitz gab es in hochburgund, das im wesentlichen die ländereien dies- und jenseits des juras umfasste, nicht. vielmehr lebten könig rudolf und königin berta auf ihren verschiedenen pfalzen. das waren keine schlösser, eher burgen. sie waren meist nicht einmal aus stein, sondern aus holz. aber sie waren befestigt, am liebsten auf einer kleinen anhöhe oder mit einem wassergraben rund herum. jedenfalls waren sie mit palissaden gesichert, und man hatte in ihnen vorräte angelegt, für schlechte zeiten.

eine dieser königspfalzen war pimpiniugum, das heutige bümpliz am rande berns. das alte schloss bümpliz steht nachweislich am ort, wo die burgundische palissadenburg stand.

adelheids vermächtnis

der stadtwanderer hat verschiedene verbindungen zu kaiserin adelheid. seine wichtigste ist natürlich bümpliz, denn des stadtwanderers prinzessin lebte eine weile lang am berner indermühleweg, just zwei häuser neben dem alten schloss. im schlosspark ist heute ein restaurant, wo man sich köstlich bewirten und es sich gut gehen lassen kann. dort hat sich der stadtwanderer schon mal überlegt, wie es gewesen sein könnte, vor mehr als 1000 jahren, aber an gleicher stelle. ist adelheid hier zur welt gekommen? habt ihre mutter berta sie hier in die wiege gelegt, derweil ihr vater rudolf mit dem bau weiterer holzburgen, etwas in laupen, beschäftigt war. genauer wissen wird man es nie. denn die geburt einer prinzessin wurde in der regel nicht aufgezeichnet.


herrschaftsgebiet von otto und adelheid

ganz entscheidend ist das auch nicht, denn adelheid war keine lokalgrösse, sondern eine europäische persönlichkeit. drei leistungen sind bleibend: die schaffung eines zentralisierten reichssitzes, heute würde man sagen, einer hauptstadt, und die etablierung einer dynastischen nachfolgeregelung, die weniger konfliktreich war, als in der spätantiken, im merowingerreich und bei den karolingern.

adelheids eltern waren noch nomadisierende herrscher ohne festen wohnsitz. ihre generation änderte das gründlich. adelheids bruder conrad, der könig von ganz burgund war, hatte in chambery einen festen königssitz, von dem aus er zwischen der rhonemündung bis zur reuss regierte. adelheid wiederum hat in pavia gesehen, was einen königsstadt sein konnte, und sie war beteiligt, in magdeburg das eigentliche herrschaftszentrum der ottonen aufzubauen. sich der metropole rom anzunähern, war ihr erklärtes ziel.

das zweite ziel der generation adelheids, an dem sie massgeblich mitwirkte, war die zweite christianisierung, jene in die breite. nicht mehr nur die königssippe, nein, die ganze bevölkerung sollte christlichen glaubens sein. sie bewirkte einen fortschritt in der zivilisierung der germanisch-frühmittelalterlichen gesellschaften. letzlich markiert sie den übergang von den sippen mit häuptlingen hin zu familien mit eltern. dass sie so stark und eigenständig neben kaiser otto bestehen konnte, bewirkte im 10. jahrhundert auch, dass frauen (vorübergehend) eine höhere gesellschaftliche stellung inne hatten. erst unter den nachfolgern der ottonen, den fränkischen saliern, nahm die patriachalisierung der gesellschaft, die herausbildung der männlichen herrschaft kräftig zu.

direkt mit ihr verbunden, ist adelheids dritte grosse leistung. mit ihrem kaisertum hat sie einen essentiellen beitrag zum aufbau von stabilen dynastien geleistet. gerade die wechselvolle geschichte des fränkischen könig- und kaisertums zeigt, wie wenig dieser politik das verständnis für stabile herrschaft bekannt war. auf charismatische könige folgten endlose bruderkämpfe. genau da überwand man mit der ottonischen dynastie im neuen römischen reich. die primogenitur, die erbfolge des sohnes, wurde durchgesetzt. damit das auch funktionieren konnte, brauchte es aber erweiterungen des rechts, vor allem für den immer wieder eintreffenden fall, dass der älteste sohn des königs bei dessen tod noch minderjährig war. genau das hat adelheid überwinden helfen, indem sie ottos herrschaft auch nach seinem tod für ihren gemeinsam sohn sicherte. sie hat das nach vielen misserfolgen vor ihr vollbracht. adelheid war somit nicht nur 37 jahre kaiserin. sie war auch die erste kaiserin des 962 neu entstanden römischen reiches.

unglaublich, dass man sie im spiegel über das “fast 1000 jahre währende reich” schlicht weggelassen hat. eigentlich sollte das nicht nur den stadtwanderer ärgern, denn es ist eine schande für die geschichtsschreibung!

stadtwanderer

mehr biografisches zur kaiserin adelheid

kaum zu fassen …

“Der Deutschen Reich. Das Heilige Römische Reich Deutscher Nation: gegründet 962 – untergegangen 1806.” so titelt der “Spiegel” – der deutschen spiegel? – fristgerecht zum 200. jahrestag des untergangs des kaiserreiches. der artikel beschäftigt sich jedoch nicht nur mit dem ende, sondern auch dem anfang. und begeht einen krassen fehltritt: otto I. wird als begründer und erster Kaiser mit bild vorgeführt; seite an seite mit seiner ersten frau, edith, die verstorben war, als die krönung stattfand. die wahre erste kaiserin kommt dafür in der 14seitigen reportage gar nicht vor.

das schmerzt den stadtwanderer ganz besonders, denn adelheid ist seine kaiserin. sie war nicht nur lombardische königin, die ihr reiches erbe ins reich des sachsen otto einbrachte. sie, nicht otto, garantierte das römische erbe im reich. denn sie war auch eine waschechte hochburgunderin, die unter anderem über das hauskloster st. maurice d’agaumne verfügte. doch sie ist kaum zu fassen: selbst hierzulande ist sie vielen in vergessenheit geraten. zu unrecht, sagt der stadtwanderer, denn sie könnte gar eine bümplizerin gewesen sein. ein spiegel-bild als zusatz-report.

die magyaren-frage

im 10. jahrhundert gab es eine zentrale frage: wer wird herr über die magyaren? beim zerfall des karolingischen kaiserreiches rief arnulf von kärnten die magyarischen reitertruppen zur hilfe. als “letzter karolinger”, der aber aus einer illegitimen beziehung stammte, konnte er sich er nach 887 nicht gesichert halten. dennoch stieg er 896 zum “kaiser” auf, nicht zuletzt weil er sich auf die auf die asiatischen kämpfer, die sich in der theiss-ebene niedergelassen hatten, stützen konnte. als er starb, verschwanden die magyaren nicht wieder, sondern liessen sich am plattensee definitiv nieder und bauten von hier auf ihre eigene herrschaft aus, die sie mit plünderungen im “kaiserreich” jeden, der sich widersetzte, klar machten.


stammesherzogtümer, die im 10. jahrhundert aus dem ost- resp. mittelfränksichen reich hervorgegangen waren, und das zentrale herrschaftsgebiet der ersten “deutschen” könige darstellten

gegen diese ausfälle stellte sich 926 der sächsische könig heinrich. alles, was damsls rang und namen hatte und von den magyaren überfallen worden war, versammelt er an einem reichstag in worms. könige waren da, herzöge kamen aus allen richtungen, und man schwor, unbedingte treue zu heinrichs plan zu halten, die magyaren zu besiegen. zehn jahre lang wollte man tribute zahlen, um ruhe zu haben. derweil rüstete man aber kräftig auf. das land der germanen wurden erstmals mit burgen versehen, befestigte motten aus holz, die der flucht dienten. sogar notvorräte wurde angelegt, um bei allfälligen belagerungen stand halten zu können.


der mottenbau gehörte zu den leistungen von könig heinrich bei der abwehr der magyaren

933 liess man das befristete stillhalte-abkommen einseitig und vorzeitig auslaufen, denn man fühlte sich nun stark genug. tatsächlich besiegt heinrichs koalition die magyaren in der schlacht von riade an der unstrut. doch heinrich erlag nur wenig später einen schlaganfall bei der jagd, und im sommer 936 starb er in memleben. weil es ihm gelungen war, sein herrschaftsbereich zu konsolidieren, gilt er in der geschichtsschreibung als erster deutscher könig.

das sächsisch-fränkische königtum

bereits 929 hatte heinrich seine nachfolge geregelt. alleiniger erbe sollte sein sohn otto werden. Der für ihn auserwählten frau, edith, der tochter des mächtigen angelsächsischen königs edward, sicherte ein erbschaftsvertrag die einheit des reiches. diese heirat band die sachsen nach norden, und es wäre auch denkbar gewesen, dass sie das zentrum eines reiches über die nordsee geworden wäre, die in erster linie das dänische reich bedroht hätte. doch edith starb 946 bereits, und otto hatte mit liudolf und liutgard bereits zwei kinder, die in der schwäbischen resp. bayrischen provinz regierten oder verheiratet waren.


erweiterung des “deutschen” königreichs durch die heirat von könig otto I. und adelheid, königin der lombardei

zur gleichen zeit wie es einen prominenten witwer nördlich der alpen gab, lebte auch eine ebenso prominente witwerin südlich der alpen. adelheid, königin der lombardei, war jedoch nach dem tod ihres mannes lothar 950 von berengar aus verona gestürzt worden, denn sie weigerte sich, ihn zu heiraten. das aber wäre nach langobardischem recht nötig gewesen, denn das königtum vererbte sich in diesem stamm über die witwe eines verstorbenen königs. berengar usurpierte die macht in der lombardei, und hielt adelheid in der nähe von como gefangen.

otto nutzte diese gelegenheit der machterweiterung und intervenierte in der lombardei. von adelheid gerufen, überschritt er erstmals die alpen, befreite die legitime königin, und er heiratete sie 952 in pavia. berengar wurde militärisch besiegt, doch mit dem königreich der lombardei belehnt, als sich otto und adelheid nach norden begaben. von nun an lebte das königspaar vorwiegend in magdeburg, dass man zum zentrum eines neuen reiches ausbaute. gemeinsam haben otto und adelheid fünf kinder, im jahre 955, als otto, wie sein vater die magyaren in einer schlacht, diesmal aber an der lech bei augsburg, besiegte, sogar zwei! unter anderem kam damals otto II., der nachfolger von otto I., zur welt.

otto, der soldatenkaiser

nach seinem sieg durch seine truppen zum “soldatenkaiser” ausgerufen, sah man in ihm den neuen caesar. sachsen und franken waren gefestigt und unter einer krone, der ostfränkischen vereinigt. die nord-ausrichtung war ganz erloschen, dafür die südost-ausrichtung seines Reiches aufgebaut. die südlichen herzogtümer schwaben und bayern waren nach einem erfolglosen aufstand durch seinen sohn aus erster ehe in seine anhängigkeit geraten. und die magyaren liessen sich nach ihrer niederlage an der lech definitiv nieder, siedelten entlang der donau, wurden christianisiert und bauten nach ottos vorstellungen ein eigenes königreich, das ungarische, auf.


könig otto besiegt 955 an der lech die magyaren und leitet ihre zivilisierung als königreich ungarn ein

intern war otto nicht ganz unbestritten. er musste seine macht vor allem auf seinen jüngeren bruder, brun(o), kanzler des reiches und erzbischof von köln stützen. selst wilhelm, ein unehelicher sohn ottos, war in diesem system als bischof von mainz von nöten. sie bildeten zusammen das rückgrat in der ottonischen reichskirche, auf die sich der könig verlassen konnte.

an die mehr römische tradition knüpfte dagegen adelheid an, die den mauritius-kult, dessen zentrum das burgundische st. Maurice an der oberen rhone war, nach magdeburg mitbrachte. selbst eine teil der gemeine von könig sigimund, dem ersten heilig gesprochenen könig eines germanischen reiches, liess am aus st. maurice nach magdeburg transportieren, um das neue religiöse zentrum zu demonstrieren.

das alles nützte nichts, denn otto erkrankte 958 schwer und stürzte sein reich in einer tiefe krise, die berengar in der lombardei nutzte, um sich zu verselbständigen und den papst in rom zu bedrängen. wie sein vorvorgänger leo III., rief nun auch johannes XII. einen nördlichen herrscher auf, ihn zu schützen. und wie sein vorbild karl der grosse, wurde nun auch otto der grosse begründer eines kaiserreiches mit päpstlichem segen. am 2. Februar 962 wurde er in rom zum kaiser des römischen reiches gekrönt.

das kaiserliche consortium

doch das war otto eben nicht allein. sein spiegelbild war adelheid, fortan nicht nur die (vernachlässigbare) frau des kaisers, wie man in der deutschen historiografie häufig meint. sie war gleichzeitig kaiserin. beide regierten gemeinsam, in einem consortium, wie man es damals nannte. das damals begründete kaisertum war kein deutsches, sondern ein römisches. diese verbindung löste sich erst in der zweiten dynastie, den fränkischen saliern, die sich fortwährend mit dem papst um die vorherrschaft im reich stritten, bis 1157 unter kaiser friedrich I., genannt barbarossa, ganz zerbrach. damals entstand das teutonische kaisertum, das deutsche kaisertum, weil imperium und sacerdotium nicht mehr identisch war.


kaiserkrone, suggeriert, das eine person die macht inne hatte, doch die ottonische dynastie konnte nur dank dem mitkaisertum von adelheid gesichert werden

ein solches denken war den ottonen fremd. nach byzantinischem vorbild, wo es seit konstantin dem grossen immer einen kaiser gegeben hatte, verstanden sie ihre herrschaft theokratisch. sie regierten den staat, indem sie die kirche regierten. denn die kirche war der staat. das war die sächsische tradition seit der christianisierung. südlich der alpen stiess das stets wenig verständnis, denn auch der papst verstand sich als theokrat. ohne adelheids reichtum südlich der alpen, ohne ihre würde als lombardische erbin, ohne ihre macht als eigentliche königin, wäre den ottonen der dauerhafte schritt über die Alpen wohl so wenig gelungen, wie den den schwaben und den bayern und das kaisertum wäre im 10. jahrhundert nicht neu entstanden.


das römische reich und seine nachbarn gegen ende der ottonischen herrschaft

die verbindung zwischen otto und adelheid begründete am 2. februar 962 das, was sich am 6. august 1806 auf druck napoléons, dem kaiser der franzosen, von selber auflöste. der “Spiegel” verschweigt das, weil es auch nicht so recht in das bild passen will: “der deutschen reich”, ist mindestens im 10. Jahrhundert eher “der (mittel)europäer reich.”, in dem sich sächsisch-fränkische und burgundisch-lombardische traditionen verbanden. Otto begründete nur die eine, die vergessene adelheid die andere.

das ist offenbar kaum zu fassen, wenn man nur in den spiegel schaut!

stadtwanderer

ps:
von wo im hochburgund die kaiserin stammte, erzähle ich morgen.

schock: sergius golowin und das burgunder sind nicht mehr

bei einer meiner ersten stadtrundgänge nach meiner rückkehr nach bern war ich schockiert. das “burgunder “ist nicht mehr, ausgerechnet! meine beiz, das kleine café, das letzte symbol voreidgenössischer geschichte in bern, ist während meinen sommerferien eingegangen.

sergius golowin (1930-2006), bild aus dem café litteraire (foto: stadtwanderer, anclickbar)

doch das war nicht alles, das mich schockierte. auch sergius golowin verstarb, als ich in schweden war. er ist am 17. juli 76jährig von uns gegangen. auch wenn ich jetzt ein bisschen spät dran bin, einen moment inne halten muss ich da schon!

meine erste direkte begegnung


als ich 1980 nach bern kam, kannte ich hier wenige leute. ein paar
archivmäuse von meinen historischen recherchen als student, einige bewohnerInnen aus der damaligen wg-szene, – und sergius golowin! erstmals begegnet war ich ihm an einer dichterlesung in der aarauer “tuchlaube”. kurrlig kam er mir damals vor, wie von einer anderen welt. in seiner skurilität hat er mich aber angezogen. wir war gleich per du mit ihm, – schon in der ersten diskussion. damals war mir das sehr wichtig.

ich bin sergius in bern wieder begegnet, als ich, mehr verwirrt als interessiert, im berner altstadt-labyrinth zu meinen ersten abmachungen hetzte. ich habe mich immer wieder verlaufen, und ich habe deswegen zahlreiche treffen verpasst. da passierte es: ich bin sergius wieder begegnet! doch er kannte mich nicht mehr, siezte mich erstaunt, – und er war sichtlich mit sich und seiner welt beschäftigt:

er studierte die lauben.
er musterte die gassen.
er befragte die häuser.
er philosophierte in den cafés.
er versank gerne in der stadt bern.

ein satz hätte damals über die stadt genügt, den er hätte mir geholfen.

auf und ab während der ersten lektüre

ich wollte wissen, was einen menschen so vereinnahmen kann, dass er wie ein gefangener wirkt. ich begann seine bücher zu lesen: “lustige eidgenossen” und “frei sein wie die väter waren” bildeten den anfang. später schlug ich nach, im “lexikon der symbole”, und noch viel später in den “mythen der menschheit”. ich lernte so eine welt kennen, die mir ziemlich fremd war. ich verstand wenig von dem, was da stand.

ich war damals keine 30 und auf erlebnisse aus. ich hatte kaum lebenserfahrung, war aber politisiert. ich wollte veränderungen sehen, nicht symbole interpretiert bekommen. mit bewegten taten, nicht worte. und mit diesen rügte der schriftsteller golowin immer wieder den materialismus der damals jungen historikergeneration. gegen den zeitgeist der 70er jahre empfahl er dafür das studium der kulturgeschichte, der einfachen volksgeschichten und der lebensweisheiten von fahrenden. das alles wollte mir gar nicht passen, schien mir unaufgeklärt, unpolitisch, unwichtig. ich beschloss, mich für vergangenes wieder an bert brecht und für gegenwärtiges an max frisch zu halten.

die öffnung zur zweiten lektüre

die alternativ-bewegung der 80er jahre öffnete auch mich für den post-materialismus. und ich begann mich, vorsichtig genug, ein zweites mal für sergius golowin zu interessieren. ich lernte die biografie des bernrussen kennen, ich vernahm vieles über den bibliothekar aus burgdorf, man las den frühen nonkonformisten unter den kulturschaffenden allenthalben, – und gelegentlich machte er sogar als landesringpolitiker im grossen rat von sich reden.

die zweite lektüre stiess mir die türe auf zum werk von golowin. zu seiner eigenen ruhe, zu seiner liebe zu den menschen, zu seinem respekt vor der schöpfung, zu seiner hingabe für magie, zu seinen kenntnissen über geschichten, und seiner begeisterung für bern.

seit ich stadtwandere, ist mir sergius golowin noch näher gekommen. seine “stadtgespenster”, seine “stadtlauben” und die “stadtbeizen” mit seinem vorwort liegen bei mir ganz oben auf der bücherbeige. selbstverständlich habe ich lektüre von seinem “adrian von bubenberg und die krone burgunds” aufgearbeitet. ich ärgere mich heute nicht mehr über ihn, sondern über mich, über meine verpassten chancen.

es ist phänomenal, wieviel er wusste, das die andern vergessen hatten, wieviel er beschrieb, das ausser ihm niemand mehr sah, und wieviel er mitteilt, selbst wenn man nicht mit ihm reden kann.

sein reiches erbe bleibt

ich glaube, sergius golowin war nie sehr reich, – wenigstens nicht im wörtlichen sinne. im übertragenen war er es dafür ausgesprochen: er hat gesammelt, ohne zu horten; er hat gesichtet, ohne zu besitzen; und er hat vererbt, ohne ein testament zu machen.

lieber spät als nie, sage ich dafür gerne: danke, sergius golowin, für alles, was ich zu lernen gelernt habe, was ich sonst nicht gekannt hätte!

sein erbe wird bleiben, und seine bücher werden auch mich weiter begleiten.


berner restaurant burgunder, im sommer 2006 ebenfalls von uns gegangen (foto: stadtwanderer, anclickbar)

jetzt um so mehr, wo er, fast schon symbolisch, mit dem café “burgunder” von uns gegangen ist.

stadtwanderer

mit meinen neuen favoriten unterwegs (august 06)

tja, “die favoriten” scheint ja nicht nur unsere bevorzugten blogs zu bezeichnen, sondern auch die lieblingsseite unserer fans zu werden! neidlos empfehlen wir deshalb auch im august jene weiter, die noch besser und noch anerkannter als der junge “stadtwanderer” sind.

die kleine redaktion ist wieder komplett, denn der boss aus den ferien zurück. und: die neue hit-parade der blogs aus stadtwanderersicht ist durch die vorübergehende landesabwesenheit nicht unbeeinflusst geblieben! und auch die illustrationen sind neu; bootssteg-wandern gehörte zu seinen lieblingsbeschäftigungen während den ferien.

1. hälge (neu)

es ist unser bevorzugter “bericht aus schweden”, ohne grosse worte zu verlieren, versprüht er viel hintergründige humor. lars mortimer ist der bekannteste schwedische karikaturist, der jeden tag seine website mit einem neuen “hälge”, dem träfen elch aus den schwedischen wäldern, ergänzt. so kann man ganzjahresstimmungen im norden minutiös mitverfolgen, was ihm gegenwärtig den ersten rang einträgt.

today’s strip

2. auswanderer-blog (neu)

es ist bevorzugter “bericht aus der eu”. der autor war mal in der svp, er war mal bei den grünen, er war mal schweizer, und er will grad französischer eu-bürger werden. sogar nationalrat war er, und er hat die schweiz im unfrieden verlassen. das hält den politsch bekannten auswanderer ruedi baumann wach, die schweiz von aussen zu betrachten, als als blogger und als kommender buchautor. obwohl auch neu in der liste, gleich unser zweiliebster blog!

auswanderer-blog

3. zueri-berlin (neu)

es ist unser bevorzugter “bericht aus der metropole”. sie ist zürcherin, und sie studiert in berlin. an der uni und die stadt. sie macht wunderbare reportagen, in bild und text, über kulturelle themen, und sie stellt alles so wunderbar dar. obwohl der stadtwanderer berlin krasser in erinnerung hat, lobt er diesen blog, und vermacht dem neuling im august platz 3.

zueri-berlin

4. apropos (neu)

es ist unser bevorzugter “bericht aus urbania”. edithrina alias rinaa zeichnet verantwortlich, doch viel schlauer wird man daraus auch nicht. macht nichts! die serie “bilder einer stadt” hat der stadtwanderer ins herz geschlossen, ästhetisch in jeder beziehung, wie architektur, kultur und natur vorgestellt werden. auch dieser blog war bisher nicht verzeichent, diesmal ist er aber direkt auf platz 4 gelandet.

apropos

5. weiach-blog (1)

es ist unser bevorzugter “bericht aus dem dorf”. weiter vorstellen muss man den weiach-blog ja hier nicht mehr. er wurde schon zweimal gerühmt. nun hat auch wikipedia die beiträge des besten dorfchronisten ausgezeichnet, sodass wir auch uns erlauben, die trouvaille weiterhin zu empfehlen. platz 5 in augustus’ monat!

weiach-blog

6. e-demokratie eu (8/neu)

es ist unser bevorzugter “bericht aus der e-demokratie”. doch diesmal empfehlen wir nicht die schweizer variante (obwohl die serie über die delibarative politik es verdient hätte, ausgezeichnet zu werden), sondern die europäische. ebenso liberal im geist wie die schweizer schwester, wird hier die bürgernahe eu gesucht. das lob ich mir als konkrete reaktion auf die jüngsten verfassungsabstimmungen. verbesserung auf platz 6. als motivationsspritze.

e-demokratie eu

7. wanderer von arlesheim (6)

es ist unser bevorzugter “bericht aus der agglomeration”. hat angebissen, auf unsere jüngste empfehlung, führt, stringenter als wir, das lokalwandern durch, und hat für blogger und nicht-blogger schon mal wanderer-tage erfunden. bravo!, lob ich da, und vergebe platz 7. für den kollegen!

wanderer von arlesheim

8. blogkritik.ch (2)

es ist der bevorzugte “bericht aus der blogosphäre”. er arbeitet weiter an unserer frage, was überhaupt ein blog ist. gut so, denn so schreibt er einmal über das, über das er sonst schreibt! wir ehren ihn dafür mit dem platz 8 in unserer favoritenliste.

blogkritik

9. sbb-blog (neu)

es ist unser bevorzugter “bericht aus dem zug”. genau genommen berichtet er aus der sicht des kondis, der täglich viele menschen sieht, geschichten erlebt, frustrationen einfängt und spass an seinem job hat. er ist kein stadtwanderer, aber ein moderner fahrender, der die zentren verbindet und dabei die kühe sieht. und er ist ein pionier in seinem fach, berichtet er doch als einziger (inoffiziell) über das innenleben der schweizerischen zugkondukteure. platz 9 als dank!

sbb-blog

10. hochparterre zürich (neu)

er ist unser bevorzugter “bericht aus der architektur”. ja, es ist der ort, wo der andere stadtwanderer arbeitet, berner wie wir, aber nach zürich ausgewandert. er ist kulturbefliessener als wir! er ist künstlericher als wir! und er ist seit neuestem wieder aktiv auf dem web, wegen uns? wir freuen uns, und geben der website, die auch internationale partner in der ganzen welt hat, den 10. platz!

hochparterre zürich

ach ja, wie das zustande kommt, will man von uns wissen: wir verraten mal soviel:

E=mc2,

wobei E Erfolg (oder Rang) ist, m die mittlere click-rate im letzten monat darstellt, und c für des chefs freude steht, die er beim besuch empfand! man sieht, es hat alles seine nachvollziehbaren gründe …

stadtwanderer

spionagestadt bern!?

“Geheime Agentin” und “Kairo” in verbindung, tönt ganz spannend. man hört die schiffe auf dem nil tuuten.. man sieht die engen gassen der alten stadt. und man riecht den duft in ihrem herzen, das zeichen des basars und der cafés, wo entscheidendes geschieht. eine Agentin des cia stützt sich in der lobby des grossen internationalen hotels nebenan auf ein netz von stadtgewaltigen, die, spinnen gleich, lokale spitzel haben, die alle auf den geplanten staatsstreich warten.


foto: stadtwanderer (anclikcbar)

und wenn das “Kairo” in bern ist? tönt das dann weniger spannend? – dieser Ansicht war zunächst “Der Bund” nicht, denn er lud im rahmen seiner regelmässigen kulturveranstaltungen im keller des kaffee “Kairo” zu einer lesung über die “Spionagestadt Bern” im zweiten weltkrieg ein. langeweile erwarteten aber auch die zahlreichen zuhörerInnen nicht, die sich entweder an elizabeth wiskemann erinnern konnten, von ihr gehört hatten oder interessiert waren, einen neo-romancier kennen zu lernen.

der autor

peter kamber heisst er. an sich ist er kein unbeschriebenes blatt mehr. der doktor designatus der geschichte – seit 15 jahren wartet seine wissenschaftliche these gedruckt zu werden – lebt in burgdorf, ist als journalist tätig und publizierte seit 1990 in recht engen abständen verschiedene bücher: über unkonventionelle zürcherInnen schrieb er, denn tod von niklaus meienberger veranlasste ihn zu einem buch, aber auch über das verhältnis der konventionellen neutralität und den allierten dachte er schriftlich nach, um 1998 kritische fragen an die schweiz in erklärungsnotstand zu stellen.

doch jetzt hat er die seite gewechselt: vom sachbuchautor will er zum romanschriftsteller werden. seit 8 Jahren arbeitet er an diesem projekt, in bern hat er recherchiert, selbstverständlich, aber auch im fernen berlin war, um nachzufragen und nachzuschlagen.

die these


seine these ist der “Krieg hinter dem Krieg”: der diskrete spionagekrieg, der in der Schweiz stattfand, während der zweite weltkrieg auf dem ganzen erdrund tobte. internationale und nationale politik mischten sich damals wie selten zuvor, sodass dies die geschichte interessieren müsse. und: der nachrichtendienst der schweizer armee und die schweizerische bundesanwaltschaft mit ihrem polizeilichen arm, der bundespolizei, liessen sich in das räderwerk hineinziehen, dessen geschichte erst in teilen geschrieben ist.

immerhin, soviel weiss man: sie war neutral. wie war klein. und sie war verdunkelt. das war die schweiz, welche die kulisse bot, dass sich die spionage der wehrmacht wie auch jene der allierten hier ansiedelten. agenten in allen chargen zogen sich hier im kleinen gegenseitig an, bespitzelten sich direkt oder indirekt, tricksten sich mit intuition oder nach auftrag aus, um informationen zu bekommen. sie hätten den grossen krieg draussen entscheiden können, ist peter kamber heute überzeugt. der autor ist überzeugt, dass die geschichte der drehscheibe schweiz im zweiten weltkrieg noch nicht geschrieben ist. er weiss, dass es auch nach der bergier-kommission geheime papiere gibt. er weiss, dass die deutsche spionage hier so kräftig zuschlug, dass die amerikaner in arge bedrängnis kamen und ihren geheimdienstspezialisten allen dulles zum wiederaufbau der allierten spionage schicken mussten. und er hat persönliche informationen über das wirken der britischen geheimagentin elizabeth wiskemann in bern.

der tatsachenroman

was ganz genau er weiss, sagt er jedoch nicht, noch nicht! denn das will in einem tatsachenroman schildern, der fast fertig sei, wie er sagt, und nächstes jahr erscheinen soll, wie organisator alexander sury beifügt. als Vorgeschmack präsentiert er, auf einladung der Zeitung “Der Bund”, der ihn bei der recherche finanziell unterstützt, erste passagen aus seinem unveröffentlichten werk. dabei kommt im kairoer untergrund schon mal gehörig spannung auf: kambers sprache ist schnörkellos, seine erzählung ist linear. man folgt im gerne, denn die geschichten sind hautnah. nur den faden zur these will man nicht finden, – vielleicht auch, weil der autor die haupthandlung immer wieder auslässt oder nur mündlich wiedergibt. während der lesung begnügt er sich mit passagen aus der nebenhandlung.

der star ist hier der ehemaliger deutscher vertreter, der in zürich kaffee verkaufte, und jetzt deutscher agent in bern ist. er hat mit einem lokalen coiffeur einen willigen helfer, der den informationsaustausch deckt. in ihrem netz zappelt ein simpler schweizer, der auf der amerikanischen botschaft briefe verträgt, sie aber nicht der post übergibt, sondern dem deutschen geheimdienst vermittelt. und man führt grosses im schilde: adèle, eine junge französin aus lyon, arbeitslos in zürich lebend, wird angeheuert, um näher an die allierten pläne heranzukommen. dafür verwickelt sie unpolitisch, wie sie ist, aber auch leidenschaftlich, wie sie wird, den botschafter aus uruguay in eine liebesaffäre.

elizabeth wiskemann kommt an diesem abend nicht vor. aber sie spielt die titelrolle im roman „Geheime Agentin“. zwei deutsche spione besetzen die weiteren hauptrollen. selber kommt der autor nicht vor, aber 30 nebenrollen hat er aufbauen müssen, um das komplizierte geflecht der internationalen spionage abzubilden, das in Bern im bellevue wie in schummerbars, zwischen bahnhofquartier und kirchenfeld und entlang renommierter hotels und diskreten diplomatenvillen agierte. das alles tönt verheissungsvoll, weckt interesse auf mehr! man möchte den roman morgen kaufen gehen, sich einlesen, die geschichten der menschen kennen lernen, sich an die these erinnern, und sie prüfen.

die lesung

doch darauf muss man noch warten. denn der autor macht erst testlesungen. zudem ist kamber im geschäft als romanschreiber offensichtlich neu. keine lesung zu keinem roman fasst das werk zusammen. souverän wüsste das der romancier, und er würde ohne bedenken weglassen, wenn er dem puls des lebens auf der spur bleibt. anders verhält sich peter kamber. er scheint noch kein konzept zu haben, was er preisgeben will und was nicht. er überspringt textpassagen, die vorlesen wollte, kehrt bei auslassungen, die er geplant hatte, zurück, stolpert über seine eigenen sätze, – und bisweilen korrigiert er während der lesung das unfertige manuskript. das alles irritiert!

diese unsicherheit überträgt sich auch auf die diskussion: eignet sich das genre, um historisch aufzuarbeiten? wie kann man wahres und frfundenes in einem historischen roman unterscheiden? wird ein solcher tatsachenroman vor der kritik aus literatur und geschichte standhalten können? – peter kamber glaubt daran, und wirkt wieder ganz ruhig, wenn er erklärt: der historische roman sei der wissenschaftlichen geschichtsschreibung überlegen, denn er eröffne dem autor einen ganzheitlichen zugang zum geschehen. gerade bei spionen müsse man sich auch mit intuition behelfen, denn die klassischen quelle versagten zwangsläufig. zu geheim bleibt ihr wirken. doch er schreibe gleich zwei „bücher“: den angekündigten roman für den buchhandel und einen noch längeren anhang für die recherche. den werde er auf internet veröffentlichen, und man werde mit elektronischen stichwortsuchen im dandumdrehen klären können, was die fakten hinter den episoden seien. und den möglichen kritikerInnen hält er schon mal entgegen, dass die ereignisgeschichte der traditionellen biografien längst tot sei. die strukturgeschichte habe zwar wesentliches geleistet, um zusammenhänge besser zu verstehen. aber jetzt gehe es um neue experiment, man müsse als historiker wieder lernen, handlungen, mit motiven und menschliches in die analysen übersichten einzubauen, um identifikationen und meinungsbildung mit zeitgeschichtlichen vorgängen zu ermöglichen.

… und das gebannte und gespannte hoffen

seit 2003 ist der roman angekündigt, uns so hofft man weiter, im publikum, im kairoer-keller und beim veranstalter. man hofft, dass deutlich mehr im schrittweise gewachsenen werk steckt als ein Krimi. man hofft, dass die vermittlung zwischen these und erzählung, zwischen geschichten und geschichte gelingt. an diesem abend mag niemand überschwänglich vorschüsse verteilen, aber auch niemand heftig vorverurteilen. alle sind gespannt, ob der seitenwechsel vom sachbuch zum roman, von der wissenschaft zur unterhaltung, vom fachartikel zum populären buch gelingt. spionage kennen das, um müssen den seitenwechsel beherrschen, wenn die geopolitik sich ändert. seiten wechseln wollen aber auch die leserInne der „Geheimen Agentin“, um mehr über den krieg hinter dem krieg, die spionagestadt bern und das leben der elizabeth wiskemann im unvermittelt verdunkelten bern des zweiten weltkrieges zu erfahren.

erhellt hat den lesungsraum vorerst eine ständerlampe aus den 50ern, kein scheinwerfer aus dem 21. jahrhundert.

stadtwanderer

peter kambers website

fahnenmeer …

zur lage der nation am bundesfeiertag 715, dem 1. august 2006, nachmittags um 5 in bern

1. strophe: offizielle schweiz


foto: stadtwanderer (anclickbar)

2. strophe: verschämte schweiz


foto: stadtwanderer (anclickbar)

3. strophe: cliché schweiz


foto: stadtwanderer (anclickbar)

4. strophe: glückliche schweiz



foto: stadtwanderer (anclickbar)

5. strophe: neues heimatwerk


foto: stadtwanderer (anclickbar)

6. strophe: selbstbewusste schweizerin


foto: stadtwanderer (anclickbar)

7. strophe: im banne der eu


foto: stadtwanderer (anclickbar)

8. strophe: insel schweiz


foto: stadtwanderer (anclickbar)

9. strophe: von der mobilität überholte schweiz



foto: stadtwanderer (anclickbar)

10. strophe: scharfer export “schweiz”


foto: stadtwanderer (anclickbar)

11. strophe: sein und bewusstsein


foto: stadtwanderer (anclickbar)

12. strophe: alarmlampe für schlappe schweiz


foto: stadtwanderer (anclickbar)

allseits beliebter refrain: “seh ich keine fahnen mehr …”


foto: stadtwanderer (anclickbar)

stadtwanderer

bester blog-beitrag zum 1. august

boss

ja, ich weiss: ich bin selber einer. nein, ich versichere es: ich wars nicht! ich schreibe keine kommentare zu meinen bloggs. ich kommentiere mit meinen blogs. doch da gibt es einen?/eine?/viele?, der/die meine kommenatare kommtiert/kommentieren. schön, denk man sich, endlich feedis! doch was man dann liesst, ist nur einmal enttäuschend: “boss”, “boss”, “boss”, und sonst nichts!

ich weiss, heute ist alles möglich! in schweden kann man sich jetzt die autonummer selber zusammenstellen. da bekommt man schon allerhand zu lesen, wie mein schnappschuss aus dem ferienalbum zeigt.


(foto: schweden-wanderer, anclickbar)

doch damit nicht genug! auch im internet ist alles möglich. da schreib ich meine buchrezension zu lucien febvres buch: der rhein und seine geschichte. und erhalte promt 8 kommentare, als da sind:

“boss
Geschrieben von Good Watch Stopping am Montag, 24. Juli 2006, 06:57
boss
Geschrieben von Model Undressed am Montag, 24. Juli 2006, 18:18
boss
Geschrieben von Sheet Metal Fabrication am Dienstag, 25. Juli 2006, 00:06
boss
Geschrieben von TramadolDog am Dienstag, 25. Juli 2006, 16:01
boss
Geschrieben von Fairfield Inn Portland Maine am Mittwoch, 26. Juli 2006, 12:06
boss
Geschrieben von TramadolDog am Freitag, 28. Juli 2006, 21:38
boss
Geschrieben von TramadolDog am Sonntag, 30. Juli 2006, 05:53
boss
Geschrieben von TramadolDog am Sonntag, 30. Juli 2006, 21:27”

das könnte ich fortsetzen, mit anderen einträgen, aber mit den gleichen reaktionen. also lass ich’s! füge aber bei: ehrlich, es ärgert mich!


(foto: schweden-wanderer (noch in dänemark), anclickbar)

mann/frau/viele nehme(n) sich ein vorbild an hugo boss, der im kopenhagener flughafen sich schon mal selber reduziert. wäre ja schon ein erster schritt zur kommunikativen beseitigung des missstands!

stadtwanderer

zeig mir deine socken

“zeig mir deine socken, und ich sag dir wo du warst!” diese alte stadtwanderer-weisheit gilt auch heute noch. wo der stadtwanderer in den ferien war, kann man auf zwei arten erfahren: entweder man liesst seine blogs, oder man schaut ihm auf die socken!

lambieks comicopledia, ein internet-sammlung von cartoonisten der gegenwart auf der ganzen welt, schreibt über lars mortimer, 1948 in schweden geboren, er zeichne seit den frühen 70er jahren. er habe typen wie ‘bobo’ (1978) kreiiert und natürlich ‘Hälge’ erfunden (1991). dies ist ein aufmerksamer elch, der zu einem der populärsten cartoon-helden schwedens aufgestiegen sei. er erscheine in vielen zeitungen, und im eigenen monatlichen comic-book.


meinem schwedisch angemessene dialoge … (foto: stadtwanderer, anclickbar)

das alles stimmt! wenn man dann aber vor vor lars steht, ist man noch mehr beeindruckt. ein riesentöff kündet seine präsenz schon mal von weitem an. mit seiner maschine durchfährt er von alfta in langhed die schwedischen weiten, erkundet er die unendlichen wälder, und beobachtet er die interessantesten tiere darin: eben die elche.

hälge ist sein star-elch! er weiss immer etwas zu erzählen, hat schwedischen geist und humor, kooperiert und übertölpelt die jäger, und kommuniziert dabei viel über die lebensweisheiten seiner mitbewohnerInnen. hälge ist der super-schwede par excellence.

seit einem jahr stehen wir gar auf seiner einladungsliste. das ist, wie vieles in schweden, gar nicht so kompliziert: wenn man lars hört oder sieht, bilden sich schon mal menschenschlangen, die um ein autogramm bitten. steht man dann endlich ganz vorne in der schlange, wird man von einem grossen elch, der hinter einem kleinen tisch sitzt, gemustert.

und der zeichenstift lässt bald erkennen, was man ist: ein tolptasch? ein tausendsassa? eine touristin? ein jäger? eine bäuerin? oder ein stockholmer? alle erfasst lars in sekundenschnelle, und jeder bekommt seinen ganz eigenen Hälge.

meiner ist schon ein jahr alt, – und privatsache! halbprivat sind meine socken, die ich für die kommende stadtwanderer-saison in ekshärad erstanden habe. bisweilen wird man sie in bern wandern sehen, und Hälge mit ihnen! kopfsteinpflaster kennt er noch kaum … denn er liesst wenige blogs, blaubeeren hat er lieber. aber er hat einen topaktuellen blog (“today’s strip”) und eine unterhaltsame website. er ist halt ein schwede, der sich gerne überall zeigt!


foto: stadtwanderer (anclickbar)

und ich zeig dir meine socken, damit du weisst, wer ich bin, — ähh, wo ich war!

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