unser schwarzenegger

in schwarzenegg ist es ruhig. die berge rings herum sind sanft. ein echo erwartet man da vergebens. und der zulgbach liegt zu weit unten im tal, sodass man sein plätschern ins aaretal nicht hört. wäre da nicht das postauto, das einmal die stunde auf dem plateau hält, würde man sich ganz im abseits wähnen.

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schwarzenegg heute, mit dem bären, wo vater ochsenbein wirt war, und dem bauernhaus, wo ulrich aufwuchs, bevor er in bern als begründer der modernen schweiz geschichte schreiben sollte (fotos: stadtwanderer)

das leben von ulrich ochsenbein

trotzdem ist man eigentlich mitten in der schweiz. denn das stattlichste bauernhaus am kirchplatz auf dem höchsten hügel von schwarzenegg trägt das schild, das mich ins berner oberland gelockt hat. es markiert das geburtshaus von ulrich ochsenbein, “dem tagsatzungspräsident, dem divisionär im sonderbundskrieg und dem ersten berner bundesrat”.

die liste der titel hätte man fast beliebig verlängern können, denn ochsenbein (1811-1890) war auch berner regierungsrat und vorsitzender verfassungskommssion, welche die erste bundesverfassung ausarbeitete. er wurde auch zum ersten nationalratspräsidenten der schweizerischen eidgenossenschaft gewählt, und er setzte durch, dass bern und nicht zürich bundesstadt wurde. in jedem anderen land ginge das glatt als staatsgründer durch.

der kleine ulrich wuchs die ersten sieben jahre seines lebens in schwarzenegg auf. sein vater war wirt im bären, wo man auch pferde wechselte, wenn man von reformierten thun ins katholische luzern wollte. das ferne ziel der reisen scheint den jungen ochsenbein geprägt zu haben. denn der spätere fürsprecher machte in der regenerationszeit militärische und politische karriere und avancierte zum radikalsten scharfmacher gegen die jesuiten an der reusstadt.

dass der kämpfer ochsenbein höchst persönlich die freischärler nach luzern führte, warf man ihm vor, als er statt henri dufour general im sonderbundeskrieg werden wollte. immerhin, als mitglied der folgenreichen ersten bundesratsequipe übernahm er das militärdepartement, führte 1849 die allgemeine wehrpflicht für junge schweizer ein und gab damit dem militärwesen in der schweiz seinen schliff.

doch im jungen staate schweiz begann, sollte bald ein jähes ende finden. 1854 geriet er in der eigenen partei zwischen die fronten, wurde als nationalrat nicht wiedergewählt, sodass er als erster bundesrat überhaupt bei der wiederfall durchfiel. enttäuscht schloss sich ochsenbein kaiser napoléon III. an. der machte ihn zunächst zum brigadegeneral über die fremdenlegion, und im deutsch-französischen krieg von 1870/71 wurde ochsenbein gar divisionär und platzhalter in bourg-en-bresse und lons-le-saunier. mit dem vermögen, das er so machte, liess er sich in der folge als gutsherr im seeland nieder. erneut versuchte er, in die politik einzusteigen, nun auf seiter der bernischen konservativen, was ihm aber misslang.

die biografie zu ulrich ochsenbein

die erste umfassende biografie über ulrich ochsenbein hat der journalist rolf holenstein vor wenigen tagen vorgelegt. 374 briefe, die im nachlass lagen und von keinem historiker beachtet wurden, dienten ihm als neue bewertungsgrundlage. denn anders als es der volksmund will, zeichnet holenstein weder ein heldenportrait, noch beteiligt er sich am bashing, das über ochsenbein noch zu lebzeiten hereingebrochen war.

denn bei seinem versuch, politisch wieder fuss zu fassen, durchlitt der vormalige volksheld eine eigentliche rufmordkampagne. zu allem übel kam hinzu, dass er seine frau emily mit dem eigenen gewehr erschoss, was ihm den rest an ehre kostete. ochsenbein – diese mischung aus tatkräftigem staatsmann und rücksichtlosem terminator – fiel danach das grosse schwarze loch des historischen vergessens.

wer einen schönen herbsttag geniessen will, dem kann ich nur empfehlen, in thun das postauto in die voralpen zu nehmen, um auf dem kirchplatz unter einem baum aus früheren zeiten angesichts des geburtshauses unseres schwarzeneggers das spannende buch von holenstein zu lesen und sich zu fragen, ob die rehabilitierung des erfinders der modernen schweiz gelingen wird oder nicht.

stadtwanderer