12. dezember 2007: bern bundesplatz

pascal couchepin, der designierte bundespräsident, verliess das bundeshaus freudenstrahlend. er wandte sich an die menge auf dem bundesplatz, schwenkte den arm wie ein sieger nach einem boxkampf und sprach ein paar worte zu den leuten, die ganz vorne standen. es war sein moment. dann wandte er sich nach links ab, richtung bellevue, die schönen aussichten erwartend. die spitze seiner fraktion, die unmittelbar vorher aus dem bundeshaus getreten war, hatte sich mit unbekanntem ziel nach rechts verabschiedet gehabt.


bern bundesplatz nach der bundesratswahl: luc recordon, der grüne ständerat, der das abwahl-procedere von christoph blocher ins rollen gebracht hatte, fühlt sich bei den meisten manifestanten des heutigen tages wohl (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

die vielleicht 300 oder 400 menschen auf dem bundesplatz nahmen die richtungsfragen in der fdp gelassen hin. die meisten waren wohl blocher-kritisch und freuten sich ganz einfach. “das ist der schönste tag in meinem leben”, hörte man ebenso oft wie: “und es bewegt sich doch nich etwas”. ganz egal, was man zur politik von christoph blocher dachte; man hatte einfach genug von seinen auftritten als oppositionsführer in der ministerpräsidentenrolle, von der permanenten gratwanderung zwischen drinnen sein und ausreizen. der krug geht zum brunnen, bis er bricht!

“heute ist der mythos blocher entzaubert worden”, sagt mir eine ältere frau treffend. “der tausendsassa der schweizer politik” wurde aus der regierung abgewählt. “der grosse medienzampanu hat sich mit seiner alles-oder-nichts politik selber ins abseits manövriert”. das sind die kernsätze aus dem gespräch, die ich mir merken kann. doch dann wird die utnerhaltung jäh unterbrochen.

ein paar offensichtliche blocher-fans mischen sich ein: “sie werden noch auf die welt kommen, was jetzt passiert. wir sind stolz, schweizer und svp zu sein. und wir werden es euch linken allen zeigen.” die krawatte mit den weissen schafen und dem einen schwarzen habe schon einmal gesehen, am svp-umzug vom 6. oktober 2007. wer nicht zu uns gehört, wird ausgegrenzt, war seither das motto.

meine gesprächspartnerin widerspricht den drei mannen heftig, die gleich aufbrausen. “wir haben nicht auf ihre meinung gewartet. wir brauchen sie nicht, genauso wenig wie diese bündnerin, die jetzt svp-bundesrätin sein soll.”

die stimmung auf dem bundesplatz ist angeheizt, bis über sms und radio die meldung durchsickert, dass sich eveline widmer-schlumpf in bern bedenkzeit ausbedungen und von der svp-fraktion auch erhalten habe. anders, als man es am morgen aus svp-sekretariatskreisen hörte, hat sie nicht einfach verzichtet. aber auch anders als es sich die wählenden im nationalratssaal erhoffte hatten, hat sie nicht einfach zugesagt. wie es weiter geht, weiss auf dem bundesplatz niemand.

auf dem weg ins büro werde ich so häufig wie nie angesprochen. es besteht ein bedürfnis, sich zu dem, was heute mittag um 10 uhr 40 geschehen ist, mitzueteilen. doch die reaktionen, die ich heute aus der bevölkerung erhalte, sind geteilt. der blumenhändler bedauert die abwahl und ist sicher, “die juristen” hätten das gemacht, welche den bauernsohn blocher nie ertragen hätten. ein älterer herr wiederum stellt sich mir vor. er sei politologe aus genf, aus den 60er jahren. er sei heute morgen im emmental gewesen und habe nur bruchstücke mitbekommen, was geschehen sei. doch jetzt sei er hier in bern. und er könne es noch fast nicht fassen. alles käme so überraschend!

am abend sehe ich nochmals vor dem bundeshaus den weihnachtsbaum an. ich mache ein paar bilder. es huscht eine gruppe, die eben das bundeshaus verlassen hat, an mir vorbei. ich erkenne ueli maurer und caspar baader. “was machen sie jetzt?”, frage ich. “was wir immer gesagt haben. wir gehen in die opposition!”, tönt es, wie wenn es nur aus einem mund käme.


bern bundesplatz nach der svp-fraktionssitzung: partei und fraktionsspitze verlassen das bundeshaus eilenden schrittes in richtung opposition (fotos: stadtwanderer, anclickbar)

ich lass es noch offen, ob es für die schweiz die grosse beschereung war oder das grosse weihnachtsgeschenk für alle, die ein anderen land wollen.

stadtwanderer

gratulation, corina casanova!

tarasp war herrlich. anfangs september ’07 war ich da. ich berichtete. mit meinem geheimplan-beitrag. ich sagte niemandem, wo ich war, stellte aber ein rätsel. das haben dann die knobelfreunde unter meinen leserInnen auch prompt herausgefunden.

doch haben sie nicht herausgefunden, beim wem ich war.


schloss tarasp, an dessen fuss die geschwister casanova aufgewachsen sind, und wo die neue bundeskanzlerin am wochenende lebt

es waren die geschwister casanova. der bruder, christian, organisierte einen ärztekongress, wo ich die einleitung über geschichte und gegenwart des bünderlandes sprach und über die rolle der bündnerInnen in der politik. das ganze endete in einem appell an konkordanz. an zusammenarbeit. und an mässigung.

im saal war auch die schwester. corina. und das ist typisch für sie. sie kam von bern. sie hörte aufmerksam zu. sie sass in der hintersten reihe. vom redner verlangte sie, dass man nicht auf sie aufmerksam mache. und schon gar nicht von den absichten, bundeskanzlerin zu werden. sie war der inbegriff der mässigung und der zusammenarbeit.

merci, den geschwistern casanova für die wudnerbare geheim-einladung nach tarasp. merci auch corina, der neuen, viersprachigen bundeskanzlerin, die mich als dank in ihre wahlheimat eingeladen hatte. denn sie war der erste promi, der mit mir stadtwanderer kam, als sie zur vizebundeskanzlerin gewählt worden war!

wünsche gutes gelingen der anspruchsvollen arbeit, frau bundeskanzlerin!

stadtwanderer

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