wie viele kriminelle ausländerInnen vor ort brauchte es für ein ja zur ausschaffungsinitiative?

es kommt nicht auf den ausländerInnen-anteil an, ob eine gesellschaft bereit ist, mit den Menschen, die sich dahinter verbergen, korrekt umzugehen. es kommt vielmehr auf die bereitschaft einer gesellschaft an, sich dieser herausforderung zu stellen. dabei geht es nicht einmal um die problematik vor ort, sondern um die problematik mit unseren bildern der orte.

Tagesschau vom 29.11.2010
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um gleich mögliche einwände auszuräumen: es geht mir nicht darum, den volksentscheid vom sonntag zu kritisieren. er steht, und er ist unwiderruflich. es geht mir um grundsätzlicheres: nämlich um die frage, was zum volksentscheid geführt hat.

die übliche argumentation lautet: je mehr ausländerInnen es an einem ort hat, desto mehr kriminalität durch ausländerInnen gibt es- und umso wahrscheinlicher ist ein ja zur ausschaffungsinitiative gewesen.

“mitnichten!”, muss ich entgegnen.

am vergangenen sonntag sagten kantone wie appenzell innerrhoden oder uri weit über dem mittel ja zur ausschaffungs-initiative, derweils vor allem baselstadt sie mehrheitlich verwarf. da wiederum ist der ausländerInnen-Anteil hoch, und das trifft auch auf den prozentsatz der ausländerInnen unter den straffälligen zu. in appenzell innerrhoden oder uri wiederum gilt das nicht.

das sind nicht einfach zwei herausgegriffene beobachtungen. es ist ein verallgemeinerungsfähiger zusammenhang – und das sowohl in der deutsch- wie auch in der französischsprachigen schweiz.

falsch wäre der schluss, je mehr ausländerInnen wir in der schweiz hätten, desto geringer wäre die annahmechanche von initiativen wie derjenigen zur ausschaffung krimineller ausländerInnen. denn das ist die zeitliche analyse.

richtig ist aber die folgerung, dass es regionen gibt, die zu jeder zeit mit problemen mit ausländerInnen besser zu rank kommen, als solche, die schon an geringen schwierigkeiten scheitern.

warum? zunächst hat es etwas mit lokalen mentalitäten zu tun. herrschen in einer region nationalkonservative werte vor, ist die abgrenzungsbereitschaft hoch. denn das geht häufig einher mit der forderungen einher, schweizerInnen gegenüber ausländerInnen generell zu bevorzugen. und es korrespondiert mit dem wunsch, sich gegenüber dem ausland abzugrenzen. das ist in gegenden mit vorherrschenden linksliberalen werten beileibe nicht der fall. denn da ist gleichberechtigung jenseits von nationalitäten im schwang, und eine offene schweiz wird unverändert befürwortet.

damit bin ich bei meiner zentralen feststellung: es kommt nicht nur auf die zahl, zusammensetzung und rechtsverstösse von ausländerInnen in der einheimischen bevölkerung darauf an, um zu bestimmen, wie wahrscheinlich es ist, dass man initiativen wie die zur ausschaffung krimineller ausländerInnen befürwortet. es kommt auch auf die aufnahmebereitschaft der lokalen kulturen an.

dies korresponiert mit der generellen konfliktlinie zwischen konservativer und liberale politkultur. es ist aber auch abhängig vom mediale diskurs, von der politischen werbung und von der politisierung durch parteien. denn diese politischen akteure verfestigen latent vorhandene bilder von ausländerInnen, von kriminalität und von den zusammenhängen zwischen beidem.

wo es zu solch zementierten images über ausländerInnen gekommen ist, wird über diese abgestimmt, egal, ob es lokale probleme mit ausländerInnen gibt oder nicht. die Angst davor, zustände zu bekommen, wie man sie vom hören-Sagen aus anderen orten zu kennen glaubt, lässt einen präventiv ja sagen.

und nun die pointe: in der mediengesellschaft multiplizieren sich die darstellungen gerade auch von menschen. die medialität beenflusst unserer wahrnehmungen der realität – und unsere modi der entscheidungen von sachlich bis aufgebracht.

deshalb kann es auch sein, dass es gar keine kriminelle ausländerInnen vor ort brauchte, damit man ja zur ausschaffungsinitiative sagte!

stadtwanderer