kontraproduktive krähenjagd

wie man krähen nicht verscheuchen kann. der bericht aus der stadt michalovce in der slowakei.

michal
der stadtpark von michalovce mit den umstrittenen krähennesten (foto: stadtwanderer)

das kreischen hört man von weitem. zuerst vermutet man stimmen einer grossen, mächtigen vogelkolonie. doch dann macht einem die penetranz skeptisch. so laut? und so kontinuierlich? – das kann doch gar nicht sein.

der besuch des stadtparks von michalovce ist voll von gegensätzen. eine kleine kirche steht im zentrum. rund herum hat es bäume, die das gotteshaus um mindestens das doppelte überragen.

der park ist alles andere als lauschig, denn die vielen krähen verschmutzen ihn kräftig. die gehsteige müssten längst gewischt werden, die bänke hätten es auch dringend nötig.

beides hängt zusammen: denn die riesigen bäume mitten in einer stadt sind der tummelplatz für krähen. seit vielen jahren nutzen sie den ort, um zu nisten.

diesen frühling hat man eine firma beauftragt, die nester in luftiger höhe zu zerstören. doch der schuss ging hintern hinaus. zwar gab es einen auftrag, sagen die lokalen vogelschützer, aber keine gesetzliche grundlage für die aktion.

das problem mit den krähen in michalovce kann man nicht lösen, indem man sie vertreibt, ist die philosophie der tierliebhaber. vielmehr sollte man ihrer meinung nach die bänke überdachen und die wege wischen.

davon will die stadtverwaltung nichts wissen. statt unerlaubte nesträuber auszuschicken hat sie sich entschieden, die krähen mit lautsprechern zu bekämpfen. aus diesen tönen schrecklich-laute vogelstimmen, welche die krähen in alle winde zerstäuben sollen.

doch auch diese idee ist nicht mehr als ein bumerang. die schwarzen vögel stört der lärm nicht; sie seien dieses jahr eher zahlreicher gekommen, um zu nisten, heisst es von seiten der vogelstatistiker.

dafür bleiben die spaziergänger im stadtpark ganz aus. verdreckte bänke und betörendes gekreische lädt niemanden mehr zum verweilen mitten in michalovce ein.

stadtwanderer

jalta im grossen – jalta im kleinen

von aussen ist unser hotel in michalovce grün eingefärbt. das gilt auch für die meisten teppich im allgemein zugänglichen bereich im innern. bei lift ändert sich das aber, denn dessen interieur ist ganz in rot gehalten. genauso wie der sitzungsraum, den man zum frühstückstreff umgestaltet hat. die stühle der wichtigen konferenzteilnehmer sind knalligem rot. hier tagten vor 20 jahren sicher noch die funktionäre der tschechoslowkischen kommunisten.

jalta
hotel jalta in michalovce, wo wir während unseres aufenthaltes in der ostslowakei untergebracht waren (foto: stadtwanderer)

wem das hotel heute gehört, kann ich nicht zweifelsfrei eruieren. die tafel am eingang verweist schemenhaft auf eine chemiefirma. privat dürfte die aber kaum sein, liegt doch in der bar die “pravda” im ostslowakischen lokalformat auf. am ehesten wird sein, dass die chemiefirma unverändert der öffentlichen hand, dem staat oder der stadt, gehört und dieser damit der eigner im hotel jalta ist.

im frühjahr 1944 trafen sich auf der damals sowjetischen krim drei der bedeutenden staatsmänner ihrer zeit.. franklin d. roosevelt, winston churchill und josef stalin. ihr ziel war die regelung der grobverhältnisse nach dem krieg in europa. allgemein rechnete man damit, das der weltkrieg einzig in japan seine fortsetzung finden würden, was den amerikanischen präsidenten und britischen premier veranlasste, stalin einzubinden.

bei der deutschland war man sich in jalta rasch einig: sturz des naziregimes und aufteilung in besatzungszonen, die von den alliierten erobert und verwaltet werden sollten. weniger klar verteilt waren die vorstellungen bei der neugestaltung europas, denn die sowjetunion bestand auf einem breiten schutzschild von satellitenstaaten entlang seiner westgrenze.

die gesamte tschechoslowakische republik, deren vorläufer organe in der k.u.k monarchie ins europäische zentrum ausgerichtet waren, kam in jalta in den sowjetischen einflussbereich. die rote armee befreite das land von den nazis, betrachtete es aber in der folge an den europäischen osten angebunden. 1968 bestätigte sich diese annahme mit der militärischen besetzung drastisch.

erst 1989 wurde die enge anlehung an die sowjetunion mit dem zerfall des eisernen vorhangs aufgelöst. 2004 trat slowakei, die sich 1993 von tschechien getrennt hatte, mit anderen mitteleuropäischen staaten der eu bei, und anfang jahr wurde schliesslich der euro eingeführt.

vieles, was in den letzten 20 jahren wieder aufgebrochen ist, wurde im hotel jalta in michalovce noch nicht verarbeitet. das rechnen in euro fällt sichtbar schwer, den die krone ist unverändert überall angeschrieben. und es zählt in der ostslowakei ein jeder cent. am empfang ist man zwar freundlich, ja ausgesprochen jugendlich-westlich angezogen. doch schon an der bar versteht man kein wort englisch, und mit der service-ausrichtung happert es ziemlich flächendeckend.

durch die grossen politischen entwürfe im osten wie im westen unbeeindruckt geblieben scheint nur die absolut patente zimmerfrau zu sein. als mein chip aus dem fotoapparat spickt und ausgerechnet im schmalen schlitz zwischen holzbalustrade und steinmauer des salons verschwindet, weiss sie sofort rat. sie demontiert mit einigen handgriffen das gestell, weisst den herbeigerufenen, hilflosen hausmeister an, an welcher schraube er drehen solle und befreit im nu meinen chip mit allen fotos, die ich im stadtwanderer veröffentlichen will.

chapeau, madame, sagt sich da im 4. stock des roten hotel jalta von michalovce der

stadtwanderer