amtl. kontrollierte berner lauben

liebe tine,

du hast ins schwarz getroffen!

deine kleine bemerkung zu meiner geschichte, wie die berner lauben entstanden sind, hat mich nicht losgelassen. gezielt hast du die behauptung aufgestellt, aus der tatsache, dass die lauben auf die gassen hinaus gebaut worden sind, könne man öffentliches interesse an den lauben ableiten.

wie recht du hattest!

meine halbe bibliothek habe ich durchforstet, das internet habe ich abgegrast, und die präsidialdirektion der stadt bern habe ich beansprucht. – ich bin fündig geworden,

und wie!

es gibt ein praxisblatt “lauben und schaufenster in der der altstadt”, welches das bauinspektorat der stadt bern im 2005 (also just zur 600 jahr feier des stadtbrandes) herausgegeben hat.


berner lauben: amtlich normiert, und dennoch vielfältig (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

man hat in den amtstudben selbstverständlich nicht vergessen, wem der boden gehört!

schon in der einleitung zum praxisblatt wird daran erinnert, als würde man ein geschichtsbuch lesen:

“Die Lauben in der Stadt Bern sind nicht Bestandteil der Gründungsanlage. Nach 1405 entstanden sie durch den Vorbau der Privathäuser auf Kosten der Gassenbreite.”

das habe ich ja auch gesagt; doch nun kommt es amtlich präzisiert:

“Sie (die lauben) wurden nur entlang der wichtigsten Längsgassen angelegt; bei den meisten Querverbindungen und bei den ursprünglich fast ländlichen Nebengassen der oberen Stadt fehlen sie oder wurden erst aus Anlass von Neubauten des letzten Jahrhunderts eingebaut.”

danke, herr bauinspektor, das wusste ich effektiv noch nicht. bekannt war ich mir aber, dass die lauben im volksmund “Rohr” heissen; und auch das kann man im praxisblatt nachlesen:

“Tatsächlich ist der stark längsorientierte, allseitig klar umschlossene Raum (das Rohr) charakteristisch für die Laube.”

nun ist aber fertig mit den historischen erklärungen aus der baudirektion. jetzt kommen knallhart die konsequenzen:

“Nur wenn alle Abschnitte der Laube mit Konsequenz sich der Grundidee dieser althergebrachten Raumdisposi-tion unterziehen, wird das einmalige und für die Berner Altstadt wesentliche Element “Laube” seine Ausstrahlungskraft behalten.”

jawohl, kann man da nur noch gehorsamst beifügen. und gestützt auf art. 122, 127-129, 148–158 der städtischen bauordnung ergibt sich daraus:

. erstens, der laubenboden: das material ist durchgehend bis zum sockel der schaufensteranlage zu verlegen, und zwar unter einschluss von kleineren rücksprüngen wie beispielsweise zurückgesetzten ladeneingangstüren. wird für grössere rücksprünge ein anderer bodenbelag gewählt, so ist er auf die farbe des laubenbelags abzustimmen.

. zweitens, die laubendecken: historische laubendecken aus holz und ähnlichem sind unter einschluss aller einzelelemente beizubehalten oder wiederherzustellen. neue laubendecken sind, sofern verputzt, mit einem kornlosen glattstrich zu versehen und weiss, allenfalls leicht abgetönt, zu streichen.

. drittens, die brandmauerbogen: sie müssen belassen werden oder in sandstein neu erstellt werden. das gilt auch für attrapen, di bei neubauten oder grösseren umbauten durch bogen in echtem berner sandstein zu ersetzen.

. viertens, die schaufenster: bestehende schaufensteanlagen, welche aufgrund ihrer disposition, ihrer ausgestaltung oder ihres alters als wertvoll einzustufen sind, werden geschützt. die schaufenster sind auf mindestens zwei dritteln ihrer länge auf die laubenlinie zu stellen. die tiefe der rücksprünge soll das doppelte der breite der rücksprünge nicht überschreiten.

. fünftens, die schaufenstersockel: die schaufenster sind mit einem massiven sockel von mindestens 45 cm höhe zu versehen. dieser sockel kann aus naturstein, kunststein oder glatt verputztem mauerwerk bestehen. zur laubendecke sind die schaufenster mit einem glatt verputzten sturz abzuschliessen, der einen kräftigen oberen abschluss bildet.

. sechstens, die schaufensterrahmenprofile: die schaufenster selber sind mit umlaufenden rahmenprofilen zu versehen; diese müssen insbesondere bei übereck gestellten schaufenstergläsern die eckausbildung übernehmen (“keine Glas-auf-Glas-Ecken”). der schaufensterrahmen soll gegenüber dem sockel leicht zurückgesetzt sein. holz das vorgeschriebene material, ausser in der oberen altstadt; das ist naturbelassenes, nicht glänzendes metall gestattet …

alles klar, liebe tine? – du siehst, die ansprüche der stadt auf den abgegebenen raum werden minutiös aufrecht erhalten. und das alles in einer amtl. kontrollierten laubenverordnung, die zum 600. jahrestag des altstadtbrandes herausgekommen ist.

ich sage da nur: ich bin sprachlos, ob der festschrift aus der baudirektion. sollte jemand noch eine fussnote machen wollen, kann man die unter telefon 031 365 65 45 direkt anbringen!

stadtwanderer