undemokratisch?

ich tagi von gestern stand folgender, bemerkenswerter leserbrief:

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quelle: tages-anzeiger, 3. juni 2008

über die schlussfolgerung will ich mich hier nicht äussern. wir machen weder für noch gegen parteien werbung. der erste satz indessen ist bemerkenswert.

der souverän ist der inhaber der obersten staatsgewalt. in monarchien ist das der könig. in republiken indessen ist es das volk.

die schweiz ist seit 1848 eine republik. die staatsgewalt ging damals vom volk (der nation) und von den kantonen (den staaten) aus, und sie verband sich im bundesstaat.

in repräsentativen demokratien bestimmt der souverän über die verfassung, und er nimmt die wahl der organe wahr, die demokratisch legitimiert sind. in der schweiz ist der souveränitätsbegriff seit 1874 weiter entwickelt. denn volk und stände müssen auch über einzelne verfassungsänderungen resp. -zusätze entscheiden, und das volk kann auch über gesetzesänderungen abstimmen, wenn es will.

wenn sich der souverän bei den abstimmung vom wochenende in undemokratischer art und weise über den volkswillen hinweg gesetzt hätte, hätten sich die stimmenden, die kantone und ihre aktiven bürgerInnen, die den souverän bildeten, mit ihrem direktdemokratischen akt über den volkswillen hinweg gesetzt. doch der volkswille wird in direkten demokratien nicht anders als mittels volksabstimmungen bestimmt. das kann nicht undemokratisch sein!

logisch gesehen geht das also nicht auf. es gibt meines erachtens nur zwei möglichkeiten, dem problem zu entrinnen:

erstens, die stimmbürgerInnen, die sich in volksabstimmungen äussern, und die Kantone, die sich so auch vernehmen lassen, wären nicht mehr souverän.

oder zweitens, der volkswille wird mittels einer neuartigen, mir weiters nicht bekannten form bestimmt.

bin gespannt, wer mir das problem löst!

stadtwanderer