asoziale kommunikation

ich war heute wieder in st. gallen, an der hsg. hin- und zurück ergibt das 4,5 stunden zugfahrt. das bestimmt einen wesentlichen teil meiner alltagserlebnisse an solchen tagen.

so auch heute!

und das muss hierzu einmal deutsch und deutlich gesagt sein: die asoziale kommunikation in zügen wird in einem grassierenden masse verunmöglicht.
nein, ich meine das wort “asozial” nicht wie rechte und linke politiker. ich verwende es hier wie in der soziologie. für die entsteht nämlich kommunikation im zusammensein von menschen. soziale kommunikation kann man auch als kommunikation in einer örtlich realen beziehung bezeichnen.


das wilde telefonieren in eng besetzten zügen wird immer mehr zu landplage!

doch die örtlichen sozialen beziehungen verschwinden im zug schnell als der “ice” von osten nach westen fährt! das beziehungsleben des mobilen menschen ist entstandardisiert. ich bin da, und du bist dort; wir sehen einander nicht mehr, aber wir können noch miteinander handyphonieren!

welch ein GLUECK!, für die verbundenen wenigstens.

man kann sich so ja stundenlang austauschen. man kann dabei, mitten im vollbesetzten zug, wie zuhause auf der couch, die schuhe ausziehen, die füsse hochlagern, die fingernägel feilen, die augenlider schminken, in einen apfel beissen, cola trinken, zum fenster hinausschauen oder die nachbarin mustern.

und über einen ohrfortsatz oder einen kehlkopfverstärker mitander paludern. und das ist einer unnatürlichen laustärke, in einer horrenden intensivität, und während der ganzen zugfahrt.

welche ein UNGLUECK!, für all die unverbundenen.

rund um sie herum klingeln die mobiles der mobilen zu allen zeiten und in allen tonlagen. vom business-takt, über intime privatgespräche, vom kinder ins bettschickenaktionen bis hin zum auffordernden “tschou Schatz, chonsch mit cho abhole?”, bekommt man, als nicht mitgemeinter, alles geboten.

erst noch ungefragt. und wehe man beschwert sich darüber.

ich bilanziere die misère in schweizer zügen, speziell zwischen zürich und bern: der medial verbundene, aber anwesende kommunikationspartner ist der einzig in der ganzen zugswelt, der alles asoziale der handyvermittelten zugskommunikation nicht mitbekommt. alles anderen, die eigentlich gar nicht mitbekommen sollten, erhalten alles, was unsozial ist, aufgetischt.

ich kann da nur eine forderung aufstellen: ich bin für die vollständige wiederherstellung der einheit von kommunikation und sozial gewünschten partnern und für die verbannung der ungewünschten begegnungen mit asozialer kommunikation in den zügen!

schade, die rauchfreien zügen haben das zugfahren so viel angenehmer gemacht. jetzt wird wieder alles verschlechtert, durch die ubiquitäre asoziale kommunikation!

(leidgeplagter) stadtwanderer