der damalige savoyer handel

die schweizerische eidgenossenschaft war 1859 erst 11 jahre alt, als sie beinahe einen krieg gegen frankreich und sardinien provozierte, der durchaus die existenz des jungen bundesstaates durchaus hätte gefährden können. ein rückblick auf den savoyer handel, auch als kleine geschichtslektion an die adresse der svp-expansionsabsichten gedacht.

Chambery-Savoyensavoyen, das waren stets streng gläubige katholiken, kaisertreue monarchisten oder royalisten. heute sind es gemütliche nachbarn, mit reichem kulturellem erbe.

savoyens aufstieg
im 11. jahrhundert nahmen die burgundische grafen im heute champéry platz, um die pässe über die westalpen wie den mont cenis zu kontrollieren. 1415 stiegen sie dank kaiserlicher hilfe zu herzögen von savoyen auf, hatten jetzt besitzungen dies- und jenseits des gebirges.

regelmässige gegenspieler der savoyer wurden mit der territorialbildung frankreichs seit dem 15. jahrhundert dessen könige, die mit den bernern koaliserten, um savoyen zu schwächen. sie erlaubten den bernern und freiburgern 1536, die savoyischen gebiete rund um den genfer see zu besetzen. das war gleichbedeutend mit dem aufstieg bern zu regionalen grossmacht. die waadt konnten die eidgenossen dauerhaft behalten, derweil das chablais und faucigny, an südlichen gestaden des lac léman gelegen, an savoyen zurück gegeben werden musste.

deren herzöge hatten zwischenzeitlich ganz auf die italienische seite gewechselt. turin war ihr neues zentrum. im vertrag von utrecht 1713 wurde das savoyischen gebiet gegen mailand hin erweitert, und um sizilien vergrössert. so wenig praktikabel, wie das war, vereinigte man nur 7 jahre später savoyen unter weglassung von sizilien mit sardinien, und machte man daraus ein könighaus piemont-sardinien.

zwischen frankreich, sardinien und der schweiz
gestürzt wurde der piemontesisch-sardinische könig 1792 von den revolutionären franzosen, doch nahm der wiener kongress 1815 savoyen dem abgesetzen kaiser weg. frankreich unterstützte in der folgen den könig von piemont-sardinien im italienischen einigungskampf und förderte deren erhebung zu königen von italien. im gegenzug erhielt man 1860 savoyen (und nizza) retour.

die eigenossen war in vielfacher hinsicht mit savoyen verbunden, zuerst als untertanen, denn die savoyischen gebiete reichten schon mal bis an die aare. das begründete eine bleibende polarität der interessen von savoyen und der aufstrebenden stadt bern. nach der reformation, welche die berner ins savoyische exportierten, kooperierten vor allem die katholischen innerschweizer regelmässig mit den savoyischen herzögen. 1815, als dieses wieder an sardinien-piemont ging, gewährte der wiener kongress den eidgenossen das recht, hochsavoyen oder das ehemalige chablais und foucigny zu besetzen, doch nur für den fall einer gefährdung der neutralität.

heissporn und coolman unter den eidgenossen
genau das wurde 1859/60 zum angelpunkt, der um haaresbreite zu einem unüberlegten grenzkrieg geführt hätte. denn der schweizer bundesrat berief sich 1859, als er das chalais besetzen wollte, auf diese möglichkeit. heisssporn in der regierung war der berner jakob stämpfli, der sich am liebsten gleich selber an die spitze der besatzungstruppen gestellt hätte. nur konnte er in seinem eifer nicht hinreichend begründen, dass mit dem wechsel savoyens zu frankreich die schweizerische neutralität gefährdet gewesen wäre. und so eskalierte der konflikt mit dem sardinischen könig, dann auch mit dem französischen kaiser stück für stück.

es ist der umsicht der wirtschaftsfreisinnigen rund um alfred escher zu verdanken, dass sie dem aufbau der schweizer ökonomie, insbesondere den eisenbahnen, viel grössere bedeutung beimassen, als der patriotische freischärlerei der brüder vom staatsfreisinn. denn dank ihnen fuhr der junge bundesrat eine seiner markantesten niederlagen des jungen bundessstaates ein, nach der die besetzung abgeblasen wurde und das ganze als unrühmlichere savoyer handel in die geschichte eingehen sollte.

volksabstimmung mit erdrückender mehrheit für frankreich
frankreich regelte den wechsel savoyen unter die kaiserkrone auf eine art, die napoléon III., einst flüchtling in der schweiz, im thurgauischen kennen gelernt hatte. er liess in savoyen eine volksabstimmung darüber befinden, zu wem man gehörden wollte und dafür im frühling 1860 die erwünschte zustimmung der savoyarden mit fast schon erdrückender mehrheit. die schweizer hatten das nachsehen, erreichten aber eine freihandelszone und eine neutralitätsgarantie von frankreich.

die lage blieb jedoch jahre danach so heikel, sodass sich selbst die friedenskonferenz von versaille 1919 mit dem grenzen am lac léman beschäftigten und auch der internationale gerichtshof in den haag bis 1934 mehrfach klärend eingreifen musste.

mein rat an die svp
und so bleibt mir nur der folgende rat an die svp: finger weg von anti-europäischen lockrufen an savoyen! schon einmal versuchten 150 verirrte hochsavoyen via boote über den genfer see zu befreien. mehr als eine peinlichkeit war das nicht, und grenzstreitigkeiten, die uns einen neuen savoyer handel einbrockem, können wir uns nicht leisten. einen privaten besuch in den herrlichen savoyischen städten empfehle ich allerdings allen leserInnen des

stadtwanderers

“machet den zun nid zu wit!”

das sprach ich im gefolge von urs altermatts abschiedsvorlesung von der “verschweizerung der schweiz – ohne die schweiz?” doch nun gibt die svp zurück. sie spricht von “einschweizerung der nachbarn – in die schweiz”. nur kann ich mir auch da einen kommentar nicht verkneifen.

topelement
die karte der neuen svp-schweiz, wie sie sich der tagi ausgemalt hat (die karte hier ist richtig eingefärbt, in der printausgabe ist bozen nicht bei italien, dafür bei österreich …

ausgelöst hat das ganze dominique baettig, svp-nationalrat aus dem kanton jura. ihm geht es um eine erleichterte integration grenznaher regionen in die schweiz – als kantone. demnach könnten das elsass (f), baden-württemberg (d), vorarlberg (ö), bozen, como, varese, aosta (i), savoyen, hochsavoyen, ain und jura (f) den beitritt zur schweiz beantragen. 26 fraktionsmitglieder der svp, darunter auch parteipräsident toni brunner, unterstützen ihren kollegen in dieser sache.

was wäre, wenn die motion überwiesen würde, der bundesrat das gutheissen sollte, die verfassung deswegen geändert würde und die beitrittskandidaten vom angebot profitieren sollten? – die schweiz hätte auf anhieb nicht mehr 7,5 mio einwohnerInnen, sondern etwa 22,5 mio. die quote der alten eidgenossen würde von heute 79 auf 27 prozent sinken. der rest wären dann in der überzahl nicht mehr ausländerInnen, sondern neu-eidgenossInnen.

nur vordergründig bereinigt würden so die frontarlier-debatte in genf, und die das pendent mit den deutsche in zürich. denn es gäbe keine grenzgängerInnen mehr, ausser die jetzigen einheimischen würden es wage, die alten landesgrenzen zu überschreiten, um zu sehen, von wo die mehrheit der neuen mitnbürgerInnen deutscher, französischer und italienischer zunge kommt.

zwei perspektiven sehe ich so auf die schweiz zukommen:

erstens, würde das alles ein wenig an die schweiz von 1513 erinnern, der bisher expansivesten phase in der geschichte unseres landes, als die eroberenden truppen in vor mailand und dijon standen. es liesse auch ein wenig von der stimmung aufkommen, die 1848 herrschte, als die aufmüpfigen freisinnigen durchaus daran dachten, baden und savoyen zum teil der freien schweiz zu machen. nicht auszuschliessen wäre aber, dass wie damals negative sanktionen angedroht, militärische niederlagen folgen, neutralisierung der schweiz beschlossen würden, oder die schweiz gleich ganz aufgeteilt würde, wie es ghadafi beliebt. das kann es, im landesinteresse!, nicht sein.

zweitens, möglich wäre auch, dass sich so eine lösung für die eu-beitrittsfrage ergäbe. denn das ständemehr, bisher die sicherste hürde gegen den beitritt zur union, müsste neu berechnet werden, hätten wir neue kantone. spätestens beim beitritt baden-württembergs würden dann die kleinen kanton mit 1, die grossen zurecht eher mit 10 gewichtet. nicht nur das volks- auch das ständemehr könnte in der volksabstimmung kippen, denn das bundesland unseres nördlichen nachbars prosperiert gerade unter den bedingungen der eu-wirtschaft und würde uns wohl mit in die eu reissen. ist das im interesse der svp?

eigentlich nein! uns so erscheint mir der vorstoss aus dem jura nicht unsympathisch, weil selbstbeweusst, aber zu wenig durchdacht. denn weder für die schweiz noch für die svp ist er letztlich interessant! und so bleibt mir nur zur besinnung aufzurufen: “macht den zun nicht zwiit”, wie es bruder klaus, den ich eben erst grad lobte, gesagt haben soll!

stadtwanderer