der 12. september 1848 war ein revolutionärer tag in der schweiz. die erste bundesverfassung der schweiz, die man sich selber gegeben hatte, wurde in kraft gesetzt. sie tat es nicht auf geltendem recht. vielmehr handelte sie aus einer eigenmacht, die sie sich selber zugesprochen hatte: ein revolutionärer akt, der souverän war.
fast kein patriotismus mehr: der geburtstag der bundesverfassung ging weitgehend vergessen (foto: stadtwanderer, anclickbar)
nach aussen war das ein starkes zeichen. die schweiz hatte sich in weniger als sieben monaten einen neuen staat geschaffen, dem es gelang, die gegensätze zwischen zentralisten und föderalisten, welche sich seit dem einmarsch der franzosen – auch kriegerisch – bekämpft hatten, zu befrieden. das war nicht ohne: denn im umliegenden ausland war es gleichzeitig zum zahlreichen revolutionen gekommen, die in kämpfen zwischen monarchien und republiken mündeten, in denen sich elitäre und basisorientierte staatsvorstellungen gegenüberstanden, und in den sich bürgerliche und sozialistische reformbestrebungen äusserten. ihnen gemeinsam war, dass sie die restaurativen verhältnisse, die der wiener kongress geschaffen hatte, nicht aufbrechen konnten.
ganz anders war die 48er revolution in der schweiz. die bundesverfassung von 1848 berift sich nicht auf den bundesvertrag von 1815. dieser garantierte die landesgrenzen. dafür verpflichtete er die schweiz zu aussenpolitischer neutralität. und er verschob die einheitsstaatlichen vorstellungen, welche die helvetische revolution von 1798 hervorgebracht hatten, stark in richtung einzelstaatlicher souveränität.
doch die neue bundesverfassung ging weit darüber hinaus. sie legte fest: die völkerschaften der 22 souveränen kantone, die durch den neuen bund vereinigt wurden, bilden in ihrer gesamtheit die eidgenossenschaft. es bestimmte weiter, dass die kantone weiterhin souverän seien, soweit dies nicht durch die bundesverfassung eingeschränkt werde. diese zentralen artikel am anfang der bundesverfassung gelten bis heute noch. sie waren und sie die grundlage für die zentralen schweizerischen institutionen: das volk, die stände, die beiden kammern der bundesversammlung, den bundesrat und das bundesgericht.
die probleme mit der ratifikation
die ratifikation der grundlegenden bundesverfassung von 1848 blieb jedoch nicht ohne probleme. nach konservativer auffassung hätte die neue bundesverfassung nur dann in kraft treten dürfen, wenn ihr alle kantone zugestimmt hätten. das vermied die tagsatzung aus eigener kraft. sie liess es offen, wie hoch das quorum der zustimmung sein müsse, um die neue verfassung in kraft zu setzen.
bis ende august 1848 stimmten 15 1/2 kantone der verfassung zu. eine mehrheit war das alle mal; sogar für eine zwei drittelsmehrheit reichte die zustimmung.
ihr haftete aber der makel an, dass zwei entscheidungen recht willkürlich ausgefallen waren. im kanton freiburg hatte nur der grosse rat über die verfassung entschieden, die bevölkerung wurde hier nicht gefragt. so undemokratisch ging es im kanton luzern nicht zu. doch mutete die zählweise eigentümlich an. wer nicht stimmte, wurde dem ja-lager zugeschlagen.
zug, wallis und tessin lehnten die neue bundesverfassung in der vorgelegten form ab, unterwarfen sich aber dem mehrheitsentscheid. uri schwyz, ob- und nidwalden genau so wie appenzell innerrhoden markierten die härteste form der opposition. sie lehnten die ratifikation rundweg ab und wollten beim bundesvertrag von 1815 bleiben.
der bruch mit den hergebrachten rechten
der annnahmebeschluss der tagsatzung, der am 12. september 1848 gefällt wurde, war also gegen die hergebrachte rechtsauffassung. er war von revolutionärer natur. er widersetzte sich dem ruf der erzföderalisten, die sich auf ihre rechtmässige souveränität beriefen. die sieger im sonderbundeskrieg, gestützt durch eine grosse mehrheit der kantone, entschieden, mit dem alten recht zu brechen und setzten so gleichzeitig neues recht, das sich als sinnvoll erweisen sollte und dem sich heute niemand mehr widersetzt.
doch 1848 wurden die konservativsten katholischen orte wider willen mitglieder des souveränen bundesstaates. hätte man die konservativsten katholischen orte damals nicht gezwungen, mitglieder des neuen, souveränen bundesstaates zu werden, wären sie heute inseln im schweizerischen bundesstaat, ohne wirklich zur schweiz zu gehören. doch das dem ist nicht so. die sind mit den gleichen rechten teil des bundesstaates, dem sie nicht eigentlich beigetreten sind.
so grosszügig und widersprüchlich zugleich ist die schweizerische revolutionen vom zwölften september achtzehnhundertachtundvierzig.
stadtwanderer
ps:
dieser artikel ist bruno c. aus gersau (schwyz) gewidmet, für den ich heute 12. september 2007 eine spezielle stadtwanderung zu seinem 75. geburtstag organisiere.