der bahnhof von löwenberg

ohne die sbb würde es löwenberg heute fast nicht mehr geben. doch steht das seminarzentrum der schweizerischen bundesbahnen just auf der sprachgrenze. und das sichert dem weiler die haltestelle muntelier-löwenberg.


station muntelier-löwenberg, mein kleiner bahnhof von heute (foto: stadtwanderer, anclickbar)

der grosse bahnhof von 1267

im august 1267 war das ganz anders: man hatte in löwenberg einen grossen bahnhof. anwesend waren comte pierre II. de savoie sowie graf rudolf iv. von habsburg. damit nicht genug: pierre hatte in löwenberg seinen bruder philipp dabei, der ihm im todesfalle als graf von savoyen nachfolgen sollte. und beide brüder begleiteten ihre schwester margareta, die witwe des letzten grafen von kyburg. doch auch der habsburger war nicht allein: eberhard, der bischof von konstanz, und berthold, der abt von st. gallen waren in diesen tagen ebenso in löwenberg bei murten.

grund des treffens war der friedensschluss im sog. grafenkrieg. der 1264 ausgebrochen war und drei jahre dauerte.

vordergründig kämpften sie um das üchtland. hintergründig ging es aber um das erbe der kyburger, die in der manneslinie ausgestorben waren. im krieg mischte aber auch richard von cornwall mit, der englische könig, der auch die deutsche königskrone trug, wenn auch nicht alleine.

das bedeutete bei kriegsausbruch nicht wenig: würde sich der savoyer durchsetzen, wäre er bis an den bodensee der mächtigste feudalherr, quasi der nachfolger der hochburgundischen könige. würde umgekehrt der habsburger gewinnen, wäre er auf einen schlag nicht mehr der lokalherr an der reuss, sondern der vornehmste graf in schwaben links des rheins. richard, der könig, setzte ganz auf pierre, mit dem man verschwägert war.

das üchtland war eigentlich reichsland. es gehörte dem deutschen könig. der sollte mit seiner herrschaft über die grasburg an der sense garantieren, dass das niemandsland zwischen aare und saane seine hauptaufgabe erfüllt: grenzland zwischen den romanischen savoyern und den alemannischen kyburgern zu sein. das hatte tradition, seit burgund als selbständiges königreich 1032 untergegangen war. nur die zähringer hatten versucht, des im namen des königs an sich zu reissen. doch nach ihrem aussterben 1218 hatte könig friedrich ii. wieder zur bewährten formel gegriffen: die häuser von savoyen und kyburg wurden miteinandern verheiratet und sollten sich, getrennt durch das üchtland, nebeneinander vertragen. die savoyer als herren über die burgundischen bauern und die kyburger als adelige über die alemannischen bauern.


le manoir im sbb-ausbildungszentrum loewenberg (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

wie im schachspiel

die savoyer hatte das ende des hauses kyburg schon länger sehen kommen. 1259 liessen sie sich von könig richard die rechte über die herrschaft gümmenen und damit über den damals wichtigsten saaneübergang übertragen. 1263, als hartmann der jüngere aus dem hause kyburg verstarb, hielt man den könig an, alle reichslehen einzuziehen und an savoyen zu übergeben. und 1264, als der graf von kyburg, hartmann der ältere, das zeitliche segnete, wollte man die trumpfkarte spielen: margarete, die witwe des kyburger grafen, aus dem hause savoyen kommend, sollte alle kyburgerrechte erben!

doch da erhob graf rudolf iv. von habsburg einspruch. kaiser friedrich ii. war sein taufpate gewesen, und er sah sich und seine familie als legitime nachfolger der staufer wenigstens in südwestlichen schwaben, besser hoch als herzöge von ganz schwaben.

im grafenkrieg, der 1264 ausbrach, schenkte man sich nichts. pierre sorgte vor: er besetzte die städte payerne, murten und bern. doch rudolf hielt dagegen: er nahm das kyburgische freiburg unter seinen schutz.

das glich einem schachspiel, wo beide parteien ihren läufer über die brettmitte ausgesendet haben. da kommt es darauf an, wer hinten besser sichert!

pierre war als erster an der reihe: er besetzte 1264 die grasburg an der sense, die festung laupen am zusammenfluss von sense und saane, und schliesslich nahm er gümmenen mit der wichtigen fähre ein. doch bevor er auf das eingekesselte freiburg losgehen konnte, verliess er sein truppen, um seinem könig in flandern gegen die dortigen aufständische barone helfen. das war sein fehler, denn jetzt kam rudolfs stunde: er besetzte seinerseits die grasburg, laupen und gümmenen, was nun das savoyische bern in eine missliche lage brachte.

da sammelte pierre, ausgehend von chillon, erneut ein heer. 1265 rückte er über romont nach murten vor, um den weg nach bern zu sichern. doch hinderte es rudolf nicht, via burgdorf und grasburg sein freiburg erneut zu besetzen. im frühling 1266 suchte der savoyer in freiburg die entscheidung, – doch er blieb erfolglos. im folgenden jahr setzte deshalb nochmals bei laupen und der grasburg an, die er innert einem monat einnahm.

savoyen war damit herr im nördlichen üchtland, was die verbindung nach bern sicherte. doch freiburg hatte man nicht erobern können. im üchtland hatte man viel leid hinterlassen. die bauern waren mehrfach von beiden seiten überrannt worden. und die soldaten waren der keilereien müde.


panzersperren aus dem 20. jahrhundert, just an der heutigen sprachgrenze in muntelier (fotos: stadtwanderer, anclikcbar)

der friede von löwenberg

nun kam die grosse stunde von löwenberg. die friedensverhandlungen sollten den grafenkrieg diplomatisch regeln. die habsburger konnte sich als sieger im alemannischen schwaben wähnen; die savoyer konnte aber gebietsgewinne im üchtland geltend machen. witwe margareta, die gräfin von kyburg aus der savoyerfamilie, konnte deshalb ihr eigengut behalten; ihre lehen aber nur noch zu lebzeiten nutzen. danach würden sie automatisch an habsburg fallen.

für pierre de savoie endete damit eine serie von grossen eroberung. seine grafschaft war nach dem ableben der zähringer von chillon aus bis bern gewachsen. und der weg über moudon, murten, gümmenen, bern war gesichert. doch innert jahresfrist nach dem frieden von löwenberg war der bemerkenswerte comte de savoie tot.

die zukunft gehörte seinem widersacher im üchtland, der als rudolf I. 1273 nachfolger von richard von cornwall als deutscher könig werden sollte. in den 1280er jahren kam er von seinen eroberungen im osten des reiches zurück, und machte gebietsgewinne bis nach payerne. doch auch sie konnten sich nicht dauerhaft im üchtland halten: bern und freiburg teilten sich das gebiet entlang der sense.


loewenberg, wie es wohl im 13. jahrhundert ausgesehen hatte (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der kleine bahnhof von 2007

in löwenberg, wo man den frieden im grafenkrieg besiegelte, erinnert heute nichts mehr an den historischen moment im sommer 1267. es steht noch der turm einer gotischen kirche, der als wohnhaus für einen alemannen dient. dann folgen panzersperren, die die sprachgrenze markieren, – und auf der anderen seite steht le petit manoir, ein burgundischer bauernhof.

so nehme ich den zug in der station muntelier-löwenberg und fahre über gümmenen heim, um meinen bericht über den grafenkrieg zu schreiben!

stadtwanderer

geld stinkt nicht!

“pecunia non olt!”, sagte kaiser vespasian seinem sohn titus, als sich dieser über die neuen steuern mokierte. er hielt ihm die erste münze, die er aus der latrinensteuer eingenommen hatte, als beweis unter die nase. “atquin e lotio est…!” zu deutsch: und dennoch stammt es aus urin, schob der triumphierende vater nach.


öffentliche toilette in murten (bild stadtwanderer, anclickbar)

vespasians jugendjahre in aventicum

vespasianus kam im vierkaiserjahr an die macht. die erste dynastie der julier und der claudier war mit dem selbstmord neros anfang 69 zu ende gegangen. drei machthaber machten danach geltend, der neue kaiser zu sein. sie bekämpften sich sich gegenseitig, und vespasian war der lachende vierte. er kontrollierte von alexandria aus die getreidezufuhr nach rom, und seinen sohn titus sandte er nach jerusalem, das jüdische königreich zu erobern. so hatte man geld und korn, und das waren schon gute argumente, um als kaiser anerkannt zu werden. in der tat begrüdete vespasianus die zweite, die flavische dynastie, die am ende des 1. jahrhunderts nach christus das römische reich unter ihm und seinen söhnen titus und domitianus regierte.

vaspasian selber wurde in italien, in der nähe von rieti geboren. sein vater war steuereintreiber, und er wurde in den norden gesandt. in aventicum, dem neue rom, auf der anderen seite der alpen, sollte er als römischer geldverleiher wirken. vespasian lebte deshalb in seinen jungen jahren in heutigen avenches.

die stadt war damals im aufbau begriffen. aus dem keltischen zentrum entstand die römersiedlung. einen kanal baute man sogar bis an den murtensee. so war aventicum, die südlichste stadt, die direkt auf dem wasser mit der nordsee verbunden war.


öffentliche toiletten in murten, 2. teil (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

öffentliche latrinen, haushaltssanierungen und kleinstädte der romandie

wo und wann die bankiers, ihre söhne und enkel auf die idee gekommen sind, für urin geld zu nehmen, weiss ich nicht. bekannt ist aber der hintergrund. in rom hatten nur die privatvillen einen eigenen wasseranschluss. die mietshäuser indessen kannten dieses privileg nicht. in diesen inuslae war es denn auch üblich, dass man im treppenhaus bottiche aufstellte, die für das “kleine geschäft” dienten. gestellt wurden die behälter normalerweise von gerbern, die den gesammelten urin für ihr handwerk verwendeten.

nun besteuerte man genau diese dienstleistung der walker und gerber. wer den urin anderer nahm, zahlte dafür dem kaiser sein geld!

in aventicum dürften die pissoirs mit dem bau der römischen steinstadt einzug gehalten haben. das war, in der zeit, als der junge vespasian in unseren breitengrad lebte. mag sein, dass der sohn des geldhändlers damals auf die idee gekommen war, dass es falsch sei, einen geschäftsvorteil entstehen zu lassen, ohne dass der staat davon etwas hat.

sicher, heute nimmt der staat kein geld mehr, wenn man pinkeln geht. das machen allenfalls noch private, welche die öffentlichen toilleten sauber halten. bis heute erhalten haben sich aber zwei sachen aus vespasians zeiten: immer wieder fällt mir auf, wie viele freistehende öffentliche pissoirs es gerade in kleinstädten der romandie hat. in avenches, in payerne und in murten findet man sie nicht selten gehäuft. und es hat sich im sprachschaz der italiener und der franzosen die vespasiano oder vespasienne erhalten. das elegante wort für das austreten aus der gesellschaft, um das kleine oder grosse geschäft zu erledigen.


öffentliche toiletten in murten (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

der reiche kaiser als wirtschaftsförderer

als vespasian kaiser wurde, übernahm er vor allem einen desolaten staatshaushalt, der ihm kaiser nero überlassen hatte. der sohn des steuereintreibers und geldverleihers sanierte diesen, und er kannte dabei keine lücken, wo es sich keine neuen steuern eintreiben liessen. der römische historiker sueton widmet dieser fantasie des kaisers ein ganzes kapitel in seiner römischen geschichte.

immerhin, vespasian nahm nicht nur geld, er gabe es auch aus. er war auch eine mächtiger wirtschaftsförderer: das niedergebrannte rom aus neros zeiten wurde in seiner zeit wieder aufgebaut. das koloseum entstand an zentraler lage im reich. doch auch ausserhalb roms förderte der kaiser die bautätigkeit. selbst das amphitheater von aventicum, das heute noch in avenche benutzt wird, geht auf vespasian zurück.

tragischer tod auf der toilette

hätte vespansian noch eine woche länger gelebt, wäre er genau 10 jahre kaiser gewesen. anders als seine vorgänger beging er weder selbstmord, noch wurde er umgebracht.

dennoch erlebte er einen tragischen tod: er verstarb am heutigen 23. juni, aber vor 1928 jahren ausgerechnet an hefitgem durchfall …

wer weiss, was ihn das an seinem lebensende noch gekostet hat!

stadtwanderer