die vergessene botschaft der schlacht von murten

der gestrige spaziergang begann auf dem “stadtwanderer”. ernst schmid las einige meiner blogbeiträge zur schlacht von murten. er nahm mit mir kontakt auf und schlug ein route vor, die in diesem zusammenhang unüblich erschien, sodass ich spontan zusagte mitzukommen.

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ungewohnter blick auf den bois domingue: ernst schmid und die stelle, von der aus er karl den kühnen in der schlacht von murten angegriffen hätte (foto: stadtwanderer)

beim milchkaffee in der auberge des freiburgischen cressier holt mein wanderkollege sofort aus: “hans waldmann”, der genauso leidenschaftliche wie umstrittene bürgermeister zürichs während den burgunderkriegen, der mit 1000 mann fribourg besetzt hielt, als das fremde heer von lausanne aus vorrückte, “hat den ausschlag gegeben”, führt mich der gelernte informatiker mit dozentenerfahrung in seine eigene theorie ein. vor der schlacht habe er den mittelalterlichen weg von der saanestadt her genommen und sei von ortskundigen menschen geführt durch den bouley-wald geschlichen. denn von dort aus habe man den besten blick auf den hügel bois domingue, wo das zelt des herzogs stand.

anders als es in den schulbüchern stehe, habe waldmann von aus eine zweite angriffstlinie auf die das burgundische heer eröffnet, um einen zangenangriff der vereinigten eidgenossen von osten und süden aus vorzutäuschen und den erschreckten karl in die flucht zu jagen, sagt mein gegenüber.

natürlich wollte ich das sehen! – an der frisch renovierten kapelle von st. urban vorbei, wo man heute noch den betenden vor der schlacht gedenkt, nähern wir uns auf alten wegen und an markigen eichen vorbei dem entscheidenden waldwinkel. und in der tat: einen kleinen moment werde ich schwach, denke ich mir auch, von hier aus sei es nur noch einen lauten schrei bis in herz der burgundischen truppen gewesen. ein paar dutzend reiter, einige hundertschaften fussvolk ausgerüstet mir hellebarden, müssten gereicht haben, um seitwärte auf die burgunder loszustürmen und zeltlager des herzogs zu zerfetzen.

ernst schmid zeigt mir alte bücher, wie das des murtemer pfarrers und lokalhistorikers gottlieb friedrich ochsenbein, die ihn inspiriert haben. denn in den berichten des schwagers von hans waldmann ist von erkundungen im burgunderlager die rede, die der zürcher heerführer unternommen habe. auch eine der wohl authentischen schlachtdarstellungen bei diebold schilling zeigt truppenteile der eidgenossen hinter dem kloster münchenwiler, die gut unseren standort eingenommen haben könnten.

und dennoch kommen mir zweifel auf: alle schulhistoriker, darunter die ganzen militärgeschichtlicher von rang und namen, stellen die schlacht anders dar. die eidgenossen hätten sich in ulmiz gesammelt, seien durch den wald von lurtigen vorgerückt und hätten unter der aufstellung des strassburger oberst wilhelm herter angegriffen. das gilt auch für die zürcher, die im letzten moment zu den eidgenossen traten. die vorhut mit dem aargauer hans von hallwyl an der spitze habe im ersten angriff versagt; erst mit dem zweiten sei der durchbruch am grünhaag gelungen. der gewalthaufen der eidgenossen, angeführt von hans waldmann, sei dann von osten her auf den bois de domingue los getürmt, was den herzog zur flucht bewogen hat.

“die schweiz”, sagt schmid, “besteht nur noch aus opportunisten, die zu keiner gemeinsamen tat mehr fähig sind. vom eidgenössischen geist, der mit dem erfolg an der schlacht von murten entstand, spürt man nichts mehr”, ist er überzeugt.

ernst schmid, der heute kurz vor seiner pensionierung als arbeitnehmervertreter in der ubs steht, wird nicht einmal durch die neue tafel erschüttert, welche den schlachtverlauf an ort und stelle erläutert. denn seit seiner schulzeit ist hans waldmann für ihn ein vorbild. selbst ein theaterstück hat er über seinen held von murten verfasst. hierfür ist er oft in der gegend herum gewandert, und hat er sich die frage gestellt, wie er damals angegriffen hätte.

die historische lehrmeinung der fachhistoriker ist dabei etwas durcheinander geraten. die botschaft der geschichte, die dabei erzählt wird, hat er aber mit neuem leben erfüllt.

stadtwanderer