die umweltbewegung: von der neuen sozialen bewegung zum teil der globalen mediengesellschaft

in den 80er jahren entstand die umweltbewegung als der teil der neuen sozialen bewegung. die abgrenzung zu den gewerkschaften als alter sozialer bewegung war entscheidend. heute entkoppeln sich das lokale und globale zusehends, und die umweltaktivitäten werden zum teil der globalen mediengesellschaft. (m)eine kleine umweltgeschichte – zweiter teil.

am 1. august 1983 sammelte die nationalspende für das baumsterben. ein paar gebiete in der schweiz seien von diesem problem betroffen, sagte man mir anderntags erklärten mitarbeiterInnen einer eidgenössischen forschungsanstalt, unsere wälder seien schwer krank. der wald sterbe.

jetzt malten kinder malten bilder mit sterbenden bäumen, umgefallenen wäldern, verendeter natur. die apokalypse war kein zukunftsthema mehr, sie fand plötzlich in der ist-zeit statt. die erschreckten eltern diskutierten, ob sie etwas falsch gemacht hatten, aufs autofahren verzichten sollten, inskünftig den oev benutzen müssten.

diese gesellschaftliche debatte erreichte rasch die politik. im herbst ‘83 standen parlamentswahlen an. und die beratungen des umweltschutzgesetzes waren in der schlussphase. menschen, tiere und pflanzen sollten damit geschützt werden. lebensräume sollten vor schädlichen oder lästigen einwirkungen bewahrt werden. die fruchtbarkeit namentlich des bodens sollte wieder gefördert werden. das wirkte die nachricht vom waldsterben wie eine bombe.

am 7. oktober 1983, rechtzeitig vor den wahlen, verabschiedete man das umweltschutzgesetz. damit wurde auch die verbandsbeschwerde auf eine neue basis gestellt. in den 60er jahren eingeführt, entwickelte sich das instrument zum dreh- und angelpunkt der interventionsmöglichkeiten für umweltverbände.

in meinen kursen zur schweizer politik am medienausbildungszentrum in luzern diskutierten wir zwischen 1986 und 1990 das fallbeispiel regelmässig. agenda setting, ein begriff des amerikanischen medienforschers bernhard cohen, leitete unsere debatten zu aktiver medienöffentlichkeit und institutioneller politik. anders als in früheren wirkungsuntersuchungen, unterschied cohen zwischem dem, was die medienrezipienten denken, und worüber wir denken. ersteres lasse sich durch medien kam beeinflussen, zweiteres schon.

das passte zum zeitgeist. journalistInnen verstanden sich als speerspitze im wertewandel. aufmerksam machen auf das, was ist, aber verkannt wird, war die verbreitete losung. 1987 propagierten ein dutzend prominente medienschaffende, politikerInnen und professorInnen die “hoffnungswahl” in buchform. in allen fortschrittlichen parteien sollten die ökologisch ausgerichteten, bisherigen und neuen bewerberInnen gefördert werden.

das ergebnis der nationalratswahl hinterliess eine perplexe avantgarde. zwar legten die grünen wie schon 1983 zu, doch gab die autopartei, bis dahin unbekannt, erstmals gegensteuer. die rechtskurve wirkte sich bin in meine kurs aus. die studierenden wollten jetzt mehr über die migrationsfrage erfahren als über die ökoproblematik.

das alles war symptomatisch: die umweltfrage wurde in den 80er jahren zur partei. grüne und rote nahmen sie willig auf, provozierten damit aber eine antietatistische gegenreaktion. die autopartei forderte freie fahrt für freie bürger. die automobilindustrie kritisiert das waldsterben, die bürgerlichen parteien setzten unverändert auf wirtschaftswachstum, und unterschieden zwischen technischem und ideologischem umweltschutz. zwischenzeitlich spricht man schon von verwaldung des schweizer mittellandes.

heftig politisiert wurde die verbandsbeschwerde der umweltverbände 20 jahre nach ihrer etablierung im umweltschutzrechtes. 2004 kam es zum eklat, als der zürcher vcs nach einem volksentscheid zu einem sportstadion mit einkaufszentrum eine exemplarsiche verbandsbeschwerde durchzog. das war gewagt, denn der volkswille ist den schweizern heilig. die ökoaktivistInnen wurden öffentlich als ökofundis beschimpft. die svp nahm den ball auf und setze im verbund mit den bürgerlichen parteien im parlament eine einschränkung des verbandsbeschwerderechts durch.

mit dem sogenannten schabernak aus den 80er jahren aufräumen wollte die fdp des kantons zürich. sie lancierte eine nationale volksinitiative, um das verbandsbeschwerderecht weitgehend zu kappen. vorgeworfen wurde den umweltorganisationen, zu bauverhinderen geworden zu sein. diese verwiesen darauf, dass die mehrheit ihrer beschwerden ganz oder teilweise gutgeheissen werde. das stimmvolk stellte sich schliesslich auf ihre seite. 2008 sagten 66 prozent der stimmenden in der volksabstimmg nein, alle kantone waren dagegen.

doch hat sich der kampf um die umwelt auf die globale ebene verlagert. internationale organisationen analysieren den zustand der luft, des bodes und des wassers. sie legen werte und ziele der politik fest. sie entwickeln programme des handelns. globale akteure nehmen relevanten einfluss auf das, was in der klimapolitik geschieht. al gore war der gegenspieler von georges w. bush. die erdölindustrie ficht gegen die greentech-branche. und die weltweiten medien entscheiden, ob wisenschaftssymposien oder uno-konferenz erfolg haben oder nicht.

in den 80er jahren entwickelte sich die neuen sozialen bewegungen in abgrenzung zu den alten sozialen bewegungen. heute mutiert die umweltbewegung vom lokalen akteur zum globalen netzwerk, die spezialistInnen der medienarbeit hat, lobbying in der uno und in der stadt betreibt, und grassrouts-aktionen im richtigen moment mobilisieren kann.

nicht zu unrecht spricht man in diesem zusammenhang von emergenz. denn es ist nicht mehr die kinderzeichnung aus betroffenheit, die mobilsiert, sondern das globale strategiepapier, das lenkt. umweltprobleme sind vielerorts real, ihre verhandlung entsteht aber aus der medienweltgesellschaft heraus. dabei sind die ergebnisse immer weniger vorhersehbar, entfalten sie sich aus der aktion selber heraus. den lokalen aktivistInnen hilft das gegelegentlich, gelegentlich schadet es ihnen.

stadtwanderer