das haus der kantone

eigentlich ist und bleibt es das albert-einstein haus. denn hier hatte der physiker im obersten stock sein “büro für theoretische physik”, bestehend aus einer einfachen pultschublade. das pult wiederum gehörte dem patentamt, wo albert eine anstellung als eidg. beamter gefunden hatte, die er während einigen jahren in bern versah.

die koordination der kantonsinteressen gegenüber dem bund
nun ist das statliche gebäude am rande der berner altstadt einem neuen zweck zugeführt worden. “haus der kantone” heisst die speichergasse 6 neu. ein kompetenzzentrum im dienste der kantone ist jetzt, und eingeweiht wurde es gestern.
hier werden sie nun tagen, die konferenz der kantonsregierungen sowie zahlreiche konferenzen der fachdirektionen: zum beispiel jene für erziehung, für finanzen, für gesundheit, für polizei und für soziales. später hinzu kommen sollen bau-, planungs-, umwelt direktionen und die vertreter der öffentlichen verkehrs.

wiederbelebte form der kooperation vor dem bundesstaat
die neue institution im bundesbern ist eigentlich ganz typisch für die schweiz, die im frühen 19. jahrhundert entstanden ist: aus den alten souveränen und selbständigen orten entstanden, als abwehr zum französischen staatsverständnis während der helvetischen republik die themenbezogenen konkordate. es arbeiteten jene kantone, die jetzt alle gleichberechtigt waren, in den bereichen zusammen, in denen sie sich mehr vorteile daraus versprachen. entstanden ist so, die andere, föderalistisch schweiz, die das gegenstück zur zentralistischen auf der übergeordneten ebene darstellte.
wiederbelebt worden ist diese ebene seit den 70er jahren des 20. jahrhundert, seit denen der kooperationsbedarf einerseits zugenommen hat, anderseits die kantonen in die vollzugsabhängigkeit des bundes geraten ist. in den letzten 10 jahren haben new aufgabenneuverteilungen, new public management und sanierungsstrategien die herausforderungen für die kantone erhöht. die volksabstimmung über das steuerpaket 2004, bei der die regionalinteressen erwacht sind, war der eigentliche startschuss für die entwicklung, die jetzt zum bundeshaus der kantone geführt hat.
gestern und heute bin ich, wenn ich die kommentare lese erstaunt, wie viele verschiedene föderalismusverständnisse zum ausdruck kommen.

kritik aus der optik des rückwärtsgewandten kantönligeistes
was eigentlich als stärkung der kantone gedacht ist, um institutionell koordiniert sprechen zu können, wird in der heutigen berichterstattung gelegentlich als der verlängerte arme des bundesrates gegenüber den kantonen kritisiert und als entmündigung der kantone dargestellt.
das ist es wohl, was den föderalismus in der schweiz so kompliziert macht: das doppelte verständnis des zusammenschlusses von ehemals selbständigen wesen in einem grösseren, zentral und dezentral strukturierten verbund einerseits, von autonomen, auf sich selber zurückgezogenen staaten anderseits. kantönligeist ist in der schweiz, leider immer auch etwas rückwärts gewandtes und antischweizerisches, und nicht die suche nach der einheit in der vielheit.
wer weiss, vielleicht inspiriert das ehemalige büro für theoretische physik im obersten stock des hauses der kantone den geist der mitarbeitetenden, dass aus der neuerung ein büro für verbesserte praktische politik wird.

stadtwanderer

foto: licht über dem langen schatten – das neue haus der kantone (foto: stadtwanderer)