“gott selber ist tot.”

postautofahrt von hinterkappelen nach bern das wetter ist gut, die berge sind nah, und das jungfraujoch ist immer eine reise wert. doch das gegenwärtig klima in wirtschaft, politik und gesellschaft ist schlecht. und das regt nebst ausflugswünschen auch philosophische diskussionen und gedankengänge an.

p2280753-300x2252“das göttliche ist verschwunden”, meint meine sitznachbarin im poschi. drei millionen jahressalär, um die ubs vielleicht zu retten, ist eindeutig zu viel, ist ihre meinung. schon ein million sei schwer auszugeben, bei dreien sei das gar nicht mehr möglich. die ältere dame ist enttäuscht. denn in den alterheimen könne man den kranken das essen nicht mehr eingeben, weil personalmangel herrsche. der sei die folge von sparprogrammen. und die wiederum würden nur gemacht, damit die reichen noch reicher würden. so wie der deutsche, der neu an der spitze der ubs stehe.

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“die zehn gebote für das bankgeheimnis”, lese ich auf dem heutigen aushang der nzz, und fahre damit nahtlos beim thema religion und wirtschaft weiter. der grosse leitartikel hierzu ist in der laufenden neuausrichtung der schweizer bankgeheimnispolitik bemerkenswert: deshalb sei er hier verkürzt wiedergegeben.

erstens, wer gut verhandeln will, muss wissen, was der andere will. nur wer fähig ist, sich in die lage des gegenübers zu versetzen, kann einschätzen, wo dessen verhandlungsbereitschaft endet.

zweitens, die bisherige unterscheidung zwischen dem willentlich begangenen steuerbetrug und der steuerhinterziehung als folge von vergesslichkeit wird von vielen nicht verstanden, geschweige denn akzeptiert.

drittens, die reduktion dieses graubereiches muss verknüpft werden mit einer ausdehnung der rechtshilfefähigkeit, für alle betrügerischen fälle.

viertes, das bankgeheimnis als zentrales rechtsgut der gesellschaftsordnung, die auf individueller privatsphäre aufbaut, muss auch innerschweizerisch effektiver gegen missbrauch geschützt werden.

fünftens, in zeiten leerer staatskassen sind rechtsstaatliche erwägungen immer mit vorzeigbaren finanziellen erfolgen für drittstaaten zu kombinieren.

sechstes ist zu prüfen, ob und wie das entgangene steuersubstrat für drittstaaten auch rückwirkend greifbar gemacht werden kann.

siebtens, die schweiz muss verstösse gegen das gesetz exemplarisch bestrafen, und zwar unabhängig davon, ob eine bank systemrelevant ist oder nicht.

achtens, die finanzmarktaufsicht muss die funktionalität von banken prüfen, während die nationalbank für die stabilität der volkswirtschaft zuständig ist.

neuntens, die schweiz braucht internationale netzwerke, welche den innenpolitischen druck in staaten, mit denen man in verhandlung steht, aufbauen können.

zehntes, es gilt rasch zu entscheiden, um unkontrollierte unfälle zu vermeiden.

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vor gut zweihundert jahren schrieb georg friedrich hegel, nur kurze zeit nachdem er an der berner junkerngasse gelebt hatte, vom „unendlichen Schmerz“ das den heutigen mensch als gefühl befalle und die basis sei, „worauf die Religion der neuen Zeit beruht – das Gefühl: Gott selbst ist tot“.

und so bleibt meine frage: ist die voraussicht des grossen deutschen philosophen an der schwelle zur neuesten zeit so gut gewesen, dass sie heute zurecht bis in die schaltzentralen der bankenwelt, die redaktionsstuben des liberalen weltgeistes und in den morgenklatsch im postauto von hinterkappelen nach bern vorgedrungen ist?

stadtwanderer