die krux grosser parteien in der schweiz

das neue thema kündigt sich an: die fussball-europameisterschaft. meine prognose für den final: frankreich-kroation, und frankreich gewinnt. ich gebe allerdings zu, dass ich gar nichts verstehe von fussball. das ist ja in der politik nicht ganz der fall. und diese woche war politisch, wie kaum eine zuvor. deshalb meine ernsthafter gemeinte einschätzung zur politischen entwicklung, die ich als historiker mache.

parteien, die auf nationaler ebene 28 prozent erreichen, haben mühe, das auf die dauer zu halten oder gar zu steigern, sie neigen dazu, durch neue parteien konkurrenziert zu werden.

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quelle: tages-anzeiger, 2.6.08

man errinnert sich: die svp war im vergangenen oktober mit 28,9 prozent wählerInnen-anteil und 62 nationalratsitzen nicht nur wahlsiegerin; sie erreichte damit ein für schweizerische verhältnisse einmaliges ergebnis in der volkskammer.

die bisherigen erfahrungen mit grossen parteien

bisherige leaderin war die fdp, die 1919 auf 60 sitze und 28,8 prozent stimmen kam. das leitete sich vor allem aus den zeiten ab, als noch das majorzwahlrecht galt, währenddem die fdp die parlamentswahlen klar dominierte, danach sank die fdp fast kontinuierlich ab, konnte sich nur 1951 und 1971 wieder steigern, und ist sie heute bei den bekannten 15.8 prozent.

unter proporzbedingungen schaffte es die sp 1928 auf 27.2 prozent und 56 sitze, und erreichte sie 1955 27 prozent bzw. 55 nationalratsmandate. nach 1928 konnte sie das politisch nicht ummünzen, nach 1955 schon. vier jahre später stieg die damalige oppositionspartei mit 2 bundesräten in die oberste liga der schweizerischen parteien auf. doch gelang es ihr danach nie mehr, als ihre elektorale stärke ganz anzuknüpfen, obwohl sie sich zwischen 1995 und 2003 stets verbessert. der hauptgrund liegt darin, dass sie konkurrenz im eigenen lager bekommen hatte, zuerst durch die neue linke, dann durch die grünen resp. grünliberalen, die ihr aus der opposition wählerInnen streitig machten.

die cvp wiederum hatte ihr historisches hoch unter proporzbedingung 1963 mit 23.3 prozent wähleranteil und 48 nationalratssitzen. sie profitiert damals von der neuen dynamik, die sich aus der zauberformel für den bundesrat ergeben hatte. doch kippte diese recht rasch ins gegenteil, und die cvp erhielt mit dem ldu vorübergehend eine erhebliche konkurrenz in der politischen mitte, die nicht nur gemässigte zentrumswähler, sondern auch aufkommende nonkonformisten zwischen den blöcken ansprach. sie versuchte sich mit einem volksparteienkonzept 1971 neu zu plazieren, was ihr bis ende der 70er jahren auch gelang. wie die fdp leidet sie seit her jedoch an innerer demobilisierung und an der konkurrenz der svp.

die herausforderungen für die svp

diese wiederum schien dem bisherigen gesetz der grösse von parteien unter proporzbedingungen 2007 entrinnen zu können. mit ihrem starken mobilisierungsfähigkeit, die sich durch abgrenzung gegen über den anderen parteien, aber auch den massenmedien ausdrückte, die personell und thematisch stark zugespitzt agierte und die auf einer recht eisernen parteidisziplin von oben her geführt basierte, schaffte sie bei den letzten nationalratswahlen, was bisher niemandem gelungen war.

doch nun zeigen sich, für den historiker, nicht überraschend die grenzen der grösse. der druck von oben funktioniert nur, solange man erfolg hat. diese sind mit dem offiziellen oppositionskurs schwieriger zu erreichen, denn die inneren widersprüche der partei zeigen sich auf kantonaler und lokaler ebene deutlicher als auf der nationalen. sie führen zu richtigungskäpmfen zwischen national- und liberalkonservativ geprägten exponenten, die sich an der frage der regierungsbeteiligung einerseits, des politischen umgangs mit dem gegner anderseits entzündete. dies weitet sich aktuell in den bekannten ausschlüssen aus, denen wiederum spaltungstendenzen folgen.

der stand der dinge

gegenwärtig sind vier positionen zu erkennen:

erstens jene von bundesrätin eveline widmer-schlumpf und der bündner svp, die mit der vaterpartei gebrochen haben und entschieden sind eine neue zukunft suchen,

zweitens jene von bundesrat samuel schmid, der gruppen bubenberg, die eine liberale svp ausserhalb der schweizerischen svp wollen, aber zögern, mit ihr zu brechen, solange die position der basis nicht bestimmt ist,

drittens jene von peter spuhler, der in der breit verankerten svp thurgau gelernt hat, dass in einer volkspartei verschiedene meinung platz haben müssen und das als erfolgsrezept auch der svp schweiz empfiehlt, und

viertens jene der parteileitung und insbesondere christoph blochers, die weder inhaltlich noch stilistisch kompromisse eingehen will und durchhalteparolen herausgibt, weil sie das als abkehr vom bisherigen konsequenten kurs, der die partei nach vorne gebracht hat, betrachtet.

noch ist offen, was daraus wird. zwischen ende des aufstiegs und sturm im wasserglas scheint einiges möglich.

zunächst wird sich die partei selber finden müssen. sie wird damit zeichen setzen, die bei den anderen parteien, bei den wirtschaftsverbänden, in den medien und in der öffentlichkeit gelesen werden und so mitbestimmen werden, wie sich die elektorale kraft der svp inskünftig entwickelt. parteien. die wählerschaft zeigt zunehmend gegenreaktionen und grenzt sich bewusster von der oppositionspartei svp ab.

der blick nach vorne: ab jetzt nur noch fussball

das ist zwar keine handfeste prognose, wie beim tschutten, die auch bald auf ihre richtigkeit überprüft werden kann. es ist aber eine historisch genährte einschätzung der gegenwärtigen entwicklungen, die der stadtwanderer mal so stehen lässt. und sich freut, wenn frankreich im em-final gewinnt …

stadtwanderer