politzentrum bern gestärkt

es war mit sicherheit ein berner tag gestern. zuerst schaffte es simonetta sommaruga in den bundesrat, und dann zog johann schneider-ammann mit ihr gleich. sp und fdp sicherten sich damit ihre beiden sitze in der bundesregierung. die neuen kommen aus köniz und langenthal, beides mittelgrosse städte im kanton bern.

teaserbreita
die beiden neuen bundesrätInnen: aus köniz und langenthal, zwei berner städten

das ist ohne zweifel ein novum, dass zwei bernerInnen gleichzeitig im bundesrat sitzen. denn seit der einführung des proporzwahlrechtes und der umgestaltung der parteienlandschaft. war die bgb resp. svp darauf abonniert – und kurz profitierte auch die bdp davon. bis das alte machtzentrum des kantons zerfiel. nun hat die berner fdp ihren bundesrat aus dem 19. jahrhundert wieder zurück, und die sp des kantons erstmals eine direkte vertretung in der regierung. mit simonetta sommaruga stellt sie auch die erster berner bundesrätin. gestärkt wurden damit jedoch weder nationale noch kantonale siegerparteien, sondern persönlichkeiten mit übersicht, die über dem kleinklein der rechner und taktiker stehen.

auch wenn man die entwicklung der wahl und wahlgänge verfolgte, kam man nicht zum schluss, dass es strategie war, zwei bernerInnen durchzudrücken. beide gewählte setzten sich gegen starke parteiinterne konkurrenz durch, und ihre wahl galt bis kurz vor schluss als unsicher. erst gestern während der wahl zeichnete sich ab, dass die beiden die favoritInnen sein würden: wegen ihrem erfahrungsschatz, ihrer kompetenz, ihrem bisherigen auftritt und ihrer ausrichtung auf sozialpartnerschaft und konkordanz, würde ich mal sagen.

ich bin froh, dass das berner-argument gestern kein negatives mehr war. gewisse zürcher medien hätschelten den einwand mit vorliebe, und übersahen gefliessentlich, dass bei einer wahl von fehr zwei zürcherInnen im bundesrat gewesen wären. es überraschte, mit welcher hartnäckigkeit an der kantonsklausel festgehalten wird, obwohl sie mit der neuen bundesverfassung eliminiert worden ist, weil sie den entwicklung des 21. jahrhunderts nicht mehr angemessen ist. zwar gibt es unverändert eine aufgabenteilung zwischen bund und kantonen, doch wächst das politikgeflecht lokal, national und internationel zusehends zusammen. nicht einmal mehr bei den parteien wird die ausrichtung auf kantone privilegiert. die sp ist schon länger (intern)national, die grünen denken gar global, die fdp ist bundesstaatsgründerin, die cvp wäre es gerne, und die svp macht allen vor, wie man ein land aus einer hand steuern kann.

die geltende bundesverfassung hält nur noch die sprachregionen als kriterium für die repräsentation im bundesrat fest. das macht wohl unverändert sinn, denn von da geht die grösste kulturelle fragilität der willensnation schweiz aus. doch selbst da wurde in der formulierung eine weiche anforderung gewählt, müssen doch die vertretung angemessen sein. in der regel interpretiert man das als proportional über die zeit. damit ist auch gesagt, dass die regionen, die üblicherweise in bundesratswahlkämpfen kreiiert werden, keinen anspruch auf repräsentation haben. dass ist beim arc lémanique gegenüber der romandie so, wohl auch beim tessin gegenüber der italienischsprachigen schweiz, und die nordwestschweiz oder ostschweizer oder das bündnerland sind alles teile der deutschsprachigen schweiz.

wenn gestern zwei bernerInnen zum zug kamen, hat diese wohl eher mit ihrer biografie und ihrer entwicklung zu tun, die extremen polarisierung aller art mied. denn mit sommaruga wurde die konsumentenschützerin der schweiz gewählt, die es fertig gebracht hatte, als vertreterin dieses teils der wirtschaft populär zu werden, politisch links fuss zu fassen, und an die notwendigkeit des staates glaubt, ohne ihn zu vergöttern. und mit schneider-ammann setzte sich einer der vorzeigunternehmer des landes durch, der sich bewusst ist, dass man als das interessen hat und vertreten muss, der politik aber nicht darauf reduziert, und selbst als freisinniger punktuelle distanz zu den herrschenden ansichten seinen verbänden markierte.

bern soll sich, jenseits der kantönlidenkens, als politzentrum positionieren, fordere ich seit langem in der metropolitandebatte. diese geht ausdrücklich nicht mehr von kantonen aus, sondern funktionalen räumen, welche die wirtschaftliche basis des erfolgsmodell schweiz legen. sie weiss zwischenzeitlich aber auch, dass es eine politische einbindung der kraftfelder braucht, in der auch andere überlegungen als wirtschaftsinteressen ein rolle spielen. die geschichte des landes, ihre vielgestaltigkeit, ihre gewachsenheit mit strukturen, die dem föderalismus und der direkten demokratie rechnung tragen, gehören genauso zu schweizerischen eidgenossenschaft wie die zürcher banken, die basler pharma und die genfer uhren.

wenn gestern zwei aus bern gewählt wurden, dann deshalb, weil es zwei sind, die weder die wirtschaft noch die politik verabsolutieren, sondern, je aus ihrer sicht, den blick aufs ganze suchen. genau das ist es auch, was mich am politzentrum bern in der metropolitanen schweiz reizt. unverändert und wieder etwas optimistischer.

stadtwanderer