warum und wozu sagt man “üchtland”?

lieber hubert

danke für die nachfrage zum “üchtland”.
ich bin sicher zu schnell darüber hinweg gegangen. soviel ich spontan antwort weiss, lautet sie:

bis ins 11. jahrhundert findet sich der name nirgends verzeichnet. er machte herrschaftlich auch keinen sinn. links der saane lebten die burgunder rechts der aare die alemannen. der raum dazwischen dürfte seit dem 7. jahrhundert, als beide unterschiedlich sozialisierten germanenstämme gegeneinander aufgebracht wurden, mehr oder weniger menschenleer gewesen sein. grundlos war die verzeichnung eines namens vor allem deshalb, weil entweder franken oder welfische adelige, die rudolfinger, über beide völker herrschten. sie kontrollierten sie, und auch den zwischenraum.

anders als heute hatten die germanen keine vorstellung von einer grenze, in der regel nicht einmal von einer natürlichen, als strenge unterteiluing des raumes. eine herrschaftliche grenze kannten sie sowieso nicht. vielmehr zogen sie grenzräume vor: zwischen zwei völkerschaften beliess man einen landstrich, meist durch zwei flüsse begrenzt, mit vorliebe leer. heute würde man dem kontaktzone sagen, dort wo man sich begegnet, ohne dass einer klipp klar sagen kann, hier zuhause zu sein!


schloss laupen, mitten im historischen landstreifen üchtland, dürfte burgundischen ursprungs sein. von hier aus beherrschte man die saane und sense am besten.

im 11. jahrhundert, genau 1032, kamen die burgunder herrschaftlich zum neu entstandenen mittelalterlichen römischen reich, zu dem die alemannen als teile schwaben seit 962 gehört hatten.

jetzt setzte die feudalisierung auch der grenzgebiete ein. in alemannien und in burgund entstanden grafengeschlechter, die sich über andere erhoben, und sich entweder am kaiser oder am papst ausrichteten. sie prägten nun den begriff des üchtlandes, des zwischenlandes zwischen zwei völkerschaften, das eine art nomansland war. da mit der feudalisierung wichtig wurde, wem man gehörte, lernte man sich als vasall eine höheren zu bezeichnen, und untertanen als niedere zu haben, die mit dem land, das sie bebauten verwurzelt waren.

der begriff des üchtlands selber ist aus neuerer zeit. früher hiess er auf deutsch othaland. am besten dürfte man das mit ödland übersetzen, was so viele wie wiesland meint, das heisst nicht bewirtschaftet grasland. es war ganz nützlich, um ein wenig vieh zu halten, kühe, schafe oder ziehen, die in kleinen herden hier lebten.

das vieh trennte die völkerschaften: die burgundische bevölkerung entwickelte sich romanisch, die alemannische blieb germanisch.

der wichtigste ort im üchtland war seit langem laupen, vermutlich im 10.jahrhundert von den welfen befestigter ort. von sekundärer bedeutung waren stets gümmenen und grasburg, weil man hier die saane resp. die sense passieren konnte. der könig wusste, dass es nur streit geben würde, müsste man entscheiden, wem diese zentralen orten gehören. deshalb waren die rechte auf die burgen laupen, grasburg und gümmenen beim könig selber.

die eigentliche erschliessung des üchtlandes erfolgte mit den herzögen von zähringen im 12. jahrhundert. auf ihrem weg von freiburg im breisgau nach süden, besonders nach lausannen bauten sie strassen und sicherten sie diese mit kleinstädten, die ein wenig den charakter von raststädten hatten. freiburg im üchtland war ein solche gründung, die im jahre 1157 erfolgte, bern war eine weitere, im jahre 1191. sie sicherten die umgebung, indem sie als herzöge und vizekönige das königsgut an sich nahmen.

der grafenkrieg von 1264-1268 zwischen den habsburgern und den savoyern, den ich unten beschrieben habe, brachte einen weiteren schub der herrschaftlichen erschliessung des üchtlandes. deshalb dreht sich auch fast alles darum, wer bern und freiburg hatte, aber auch, wer über laupen, gümmenen und grasburg herrschte. anfänglich obsiegten eher die savoyer, doch in den 1280er jahren verloren sie ihren einfluss im üchtland wieder an die habsburger.

im 14.jahrhundert begannen sich die gewichte zwischen bern und freiburg, die zuerst klar zugunsten der älteren zähringerstadt verteilt waren, zu verlagern. bern verdrängte habsburgische freiburg aus dem westlichen aaretal. der coup war mächtig, als bern in laupen siegte. die freiburger (mit ihnen die habsburger), die burgundischen barone (und mit ihnen die savoyer), sowie der komische kaiser aus baiern, ludwig, der sich in rom selber gekrönt hatte, weil papst das für ihn machen wollte, kamen, um die alten verhältnisse im üchtland zu sichern. doch es siegte bern, was der stadt die herrschaft über das östliche üchtland brachte, während freiburgs einfluss auf das westliche reduziert wurde.

die rivalitäten zwischen den beiden städten, waren 1365 auf dem höhepunkte der spannungen. freiburg hatte eine grosse kirche, bern nur eine kleine. doch bern hatte eine starke armee, freiburg nur eine schwache. und man erwartete den besuch des kaisers. karl iv. sollte entscheiden, wer über das üchtland entscheidet. der streit wurde im wesentlichen über die fährrechte ausgetragen. kaiser karl iv. legte fest: gümmenen gehört bern, flamatt, wo es einen zweiten übergang per schiff gab, kam an freiburg.

bern war über diesen sieg so stolz, dass es sich gerne als bern im üchtland bezeichnete. in anlehnung an verona, das auch einmal zähringisch beherrscht war, und lateinisch für bern stehen soll, schrieb man sich in der aareschlaufe sogar verona im üchtland!

hubert, danke, dass du nachgefragt hast, aber jetzt bin ich zu müde, um die geschichte fortzusetzen! nur soviel: rechts der sense und der saane geht der begriff später vergessen, während er links weiterverwendet wird, – nicht zuletzt um das zähringische freiburg im breisgau vom ebenso zähringischen freiburg – im üchtland – zu unterscheiden!

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