der marktplatz des bankgeheimnisses

bern markthalle – für mich so etwas wie der marktplatz in sachen bankgeheimnis. alle geheimnisse darum, die ich bisher bewahrt habe, werden hiermit bekannt gemacht.

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während bundesrat hansrudolf merz die neue politik der schweiz in sachen bankgeheimnis bekannt gibt, bin ich mit ein paar kollegInnen in der berner “markthalle”. und mache mir so meine gedanken, was alles ich auf dem marktplatz der berner eitelkeiten in sachen bankgeheimnis erlebt habe.

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zum ersten mal mit dem bankgeheimnis konfrontiert wurde ich 1976, als das buch von jean ziegler “eine schweiz, über jeden verdacht erhaben” erschien. der genfer soziologe klagte darin die schweiz an, mit ihrem bankgeheimnis systematisch steuerhinterziehungen im ausland, insbesondere in der dritten welt, zu begünstigen und damit zur krass ungleichen verteilung von reichtum und armut in der welt beizutragen. damit machte er politische karriere, die ihn bis ins eidgenössische parlament brachte.

1999 wollte der sp-nationalrat, der von seiner kantonalpartei nicht mehr nominiert worden war, in einer wilden aktion in die volksvertretung entsandt werden, strebte er doch auf diesem weg an, bei der uno als berichterstatter für menschenrechte angestellt werden. ohne partei im rücken, aber mit “le temps” in der hand, vernahm ziegler von meinem damaligen forschungsprojekt zu erfolgsfaktoren bei den nationalratswahlen 1999. er insistierte, sich mit mir über ihn und sein problem zu unterhalten.

die einladung, die erfolgte, brachte uns in der berner markthalle zusammen. dabei erörterte jean, wie man ihnen weitherum nannte, freigiebig die chancen einer kandidatur bei den genfer kommunisten, solothurner grünen oder züricher jungsozialisten. mein ratschlag hierzu blieb bescheiden, denn jean ziegler (“die bankdirektoren an der zürcher goldküste sind die höhlenbewohner von heute”) zog in der hinteren markthalle die halbe besucherschar in seinen bann. das tribunal des wortgewaltigen mit dem er mitten im restaurant die schweizer banken einmal mehr auf die anklagebank setzte, wollte sich letztlich niemand entgegehen lassen.

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vor 6 oder 7 jahren lud mich das eidgenössische finanzdepartement ein, an einem treffen zwischen vertretern der oecd und der schweiz beim mittagessen eine kleine tischrede zum politischen system und zu politischen kultur der schweiz zu halten.

dazu versammelte sich die kleine gesellschaft aus paris und bern in der markthallte. just an dem tisch, an dem ich schon mal mit jean ziegler sass. parliert wurde auf französisch, um den diplomatischen gästen entgegenzukommen.

den versprecher des essens leistete sich ein hoher beamter des bundes. denn er sprach während der ganzen diskussion über das bankgeheimnis. doch war das in seinem munde nicht “le secret bancaire”, sondern “le bancaire secret”.

unsere gäste aus frankreich staunten nicht schlecht, denn wohl genau so stellten man sich in paris die schweizer bankiers vor: verschwiegen bis ins grab, egal um was es geht, doch alles andere als hüter eines gemeinsam entwickeltes rechtes uner der fortgeschrittenen wirtschaftsnationen.

zum eclat kam es damals (noch) nicht. man war, wie es sich in den zwischenstaatlichen beziehungen um die jahrtausendwende noch gehörte, höflich, tauschte sich aus, machte fleissig notizen, und erstellte den bericht, den man etwa erwarten konnte. vielleicht, in den randbemerkungen dazu, schimmerten die gemachten erfahrungen und gesammelten einschätzungen durch. und die waren sich vom schweigsamen bankfachmann aus aus zürich, basel und genf, der in bern gedeckt, letztlich aber nicht verstanden wird, geprägt.

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vor kurzem war ich zum feierabendbier an der bar “mama mia” in der berner markthallte. da traf ich seit längerem wieder einmal stefan sonderegger. der historiker, den ich seit meinen studienzeiten kenne, ist heute koordinator beim historischen lexikon der schweiz.

gerade weil ich sein “hls” so schätze, klagte ich stefan ein wenig über das grandiose werk. denn jüngst, als ich mich auf den entscheidenden tag zum schweizer bankgeheimnisses vorbereitete, entdeckte ich die erste wirkliche lücke im institutionalisierten kollektivgedächtnis der schweiz.

das stichwort “bankgeheimnis” fehlt nämlich im historischen lexikon der schweiz.

der manager der schweizer erinnerung verdreht ob dem fehltritt die augen, zeigte sich aber flexibel. 1992, als man das konzept machte, war das noch realität, nicht geschichte, meint er zu mir. immerhin, es gäbe auswege, sofern das bankgeheimnis falle. wie das ding auf französisch heisse, wollte der gedrungene appenzeller von mir wissen. eventuell könne man den artikel in einem später erscheinende band in einer anderen sprache noch nachholen und via internet wieder allen zugänglich machen.

da kam mit die ganze sache mit dem versprecher von damals wieder in den sinn. “secret bancaire” antwortete ich korrekterweise. was die sache erleichtert, erwiderte stefan. denn der band mit “b” ist schon lange gedruckt, der mit “s” steht noch aus. die chance, dass wir die wahre geschichte des bankgeheimnisses noch erfahren, ist intakt!

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zur geschichte geworden ist das bankgeheimnis ja heute über mittag. die schweiz akzeptiert, wie alle anderen staaten, die vom schwarzen prangerbedroht sind, die oecd-richtlinie in sachen amtshilfe bei steuerhinterziehung. im inland bleibt der kundeschutz bestehen, nach aussen ist wird das bankgeheimnis indessen löchriger als jeder emmentaler.

wie gesagt, während der markt der mächtigen die spielregeln neu bestimmte und die schweiz wie viele andere dominosteine zuvor kippte, war ich wieder am symbolträchtigen ort. in der retrospektive des lokalhistorikers erscheinen jeannot, der ungenannt sein wollende beamte aus dem finanzdepartement und stefan sonderegger allesamt nur als vorboten von dem, was heute geschah, während ich bei ein paar leckereien meine geburtstagsfeier in der berner markthalle einleitete!

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