die mythen der realität

also bin wieder da. doch noch immer bin ich nicht ganz angekommen. das macht mich aufmerksamer für das, was real und was fiktiv ist. eine aufforderung zu selbstbefragung!

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meist meint man ja, das internet virtuell, und das andere sei dann reell. ich ist das viel zu einfach: das internet wird vielerorts eine virtuelle realität (so auf dem” stadtwanderer”), genauso, wie wir seit langen bei vielen gelegenheiten reelle virtualitäten kennen.

wenn wir sie nur sensibel genug wahrnehmen!

da ist mir natürlich bei meinem ersten besuch in einer berner buchhandlung das buch “die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab” aufgefallen. drei kauzige amerikaner sind den vorbildern ihrer (oder der westlichen) kultur nachgegangen, und haben sich gefragt, wer davon auf andere gewirkt hat, obwohl er (oder auch sie) nie gelebt hat.

dafür eigenen sich natürlich vorerste die vergangenen helden. bei ihnen ist es bisweilen ganz schwer zu unterscheiden, ob die kunden von ihnen auf eine wirkliches oder erfundenes leben zurückgreift. es kommen aber auch ikonen der gegenwart in frage. die werbung neigt dazu, uns projektsflächen anzubieten, die, wenn es keine lebenden menschen dafür gibt, vorstellungen davon zum leben erweckt. und wird aus dem buch, das hier besprochen wird, eine sammlung populärer mythen, die teil unserer kultur geworden sind, auch wenn wir sie nicht realen ursprungs sind.

gerade weil das buch von dan karlan, allan lazar und jeremy salter eine echte innovation auf dem buch- und ratingmarkt ist, sind seine aussagen ungewohnt. das fordert fast automatisch zu diskussionen heraus: wer hat die auswahl bestimmt? wie weit spielen da die präferenzen der autoren, nicht die vorlieben der untersuchten kultur eine rolle? wie wurde die reihenfolge bestimmt? was sind verallgemeinerbare faktoren des fiktiven einflusses? das liegt an sich auf der hand. die autoren wissen das, und bemühen sich um transparenz. letztlich aber wissen sie, dass ihr unterfangen keine höhere moral, nur eine unterhaltsame selbstbespiegelung ist.

im einzelfall wundert man sich darüberhinaus über die porträts. gelegentlich ist man begeistert, dann wiederum schüttelt man den kopf, wenn man in eine fiktion eingeführt wurde. doch das macht ein buch anregend. man beginnt selber nachzudenken, wer in der kindheit einflussreich war, der lebensphase, in der man in märchenbüchern, abendteuer- und monstergeschichten, fast unmöglich zwischen realem und fiktivem unterscheiden kann. beim schmökern im neuen, soeben aus dem englischen ins deutsche übersetzte buch wird man auch herausfordert, seine aktuellen vorstellung von wirklichkeit zu prüfen: gibt es in der agentenwelt den james-bond-typ wirklich nicht? king kong ist er nicht am 11. september 2007 auferstanden? und cinderella oder ödipus, sind sie fiktiv vorlagen für populäre psychologische menschendeutungen, mit denen man gutes geld verdienen kann?

unsere drei autoren, alles aussteiger aus dem amerikanischen karrierejobsystem, wissen wie man provoziert: von ihrer rangierung mit den nummer 1 bis 101 gebe ich deshalb hier mal die ersten 10 wieder:

1. der marlboro-mann

2. big brother

3. könig artus

4. st. nikolaus

5. hamlet

6. frankensteins monster

7. siegfried

8. sherlock holmes

9. romeo und julia

10. dr. jekyll und mr hyde

auch für den den stadtwanderer haben die drei amis eine überraschung parat: der in diesem blog so oft zitierte wilhelm tell findet sich, ohne jede problematisierung, an 42. stelle der einflussreiche menschen, die es gar nie gegeben hat. das wird hierzulande nicht allen gefallen, selbst wenn die österreicher die problematik, die mich hier interessiertl, so treffend zusammengefasst haben: ob tell gelebt hat, ist nicht sicher; sicher ist nur, dass er gegen habsburg gekämpft hat!

ich kann da nur noch nachfragen: wenn hätte ihr zu den supereinflussreichen gezählt, die nur in eurer vorstellung real sind?

stadtwanderer

dan karlan, allan lazar, jeremy salter: die 101 einflussreichsten personen, die es nie gab. wie barbie, james bond und hamlet uns verändert haben, aus dem englischen von barbara först, bergisch gladbach 2008

die ganze liste

innere enge

die innere enge ist bern zunächst ein ganz tolles restaurant, das ursprünglich ausserhalb der stadt stand und im 18. und 19. jahrhundert ein beliebter treffpunkt war. niemand geringeres als josephine, die erste gemahlin von napoléon hielt sich da 1810 auf, als sie bern mit ihrem besuch grösse verlieh. innere enge ist in bern aber auch ein grundgefühl, das dem wortsinn deutlich näher kommt. es geht um kleinheit, um introvertiertheit und um beklommenheit. von diesem unbehagen habe ich ja auch schon berichtet. und es beschäftigt mich seit meiner rückkehr persönlich. nicht gedacht hätte ich aber, dass ich damit auch gleich eines der kontroversen stadtthemen empfinde.

bild-281.jpgdie sich anbahnende politische kontroverse in bern

vor einer woche erklärt regula rytz, mit der überarbeitung des nutzungsreglement in der oberen altstadt die bewilligungen für strassenrestaurant überprüfen, sprich einschränken zu wollen. seither ist der teufel los, denn der vorschlag der grünen gemeinderatin, die in der stadtregierung in der mehrheit ist, gibt ein tolles sujet im wahlkampf ab, der sich für kommunalwahlen vom 30. november 2008 ankündigt. die entgegengesetzten vorstösse aus dem bürgerlichen lager werden, soweit ich sehe, jeden tag zahlreicher, und sie bestimmen zusehends, was man in der stadt und in ihren zeitungen momentan diskutiert.

zu den tieferliegenden gesellschaftlichen symptomen

was steckt dahinter? soziologen analysieren seit langem die verschiebungen von privatem und öffentlichen in nachmodernen städten. in dörfern der traditionellen agrargesellschaft, aber auch in mittelalterlichen städten war die trennung noch unvollständig. sie hat mit dem wachstum der städte während des industriezeitalters zugenommen, und sie wird jetzt, in den posindustriellen städten wieder aufgehoben. plätze und strassen sind nicht mehr eindeutig öffentlich, und auch kirchen, kasernen oder schulen werden für neue, meist privaten nutzungszwecke geöffent. das ganze setzt sich in der werbung fort, die im öffentlichen raum, sei dies nun in stadien, am postschalter oder an häuserflächen präsenter wird, meist aber privaten interessen dient. mit der mobilen strassenwerbung, die den gehsteig, das taxi oder auch den gepäckträger von fahrrädern erobert, wird eine weitere stufe in diesem prozess erklommen.

wo der platz unbegrenzt ist, mag das alles noch gehen. doch der urbane raum zeichnet sich gerade durch dichte der kommunikation und ihrer symbole aus. und auch die menschen kommen sich im städtisch geprägten umfeld distanzmässig automatisch näher als im ländlich. in bern verstärkt sich der eindruck, denn in der altstadt dominieren gassen, die gar nicht auf den motorisierten verkehr ausgerichtet sind; es stehen die häuser, die mehrere stockwerke nach oben ragen, nahe an den strassen. und es ist zu keiner entflechtung der verkehrteilnehmer gekommen. die beruhigung durch den motorisierten verkehr ist unvollständig, die softmobilen nehmen zu, und unter den fussgängern gibt es immer mehr auch gruppen, die geschlossen auftreten, etwa demonstranten, touristen und auch stadtwanderer.

das alles wird durch den zerfall öffentlich verbindlicher sitten verstärkt. es regiert die individuelle rechtssetzung, wonach gilt, was einem selber nützt, wonach der raum beansprucht wird, den man für rasches vorankommen braucht, und wonach rücksichtnahme auf andere, auch schwächere menschen im städtischen raum bald ganz verschwindet.

keine vereinfachungen angesichts der neuen bruch- und baustellen

doch will ich hier nicht moralisieren. weder aus meiner momentanen befindlichkeit heraus, noch als politischer beobachter. ich glaube aber, dass die frontstellung wie sie sich im momentanen wahlkampf anzuzeichnen beginnt, falsch ist. es geht nicht um rotgrüne politik, genauso wenig wie es um gewerbefeindliche massnahmen geht. das alles sind versucht, die öffentliche diskussion parteipolitisch zu instrumentalisieren. umgekehrt geht es allerdings auch nicht einfach darum, die wuchernde individuelle inanspruchnahme des öffentlichen raum für private zwecke zu kritisieren, sei dies durch bettler im bahnhof, durch passanten, die von der welle strömen oder durch strassencafe besucher, die ein wenig den kurzen sommer geniessen möchten.

meines erachtens geht es um einen viel tiefer greifende gesellschaftspolitische bruch- und baustelle, die sich aus der inneren enge als tatsache in zeitgenössischen städten wie bern ableitet. man hat das während des bahnhofplatzumbaus als vorübergehende erscheinung bagatellisieren können. und man hat es während der euphorie angesichts der orangen bewegung während euro 08 vergessen können. angesichts der zurückgekehrten normalität zeigen sich die probleme, wie sie eben sind: verdammt vielschichtig in verdammt engem raum. sie müssen gelöst werden, und zwar über den 30. november 2008 hinaus!
stadtwanderer

bild: gedrängter geht’s nimmter; passantinnen, werbung, glacestände und riechende schaufenster auf engstem raum unter berns altstadtgassen (foto: stadtwanderer)

wassern im aaretal

als ich ein junge war, hätte ich mir nie die mühe genommen, über das heimkehren zu schreiben.

vielmehr hätte ich von der abreise geträumt: dem ersten schulausflug, den ersten ferien ohne eltern oder dem ersten flug. ich hätte vom losreissen berichtet. von der freiheit, der entdeckung oder dem abenteuer. der bahnhof, vielleicht auch ein flughafen wäre meine startrampe für diesen flug gewesen. für das gefühl, das letzte in der welt erfahren zu wollen.

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doch jetzt sinniere ich über die heimkehr. wahrscheinlich werde ich auch älter.

denn immer deutlicher wird landen zum wichtigsten moment in den ferien. finde ich, was ich während der abwesenheit vermisst habe? oder schockiert mich das wieder, was ich, während ich unterwegs war, getrost bei seite schieben konnte? auf dem weg aus den ferien fragt man sich, ob man hart aufprallen wird, denn man hofft, weich aufzusetzen.

noch schwanke ich, was überwiegt: die freude oder der ärger?

die rückreise in etappen hat auf jeden fall grosse vorteile. man hat zeit sich auf das kommende einzustellen. gut ist es auch, nur schrittweise das gewohnte zu suchen und dazwischen neugierig nach ungewohntem ausschau zu halten. wach zu bleiben, und nicht gleich wieder einzuschlafen. die eigene kraft, die man aus der ferne mitbringt, in den sog der nähe einfliessen zu lassen, der einen gerne zurück haben will.

schon die schweiz ist klein, wenn man an schweden denkt. zudem sind schweizer städte eng besetzt mit menschen, wenn man sich an die weiten der fast unwohnten wälder im norden gewöhnt hat. und schliesslich kennt hier jeden jeden, sodass man ungestört nirgends hingehen kann. das alles gehört zu meinem ärger, hier anzukommen. obwohl ich genau weiss, dass das auch geborgenheit entstehen lässt, übersicht gewährt und sicherheit gibt. und mir das durchaus nicht unangenehm geworden ist.

vielleicht wird das wassern an der aare diesmal auch etwas sanfter, weil ich dank dem bloggen gar nie ganz weg war, genauso, wie ich nicht nur irgendwo bin. denn bloggen ist irgendwie immer überall und nirgendwo zu sein. auch wenn es deshalb ein wenig absurd ist, mich auf dem blog willkommen in der heimat zu wünschen, hat es mich auch ein wenig gerührt, alle diese wellcomes in den kommentaren zu lesen.

ich verspreche: werde mir mühe geben, wieder festen boden unter den füssen zu finden, um um mich frohen mutes hinter meine lieblingsbeschäftigung in bern (und anderswo) zu machen

stadtwanderer

schweizer diplomatie und lübecker altstadt

er ist ehrenbürger der stadt lübeck. das hat auch aus lübscher sicht auch gute gründe. selbst wenn man in der schweiz zwischenzeitlich kritischer über ihn denkt, als dies in lübeck der fall ist.

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carl jakob burckhardt lebte von 1891 bis 1974 in der schweiz und irgendwo auf der welt. er lebte fast zeitgleich wie mein grossvater väterlicherseits. der generation meines vaters war er weitgehend noch ein begriff. meiner generation ist er weitgehend vergessen gegangen, nicht zuletzt, weil seine fachkollegen ihn immer kritischer würdigten.

lübeck wurde anfänglich von den kriegshandlungen verschont. doch am palmsonntag des jahres 1942 krachte es gewaltig über der stadt, als englische flieger sie bombardierten. die mächtigen glocken des grossen kirchturms bohrten sich damals in sekundenschnelle in den stadtboden, und sie sind da heute noch zu sehen. der dompfarrer predigte, das sei ein gottesurteil. die nazis verziehen ihm das nicht. er starb, nicht wegen den engländern.

1944 war das geschockte lübeck froh, von der kriegsdiplomatie zur offenen stadt erklärt worden zu sein. das machte sie zum umschlagplatz für lieferungen des roten kreuzes, und zum verhandlungsort für waffenstillstände. und es schützte die bevölkerung vor weiteren bombardierungen.

vermittelt hatte das lübecker abkommen von carl jakob burckhardt. der basler aus grossbürgerlichem hause hatte geschichte studiert und eine grossangelegte biografie von kardinal richelieu verfasst. zuerst wirkte er in zürich, dann in genf als professor für neue geschichte. schliesslich ernannte ihn der völkerbund zu ihrem hochkommissar in danzig. er sollte den speziellen status der freien stadt vermitteln, ohne dadurch einen krieg zu provozieren.

das hat burckhardt im ostseeraum gute beziehungen eingebracht und ihn auch geprägt. mit meiner “meine mission in danzig” hat er sein geschichtsträchtiges wirken gleich selber dargestellt. in lübeck verlieh man dem schweizer diplomaten nach dem krieg die ehrenbürgerschaft der stadt, und der publizist erhielt im kalten krieg auf den friedenspreis des deutschen buchandels. nicht viele schweizer sind in deutschland so geehrt worden!

während meiner eigenen ausbildung als historiker lernte ich die figur burckhardt erstmals kennen. ich schrieb eine diplomarbeit über schweizer aerzte, die mit den soldaten nach russland gingen, um für das rote kreuz tätig zu sein. faktisch waren sie aber ein teil der wehrmacht. das machte ihr humanitäres wirken politisch fragwürdig.

genau in diese schwierigkeit ist auch burckhardt, seit 1945 präsident des ikrks, geraten. in der schweiz kritisierten ihn publizisten und historiker, dass das rote kreuz den rassenmord im dritten reich nicht verurrteilt habe. burckhardts schweigen, seine zwiespältige haltung gegenüber dem antisemitismus sowie seine ablehnung von demokratie werden heute kritisch untersucht. vorgeworfen wird ihm, sein hass auf den kommunismus habe ihn so weit getrieben, den nationalsozialismus als das kleinere übel von beidem zu akzeptieren und sich mit ihm zu arrangieren.

selbst wenn ich das intellektuell auch teile: wenn man heute als schweizer in lübeck in der altstadt, die zum weltkulturerbe der unesco zählt, oder wenn man vor dem carl-jakob-burckhardt-gymnasium der stadt steht, wirkt die kritik schnell relativ.

stadtwanderer

vorhang zu!

nun sind wir also in der lübeck. der hansestadt überhaupt. denn hier fand zwischen 1357 und 1669 sehr häufig der hansetag statt. damit führte man die auf der ost- und nordsee treibenden städte in wirtschaftlicher und militärischer hinsicht. eine würdige kulisse für den abschluss der ferienreise des stadtwanderers!

luebeck-loewenapotheke.jpgdie hanse war ihn ihrem besten tagen eine weltmacht. das machte die stadt interessant. und so haben mehrere kaiser und auch der russische zar ihr (vor uns …) ihre aufwartung gemacht.

karl iv., der von der prager karlsbrücke, beispielsweise lobte lübeck in allen tönen. er hob die stadt an der trave auf die höhe von venedig, und er verglich es in seiner bedeutung mit rom, florenz und pisa.

10 tage hielt sich das gealterte kaiserpaar 1375 in der hansemetropole auf. angereist war man über mecklenburg, wo seine vierte frau, elisabeth, herkam, den einzug in die stadt bereitete man von westen her vor, durch das heutige burgtor.

vor der stadt zog man in st. getruden die reisekleider aus, um in die prunkgewänder zu steigen. der bürgermeister von lübeck überreichte dem paar die stadtschlüssel, einem symbolischen akt der unterwerfung.

karl und elisabeth zogen dann zu fuss bis ins zentrum, in den dom, wo der bischof die messe las. anschliessen ging karl den geschäften im rathaus nach. elisabeth wiederum bezog an der königstrasse die gemächer in der heutige löwen-apotheke. der kaiser und die kaiserin erhielten je eine eigene bleibe, dies- und jenseits der strasse. auf dem 1. stock hatte der stadtrat die häuser mit einer brücke verbunden. und ganz lübeck war gespannt, wer des abends wen besuchen würde.

die legende, die viele versionen kennt, berichtet unter anderem, man habe sich, ordentlich wie man war, jeweils auf der mitte der brücke getroffen, um einander gute nacht zu wünschen.

es mutet fast schon seltsam an. auch wir sind am mittag in die stadt gekommen und haben, ohne es zu ahnen, in st. gertruden parkiert. ich habe dann mein bluttfüsse gegen schuhfüsse eingetauscht. und so sind wir zur brücke beim burgtor gegangen. die messe haben wir ausgelassen, den dom haben wir nun kurz besichtigt. dafür waren wir schnurstracks im rathaus, um uns herrlich zu verköstigen.

leider, leider sind wir aber kein kaiserpaar, und so können wir nicht 10 tage in der stadt von thomas mann und willy brandt bleiben. die pflicht ruft uns in die schweiz zurück! und deshalb müssen wir den autonachtzug in hamburg-altona anpeilen. und sollte es im liegewagen gaffer haben, kann ich sie jetzt schon beruhigen: wir haben kajütenbett, nicht neben-, sondern übereinander, die mit einer leiter verbunden sind. und wir werden den vorhang zuziehen, wenn wir uns gute nacht wünschen!

stadtwanderer

bild: löwen apotheke in lübeck, ältester profanbau in der hansestadt, der noch steht, und absteige der kaiserin elisabeth von pommern 1375

“twieten” in der holsteinischen schweiz

das gebiete zwischen kiel und lübeck heisst holsteinische schweiz. ein naturreservat befindet sich in der grossen ebene. die hat auch zahlreiche seen, und mitten drin die kleinstadt plön.

oben auf dem einzigen hügel steht weit und breit das markante schloss von plön. rund herum liegt das mittelalterlich anmutende städtchen plön. rote backsteinhäuser prägen den charakter der stadt.

2413671374_efa6783da3.jpgund twieten!

das ist plattdeutsch. es meint dazwischen. als twieten bezeichnet man in plön die meist enge gassen zwischen den häusern. bisweil könnte man sie mit eine pw befahren, meisten jedoch reicht es gerade für ein fahrrad.

die twieten geben alle auf den rathausplatz am fusse des schlosses. sie sind nicht nur verkehrs-, sondern auch wasserwege. wenn es brannte, musste man die twieten allgemein nutzen können. die feuerwehr brauchte sie für den wassertransport mit handkübeln, denn natürliche pumpen für wasser auf dem hügel in der ebene versagten ihren dienst.

heute spaziert man gemütlich in den vielen kleinen und kleinsten gassen von plön. für den stadtwanderer eine ausgesprochen interessante angelegenheit, bei der man sich rasch im häusermeer verliert, und verdursten könnte …

stadtwanderer

bild: rossamente

die unvollendeten

der schweden-aufenthalt 2008 neigt sich seinem ende zu: göteborg ist erreicht, die fähre ist bestiegen, und der hafen liegt bereits hinter uns. ein rückblick auf die unvollendeten blog-beiträge.

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das (provisorische) touristenbüro im värmländischen ekshärad, mit internet cafe, das ich meist zum bloggen benutzt habe (foto: stadtwanderer) 

das bloggen in värmland war nicht immer leicht. viele internet cafes gibt es nicht. entworfen habe ich die beiträge meist auf meinem labtop. im touristbüro von ekshärad, wo der nächstgelegene computer mit zugang zu einem externen laufwerk stand, habe ich sie jeweils gebündelt auf den “stadtwanderer” montiert. in einer ruhigen ecke des benachbarten internet-kaffees habe ich sie dann noch redigiert. das alles war ein wenig improvisiert! dennoch: marie und ulla vom touristbüro waren aber sehr hilfreich, und neugierig. sie haben nachgelesen, und auch verbesserungsvorschläge gemacht. herzlichen dank!

auf meinem labtop blieben aber einige fragmente: ideen, die nicht für einen beitrag gereicht haben, aber dennoch erzählt sein wollen. und so bringe ich die unvollendeten beiträge des schweden-sommers 2008 alle auf einmal!

schwedenfans aus der schweiz (I)
plötzlich war schweizer tag in ekshärad. wir sassen im moccacino, dem kaffee an der grossen strassenkreuzung, als wir am tisch nebenan schweizerdeutsch vernahmen. tatsächlich hatte es auch draussen vor der kirche fast nur schweizer nummernschilder auf dem parkplatz. eine richtige invasion. andreas schwarz aus zürich ehelicht die tochter des pfafferes von ekshärad. man wird in der schweiz leben, aber man liess sich in vaters kirch trauen. und wir war zaungäste eines hochzeits am ersten und für lange einzigen schweizertag in ekshärad! 

elche
dieses jahr zwei elchen begegnet; dem einen direkt, abends, dem anderen aus der ferne, beim warten wegen des anhaltenden regens. sie sind und bleiben imposante tiere, auch wenn die kunde in schweden die runde macht, sie würden massiv abmagern. da die winter im norden wärmer werden, legen sie weniger reserven an, und das durchschnittsgewicht eines elchs ist in kürze von 650 auf 350 kilo gesunken. solche probleme sollte man haben!

tiomilaskogen
das grosse fest der einfachen leute im grenzwald zwischen schweden und norwegen, dem tiomilaskogen („10-meilen-wald“), war, wie immer in den letzten jahren, ein toller erfolg. man trifft sich ende juli für drei tage in jeder siedlung. die eher verschlossenen schweden geben sich dann für ganz offen. man stellt aus, was man zu zeigen hat. diesmal haben es mir die blauen schnecken aus falun am meisten angetan. mariana sääf, eine künstlerisch begabte handwerkerin, hat ihre sehr schönen milchkrüge und kaffeetassen angeboten, von denen ich einige gekauft habe. schmeckt gut, so frische milch zum aufstehen zu trinken!

geschäfte in der kirche
die schwedischen kirchen entstehen im 11. jahrhundert aus der vereinigung des wikinger-langhauses (“schiff”) mit der apsis der katholischen priester. mit der ltuherbibel kommen dann wie überall kanzeln hinzu. in vielen kirchen merkt man noch das weltliche neben dem sakralen. so ist es üblich, dass man beim eingang in die kirche kuchen und kaffe angeboten bekommt und beim verzehr in ein gespräch über gott und die welt verwickelt wird. neu ist mir, dass man nun auch ganze produktereihen in den kirchenschiffen zum kauf angeboten bekommt. die neue geschäftigkeit wirkt ein wenig so wie ein dritt-welt-laden mitten im gotteshaus.

loppis
wenn der küchenkasten zum bersten voll ist, wenn das buffet im wohnzimmer aus allen nähten platzt, oder wenn die rumpelkammer vor lauter ramsch nicht mehr betretbar ist, dann ist es in schweden zeit für ein loppis. das ein unkomplizierter flohmarkt gleich auf dem eigenen hof! eine scheune mit einem brett auf zwei böcklein genügt, um alles auszustellen, was man nicht mehr braucht, aber nicht fortschmeissen will. auf pappkarton schreibt man dann „loppis, 200 m„ und stellt das an die strasse. die interessierten kommen bald schon von alleine, um alle vasen, kardbürsten, donald-duck-hefte oder auch einen kerzenständer zu kaufen. am schluss ist die kasse gefüllt und der haushalt gelehrt. und ich habe für den selbstgepressten zitronensaft eine schlanke karaffe im schwedischem gelb-blau!

schwedenfan aus der schweden (II)
seit jahren trifft man auch ihn im sommer im norden. mit dem eigenen schiff ist er zwischenzeitlich von den ahland-inseln vor stockholm durch die kanäle schwedens bis nach südnorwegen an den atlantik gesegelt. da versucht der zürcher politiker andreas gross nun, seine jacht zu verkaufen. einmal streichen pro jahr muss man selber; dafür ist der schiffer bereit, sein bisheriges eigen in den hafen des neuen besitzers zu transportieren. interessenten können sich bei andi melden. s’het, solang s’het!

am 1. august unterwegs
wir sind mit dem auto die 350 kilometer von värmland nach göteborg gefahren. phasenweise hatte es in der pampa gar keinen verkehr, und wir waren etwas ausgelassen. unvermittelt begannen wir, die lieder zu pfeifen, die wir können und landeten auch bei den nationalhymnen. bei der marseillaise kam ich schon mal auf 120 sachen, und beim schweizer psalm gaben wir ein perfekt getrimmtes duo ab. erst danach merkten wir, dass es 1. august war. in der schweiz würde ich sowas nie machen! auf dem sun deck des stena germania, mit der wir nach deutschland fahren, spielt man dafür den oldie “obla-di, obla-da” von den beatles. in der schweiz würde ich dieses lied aus den 60er pfeiffen, als die nationalhymne, äxgüsi, das bundeslieb zum bundesfeiertag!

stadtwanderer

ps: ein wenig wehmut befällt mich schon, wenn ich värmland nun verlasse. ein wenig in nostalgie schwelgen kann man noch auf dieser website.

und hier noch meine serie dagens nyheter (tagesneuigkeiten) von meinen schwedenferien 2007. 

von problembären und problemmenschen

man erinnert sich: vor zwei jahren hatte die schweiz seit langem wieder einen bär. und wusste nicht wie umgehen mit ihm. darüber konnte ich nur staunen, als ich, direkt von schweden kommend, in kloten ankam und die aufgeregte berichterstattung dazu in der sonntagspresse las. damals wurde mit klar, dass man nicht so sehr von problembären, sondern von problemmenschen und ihrem umgang mit bären sprechen sollte.

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die aktuelle bärenverbreitungskarte des wwf zeigt, dass värmland genau im südlichen grenzbereich von meister petz liegt.

als ich vor 10 jahren erstmals richtig in schweden ferien machte, waren die bären in värmland noch kaum ein thema. vor etwa fünf jahren las ich, dass die population der braunbären im norden schwedens anwachsen würde, und die jungtiere vermehrt auch in mittelschweden ihrer reviere suchen würden. und seit drei jahren wissen wir, dass wir im bärengebiet leben. im oktober 2007 wurden in unserer umgebung erstmals auch bären zum abschuss freigegeben. damit waren die zeichen klar gesetzt: man lebt hier in einem gebiet mit mehr als genug bären.

schweden hat eine lange tradition im umgang mit bären. im nördlichen teil hat es viel wald und wenig menschen. das sind schon mal gute voraussetzungen, dass sich meister petz ansiedelt. und dennoch hat es seit mehr als 200 jahren keinen unfall mit bären gegeben, bei dem zivilpersonen opfer geworden wären. wenn es tote gab, dann nur durch jäger, die unsachgemäss vorgingen.

anstatt massenmediale aufgeregtheit zu produzieren („der bär als news-wert“), herrscht hier die tendenz die information vor. im bärengebiet gibt es auf campingplätzen oder in den lokalzeitungen anweisungen, wie man sich (nicht) verhalten soll.

vermeiden soll man, esswaren ausser haus zu lagern, wo auch menschen wohnen. denn wenn ein bären menschengeruch und essbares in verbindung bringt, kann es auch zu verwechslungen kommen. wenn man alleine im wald ist, raten die einheimischen experten eine bleckbüchse umzuhängen, in der es nägel hat. das macht immer wieder lärm, und so kommt es nicht zu unliebsamen begegnungen. und wenn das dennoch der fall sein sollte, wird abwartendes verhalten geraten: ja keine schnellen bewegungen, und ja keine bedrohlichen posen einnehmen, kann man überall lesen. selbst hinlegen wird empfohlen, um auf keinen fall interessant zu wirken.

ich gebe zu, bei der letzten verhaltensregel ist mir auch so mulmig im bauch. doch bin ich froh, wenigstens das elementare im vernünftigen umgang mit bären zu kennen!

klar, wenn jemand einen bären gesehen hat, dann gibt es auch hier was zu erzählen. vor drei jahren brachte eine lokale tourismus-initiative in der gegend die idee auf, elch-safaris zu organisieren. bei den holländern war das sehr beliebt. dabei fuhr man am vorabend mit einem offenen geländewagen durch die gegend, und hielt nach den mächtigen tieren des nordens ausschau. gross war das erstaunen, als man nur etwa 10 kilometer südlich von uns statt auf einen elch auf einen bär traf. auf jeden fall hat sich das in jenem sommer rasch rumgesprochen. zum medienspektakal wurde es aber unter keinen umständen.

denn in schweden weiss man: die trennung von natur und kultur, die unserer zivilisation zugrund liegt, ist von menschen erdacht. einem bären ist das ziemlich fremd. und kennt er auch die grenze, die damit konstituiert wird nicht. ohne die menschlich ersonnene grenze verletzen zu können, sind bären prächtige tiere. ich jedenfalls bin ein wenig stolz, nicht nur im fiktiven bärenland zu leben, sondern im realen bärengebiet wenigstens meine ferien verbringen zu dürfen!

hej da

stadtwanderer

die tipps zum umgang mit bären