sprengt die käseglocke!

letzten sommer, als ich in den schwedischen wäldern in der ferien war, fragte ich eines abends unsern nachbarn abseits aller zivilisation: “was gibts neues?” ohne zu zögern antwortete er mir: “die schweiz möchte beim gipfel der wichtigsten industrienationen eingeladen werden, doch sie wird es nicht!” ich zuckte mit den achseln, um mir sagen zu lassen: “das bedeutet, es gibt schwierigkeiten mit der ubs im ausland.”

kaeseglocke_39_20061in der schweiz angekommen, konfrontierte ich einige meiner wichtigsten bezugspersonen aus dem privaten und beruflichen umfeld mit der news. alle zuckten sie mit den achseln, wie ich es einige tage zuvor getan hatte, und wandten sich gängigeren themen zu. was für ein irrtum, sagte ich heute!

denn wir schweizerInnen haben es schlicht verpasst zu beobachten und zu analysieren, wie radikal sich fremd- und selbstbild der schweiz in den letzten monaten auseinander entwickelte. in den usa lief der wahlkampf auf hochtouren und brachte barack obama ins präsidentenamt. gemeinsam mit carl levin hatte er noch als senator einen vorstoss im amerikanischen parlament eingebracht, die kapitalflucht in steueroasen zu stoppen. heute ist das weltweite politik. selbst der weltfinanzgipfel, nur wenige tage nach der wahl des demokraten an die spitze der usa in washington stattfindend, teilte die auslegeordnung obamas. gordon brown, der britische premier, unterbreitete im november 2008 einen vorschlag für eine neue globale finanzarchitektur, deren ziel es ist, weitere krisen des bankenwesens, wie wir sie seit september 2008 erleben, zu verhindern. frankreichs sarkozy schloss sich ihm rasch an, und mit etwas verzug folgten andere wichtige industrienationen wie deutschland und italien.

als ich am 22. november in innsbruck an der tagung “wirtschaft und kultur” war, öffnete mir das kaffeegespräch an der uni die augen auf die schweiz. locker sprach der sponsor, ein konservativer europäer, darüber, dass die zeiten des alten bankgeheimnisses vorbei seien. 2,7 billions dollar vermögen, welches die ubs verwalte, werde die bank nie und nimmer halten können. liechtenstein, von wo mein gesprächspartner kam, haben nur als wehrloses vorspiel gedient. das hauptspiel werde sich gegenüber der schweiz abspielen.

diese woche haben wir erlebt, wie schlagartig sich diese prophezeihungen erfüllten. die völlig unvorbereitete schweizer öffentlichkeit, regierung, parlament, medien, aktionäre und bürgerInnen staunten nicht schlecht, als sie am dienstag abend indirekt erfuhren, der ubs sei in den usa ein dreitägiges ultimatum gestellt worden, das in der nacht auf mittwoch ablaufe. entweder liefere die ubs kundendaten aus steuerbetrugsfällen, oder ihr drohe ein strafklage. für die schweizerische politik hiess das wiederum, ritzen des bankgeheimnisses oder kollaps der ubs.

seither ist der eindruck entstanden, die schweiz werde erpresst. das bestätigt heute in der sonntagszeitung auch der bankenfachmann der uni st. gallen, beat bernet. um allerdings selbstkritisch beizufügen, “weil wir es versäumt haben, rechtzeitig unsere Strategie zur Positionierung des Finanzplatzes in einem fundamental veränderten politischen Umfeld anzupassen.” der professor warnt, nun eine aussichtslose abwehrschlacht gegen die usa, die eu und die oecd zu führen. vielmehr empfiehlt er der schweiz, davon auszugehen, dass nichts mehr so sei, wie man meine. dass man nicht das bankgeheimnis per se aufgeben solle, aber den schutz der privatsphäre von kunden neuen definieren müsse, denn die schweizerische untescheidung von illegalem steuerbetrug und legeler steuerhinterziehung decke illegales handeln. er erwartet, dass die schweiz jetzt jenseits emotionaler empörung in der lage ist, rasch eine rückzugsposition zu definieren, die verhandlungen mit dem ausland zulässt, gleichzeitig aber sagt, bis hierher und nicht weiter.

und ich füge bei: kippt endlich den mentalen schutzschild, unter der wir unsere schweizer selbstgerechtigtkeit feiern, ohne zu merken, dass das was in der glocke geschieht immer weniger zu tun hat mit dem, was ausserhalb passiert. keine beleidigten leberwürste sind jetzt gefragt, sondern eine selbstbewusste vertretung von legitimen interessen der schweiz gegenüber legitimen interessen der usa oder der eu. es braucht keine sonnenbrillen, die das gegenwärtig grelle licht auf steueroasen wie die schweiz verdunkeln, sondern weitsicht und bereitschaft, im innern für ordnung zu sorgen, um weiterhin nach aussen zu bestehen.

sprengt die käseglocke über der schweiz, rufe ich. oder besser noch: geht nach schweden in die ferien, wo die waldmenschen das sich rasch ändernde geschehen auf dieser welt sorgfältig und aufmerksam verfolgen, und schon im letzten sommer wussten, was wir diese woche als schauerliches theater vorgeführt bekommen haben und was heute in den schlagzeilen der schweizer tagesschauen steht.

chapeau, honza!

stadtwanderer