matthäus schiner, der erste schweizer kardinal

wer weiss nichts von der niederlage der eidgenossen in marignano? wohl kaum jemand, der nur das mindeste aus der schweizer geschichte kennt. doch wer weiss, wer die eidgenossen in die folgenreiche schlacht führte? kaum einer, der nicht spezialist ist für die umbruchszeit vom mittelalter zur neuzeit. die nachhilfe.

POSU5_13kardinal matthäus schiner, aus dem goms, führte die eidgenossen in die niederlage von marignano, bevor er an der seite von kaiser karl v. europäische grossmachtpolitik betrieb.

alles begann im goms und endete in rom. matthäus schiner wurde 1465 im oberwallis geboren, den tag hatte man nicht notiert. in como wurde der bub aus mühletal zum priester ausgebildet, 1499 mächtiger bischof in sitten. von da aus herrschte er über die seelen seiner walliser schäfchen, aber auch über wichtige alpenpässe zwischen nord und süd.

das machte schiner unumgänglich. denn 1493 schlossen der könig von frankreich und der kaiser frieden. sie teilten sich das burgundische erbe, und sie hofften danach, ihre macht in oberitalien zu vermehren. schiner war zeit seines lebens ein haudegen, die sich voll und ganz auf die seite des kaisers stellte. das brachte ihm die kardinalsweihe in rom; im gegenzug musste er die begehrten eidgenossen gegen den könig aus paris mobilisieren.

1512 gewannt man in pavia, 1513 in novara je eine schlacht. die söldner in den schlachten führten die gefürchteten eidgenössischen heerführer. diese wiederum lenkt der kardinal aus dem wallis. er warihr grosser stratege. rom ehrte ihn mit dem titel “Befreier Italiens und Beschützer der Kirche”. doch dann kam alles anders, als man dachte: 1515 wurde die schlacht zu marignano geschlagen. es siegten die franzosen unter françois i. 12000 eidgenossen liessen ihr leben für die grossmachtfantasie des walliser kardinals.

danach ging schiner nach zürich, denn im wallis war er nicht mehr willkommen. schiners fenster zu europa öffnete sich mit dem tod von kaisers maximilian 1519. drei könige wollten kaiser werden. der aus frankreich, der aus england und der aus spanien. schiner schlug sich voll und ganz auf die seite von carlos i., der bald darauf als karl v. kaiser wurde. der kardinal zog mit ihm im kaiserdom in aachen ein. gemeinsam mit den truppen des papstes eroberte schiner 1521 mailand zurück – seine persönlich rache für die schmerzende niederlage sechs jahre zuvor.

schiner stand auf dem höhepunkt seiner macht als der lebensfroh renaissance papst leo x.starb. nun war er einer der herausragenden papabili. erasmus von rotterdam, der humanist, empfahl den geistesverwandten als neuen kirchenführer. doch verweigerten ihm die franzosen hartnäckig ihre stimmen, bis schliesslich ein niederländer als kompromiskandidat unter dem namen hadrian vi. papst wurde. schiner folgte ihm ergeben, ohne noch lange zu leben. denn 1522 starb er in rom an der pest. fast schon symbolisch: sein grab wurde zerstört, als die kaiserlichen söldner kurze zeit später die papststadt in der sacco di roma plündern und der weltlichen machtpolitik der kirche mit ihren schweizer helfershelfern ein ende setzten.

matthäus schiner, erinnere ich mich, ist in meinem geschichtsunterricht in der schule nicht vorgekommen. erst als nach dem studium in einem zürcher antiquariat das buch über die 100 wichtigsten schweizer kaufte, erfuhr ich vom berühmten walliser. heute gilt es als global player der europäischen politik, wie ihn der freiburger historiker volker reinhard nennt. in der tat: er ersann und er realisierte auch europäische politik, wie es der konservative philosoph gonzague de reynold einst nannte.

wer weiss, vielleicht ist er genau deshalb bei vielen unbeliebt.
vielleicht ist das so, weil er mit seinern walliser gebrochen hatte.
vielleicht auch, weil er eine religös motiverter hetzer des einfachen fussvolkes war, das in marignano sein leben liess.

stadtwanderer