consilium abeundi

ich halte einen vortrag im kloster disentis – über direkte demokratie, ihren ursprung in der schweiz, den export in die ganze welt, und den versuch, so die volksmeinungen verstehen zu lernen. unweigerlich landen wir dabei beim ehemaligen disentiser klosterschüler filippo leutenegger.

kultur_kloster_disentis

pater urban empfängt mich mit einer leichten verneigung an der pforte des klosters disentis. vor dem vortrag im peter-kaiser-saal bin ich zu einem feierlichen abendessen mit salaten und fischen geladen. schon bevor alle geladenen da sind, gibt es bei einem leichten rosé diskussionen – über volksabstimmungen, minarett-initiative und umfragen.

es sei ein disentiser klosterschüler gewesen, der mich bewegt habe, umfragen vor abstimmungen für das schweizr fernsehen durchzuführen, entgegne ich. sofort ist allen klar, um wenn es geht: filippo leutenegger ist im kloster disentis ein umstrittener, aber bewundeter star.

das consilium abeuni sei über leutenegger verhängt worden, meint pater pirmin. das bedeutet soviel wie “rat zur wegweisung” erinnere ich mich aus meiner gymnasiumszeit. es ist mehr als die ehrenrunde, aber weniger als die definive abweisung. das weiss auch pater pirmin: man habe ein exempel statuieren müssen, gegen die leutenegger. denn er habe sich an keine regel halten wollen, und in einem der strengen benediktinerklöster gehe das einfach nicht. doch habe man ihm den berufsweg nicht ganz verhindert wollen, fügt er bei.

damals, sagt der ostschweizer physiklehrer im schwarzen gewand, hätten sich die rektoren der katholischen internate regelmässig getroffen und über den verblieb der problemfälle gesprochen. bei filippo habe man sich darauf geeingt, dass er in altdorf abschliessen könne, was dann auch geschah.

nach dem vortrag werde ich am späten abend an der pforte, an der ich am vorabend eingetreten war, wieder entlassen. ein consilium abeuni habe ich nicht zu befürchten. das zeigte mir schon der herzliche applaus des publikums, aber auch reichliche wein, den die patres danach ausschenkten. ich kann bleiben, in disentis und bei der srg …

doch regnet es zwischenzeitlich heftig, sodass wir keinen trockenen weg zurück ins hotel vor uns haben. ein einheimischer aus der späten vortragsrunde bietet sich an, uns ins hotel rhätia zu chauffieren, und wir nehmen das angebot dankend an. sofort ist das gespräch wieder beim kloster. unser wegbegleiter gesteht: seine pubertät habe er im kloster verbracht, das präge. und so sei er in disentis geblieben. filippo konnte man einfach nicht prägen, zu widerspenstig sei der mitschüler damals gewesen, fügte er ungefragt an. deshalb habe er auch gehen müssen.

doch kehrt der ehemalige chefredaktor der schweizer fernsehens und heutige medienunternehmer wenigstens symbolisch immer wieder nach distentis zurück. denn als wir am folgenden tag wieder vor der pforte stehen, um einer exlusiven klosterführung beizuwohnen, erklärt uns pater urban unumwunden: geschichte habe er seinen schülerInnen eben unterrichtet. der absolutismus in der geschichte sei das thema gewesen. über stalin, mao, hitler habe er das interesse der eleven zu packen versucht. und dazu habe man gemeinsam diskutiert, was diktaturen und absolutisten gemeinsam hätten – in form einer arena, mit pro und contra, die unter leitung eines modertoren-schülers aufeinander geprallt seien.

arena-begründer filippo hätte seine helle freude an der späten anerkennung gehabt.

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